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Die Grotten von Necrandolas

von

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Schwarze Augen

Nach der Verteidigungsstunde ging das Gryffindor-Trio zur Großen Halle, um zu Mittag zu essen. Alle drei waren ungewöhnlich ruhig, wobei Hermine jedoch etwas auf der Zunge zu liegen schien, da sie öfters Andeutungen machte, etwas sagen zu wollen. Schließlich konnte sie sich nicht mehr zurückhalten.

„Ich hätte das Thema im Unterricht nicht ansprechen sollen.“

„Wieso nicht?“, Ron sah sie fragend von der Seite an. „So haben wir zumindest herausgefunden, dass Levin zu diesem Lamia-Clan gehört. So wie sie sich verhalten hat.“

„Gerade das ist es ja“, sprach Hermine mit leicht verzweifelter Stimme. „Sie wollte offensichtlich nicht, dass jemand darauf kommt, dass sie eine Lamia ist. Und Malfoy hat sofort reagiert und sie in die Ecke getrieben.“

„Du konntest doch nicht wissen, dass es so kommen würde, Hermine. Außerdem hatte ich nicht den Eindruck, dass jeder Malfoys Andeutungen verstanden hat“, versuchte Harry seine Freundin zu beruhigen. „Ich frage mich nur, woher Malfoy diese Informationen hat und vor allem, wie er sich so sicher sein konnte, dass Levin zum Lamia-Clan gehört.“

Grübelnd ging er neben seinen beiden Freunden her.

„Voldemort“, kam ihm auf einmal der Einfall.

Hermine blieb stehen und sah den Schwarzhaarigen stirnrunzelnd an.

„Was?“

„Er hat das bestimmt von Voldemort. Voldemort hatte doch versucht, durch mich an Informationen über sie zu kommen. Dabei haben ihn ihre Fähigkeiten besonders interessiert. Ich bin mir sicher, dass er Bescheid weiß. Und Malfoy wird es entweder von ihm oder von seiner Mutter haben.“

Skeptisch erwiderte Hermine: „Das ist ein bisschen weit hergeholt, Harry.“

„Heißt das, Snape hat auch solche komischen Fähigkeiten?“, fragte Ron auf einmal dazwischen, bevor Harry protestieren konnte. „Wenn ich das richtig verstanden habe, gehört er dann ja auch zu diesem Lamia-Clan, oder?“

„Ron, sieh ihn dir an. Er gehört mit Sicherheit auch zu diesem Clan“, antwortete Hermine leicht genervt. „Allerdings glaube ich nicht, dass er die Fähigkeiten geerbt hat. Ihr habt es ja gehört: Es liegen inzwischen so viele Generationen zwischen der heutigen und der des Vampirs, dass nicht jeder Lamia die Talente vererbt bekommt.“

Eine kurze Stille trat ein, während sich die Schüler langsam der Großen Halle näherten.

„Was meint ihr? Haben Snape und Levin das Gen von ihrem Vater oder ihrer Mutter?“, dachte Ron auf einmal wieder laut nach.

„Sie müssen es von ihrer Mutter haben“, gab Harry kurz angebunden zurück und hätte sich selbst Ohrfeigen können.

„Woher weißt du das?“, fragte seine Freundin forschend nach und wurde auch von Ron neugierig gemustert.

„Ähm... Ich habe mal aus Versehen im Okklumentikunterricht in Snapes Kopf gesehen und... konnte einen Blick auf seinen Vater erhaschen.“

Dass es sich bei dieser Erinnerung um einen Streit seiner Eltern handelte und Snape weinend in einer Ecke saß, wollte er nun wirklich nicht erwähnen.

„Das hast du wirklich gemacht?!“, rief Ron begeistert aus. „Cool! Und? Was hast du alles gesehen?“

„Das geht uns nichts an, Ronald!!“, schrie Hermine den Rotschopf schon fast an, welcher ein Grummeln von sich gab und neben Harry weiterlief.

Als sie sich in der Halle angekommen an den Tisch setzten, flüsterte Ron seinem Freund zu: „Erzähl es mir einfach später, okay?“

„Ich werde dir nichts erzählen“, antwortete Harry nur stur und wurde von dem Rothaarigen verwundert angestarrt.

„Aber...“

„Nichts aber, Ron. Hermine hat Recht, es geht dich nichts an. Mich ja eigentlich auch nicht.“

Deutlich schlecht gelaunt füllte sich der Weasley was auf seinen Teller und riss einem Zweitklässler die Schüssel mit den Kartoffeln aus der Hand.

„Harry“, wurde der Gryffindor auf einmal gerufen und besagter drehte sich um.

Vor ihm stand Ginny, die sich nun zu ihm herunterbeugte und in sein Ohr flüsterte: „Du sollst heute Abend nach dem Essen in Dumbledores Büro kommen. Er meinte noch, er müsse mit dir über dein Verhalten beim Nachsitzen bei Snape reden.“

Nach diesen Worten war die Rothaarige auch schon weitergezogen und setzte sich zu ihren Klassenkameraden. Harry hingegen sah zum Lehrertisch, wo Dumbledore sich mit Hagrid unterhielt. Snape sowie Levin aßen stumm ihr Mittagessen, sodass Snape leider nicht den verärgerten Blick des Gryffindors sehen konnte, welcher geradezu 'Petze' schrie.

 

Am Abend machte sich der Gryffindor also auf den Weg zum Büro des Direktors. Noch bevor Harry die Tür erreichte, schwang sie schon auf und der Schwarzhaarige trat ein.

„Du hast dir Zeit gelassen, Harry“, wurde er von Dumbledore begrüßt, was jedoch weniger nach einem Vorwurf klang.

Snape saß in einem der Sessel vor dem Schreibtisch, während Levin neben ihm stand. Harrys abschätzender und kalter Blick wurde von seinem Tränkeprofessor erwidert.

„Also, wie lautet die Anklage?“, fragte der Gryffindor schon etwas zu patzig nach.

„Na na, warum so schlecht gelaunt?“, fragte Dumbledore beschwichtigend und hielt Snape somit davon ab aufzuspringen und sich mit Harry anzulegen.

„Ich kann es nur nicht ab, wenn sich jemand wegen Kleinigkeiten beschweren geht.“

„Sie wollen mich also gerade als Petze beschimpfen, ja? Wie alt sind Sie nochmal, Potter?“, kam die kalte Antwort des Tränkemeisters.

„Ihr führt euch gerade beide auf wie im Kindergarten!“, mischte sich auf einmal Levin verärgert ein und es wurde kurz still.

„Harry, du solltest nicht vergessen mit wem du hier sprichst“, konnte der Gryffindor seinen Schulleiter ungewohnt streng sprechen hören und wandte den Blick sich geschlagen gebend ab.

„Also“, begann der Direktor erneut, „Ich habe erfahren, dass Professor Snape deine Träume nicht sehen kann, obwohl du sie nicht blockierst.“

Bei Dumbledores prüfendem Blick über seine Halbmondbrille nickte Harry zur Bestätigung.

„Würdest du uns sagen, was du träumst, Harry? Es ist nämlich ungewöhnlich, dass Träume nicht eingesehen werden können“, sprach der Direktor weiterhin ruhig und der Gryffindor zuckte die Achseln.

„Es ist nichts besonderes an diesen Träumen. Sie sind noch genauso verworren, wie vor der Einnahme des Traumlostrankes.“

„Und es hat sich nichts in dem verändert, was du siehst?“

„N-Nicht wirklich“, wich Harry leicht aus.

„Manchmal reichen nur kleine Veränderungen aus, Harry“, versuchte es der Schulleiter erneut und stützte sich vorbeugend auf seinem Schreibtisch ab.

„E-Es kommt dieser Kelch nicht mehr vor.“

„Kelch?“, meldete sich auf einmal Levin zu Wort und etwas verwundert nickte Harry.

Levin schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann schloss sie ihren Mund wieder und geriet scheinbar ins Grübeln.

„Du hast also immer wieder von einem Kelch geträumt?“, hakte der Schulleiter nach.

„Damals ja, aber ich sagte doch, dass der nicht mehr...“, plötzlich hielt Harry inne.

Ihm blieb einfach die Luft weg und für einen kurzen Moment konnte er nichts mehr sehen, sodass er dachte er würde gerade das Bewusstsein verlieren. Doch dann sah er auf einmal die kalten Steinwände aus seinen Träumen wieder. Und die Augen. Diese schwarzen Augen, die ihn flehend ansahen.

So schnell, wie diese Bilder kamen, waren sie auch schon wieder weg und erstaunt stellte Harry fest, dass er sich an dem zweiten Sessel vor Dumbledores Schreibtisch festgehalten hatte, um nicht zu stürzen. Alle drei Lehrer sahen ihn leicht geschockt und verwirrt an, wobei Snape sogar aufgesprungen war. Erst jetzt registrierte der Gryffindor ein leises scheppern, das gerade verklang. Stirnrunzelnd suchte er nach der Ursache des Geräusches und entdeckte ihn in einer Vitrine. Darin lag ein Ring mit einem großen Stein, welcher noch immer leicht hin und her schwankte, so als hätte ihn jemand gerade berührt.

Mit einem weiteren Blick zu seinen Lehrern erkannte der Grünäugige, dass diese ebenfalls die Bewegung des Ringes bemerkt hatten und nun irritiert zwischen Harry und dem Schmuckstück hin und her sahen. Besonders Levin schien das merkwürdig zu finden, denn sie zog eine Augenbraue hoch und machte den Anschein, als wolle sie den Ring hypnotisieren.

„Alles in Ordnung mit dir, Harry?“, fand der Direktor als erster seine Stimme wieder und noch immer etwas verwirrt nickte der Gryffindor ihm zu.

„M-Mir ist nur kurz schwarz vor Augen geworden.“

Levin und Snape sagten noch immer nichts, wobei letzter sich in den Sessel zurücksinken ließ. Er sah von dem Ring weg zu Harry und schien sein ganzes Misstrauen in diesen Blick stecken zu wollen.

„Merkwürdig, merkwürdig“, konnte der Brillenträger Dumbledore murmeln hören und sah zurück zu ihm.

„Professor? W-Was... ist das für ein Ring?“, stellte Harry seine Frage mit noch immer schwacher Stimme und deutete auf das besagte Schmuckstück, welches nun ruhig und unschuldig in der Vitrine lag.

„Ach das“, ging der Direktor mit einem unschuldigen Tonfall auf den Gryffindor ein, „das ist ein altes Artefakt, eines mit einer langen Geschichte. Irgendwann werde ich sie dir erzählen.“

Aufmunternd lächelte Dumbledore Harry zu und das Glitzern trat in seine Augen zurück.

„Nun, ich denke, wenn du uns nichts weiter sagen kannst“, dabei sah Dumbledore seinen Schüler wieder forschend an, „dann hat es keinen Sinn hier weiterzugrübeln. Ich werde mir meine Gedanken machen. Du kannst gehen, Harry.“

„Ähm, in Ordnung“, antwortete der Gryffindor irritiert nickend und ging zögernd zur Tür. „Gute Nacht, Professor!“

Doch noch ehe er die Tür öffnen konnte, schien Levin aus ihrer Starre erwacht zu sein.

„Ah, warten Sie, Potter! Ich muss Ihnen noch etwas zeigen“, rief sie ihm nach und eilte hinterher. „Kommen Sie bitte nochmal kurz in mein Büro.“

„Ähm... okay“, erwiderte der Gryffindor nur stirnrunzelnd und noch verwirrter als eh schon, folgte seiner Lehrerin jedoch, die sich an ihm vorbeigeschoben hatte und nun die Treppen hinunterlief.

Was waren seine Lehrer heute nur so komisch drauf? Und was war das gerade eben im Raum? Da waren schon wieder diese Augen. Die Augen, bei denen Harry schwören könnte, dass sie Levin oder Snape gehörten. Aber warum das alles? Und was war mit diesem Ring?

Auf dem Weg zum Büro kaute Harry nachdenklich auf seiner Unterlippe herum und schielte ab und zu zu seiner Lehrerin herüber. Jetzt im dunklen Flur und bei der Fackelbeleuchtung sah sie einem Vampir schon recht ähnlich. Ein Wunder, dass ihm das nicht schon bei Snape aufgefallen war.

„Wenn Sie etwas auf dem Herzen haben, sagen Sie es ruhig“, holte die Stimme seiner Lehrerin den Gryffindor in die Gegenwart zurück.

Offenbar hatte sie seine Blicke bemerkt.

„I-Ich habe nur...“, stotterte Harry unsicher und wusste nicht, ob er nun auf dieses Thema eingehen sollte oder nicht.

Schließlich holte er noch einmal Luft und fragte: „Hatte Malfoy Recht mit seiner Annahme? Heute Morgen im Unterricht?“

„Sie meinen, dass ich eine Lamia bin?“, fragte Levin mit erstaunlich neutraler Stimme nach und der Gryffindor nickte zögernd.

„Ich habe gesehen was für Fähigkeiten Sie haben. Und sie würden zu einem Vampir passen.“

„Ach, der ausschlaggebende Punkt war also nicht die Augen- und Haarfarbe?“, hakte die Schwarzhaarige schief grinsend nach, was Harry dazu brachte den Blickkontakt zu brechen.

„Doch, eigentlich schon“, gab der Brillenträger nuschelnd zu und vergrub seine Hände in den Hosentaschen.

„Ich muss zugeben, in dieser Sache bin ich leicht zu durchschauen. Jeder, der etwas mit dem Begriff Lamia anfangen kann, weiß bereits nach kurzer Zeit, dass ich eine bin.“

„Hat Professor Snape denn auch... Fähigkeiten?“

„Hm, bisher sind mir keine aufgefallen“, erklärte sie ehrlich. „Allerdings muss das noch nichts heißen. Es gibt Fähigkeiten, die sich erst sehr spät zeigen oder nicht entdeckt werden. So kann zum Beispiel nicht immer gesagt werden, ob ein Lamia die Augen oder das Gehör vom Vampir geerbt hat, weil diese Lamia damit ganz normal aufwachsen und denken, dass jeder so gut sehen oder hören kann wie sie. Sie haben keinen Vergleich, wissen Sie.“

Verstehend nickte Harry und war so in Gedanken versunken, dass er beinahe an Levins Büro vorbeigelaufen wäre. Die Schwarzhaarige kommentierte das zum Glück nicht und ließ den Gryffindor ein. Zögerlich stand dieser nun im Raum und fragte sich, was seine Lehrerin von ihm wollte, als diese schon zu ihrem Schreibtisch ging und eine Schublade öffnete.

„Den haben Sie am See liegen lassen. Sie sollten mehr Acht auf ihre Sachen geben. Das ist ein wertvolles Artefakt“, tadelte Levin ihren Schüler und holte Harrys Tarnumhang hervor.

Erstaunt sah dieser auf das Stück Stoff. Wie hatte er nur seinen Umhang vergessen können?! Ihm schwirrten in letzter Zeit eindeutig zu viele Dinge auf einmal durch den Kopf. Er hatte noch nicht einmal bemerkt, dass der Tarnumhang fehlte.

„Danke“, nuschelte der Grünäugige und trat auf seine Lehrerin zu, um sein Erbstück entgegenzunehmen.

„Dürfte ich erfahren, woher Sie so etwas seltenes haben?“, fragte Levin interessiert nach und stützte sich an ihrem Schreibtisch ab.

„Es ist ein Erbstück. Von meinem Vater“, antwortete der Gryffindor und rieb den feinen Stoff zwischen seinen Fingern.

„Interessant“, meinte die Schwarzhaarige etwas nachdenklich, was Harry stutzen ließ.

„Dann bin ich wohl nicht die einzige hier mit interessanten Vorfahren“, fuhr die Hexe fort und ging zum Kamin, um diesen anzuzünden.

Der Gryffindor runzelte über diesen Kommentar die Stirn, tat das dann aber ab und sah sich im Büro seiner Lehrerin um. Er stockte, als er ein eingerahmtes Bild auf dem Schreibtisch sah. Harrys Kopf schien geradezu leergefegt zu sein, als er geistesabwesend das Bild in die Hand nahm und den darauf abgebildeten Jungen anstarrte. Dieser Junge unter dem Baum sah direkt in die Kamera und zeigte somit seine schwarzen Augen. Die Augen aus Harrys Traum.

„Professor?“, fragte der Grünäugige mit leicht erhöhter Stimme, was Levin dazu brachte verwundert aufzusehen. „Wer... Wer ist das hier auf dem Foto?“

Kurz schien Levin wie erstarrt. Doch dann biss sie sich auf die Unterlippe und senkte den Blick, was dem Gryffindor seltsam vorkam.

„Das ist mein Sohn“, flüsterte Levin schon fast mit heiserer Stimme.

Noch bevor einer der beiden irgendetwas weiteres sagen konnte, ging die Bürotür auf und Snape kam herein.

„Syndia, hast du schon wieder meine...“, verwundert sah der Tränkemeister von einer Person zur anderen und entdeckte dann erst das Bild in Harrys Hand.

Mit zusammengebissenen Zähnen trat er auf seinen Schüler zu und entriss ihm das Bild, während er ihn mit einem kalten Blick strafte.

„Sollten Sie nicht langsam in Ihren Schlafsaal zurückkehren?“, fragte er schneidend.

„J-Ja, das sollte ich wohl“, gab Harry nur zurück und sah von einem Lehrer zum anderen.

Levin stand noch immer ruhig beim Kamin und sah zur Seite. Irgendwie hatte der Brillenträger das Gefühl auf ein Tabuthema gestoßen zu sein und so schob er sich schweigend an Snape vorbei und verließ zögernd das Büro.

 

Die nächsten Tage verliefen relativ ruhig. Das Wetter machte dem November mit seinem hagelähnlichen Regen und bitterkalten Wind alle Ehre. So hatten die Schüler bereits ihre Winterklamotten aus den Schränken geholt und liefen mit ihren knalligen Schälen durch das Schloss.

Harry wäre froh gewesen, wenn das kalte Wetter seine größte Sorge gewesen wäre. Er litt mal wieder unter Schlafmangel, was an den ständigen Albträumen lag. Zwar wusste der Gryffindor jetzt, dass die schwarzen Augen zu Levins Sohn gehörten, doch konnte er sich einfach keinen Reim darauf machen, warum er überhaupt von ihm träumte und das noch bevor er überhaupt von dessen Existenz wusste, geschweige denn ihn gesehen hatte.

Was dem Grünäugigen ein wenig Ablenkung verschaffte, waren die Apparierstunden, die seit einer Woche für den sechsten Jahrgang begonnen hatten. Man stellte sich das Apparieren immer so leicht vor, doch jetzt, wo die Schüler es selber versuchen sollten, merkten sie, dass eine starke Konzentration vonnöten war. Besonders Hermine war niedergeschlagen, als es nach einigem Üben noch immer nicht klappen wollte.

„Komm schon, Hermine. Nicht einmal du kannst alles auf Anhieb“, versuchte Ron seine Freundin am Frühstückstisch aufzumuntern.

„Das habe ich auch nicht behauptet“, antwortete die Braunhaarige leicht eingeschnappt.

Als ob das Brötchen etwas für ihre Situation könnte, riss Hermine ein Stück davon ab, was eher ein Raubtier bei seiner erlegten Beute tun würde als ein Mensch bei seinem Frühstück.

„Es gab Ausbrüche aus Askaban“, unterbrach Harry seine Freunde, während er weiter in dem Tagespropheten las.

„Jetzt fängt das ganze wieder von vorne an“, jammerte Ron und hätte beinahe seinen Kopf auf den Tisch geschlagen, konnte sich aber gerade noch zurückhalten als er bemerkte, dass seine Müslischüssel vor ihm stand.

„Wie viele sind entkommen?“, hakte Hermine besorgt klingend nach und schien ihre mürrische Laune vergessen zu haben.

„Drei Todesser“, antwortete Harry schlicht und ergänzte: „Einer von denen ist Lucius Malfoy.“

„Was? Wie kommt es, dass Voldemort ausgerechnet ihn aus Askaban herausholt?“, fragte die Braunhaarige stirnrunzelnd nach.

„Das frage ich mich auch“, pflichtete der Rotschopf ihr bei. „Ich dachte eigentlich, dass die Malfoys bei Du-weißt-schon-wem unten durch sind und er den Kerl im Gefängnis verrotten lässt.“

„Anscheinend nicht“, kommentierte Harry den Beitrag seines Freundes grübelnd.

„Langsam glaube ich Mum will uns mit Absicht aus England rausschaffen“, grummelte Ron und rührte mit seinem Löffel im Müsli herum.

„Wie meinst du das?“, horchte Harry auf, was den Rotschopf dazu brachte aufzuseufzen.

„Mum will in den Weihnachtsferien unbedingt ihre Tante in Ungarn besuchen. Das heißt die gesamte Familie Weasley wird die gesamten Weihnachtsferien über weg sein“, erklärte Ron in einem Ton, der unweigerlich zeigte, wie wenig Begeisterung er für diese Idee übrig hatte.

Mit einem mitleidigen Schmunzeln klopfte Harry dem Weasley auf den Rücken, doch auf einmal fuhr er erschrocken zusammen. Er konnte seine Umgebung nicht mehr wahrnehmen und sah erneut eine kahle, kalte Steinwand. Dann sah er wieder die schwarzen Augen vor sich, die Schmerz und Verzweiflung ausdrückten. Wie aus dem Nichts konnte Harry einen Jungen rufen hören: „HILF MIR!“

Erschrocken sog Harry die Luft ein und war sich wieder bewusst, dass er am Gryffindortisch in der Großen Halle saß. Er hatte sich an der Tischkante festgekrallt und wurde von seinen Freunden besorgt angesehen.

„Harry, alles in Ordnung?“, fragte Hermine sicherheitshalber nach.

„Ich... Ich weiß nicht“, antwortete Harry noch immer nach Luft ringend. „Ich fürchte jetzt kriege ich auch noch Tagträume.“

Erschöpft rieb sich der Gryffindor über die Augen und beruhigte sich langsam, doch der Ruf des verzweifelten Jungen ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.

„Tagträume? Wie meinst du das?“, hakte die Braunhaarige nach, wurde allerdings von ihrem Freund ignoriert.

Die junge Hexe tauschte einen vielsagenden Blick mit Ron, welcher leicht nickte und sich zögerlich wieder an Harry wandte.

„Du... hast eine Zeit lang jeden Abend Traumlostrank getrunken, nicht wahr?“, fragte er vorsichtig.

Verwundert sah der Grünäugige auf: „Wie hast du...?“

„Harry wir sind nicht blöd“, unterbrach die Braunhaarige ihn. „Wir sind deine Freunde. Wir merken doch, wenn etwas nicht mit dir stimmt.“

Seufzend sah der Schwarzhaarige auf den Tisch, während er beichtete: „Ich habe in letzter Zeit ziemlich häufig Albträume. Snape hatte mir deshalb einen Traumlostrank gegeben, aber inzwischen darf ich den nicht mehr nehmen.“

„Weil du bereits die maximale Menge zu dir genommen hast“, vervollständigte die junge Hexe den Bericht und Harry nickte.

„Albträume? Aber wovon?“, fragte Ron stirnrunzelnd nach.

„V-Verschiedenes. Es ist meistens total verworren und ich kann mich nur noch an ein paar Kleinigkeiten erinnern.“

Ron wollte gerade ansetzen etwas zu sagen, als es unruhig in der Großen Halle wurde. Die Eulen kamen wie jeden Morgen durch die hohen Fenster geflogen und überbrachten die Post der Schüler. Gelangweilt fing Ron ein kleines, braunes Paket auf und wollte es gerade aufknoten, als ein lautes Krächzen zu hören war und alle Schüler verwundert zu eines der Fenster sahen.

 

Gerade verließen die letzten Eulen die Große Halle, als ein lautes Krächzen zu hören war. Verwundert sah Syndia von ihrem Frühstück auf, was auch Severus dazu brachte den Blick zu heben. Durch eines der Fenster kam ein übergroßer Rabe hereingeflogen. Zwischen seinen Krallen hatte er ein schwarzes Bündel, welches er zielsicher auf dem mittleren Gang der Tischreihen auf den Boden fallen ließ. Ohne sich weiter an der Umgebung zu interessieren, machte der Rabe kehrt und flog aus dem selben Fenster heraus, aus dem er gekommen war.

'Ein Rabe als Botschafter. Das hat im Normalfall nichts Gutes zu bedeuten.', dachte Severus verwundert.

Die Schüler hatten sich dem Bündel zugewendet und einige mutige gingen näher heran. Gerade als ein Hufflepuff Anstalten machte das Ding aufzuheben, stand Syndia auf einmal auf und rief: „Nicht anfassen!“

Augenblicklich wurde es in der Halle ruhig und alle, eingeschlossen Severus, sahen verwundert zu der Verteidigungslehrerin. Diese starrte auf das Bündel und schien ihren kompletten Körper anzuspannen, was der Tränkemeister als schlechtes Zeichen erkennen konnte.

„Weißt du was das ist?“, fragte er seine Schwester leise, doch diese schien ihn gar nicht zu hören und schritt stattdessen langsam auf den Gegenstand zu.

Gebannt folgten die Schüler ihren Bewegungen. Die Art, wie Syndia auf das schwarze Etwas geradezu hinschlich beunruhigte Severus. Er nahm gar nicht bewusst war, wie er langsam aufstand, bereit Syndia zur Hilfe zu eilen, falls es von Nöten war.

Endlich war die Hexe bei dem Bündel angekommen und hob es nun langsam auf. Es war ein kleiner Gegenstand, der in ein schwarzes, seidenes Tuch eingehüllt war. Vorsichtig löste Syndia das ebenfalls schwarze Stoffband und entwickelte den Gegenstand.

Severus konnte nicht sehen was es war, aber er bemerkte sofort, dass Syndia in ihren ohnehin schon schwerfälligen Bewegungen erstarrt war. Die gesamte Halle schien den Atem anzuhalten, ja die Luft schien sogar vor Anspannung zu flimmern.

Moment mal, flimmern? Skeptisch sah Severus genauer hin. Tatsächlich war nun zu erkennen, dass die Luft um die Hexe herum zu flimmern begonnen hatte und es immer schlimmer wurde. Die Schüler, die in unmittelbarer Nähe waren, rissen die Augen auf und starrten ihre Lehrerin an. Am Gryffindor- und Ravenclawtisch, zwischen denen die Schwarzhaarige stand, begannen die Gläser zu klirren, was Severus nun endgültig aus seiner Starre erwachen ließ.

„Syndia, Nein!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Fieser Cliffhanger, ich weiß, ich schäm mich ja schon... aber ich fürchte sowas werdet ihr bei mir öfter ertragen müssen :D
Bis Montag! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Legoory
2016-04-10T21:20:51+00:00 10.04.2016 23:20
Was der Rabe wohl überbracht hat? Nichts angenehmes wie mir scheint, sonst würde Syndia nicht so reagieren.
Und wann erzählt Harry von seinen Träumen? Und wollte Levin ihm nicht den Kelch zeigen bevor Snape Harry aus ihrem Büro geworfen hat? Fragen über Fragen


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