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Magnetismus

von

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Gestohlene Zeit im Niemandsland

Mit einem Mal waren die Bedrohungen durch das Alpharudel und den Darach gebannt.

Sie hatten gesiegt!
 

Natürlich hatten sie alle auch einen Preis bezahlen müssen.

Allen voran natürlich Derek, der seinen Alphastatus geopfert hatte, um seiner Schwester das Leben zu retten.

Und nun war Derek weg!
 

Stiles konnte gut verstehen, dass er es in Beacon Hills gerade nicht mehr aushielt und fort wollte. Er selbst hätte ehrlicherweise auch nichts gegen eine Luftveränderung einzuwenden gehabt.

Was er aber nicht verstehen konnte; nein, definitiv nicht, war die Tatsache, dass Derek nichts gesagt hatte nach…ALLEM!
 

Stiles hatte es von Scott am Telefon erfahren müssen, dass Cora und Derek vor einigen Stunden ohne Auskunft über Ziel und Rückkehr abgereist seien, als sei er nicht wichtig genug, ein persönliches Lebewohl zu erhalten.
 

Stiles schlug mit der Faust hart gegen die Wand über seinem Bett.

Und in diesem Moment teilte sein Handy mit, dass er eine SMS erhalten hatte. Er rieb sich die schmerzenden Fingerknöchel und nahm das Telefon vom Nachttisch.

Von Derek!

Mistkerl!

Wollte er ihn wirklich mit einer schlichten Kurzmitteilung zum Abschied abspeisen. Etwa in der Art: `Bin weg. Komme nicht wieder. Schönes Leben noch, Kumpel!´
 

Billig!
 

Als er den Inhalt der Nachricht öffnete, hätte Stiles jedoch nicht erstaunter sein können. Sie enthielt den Namen und die Wegbeschreibung zu einem Hotel fünfzig Meilen von hier und den Nachsatz: „Verbringen dort die Nacht! Kommst du?“
 

Eine Minute lang hatte Stiles trotzig darüber nachgedacht, gar nicht hinzufahren. Sollte der treulose Wolf doch sehen wie es war, hängen gelassen zu werden. Nicht, weil er wirklich das Herz dazu gehabt hätte, sondern einfach bloß, weil es gut tat, gedanklich mit dieser Möglichkeit zu spielen.
 

Doch natürlich tippte er umgehend eine Antwort in sein Handy (`Bis später, du Arsch!`), stand eine Stunden später vor der Hotelzimmertür und klopfte. Es dauerte einen Moment, ehe ihm geöffnet wurde, doch dann stand Derek vor ihm, barfuß, nur in Jeans und mit einem Handtuch auf dem Kopf, mit welchem er sich die Haare trockenrieb. Eine Sekunde lang erlaubte sich Stiles, den Blick über den gestählten Brustkorb gleiten zu lassen, ehe er sich ein wenig zur Seite drehte, um nicht als Spanner entlarvt zu werden. Derek warf das Handtuch aufs Bett, griff nach einem Shirt, streifte es sich über und Stiles atmete erleichtert durch:

„Weit bist du ja nicht gekommen!“ stellte er lakonisch fest:

„Ich bin ein „Arsch“?“

Derek hob belustigt eine Augenbraue. Stiles zuckte mit den Schultern und Derek fuhr fort: „Cora und ich saßen im Auto und eigentlich wollte ich so schnell und so weit wie möglich von Beacon Hills weg, nach allem, was passiert ist. Dann wurde mir klar, dass ich etwas Wichtiges vergessen hatte!“

Stiles wollte fragen, was das war, doch ein Blick in Dereks verlegenes Gesicht ließ ihn ahnen (oder vielmehr hoffen), worum es ging:

„Wo wollt ihr denn eigentlich hin? Wann werdet ihr zurück sein?“

Derek blieb die Auskünfte schuldig, was zweierlei bedeuten konnte: Entweder die ganze `Flucht-aus-Beacon-Hills-Sache war nicht allzu gut durchdacht und er wusste es selbst nicht so genau, oder er wollte verhindern, dass ein verliebter Teenager, der den kriminalistischen Spürsinn seines Vaters geerbt hatte, sich an seine Fersen heftete.
 

Doch eines verriet Stiles diese Zen-Buddhistische Nicht-Antwort: Was auch immer sich jetzt abspielen sollte, sie hatten dafür nur diese eine Nacht.

Oder vielmehr nicht einmal die, denn wenn er vor seinem Vater zuhause sein wollte hieß das, um spätestens vier Uhr morgens wieder im eigenen Bett zu liegen.

Jetzt war es halbsechs am Abend!

„Wo ist Cora?“ fragte Stiles:

„Sie hat ihr eigenes Zimmer!“ erwiderte Derek:

„Nebenan?“ wollte der Jüngere wissen.

„Anderes Stockwerk!“ lautete die Antwort.

Gut zu wissen, dachte Stiles bei sich. Denn wie auch immer dieser Abend verlaufen würde, er hätte ungern ein übernatürlich scharfes Teenager-Werwolfgehör in der Nähe.
 

„Willst du reden?“ fragte Stiles.

Derek sah unbehaglich aus, so, als ränge er schwer mit sich und schließlich fragte er:

„Ich muss nur eine einzige Sache wissen: Ist da etwas zwischen uns! Ich habe nämlich das Gefühl, ich kann mich in Fragen wie diesen nicht mehr unbedingt auf meine Instinkte verlassen.“
 

Natürlich sprach er von Jennifer, die sich am Ende als der Darach entpuppt hatte.
 

Stiles nickte:

„Ja, da ist etwas!“ bestätigte er mit belegter Stimme.

„Gut!“ erwiderte Derek.

Dann trat er näher auf Stiles zu und griff nach dessen Hand.

Es war eine unerwartet sanfte Geste.

Stiles ließ sich von dem Älteren zum Bett führen, wo sie beide schüchtern nebeneinander Platz nahmen und die Finger ineinander verschränkten.
 

Das war nicht ganz die leidenschaftliche Schlafzimmerszene, die Stiles hin und wieder in schlaflosen Nächten vor seinem geistigen Auge erschienen war, ohne dass er sich dagegen wehren konnte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte Stiles genug Mut gesammelt, um den Kopf auf Dereks Schulter abzulegen.

Der Werwolf hielt für einen Moment den Atem an. Dann entspannte er sich wieder ein wenig, legte sich auf das breite Hotelbett und zog Stiles neben sich, achtete dabei jedoch darauf, dass eine Handbreit Abstand zwischen ihnen blieb.

Derek lag auf dem Rücken und starrte zur Decke. Stiles war ihm zugewandt und betrachtete ihn: den Brustkorb, der sich hob und senkte, das kantige Profil und den unbehaglichen Gesichtsausdruck:
 

„Wenn ich fort bin, habe ich wenigstens keine Möglichkeit mehr, dich in meinen Werwolf-Mist mit hineinzuziehen und dein Leben in Gefahr zu bringen!“ sagte er Ältere unvermittelt.

Stiles lachte kurz und bitter auf:

„Du vielleicht nicht, aber ich schätze, Scott und den Anderen wird schon etwas einfallen!“ und auf den Lippen lag ihm noch `Aber dann wirst du nicht in der Nähe sein, um mir den Arsch zu retten´, doch er wollte nicht gehässig, kleinlich und egozentrisch klingen. Und wenn er schon nur diesen Abend hatte, dann wollte er ihn sicher nicht mit Anschuldigungen und Streit verbringen.
 

Er schluckte.

Dann beugte er sich zu Derek hinüber und legte schüchtern einen weichen Kuss auf dessen Lippen.

Der Ältere blickte ein wenig ängstlich in sein Gesicht, als er erklärte:

„Du bist so jung!“

Doch Stiles konnte hören, dass der Satz eigentlich hätte lauten müssen `Du bist ZU jung!´
 

Die Frage war nur, zu jung wofür?

Um sein Leben in irgendeiner übernatürlichen Schlacht zu verlieren? In diesem Fall: Volle Zustimmung! Er war definitiv noch nicht bereit abzutreten!

Doch wahrscheinlicher war, das Derek meinte `Du bist zu jung für mich und das, was ich gern mit dir tun würde´ und damit war Stiles rein gar nicht einverstanden.
 

Und überhaupt!

War er nicht hier, weil er eingeladen worden war?

Was sollte er mit diesen inkongruenten Botschaften anfangen?

Er legte eine Hand auf Dereks Brustkorb und wartete ab, ob es erlaubt war. Als die Gegenwehr ausblieb, begann er mit den Fingern sanft kleine Kreise zu beschreiben:
 

„Warum hast du mich hierher bestellt? Was mache ich hier? Ich fühle mich wie ein Schauspieler bei der Premiere, der seinen Text nicht kennt!“

Derek schaute ihn an und dutzende Regungen zeigten sich in seinem Gesicht: Angst, Trauer, Unsicherheit, Scham. Aber darunter lag noch etwas anderes; etwas das Stiles sehr gefiel; etwas Wildes!“
 

Und plötzlich lag Derek auf ihm, pinnte Stiles Hände mit den eigenen über dessen Kopf fest, drängte sich eng an ihn und küsste ihn fest, tief und lange.

Und weil er seine Hände gerade nicht zur Verfügung hatte, schlang Stiles ein Bein um ihn, um ihn noch näher bei sich zu haben.
 

„Wow!“ murmelte Stiles, als sich ihre Lippen nach einer gefühlten Ewigkeit wieder voneinander lösten.

Derek blickte auf ihn hinab, die Kiefer nun plötzlich fest ineinander verbissen und der Blick unglaublich ernst:

„Was ist?“ erkundigte sich Stiles verunsichert:

„Das hier ist nicht richtig!“ erklärte Derek und rollte von dem Jüngeren herunter:

Stiles wandte sich Derek zu und stützte das Kinn auf seine Hand:

„Für mich fühlt es sich aber ziemlich richtig an!“ Trotz lag in seiner Stimme und er schob eine Hand unter Dereks Shirt. Dieser schloss die Augen und genoss einen Moment lang die Finger auf seiner Haut, ehe er nach dem Handgelenk griff und der Sache ein Ende machte:
 

„Das hier war ein Fehler! Vielleicht solltest du jetzt besser gehen!“ murmelte Derek:

„Meine Zeit hier ist noch nicht vorbei. Wenn du mich loswerden willst, musst du mich schon mit Gewalt hinauswerfen, Kumpel!“ verkündete Stiles selbstbewusst und nun war er derjenige, der oben lag und den Kopf senkte, um Derek zu küssen. Überraschenderweise wehrte dieser sich erst, als Stiles Finger an seinen Jeansknöpfen zu nesteln begann. Derek packte die Hand des Jüngeren und schob sie beiseite:

„Das wird nicht geschehen! Du bist minderjährig!“ brachte er entschieden vor:

„Die Gesetze, die das verbieten, sind zum SCHUTZ von Minderjährigen da. Ich brauche aber keinen Schutz vor dir. Ich vertraue dir und ich will es! Niemand wird je davon erfahren, Derek!“ versicherte Stiles ernsthaft.
 

Derek schüttelte den Kopf:

„Ich würde es wissen.“ Murmelte er.
 

Stiles richtete sich auf, blieb aber auf Dereks Hüfte sitzen.

Er blickte hinab in das zerknirschte Gesicht des Werwolfes und empfand abwechselnd Ärger und Rührung.

Und dann noch mehr Ärger, weil er es absolut unpassend fand, dass Dereks Zurückhaltung ihn rührte!
 

Ihm lag eine heftige Erwiderung auf den Lippen, doch er wusste, es würde nichts an der Situation ändern. Er atmete tief durch und antwortete schließlich sanft:

„Was hast du an meinem achtzehnten Geburtstag vor?“

Derek lächelte vielsagend:

„Küssen wir uns noch eine Weile?“ fragte Stiles weiter

Das Lächeln des Älteren wurde breiter:

„Oh, ja!“
 

Es war bereits drei Uhr am Morgen, als Stiles Blick auf Dereks breite, silberne Armbanduhr auf dem Nachttisch fiel:

„Verdammt!“ fluchte er: „Wenn ich vor meinem Vater zuhause sein will, dann schaffe ich das nur noch mithilfe von Geschwindigkeitsübertretungen und überfahrenen Stoppschildern!“
 

Er setzte sich auf, rückte seine krause Kleidung zurecht und strich sich durch die Haare, um wieder halbwegs so etwas wie eine Frisur herzustellen. Dann blickte er auf Derek hinab:

„Bitte komm` zurück mit mir nach Beacon Hills! Ich will nicht, dass du einfach verschwindest!“ murmelte er.

Derek richtete sich ebenfalls auf:

„Ich wünschte, ich müsste nicht!“

„Du MUSST ja auch nicht. Das ist nur in deinem Kopf so!“ erwiderte Stiles trotzig:

„Tut mir leid!“ sagte Derek niedergeschlagen, weil es sonst nichts weiter zu sagen gab:

„Wie auch immer!“ gab Stiles mürrisch zurück, schwang die Füße über den Bettrand, zog sich seine Schuhe an und ging hinüber zur Tür.
 

Tatsächlich dachte er einen winzigen Moment darüber nach, einfach grußlos zu verschwinden, doch da war wieder dieser verfluchte Magnetismus, der ihn einfach nicht ohne weiteres entkommen ließ. Er wandte sich um und ließ sich mit dem Rücken gegen die Tür fallen:

„Sehe ich dich irgendwann wieder?“ wollte er von Derek wissen.

Dieser war sekundenschnell aufgestanden und bei ihm:

„Spätestens an deinem achtzehnten Geburtstag.“ Erwiderte er und legte Stiles die Hände auf die Hüften:

„Weißt du überhaupt, wann der ist?“ fragte der Jüngere skeptisch.

Derek nickte.

Sie küssten sich noch einmal und dann brach Stiles einfach auf, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
 

Kaum hatte er das Hotel verlassen und saß in seinem Wagen, kamen Stiles die Begebenheiten dieser Nacht bereits vollkommen irreal vor.

Er und Derek waren sich im Niemandsland begegnet und hatten gestohlene Zeit miteinander verbracht. Es hätte ebenso gut ein Traum gewesen sein können.

Kurz war sein schläfriges Hirn sich nicht mehr sicher, ob es nicht auch genauso gewesen.
 

Er startete den Motor in dem Bewusstsein, wenn (und falls!) Derek und er sich je wiedersehen sollten, würden sie beide so tun, als habe diese Begegnung niemals stattgefunden; völlig egal was Derek gesagt hatte.



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