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Die Grotten von Necrandolas

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Moin Moin,
sooo es geht weiter ^^
Viel Spaß! :) Komplett anzeigen

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Außer Reichweite

Als wäre gar nichts vorgefallen, drehte Severus sich bald wieder im Bett hin und her, während Harry, im Sitzen fast einschlafend, versuchte ihn zu beruhigen. Aber immerhin murmelte er nicht mehr so viel Blödsinn, sondern schien langsam wieder klarer im Kopf zu werden. Schließlich blieb der Slytherin tatsächlich mal länger auf der Seite liegen, Harry zugewandt, sodass Harry seinen Kopf auf der Schulter des anderen ablegen und kurz entspannen konnte.

Er sah auf Severus hinab, der starr geradeaus blickte. Seine Atmung hatte sich wieder normalisiert und der Schüttelfrost war auch vorbei, was Harry ein wenig beruhigte. Die ersten Sonnenstrahlen brachen herein und Severus blinzelte ihnen träge entgegen. Sanft strich Harry wieder über Severus' Rücken und die Augen des anderen wanderten zu ihm. Sie waren nicht mehr verschleiert, aber dafür wirkte der Slytherin abgekämpft und schwach. Und bildete er sich das nur ein, oder war er immer noch sauer auf ihn?

Severus war inzwischen wieder so still, dass es fast unheimlich war. Er drehte sich auf den Rücken, sodass Harry sich wieder gerade hinsetzen musste, und legte seinen Arm über die Augen. So langsam schien er wieder er selbst zu werden.

„Geht's dir besser?“, fragte Harry probeweise nach, in der Hoffnung eine Antwort zu bekommen oder wenigstens ein Anzeichen dafür, dass er verstanden wurde.

„Was denkst du denn?“, antwortete Severus tatsächlich schwach, aber immerhin versuchte er dabei grantig zu klingen, was nur noch nicht ganz funktionieren wollte.

„Naja, immerhin scheinst du nicht mehr zu fantasieren“, murmelte Harry und strich sich müde über die Augen. „Und man kann wieder mit dir reden.“

Als Antwort kam ein verächtliches Schnaufen, was wohl zeigte, dass er kein Interesse am Reden hatte. Aber vielleicht war Severus noch benebelt genug, dass er tatsächlich ein wenig offener mit ihm reden würde. Ein Versuch war es sicherlich wert.

Also fragte Harry: „Verrätst du mir, was das für ein Trank war, dem du offenbar diese Nacht zu verdanken hattest?“

„Ich bin nicht in der Stimmung zu reden“, murmelte der Slytherin und drehte sich demonstrativ von Harry weg.

Dabei war ihm anzusehen, dass ihm jede Bewegung schmerzte. Harry seufzte enttäuscht auf. Am liebsten hätte er noch weiter gebohrt, doch irgendetwas an Severus hielt ihn davon ab. In seiner Stimme hatte etwas mitgeschwungen, was der Gryffindor nicht verstand und auch aus dem Gesichtsausdruck des anderen konnte er das Rätsel nicht entschlüsseln. Er zeigte ihm gerade die kalte Schulter und Harry wusste nicht wieso. Ging es vielleicht um seine Kussattacke? Oder fühlte er sich immer noch von ihm verraten? Was es auch war, Harry hatte heute genug gegrübelt. Inzwischen war er einfach nur noch schrecklich müde.

„Ich kann mich jetzt also ohne schlechtes Gewissen schlafen legen?“

„Woher soll ich wissen, ob du überhaupt ein Gewissen hast?“, knurrte Severus kratzig.

Jetzt runzelte Harry doch verwundert die Stirn.

„Hey, wenn du ein Problem hast, dann sag es mir.“

„Ich sagte, ich will nicht reden“, kam die sture Antwort.

Genervt sagte Harry: „Aber es ist auch nicht fair von dir, wenn du jetzt einfach...“

„Lass es gut sein“, unterbrach Severus ihn schlecht gelaunt.

Protestierend griff Harry nach ihm, um ihn umzudrehen, wobei der Slytherin ein leises Ächzen von sich gab, da ihm die Bewegung weh tat.

„Nein, ich...“

Als Harry den Blick des anderen sah, blieben ihm seine Worte im Hals stecken. Severus versuchte, ihm einen grimmigen Blick zuzuwerfen... der nicht ganz so grimmig ausfiel, sondern eher verletzt.

Nun verstand Harry gar nichts mehr. Verwirrt starrte er den anderen an.

„Geh einfach zu deinem Bett rüber und lass mich schlafen, okay? Danke.“

Damit drehte Severus sich wieder weg und ignorierte den fragenden Blick des Gryffindors. Was zum... Hatte Harry irgendwas verpasst? Er schlug sich die ganze Nacht um die Ohren, um Severus zu helfen und jetzt pampte der ihn so an? Was hatte er ihm denn bitte getan?

„Wenn ich mir deine Sprüche schon anhören muss, solltest du wenigstens die Güte haben, mir zu sagen, womit ich das verdient habe.“

„Du mischst dich doch immer in alles ein“, knurrte Severus. „Dann kannst du nicht erwarten, dass sich da alle drüber freuen.“

„Hättest du die Nacht etwa lieber alleine durchgestanden?“, beschwerte Harry sich. „Ich bin die ganze Zeit über hier sitzen geblieben, nur um dir zu helfen.“

Wütend drehte Severus sich auf den Rücken und funkelte den Gryffindor an.

„Und ich hatte dir gesagt ich will deine Hilfe nicht!“

„Dann wärst du also lieber irgendwann in deiner Wohnung zusammengebrochen? Wo kein Schwein das mitbekommt?“, rief Harry aufgebracht aus.

Ein Streit war etwas, was dem Slytherin noch zu anstrengend war. Genervt aufseufzend schloss er die Augen, strich sich übers Gesicht und verweilte eine Weile so daliegend.

„Was erwartest du von mir, Potter?“, murmelte er. „Dass ich deine Heldentat würdige, so wie es alle anderen immer tun? Du müsstest mittlerweile wissen, dass ich nicht zu deiner Fangemeinde gehöre.“

„Nein, ist mir nie aufgefallen“, antwortete Harry ironisch. „Aber dir scheint es auch nicht aufzufallen, wenn sich jemand um dich sorgt.“

Hatte er das jetzt wirklich ausgesprochen? Severus öffnete wieder die Augen und schielte zum Gryffindor hinüber, welcher schluckte. Gut, dass er sich Sorgen machte, war wohl ohnehin offensichtlich, aber eigentlich hatte er nie vorgehabt, das dem anderen auch zu sagen. Es war ihm rausgerutscht, da musste er jetzt mit leben.

„Wie soll ich denn deiner Meinung nach reagieren?“, fragte Severus ruhig und Harry stockte.

Ja, was genau erwartete er eigentlich? Auch wenn er nun die Nacht bei ihm gewesen war, hatte sich nichts an der Abmachung geändert. Es war ein merkwürdiges Gefühl nach all der Nähe, die er Severus gegeben hatte, wieder auf Abstand zu gehen, als sei nichts gewesen. Dennoch war Severus' Blick seltsam, so als würde ihm das ganze hier auch schwer fallen. Eine gewisse Verzweiflung lag in seinen Augen und Harry war vollkommen überfordert. Vielleicht war das nur eine Folge der Nacht. Severus' Nerven müssten am Ende sein.

„Siehst du“, beurteilte Severus das Schweigen des anderen und drehte sich wieder auf die Seite.

„Ich will, dass du ehrlich bist“, platzte es aus Harry heraus. „Ich will, dass du mich nicht so angreifst, nachdem ich stundenlang Wache gehalten habe, sondern endlich mal mit mir redest. Seit gestern Nachmittag sitze ich hier, ohne dass du mir sagst, was hier überhaupt los ist. Ich will, dass du endlich...“

'...sagst, was in dir vorgeht.', wollte Harry sagen, doch die Worte blieben ihm im Halse stecken.

Ohne sich umzudrehen, stellte Severus sarkastisch fest: „Und es liegt natürlich nicht an deiner krankhaften Neugierde, dass du alles wissen willst. Du versuchst mir vollkommen selbstlos zu helfen, ohne dabei den Hintergedanken zu haben, an Informationen heranzukommen.“

„Seit wann stellst du meine Selbstlosigkeit in Frage?“, runzelte Harry verwundert die Stirn und hörte den verletzten Unterton aus Severus' Stimme heraus. „Du beschwerst dich doch ständig über meinen Heldenkomplex.“

„Und darüber, dass du dich aus reiner Neugier überall einmischst und dabei deine Sturheit ohne Rücksicht auf Verluste einsetzt, bis du das bekommst, was du haben willst. Ein Beispiel: Wenn du mir wirklich helfen wollen würdest, würdest du mich jetzt in Ruhe lassen, statt mich mit Fragen zu quälen. Aber deine Neugierde ist dir gerade wichtiger.“

Verwirrt sah Harry zum anderen. War er hier etwa im falschen Film? Hatte er die letzten Stunden nicht bewiesen, dass es ihm um Severus ging und nicht um seine pure Neugier? Harry wollte gerade protestieren, als ihm Severus zuvorkam und sich erneut umdrehte.

„Was verlangst du eigentlich von mir, Potter?“

Stirnrunzelnd antwortete dieser: „Das habe ich doch gerade gesagt. Du sollst endlich die Klappe aufmachen und...“

„Das meine ich nicht“, unterbrach Severus ihn mit einem seltsam angriffslustigen Blick.

Irritiert sah Harry zurück. Bald müssten sie doch alle Emotionen durch haben, oder?

Da er nicht verstanden wurde, setzte Severus nach: „Denkst du ich merke es nicht, wenn du mich im Unterricht anstarrst? Ständig scheinst du etwas von mir zu fordern, bist immer unzufrieden mit meinem Verhalten. Aber was zum Teufel soll ich deiner Meinung nach anders machen?“

Harry setzte an zu antworten, ohne zu wissen, was er eigentlich sagen sollte. Wie zum Teufel kam er denn jetzt plötzlich auf dieses Thema? Bei Severus' wütendem Blick fühlte Harry sich auf einmal seltsam bloßgestellt. War ihm sein innerer Kampf wirklich so stark anzusehen gewesen, sodass Severus es auch mitbekommen hatte? War er so durchschaubar für den anderen? Was sollte er denn jetzt bitte antworten? Er wusste die Antwort doch nicht einmal selbst.

„So viel also zur Ehrlichkeit“, stellte Severus trocken fest und drehte sich wieder weg. „Gute Nacht.“

Wieder schluckte der Gryffindor und sah den anderen an. Wie hatte Severus es nur geschafft, dass Harry sich jetzt selbst schuldig fühlte? Wie hatte er es geschafft, das Thema so grandios umzulenken? Auf ihre mehr als schwierige Situation. Mit seiner Frage hatte er Harry komplett überfahren, sodass er vollkommen den Faden verloren hatte. In seinem Kopf schien nur noch Severus' Frage Platz zu finden. Was er von ihm verlangte? Harry wollte, dass Severus ihm endlich zeigte, was er wirklich dachte, statt sich immer zu verstecken... ihm zeigte, was er über ihn dachte. Was Harry selbst wollte, war spätestens seit seinem Test klar, nur durfte es niemals dazu kommen. Er durfte dem anderen nicht nah sein, durfte ihm nicht zeigen, was er fühlte. Und damit war auch klar, dass er nicht ehrlich sein durfte. Aber konnte er dann Ehrlichkeit vom anderen verlangen?

Gedankenversunken betrachtete Harry ihn und spürte, wie sich sein Brustkorb seltsam zuschnürte. Severus lag hier direkt neben ihm, in greifbarer Nähe und dennoch durfte er ihm nicht zu nahe kommen, durfte nicht das sagen, was ihm so auf der Seele brannte. Wie grausam konnte die Welt nur sein, dass er sich jetzt so quälen musste? Er wollte ihn zu sich ziehen, seine Gesichtszüge nachzeichnen, in diese unergründlichen Augen blicken und ihm sagen, dass er es einfach nicht ertrug im Unterricht so zu tun, als wäre er ihm egal, denn das war er ihm ganz und gar nicht, verdammt nochmal! Er machte sich Sorgen um den anderen, er dachte am laufenden Band an den anderen, er wollte immerzu bei ihm sein und verachtete es, dass er sich verstecken musste. All das hätte er so gerne gesagt. Aber stattdessen saß er hier, stocksteif und versuchte seine Gefühle einzukerkern, niederzutrampeln, auszureißen wie Unkraut.

„Du kannst nichts anders machen“, flüsterte Harry mit kratziger Stimme. „Ich wünschte du könntest es... aber ich muss eben mit leben, dass es nicht anders geht.“

„Dann hör auch auf mich ständig mit Blicken zu strafen“, kam die leise Antwort.

Ein traurig belustigtes Schnaufen entwich dem Gryffindor. All die Zeit hatte er sich darüber aufgeregt, dass der andere ihn im Unterricht wütend ansah und jetzt stellte sich heraus, dass er das gleiche getan hatte.

„Ich versuche es. Wenn du es auch tust.“

„Darüber hatten wir schon gesprochen.“ Kaum hörbar flüsternd ergänzte Severus: „Es liegt nicht an dir.“

Nickend senkte Harry den Blick.

„Ist bei mir genauso.“

Nein, an Severus selbst lag es tatsächlich nicht. Harry war wütend, weil er nicht mit klar kam, dass Severus so abweisend sein musste. Doch auch Severus hatte schon durchsickern lassen, dass er auf sich selbst wütend war. Konnte es sein, dass es der selbe Grund war? Empfand Severus vielleicht doch etwas für ihn und verbat sich nur, es zu zeigen? Aber selbst wenn es so war, Harry würde das nie herausfinden. Oder hatte er es schon herausgefunden? Wie konnte er Severus' Küsse vorhin deuten? Hatten die überhaupt etwas zu bedeuten? Schließlich hatte er unter Fieberwahn gestanden. Aber selbst wenn da etwas war, es änderte nichts an den Umständen und der Gedanke schmerzte. Völlig egal, was er oder Severus fühlte, es gab Regeln in der Gesellschaft, denen sie sich beugen mussten und die besagten nun einmal, dass sie nicht zusammen sein durften. Zum ersten Mal sah Harry etwas positives in Necrandolas, denn dort hätte er sich einfach hinter Severus legen, seinen Arm um ihn schlingen und ihm ins Ohr flüstern können, was ihm durch den Kopf ging. Aber sie waren nunmal nicht in Necrandolas.

Ruckartig stand der Gryffindor auf. Er musste hier weg, wenigstens kurz. Aber wie, wenn er den Krankenflügel nicht verlassen durfte? Kurzerhand lief er ins Bad. Vielleicht half eine Ladung kaltes Wasser ein wenig, um sich zu fangen.

Severus hingegen lag mit offenen Augen da und lauschte den Schritten des Gryffindors. Als dieser im Bad verschwand, seufzte der Slytherin schwer auf. Warum nur musste es immer auf diese Art enden? Wollte das Schicksal ihn tatsächlich sein ganzes Leben lang dazu zwingen, jeden wegbeißen zu müssen, der sich ihm nähern wollte? Ächzend strich Severus sich über die Augen und verharrte mit dem Handballen an der schmerzhaft pochenden Stirn, um sich wieder zu fangen. Die letzte Nacht hatte zu viele Erinnerungen hochgeholt, zu sehr an den Nerven gezerrt und machte ihn damit viel zu emotional. Je schneller er einschlief und wieder normal wurde, desto besser.

 

Schnell huschte Harry durch die Tür zum Krankenflügel und lehnte sie hinter sich wieder an. Vor ihm standen Ron und Hermine, die ihn besorgt ansahen.

„Madam Pomfrey hatte doch gesagt, dass sie dich nur zur Beobachtung über Nacht dabehalten wollte und jetzt bleibst du noch eine Nacht?“, fragte Hermine sogleich verwirrt nach.

„Jaa, die Sache ist die“, strich Harry sich über die Haare, „Severus ist vollkommen erschöpft und er schläft besser, wenn ich hierbleibe. Vielleicht kann ich so auch ein wenig Schlaf nachholen.“

Ungläubig fragte Ron: „Heißt das, du sitzt den ganzen Tag da drin herum, nur damit Snape schlafen kann?“

„Ähm, ja.“

Ron warf seiner Freundin einen skeptischen Blick zu, die aber nur besorgt zu Harry sah.

„Ist denn alles in Ordnung?“, fragte sie nach.

„Ja, ein bisschen Schlaf und alles ist wieder bestens“, winkte Harry locker ab.

„Ich meinte nicht Professor Snape“, erwiderte Hermine. „Du siehst abgekämpft aus. Ist wirklich alles gut?“

„Ja, sicher“, antwortete Harry eifrig und mit zu hoher Stimme, weshalb die anderen ihm kein Wort glaubten.

Hermine brauchte einen Moment, um zu verstehen und sofort wechselte ihr Blick zu Mitleid.

„Du kannst doch jederzeit gehen, Harry. Tu dir das nicht an.“

„Nein, ich will nicht, dass er in einer Woche wieder umkippt“, schüttelte Harry entschieden den Kopf. „Ich bleibe hier, bis er wieder fit ist. Das überlebe ich schon. Es wäre nur gut, wenn ihr mir die Hausaufgaben bringen könntet, damit ich mich beschäftigen kann, wenn ich gerade nicht schlafe.“

„Ist gut“, seufzte die Hexe auf. „Aber pass auf, dass du dich nicht selber kaputt machst.“

„Ich kann auf mich aufpassen, keine Sorge“, versuchte Harry sie zu beruhigen und schlüpfte dann wieder durch die Tür.

Besorgt holte Hermine Luft und ging mit Ron Richtung Gryffindorturm, um Harrys Schulsachen zu holen. Verständnislos grübelte Ron noch immer vor sich hin.

„Warum bleibt er, wenn er es da nicht aushält? Das ist doch vollkommen sinnlos“, fragte er schließlich.

„Ach, Ron“, verdrehte Hermine die Augen. „War klar, dass du es nicht verstehst. Er verbringt den ganzen Tag bei Snape, für den er Gefühle hat, diese aber nicht zeigen darf. Er opfert sich auf, ganz einfach. Snapes Gesundheit ist ihm wichtiger, als seine eigenen Gefühle.“

„Das habe ich schon kapiert“, grummelte Ron etwas beleidigt. „Aber es ist so... so...“

Schließlich sagte Hermine: „Das Wort, das du suchst, heißt verliebt, Ron. Liebende Menschen tun nunmal solche Dinge. Auch wenn es uns nicht gefällt, Harry ist bis über beide Ohren in Snape verliebt.“

„Aber er hatte doch gesagt, dass das vielleicht nur eine Phase ist, wegen Necrandolas“, argumentierte Ron weiter dagegen.

„Ja, das wollte er sich einreden. Zugegeben, das wollte ich auch glauben, aber wie es aussieht...“

„Aber das hat doch keine Zukunft“, warf Ron ein. „Ich meine, wir reden hier von Snape. Machst du dir da nicht auch Sorgen, dass das ein böses Ende nimmt? Wer weiß, was ein Slytherin sich alles ausdenken kann, um das auszunutzen.“

Ächzend erwiderte Hermine: „Jetzt übertreibst du aber, Ron. Wir konnten uns doch schon oft genug selbst davon überzeugen, dass Snape Harry vollkommen ignoriert und offenbar kein Interesse an ihm hat.“

„Ja, noch“, hielt Ron wacker gegen. „Vielleicht war ihm bisher nur noch nicht bewusst, wie groß sein Einfluss auf Harry ist.“

Energisch erwiderte Hermine: „Wir können sowieso nichts anderes tun, als Harry im Auge zu behalten und ihm beizustehen. Selbst ein Severus Snape kann sich nicht 24 Tage lang unter Lebensgefahr immer nur verstellen. Harry konnte in Necrandolas sicherlich einen Blick auf den wahren Snape werfen und wir müssen da einfach seinem Urteil vertrauen.“

Grummelnd gab Ron die Diskussion auf. Egal was Hermine sagte, er traute Snape nicht, zumindest nicht weit genug, um sorgenfrei dabei zuzusehen, wie sein bester Freund sich ihm hilflos auslieferte.

„Und wie soll es jetzt weitergehen?“

„Ich habe keine Ahnung“, schüttelte Hermine bedrückt den Kopf.

Wieder entstand eine Pause.

„Wie kann man sich in dieses Arschloch verlieben?“

Auflachend wiederholte Hermine: „Ich habe keine Ahnung.“

 

Harry stand am Fenster des Krankenflügels und sah hinaus in die Nacht, als Severus erwachte und sich langsam aufsetzte. Er spürte den Blick des Slytherins auf sich, doch das ignorierte er. Allgemein sprachen sie nicht besonders viel miteinander. Zu Anfang hatte Harry noch versucht, an den Slytherin heranzukommen, wollte ihm helfen und vor allem darüber sprechen, dass Severus offenbar jede Menge Dämonen zu quälen schienen. Doch nicht einmal über seine Schlafprobleme oder Necrandolas hatte er sprechen wollen und war irgendwann ziemlich ungehalten geworden, sodass Harry seine Versuche resigniert eingestellt hatte.

An den Kuss konnte Severus sich offenbar nicht erinnern, denn Harry hatte sich vorsichtig an das Thema herangetastet und festgestellt, dass Severus seine Andeutungen nicht verstand. An sich war das gut, aber es ließ Harry trotzdem nicht in Ruhe. Inzwischen wusste er, dass dieser Trank Severus' Körper entgiftet und er dadurch die ganze Nacht an Halluzinationen gelitten hatte, aber war das Ausrede genug für seine Aktion? Musste da nicht wenigstens ein Grundinteresse bestehen, wenn man sich so an jemanden heranschmiss? Harry kam mit der Frage nicht weiter und das verpasste ihm schlechte Laune.

Da Severus jetzt wach war, konnte er sich selbst schlafen legen und kroch ins Bett, dem anderen den Rücken zudrehend.

Er wachte bereits am frühen Morgen wieder auf, blieb aber noch liegen und döste vor sich hin. Man konnte hören, dass Severus wach war und nicht wusste, wie er sich beschäftigen sollte. Ständig lief er auf und ab, ging vom Fenster zum Bett, legte sich hin, stand wieder auf. Anscheinend war Harry nicht der einzige, der viel nachdachte. Aber was konnte er da schon gegen tun, wenn Severus ihn so von sich stieß?

Schließlich knarrte die Tür zum Krankensaal leise und jemand schlich sich herein. Zwar war Harry neugierig, wer das sein könnte, doch er beschränkte sich darauf zu lauschen und tat weiterhin so, als würde er schlafen.

Murrend hörte er Severus sagen: „Lass dich nicht von Poppy hier erwischen. Die schickt dich sofort wieder raus.“

„Ich wollte nur kurz schauen, wie es dir geht“, flüsterte eine sanfte Stimme, die Syndia gehörte. „Ich dachte eigentlich, du würdest schlafen.“

„Ich kann nicht 24 Stunden am Tag schlafen“, knurrte der Slytherin. „Aber das scheinen alle von mir zu erwarten.“

„Du musst ja auch wieder zu Kräften kommen.“

„Das kann ich auch in meinen Räumen.“

„Das kannst du eben nicht“, widersprach Syndia ernst. „Und das weißt du auch. Ich mache mir ehrlich gesagt Sorgen, wie es weiter gehen soll, wenn Poppy dich entlässt.“

„Ganz einfach: Es lassen mich endlich alle in Ruhe.“

„Sev, du kannst doch nicht einfach so weitermachen wie bisher“, erwiderte Syndia sanft. „Du musst dich doch irgendwie mit deinem Trauma...“

„Syndia, hör endlich damit auf!“, zischte Severus wütend und Harry runzelte die Stirn. „Merkst du denn gar nicht, dass du alles nur noch schlimmer machst?“

„Nur weil du dich stur stellst und...“, antwortete Syndia, doch sie wurde sofort wieder unterbrochen.

„Ich will vergessen, verdammt noch mal! Und das kann ich nicht, wenn du mich ständig mit dem Thema nervst. Seit du meinen Wutausbruch provoziert hast, habe ich mich immer schlechter im Griff, nur weil du das unbedingt alles hochholen musstest! Lass es endlich sein!“

Eine kurze Stille entstand, in der Harry angespannt lauschte. Gleichzeitig bildete sich ein seltsam schwerer Klotz in seinem Bauch. Stimmte das? Hielt auch er Severus nur vom Vergessen ab, wenn er versuchte nachzuhaken? Aber all das, was Harry vorletzte Nacht gesehen hatte, verschwand doch nicht einfach, wenn man es totschwieg... oder?

„Du behauptest also, dass du besser schläfst, wenn du versuchst, das alleine zu verarbeiten“, stellte die Hexe skeptisch fest.

„Jaa“, erwiderte Severus knurrend, noch immer deutlich wütend. „Hat sich jemand dafür interessiert, was ich als Todesser alles tun musste? Nein. Habe ich das verarbeitet? Ja. Es hat kein Schwein interessiert und ich bin super klargekommen. Am allerwenigsten hat es dich interessiert, dich hat streng genommen mein ganzes Leben nicht interessiert. Also hör auf jetzt einen auf Glucke zu machen!“

Harry schluckte. Das war mit Sicherheit ein Schlag in die Magengrube gewesen.

Ganz langsam und mit beherrschter, aber brüchiger Stimme fragte Syndia witzlos: „Was soll ich also dann tun? In die USA verschwinden?“

„Wenn das die einzige Möglichkeit ist, damit du mich in Ruhe lässt, dann ja“, murrte Severus ungeduldig.

Autsch. Harry spannte sich an und hätte am liebsten nachgesehen, wie Syndia reagierte.

Diese murmelte leise: „Schön.“

Dann rauschte sie aus dem Krankenflügel. Harry wollte weiterhin so tun, als würde er schlafen, aber er hielt es nicht aus. Syndia tat ihm einfach zu leid.

„War das nicht ein bisschen hart?“, fragte der Gryffindor also, ohne sich umzudrehen.

Severus schien es nicht zu wundern, dass der andere gelauscht hatte.

Murrend antwortete er: „Anders kapiert sie es einfach nicht. Man kommt sonst gegen ihren Dickschädel nicht an.“

Harry schnaubte. Dieser Dickschädel war wohl die größte Gemeinsamkeit der Geschwister. Aber Severus schien bereits aus der Kindheit zu wissen, wie er sich durchsetzen musste. Hoffentlich erkannte Syndia das auch und war nicht allzu sehr gekränkt.

„Meinst du nicht, dass sie es auch verstanden hätte, wenn man es ihr vernünftig erklärt hätte?“

„Das habe ich lange genug versucht“, knurrte der Slytherin. „Irgendwann reicht es. Eigentlich dachte ich, du könntest das nachvollziehen.“

Verwundert drehte Harry sich um und sah zum anderen. „Ich habe ja nicht sonderlich viel mitbekommen. Wie soll ich wissen, was ihr beredet?“

„Ich dachte, du bildest dir schnell ein Urteil und steckst überall deine Nase rein“, sah Severus provozierend zurück und Harry zog die Brauen zusammen.

„Ich spioniere dir nicht nach, keine Sorge“, murrte er. „Ich habe also keinen blassen Schimmer.“

Skeptisch sah Severus zurück, gab dann aber bald auf und unterbrach den Blickkontakt.

Knurrend sprach er zur Decke: „Syndia stellt sich ein 'Trauma' einfach so vor, dass man sich nur ein bisschen unterhalten muss und schon ist alles wieder vergessen. Sie versteht es einfach nicht. Ein Zeichen dafür, dass sie keine Ahnung vom Leben hat.“

Wieder musste Harry schlucken und senkte den Blick. Irgendwo hatte Severus damit Recht. Aber war es denn wirklich so falsch, dass man versuchte, mit Severus darüber zu reden? Wahrscheinlich kam es auf die Art drauf an, wie man versuchte, es anzusprechen. Harry selbst hatte auch nicht gewollt, dass seine Freunde das Thema Necrandolas anschneiden. Als sie darüber gesprochen hatten, war die Initiative von Harry ausgegangen. Also mussten Harry und auch Syndia darauf warten, dass Severus von selbst das Gespräch suchte? Das würde doch niemals passieren.

„Eher ein Zeichen dafür, dass sie ein sorgenloses Leben hatte“, verbesserte Harry und sah sofort, wie ein Schatten über Severus' Gesicht fiel und er hätte seine Worte am liebsten zurückgenommen.

Anscheinend hatte er da ein heikles Thema angeschnitten.

„Abgesehen davon“, presste Severus zwischen den Zähnen hindurch. „Aber sie ist auch ein Mensch, der Sorgen abschütteln kann, als wäre es nur oberflächlicher Dreck. Egal wie dunkel die Zeiten sind, sie ist immer unbekümmert wie ein naives, kleines Schulmädchen.“

Grübelnd betrachtete Harry ihn. Er musste zugeben, dass Syndia bisher wirklich immer lächeln konnte.

„Meinst du nicht, dass das nur eine Maske von ihr ist?“, überlegte Harry. „Wäre doch typisch Snape, oder nicht?“

Skeptisch sah Severus zu ihm und Harry konnte es sich nicht verkneifen, absichtlich eine Augenbraue zu heben. Das war gar nicht so einfach. Wie machte der Kerl das nur?

Ungerührt antwortete Severus: „Ich werde doch wohl meine Schwester gut genug kennen. Sie war schon immer ein wandelnder Sonnenschein.“

Ein kurzes Schweigen entstand, während Severus den anderen noch immer skeptisch musterte.

Schließlich sagte er trocken: „Du schummelst, indem du die andere Augenbraue runterziehst.“

„Das ist gar nicht so einfach“, erklärte sich Harry und versuchte es noch einmal mit der anderen Augenbraue, aber da war es noch schwieriger. „Ich werde vorm Spiegel üben, keine Sorge.“

„Oder du lässt es ganz bleiben“, antwortete Severus und fügte nach einer kurzen Pause und mit zuckendem Mundwinkel hinzu: „Das sieht bei mir sowieso viel cooler aus.“

Harry konnte nicht anders, als zu grinsen und gab seine kläglichen Versuche auf. Das er so ein Wort wie 'cool' mal aus Severus' Mund hören würde.

„Syndia bekommt das doch auch hin. Ist bestimmt nur eine Übungssache.“

Severus schwang die Beine aus dem Bett und setzte sich auf.

„Tja, da irrst du dich wohl. Ein reines Privileg unserer Familie.“

Der Blick des Slytherins wanderte zum Fenster und sein Blick wurde nachdenklicher.

Murmelnd erzählte er weiter: „Unsere Mutter hat uns immer so angesehen, wenn wir was angestellt hatten. Syndia und ich... wir haben uns als Kinder gegenseitig aufgezogen, indem wir diesen Blick nachmachten.“

Verstehend nickte Harry und betrachtete Severus, der mit den Gedanken weit weg zu sein schien.

„Solche Eigenarten scheint man immer weiterzuvererben“, flüsterte Severus schon fast und warf Harry wieder einen Blick zu.

In seinen Augen lag ein Hauch von Trauer und er brach schnell den Blickkontakt, konnte den grünen Augen nicht standhalten. Harry hatte das Gefühl, dass hinter diesen Worten mehr stand, als er verstehen konnte und sah Severus fragend an, doch dieser drehte sich bereits von ihm weg. Was ging ihm nun wieder durch den Kopf? Dieser Mann war ein einziges Rätsel... und würde mit Pech auch immer eines bleiben.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Snape verhält sich in dem Kapitel sehr verwirrend, ich weiß :D Schließlich hatte ich große Schwierigkeiten damit, den ersten Dialog konfus, aber nicht zu verwirrend zu schreiben :D Schiebt es auf die lange Nacht ;)
Bis Montag!^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Im_Whats_Left
2016-09-15T19:50:17+00:00 15.09.2016 21:50
Hach. Wie spannend, das Severus kaum noch was weiß :3 Bin mal gespannt, ob da nach und nach noch die ein oder andere Erinnerung hochkommt - und wann Severus zu der Erkenntnis kommt, dass er Harry braucht. Das dauert wahrscheinlich noch seeeeehr lange. :D
Antwort von:  -wolfsmoon-
19.09.2016 14:33
Er ist stur, selbst wenn er zu der Erkenntnis kommt, verdrängt er sie erstmal ne Weile XD


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