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Leave Time For Love

von

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Umi no Hi - Final

Sakuma staunte noch immer nicht schlecht. Eine Nachricht von Genda, hatte Gouenji gesagt. Er wusste nicht, was in dieser besagten Nachricht stand, aber trotzdem beunruhigte ihn allein der Gedanke daran. Er wurde vermisst, so hatte Gouenji es ausgedrückt. Genda vermisste ihn? Oder ihre gesamte Truppe?

 

„Und von Kidou?“, fragte Sakuma viel hoffnungsvoller, als er eigentlich sein wollte. Vermutlich lautete die Antwort nein. Warum sollte er auch? Er liebte ihn ja nicht einmal, wahrscheinlich fand er es gar nicht so schlimm, dass Sakuma weg war. Er hatte ihn viel zu oft sitzen lassen.

Mit dieser Erkenntnis und einer angekauten Unterlippe sah Sakuma gespannt zu Gouenji – nie hätte er gedacht, dass ein Kopfschütteln sein Herz einmal so schwer machen würde. Aber was hatte er auch erwartet? Offensichtlich zu viel...

 

„Was schreibt Genda denn?“, wollte Sakuma schließlich wissen und seufzte einmal schwer. Natürlich war er neugierig, immerhin ging es um ihn, aber auf der anderen Seite graute es ihm davor. Denn jetzt, wo er davon gehört hatte, musste er darauf eingehen und ihm antworten lassen, oder? Alles andere würde man ihm sicherlich übel nehmen. Er war verletzt – immer noch, das wurde ihm schlagartig klar, als er mit dieser Nachricht wieder in die Realität zurückgeholt worden war. Sogar Teppeis Blick wirkte eher mitleidig in diesem Moment. Wahrscheinlich Einbildung.

 

Gouenjis sah wieder auf den Bildschirm seines Handys. Irgendetwas Aufschlussreiches aus ihm herauszulesen gelang Sakuma nicht, er begann mit den Fingerspitzen auf seinem Oberschenkel zu trommeln – ungehört, zum Glück.

„Dass du verlorengegangen bist und er gerne Hijikatas Nummer von mir hätte.“

 

„Hijikatas?“, fragte Sakuma ungläubig und sah genau wie Gouenji auch zu ihm rüber.

 

„Wahrscheinlich, damit er Genda Bescheid geben kann, falls er dich irgendwo sieht. Sicher hat er nicht damit gerechnet, dass ich bei ihm bin.“

 

Sakuma schwieg einen Moment und senkte den Blick auf die kleine runde Tischplatte. Er merkte, wie sich das schlechte Gewissen in ihm ausbreitete. Jetzt suchten sie ihn wahrscheinlich schon eine ganze Weile erfolglos und er verbrachte seine Zeit freudig mit einer Truppe Pinguinen, ohne sich Gedanken darüber gemacht zu haben, wie es seinen Freunden gerade ging. Furchtbar egoistisch kam er sich vor und dennoch blieb dieses Gefühl, sie nicht sehen zu wollen. Es war nicht so, dass er sie nicht mehr mochte, aber Sakuma graute es vor dem Aufeinandertreffen – jetzt, wo er alles wusste. Und er konnte zumindest sagen, dass Genda über seine indirekte Abfuhr ebenfalls im Bilde war.

 

„Ich schreib ihm, dass du bei uns bist“, erklärte Gouenji und zog ihn so aus seinen Gedanken. Obwohl es eine simple Aussage war, sahen die Augen des Blonden dabei fragend drein, so als wollte er Sakumas Einverständnis prüfen. Der nickte ergebend. Sie hatten es schließlich verdient zu erfahren, wo er sich gerade befand und er wollte nicht, dass sie sich sorgten.

 

Wenn er Glück hatte, würde ihnen diese Information erst einmal reichen. Sakuma blickte sich um und bestellte bei dem Kellner von eben eine Cola mit viel Eis. Das war bei der Hitze auf Okinawa, die noch immer die ganze Insel ins Schwitzen brachte, nicht übertrieben, währenddessen nahm er nur beiläufig Gouenjis Tippen wahr. Nur wenig später – Sakuma schätzte, dass nicht einmal eine Minute vergangen war – kam offenbar die Antwort, die wieder die Aufmerksamkeit aller auf das Handy zog.

 

„Sie kommen dich abholen.“

 

„Das müssen sie nicht. Wir können uns genau so gut später wiedertreffen, am Strand zum Beispiel, wo wir unseren Platz hatten. Oder an irgendeinem anderen Treffpunkt.“

 

„So ist es besser. Wir wollen doch nicht, dass du dich am Ende noch verläufst“, mischte sich Hijikata mit einem netten Grinsen ein, sein Vorschlag nahm Sakuma einfach mal eiskalt jede Möglichkeit sich ganz aus Versehen zu verlaufen.

Sie ließen ihm keine Wahl.

 

Bis sie allerdings da waren, dauerte es noch. Sakuma hatte genug Zeit, um immer mal wieder an seiner Cola zu nippen, den Kopf zurück auf seine Handfläche zu stützen und dem Treiben der Pinguine zuzusehen. Glücklich mochte er dabei nicht aussehen, eher gedankenverloren, denn in seinem Kopf herrschte ein regelrechtes Chaos. Er malte sich aus, wie das Wiedersehen mit seinen Freunden ablaufen würde. Alles mögliche spielte Sakuma in seinem Kopf durch, nichts davon war wirklich beruhigend. Er war angespannt und konnte vor lauter Beunruhigung die Pinguine nicht mehr so genießen, wie sie es verdient hatten.

Er bemerkte Hijikatas und Gouenjis gelegentliche Blicke zwar, aber mehr kam von ihnen nicht. Sie unterhielten sich wieder und überbrückten so die von Sakuma ausgehende Stille an ihrem Tisch immerhin.

 

„Sie sind da“, merkte Gouenji an und brachte Sakuma dazu, den Kopf zu ihm drehen. Er sah, wie Gouenji den Blick von seinem Handy hob und dem Kellner ein Zeichen gab, herzukommen, um zu bezahlen. Da Sakuma weder Handy noch Geld noch sonst irgendetwas dabei hatte, mussten die Jungs sein Getränk mitbezahlen, was sie ohne mit der Wimper zu zucken machten. Dass er ihnen nur in Badehose über den Weg gelaufen war, hatten sie also nicht vergessen.

 

„Danke“, brachte Sakuma irgendwie hervor, denn sobald er den Mund aufmachte, hatte er das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Sein Magen war so flau, dass er für nichts garantieren konnte. So wie er sich fühlte, war sein dunkler Teint längst fahl und blässlich.

 

Gouenji nickte ihm zu. Sakuma würde ihm so schnell wie möglich das Geld wiedergeben, genau wie das geliehene T-Shirt natürlich. Bestenfalls hatten die Jungs seine Sachen dabei, aber wenn nicht, dann hatte er noch dutzend andere Gelegenheiten – ob nun noch auf Okinawa oder wieder zurück in Tokio. Es eilte hoffentlich nicht.

Sakuma trank seinen letzten Rest Cola in einem großen Zug aus und hätte sich dabei beinahe noch verschluckt, weil er so unruhig atmete. Auch seine stark an die Oberfläche gepressten Finger zerdrückten das Glas zum Glück nicht und ließen seine Hand unversehrt. Er versuchte bedacht ruhig zu atmen.

 

Das gelang ihm aber nur so lange, bis sie die Türschwelle passiert hatten und ihm neben den gleißend orangefarbenen Strahlen der tiefstehenden Sonne auch die Blicke seiner Freunde entgegen kamen. Sie waren nicht böse oder besorgt. Zu aller erst sah Sakuma zu Kidou – ganz aus Reflex. Hätte er es steuern können, wäre er wohl der Letzte gewesen, dessen Gesicht er hätte sehen wollen. Nun war sein ängstlich-neugieriger Blick auf ihn gerichtet, mit großen Augen und schließlich viel zu enttäuscht darüber, dass Kidou ein genau so unlesbares Pokerface aufgesetzt hatte, wie so oft. Diese verfluchten Goggles!

Gendas Gesicht war allerdings viel unerträglicher, wie Sakuma feststellte, als sich ihre Augen trafen. Er musste unverzüglich wegsehen, wurde nervöser und war kurz davor, sich vor allen zu übergeben. Viel zu mitfühlend, viel zu sanft schaute Genda ihn an, doch das Schlimmste war das Wissende in seinen Augen. Er wusste, dass Sakuma unglücklich verliebt war und jeder Blick zu ihm haute es ihm erneut um die Ohren.

 

Es kam Sakuma vor wie Minuten, die ihn schließlich fast reuevoll den Kopf leicht senken ließen und deutlich dazu beitrugen – neben der Hitze natürlich –, dass seine Handflächen ins Schwitzen gerieten. Dabei waren es Sekunden, die leicht an beiden Händen abzählbar waren.

 

„Zum Glück hat Hijikata dich gefunden“, stellte Tsunami mit einem äußerst zufriedenen, heiteren Grinsen fest und ging auf seinen guten Freund zu. Dass es eigentlich ganz anders war, behielt Sakuma mal für sich, war ja auch unwichtig, wie er fand. Währenddessen kam der Surfer ein paar Schritte auf sie zu und legte Hijikata kumpelhaft einen Arm um die breiten Schultern. „Hier gibt es viele versteckte Klippen. Du denkst, du befindest dich in einem dichten Wald und dann hört plötzlich einfach der Boden auf! Aber der gute Hijikata kennt sich hier bestens aus!“

 

„Ich wäre schon nicht durch den Wald gelaufen“, murmelte Sakuma, der ernste Blick von Genda ließ ihn sich nur schuldiger fühlen als er es schon längst tat. Der hatte sich definitiv Sorgen gemacht, ganz besonders, wenn Tsunami mit solchen Horroroszenarien gekommen war. Es tat ihm auch leid, okay? Aber er konnte auch ganz gut auf sich aufpassen, wie er fand, also musste sich niemand Panik machen, nur weil er mal für ein paar Stunden weg war.

 

Offenbar hatte Tsunami seine gute Laune nicht verloren, obwohl Sakuma lange als verloren galt. Er war wie immer voller Energie – die Umarmung glich beinahe einem Schwitzkasten, aber Hijikatas störte sich mit seinem muskulösen Nacken nicht daran. Nicht gerade erfreut stellte Sakuma dann noch fest, dass auch Otomura dabei war. Ihm wurde wieder schlecht, bei der Vorstellung, was er und Kidou getan hatten und dieses Mal lag das nicht an der Anspannung, sondern war tatsächlich dem Ekel über seine viel zu lebhafte Fantasie geschuldet.

 

„Ich hatte dich nicht hier erwartet“, merkte Kidou in Gouenjis Richtung an, dann legte sich auf ihrer beider Gesichter ein Schmunzeln.

 

„Geht mir genau so.“

 

„Tsunami meinte, es gäbe nachher noch ein Feuerwerk. Habt ihr Lust, euch uns anzuschließen?“

 

Gouenjis Blick schweifte kurz zu Hijikata ab, dann schüttelte er den Kopf flüchtig.

„Wir müssen zurück zu den Kleinen“, sagte er und sah dabei selbst nicht ganz zufrieden aus, Hijikata hingegen hatte damit kein Problem, wie es schien.

 

„Ich hatte ihnen längst versprochen, das Feuerwerk anzusehen. Wenn wir sie geholt haben, können wir uns immer noch mit Kidou und den anderen treffen“, schlug er schließlich vor. Sakuma ließ den Blick an allen Beteiligten entlangwandern und konnte auf keinem der Gesichter Ablehnung sehen. Er selbst hatte auch nichts dagegen, daher war es abgemacht. Tsunami und Hijikata machten einen Treffpunkt für ihre Gruppen aus – sie wussten schließlich mehr über den besten Aussichtspunkt –, dann trennten sich ihre Gruppen wieder. Erst als sie schon gut 100 Meter gegangen waren, die Sakuma mit Schweigen verbracht hatte und damit, jeden Blickkontakt zu meiden, bemerkte er, dass er immer noch Gouenjis Shirt trug und ihm nicht mal das Geld für die Cola gegeben hatte. Dabei hatten die anderen seine Sachen mitgebracht.

 

Immer wieder bemerkte Sakuma die Drehbewegung von Gendas Kopf und jedes Mal ignorierte er die Tatsache, dass er von ihm angesehen wurde. Er sagte nicht einmal ein Wort, genau wie der Torhüter – eigentlich waren es Tsunami und Otomura, die ein Gespräch führten, dem Kidou zumindest aufmerksam zu folgen schien. Sie berichteten über irgendeine High School Anekdote, der Sakuma nicht intensiv genug zugehört hatte, um den Zusammenhang zu verstehen. Es interessierte ihn im Moment schlichtweg gar nicht und Tsunami sorgte mit seiner lebendigen Erzählweise sowieso dafür, Lärm für fünf zu machen. Sakuma musste nicht auch noch daran teilhaben.

 

Erst als sie die Strandpromenade erreichten, fanden Sakumas ziellos umherwandernden Augen etwas, von dem er seinen Blick nicht abwenden konnte. Unzählige bunte Papierlaternen waren im Sand arrangiert worden, sodass sie sich zu einem riesigen, bezaubernden Bild vereinten, erleuchtet von Teelichtern, deren Strahlkraft noch nicht ganz so gut zur Geltung kam. Trotzdem war der Anblick jetzt schon wunderschön – irgendwo zwischen kitschig und romantisch, irgendwie das Herz erwärmend.

Die Laternen waren grüppchenweise und farblich passend angeordnet. So fanden sich neben ein paar japanischen Schriftzügen einzelne Unterwasserlebewesen wie Fische, Krabben, Seesterne und Muscheln wieder. Manch eine Reihe Lichter glich den Wellen des Meeres, andere waren einfach nur schnörkelige Verzierungen.

 

Am Strand hatten sich viele Leute versammelt, die wie sie stehen geblieben waren, um das leuchtende Kunstwerk zu begutachten, ein kleiner Junge hockte besonders interessiert vor den vielen Lichtern. Tsunami stieß einen entnervten Schrei aus und beklagte sich lautstark, dass Tachimukai nicht da war, um sich das anzusehen. Am Ende reichte es nur für ein paar Fotos, die er ihm schickte, sodass er wenigstens ein bisschen Teil an diesem Anblick haben konnte, auch wenn er das Motiv nicht einmal ganz drauf bekam.

 

„Das sieht schön aus“, kommentierte Genda plötzlich neben ihm und sah von den Lichtern zu Sakuma hinüber, die Stimme sanft und ein Stück weit verträumt klingend. „Findest du nicht auch?“

Er nickte – das war erst einmal alles an äußerlich sichtbarer Reaktion. Innerlich war er völlig aufgebracht, sodass er kein Wort heraus bekam. Vielleicht wollt er auch gar nicht, denn er fühlte sich immer noch schlecht und er hatte keine Ahnung, was er überhaupt sagen sollte. Angespannt ballten sich seine Hände zu Fäusten, Sakuma schluckte noch einen Kloß herunter und wendete sich dann Genda zu, dem er ins Gesicht sah und- Er stellte fest augenblicklich fest, dass es ein Fehler war, ihn anzusehen. Automatisch senkte Sakuma den Blick wieder.

 

„Ich wollte noch... sagen... Wegen vorhin. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.“

 

Er sah noch, wie Genda den Mund öffnete, um etwas zu entgegnen, aber er kam nicht weit, denn Kidous Stimme ertönte ein Stück weit entfernt: „Wir gehen schon mal weiter. Kommt einfach nach, sobald ihr fertig seid. Ihr müsst nur der Musik folgen.“

 

„Wir sind schon fertig!“, merkte Sakuma an und ging eilig an Genda vorbei. Er hatte gesagt, was er sagen wollte und fühlte sich jetzt ein Stück weit befreit. Die Last, die von seinen Schultern gefallen war, ließ ihn einmal durchatmen. Es lag noch viel Ballast auf seiner Seele, aber er würde ihn Stück für Stück abbauen, bis er wieder frei und sorglos war.

Genda ging ihm nach und schnell hatten sie wieder zum Rest der Gruppe aufgeschlossen, die von Tsunami zu einem Strandlokal geführt wurde, das noch recht neu aussah, so wenig verwittert wie das Holz der Wände und des angebauten großzügigen Balkons war, der als Außenfläche diente. So wie sich Tsunami benahm, war er trotzdem längst Stammgast, sogar die Mitarbeiter begrüßten ihn mit Namen. Ohne Beziehungen hätten sie in dem überfüllten Lokal sicher auch keinen Platz mehr bekommen – der Balkon war längst voll besetzt bei dem Wetter.

 

Gemeinsam und mit reichlich Getränken ausgestattet, überbrückten sie die Zeit bis zum Feuerwerk und warteten auf Gouenji, Hijikata und seine Geschwister. Tsunami bestellte für alle einen Snack in Form von zwei Portionen Takoyaki und Sakuma bereute schnell, sich von ihm das hiesige Regionalgetränk, eine äußerst saure Limonade namens Shekwasha, aufgequatscht haben zu lassen.

 

Von dem schönen Ausflug war für Sakuma nicht mehr viel übrig. Er wollte keine Spaßbremse sein – wirklich nicht – und bemühte sich zu lachen, wenn Tsunami wieder eine Anekdote erzählte, interessiert zuzuhören, während Kidou und Otomura sich über ihre Rolle als Spielmacher unterhielten, die unterschiedlichsten Arten von Teams, gegen die sie mal angetreten waren. Er versuchte auch, sich einzubringen und nicht in jede Geste oder jedes Lächeln seitens Kidou oder Otomura zu viel zu interpretieren. Er wollte ja wirklich, aber ihm wurde es schnell zu viel. Sakuma mochte sich selbst nicht dafür.

 

„Es ist so stickig hier drin. Ich geh kurz raus, ein bisschen frische Luft schnappen“, sagte Sakuma, stand auf und ging raus, ohne einen der anderen anzusehen.

„Wir kommen dann auch gleich!“, hörte er Tsunami noch sagen und von Otomura kam die Feststellung, dass es nicht mehr lange dauern würde bis zum Feuerwerk.

Insgeheim hoffte er, dass es noch lange dauern würde, damit er mehr als nur ein paar Minuten alleine hatte, die er damit verbringen konnte, sich auf das Holzgeländer des Balkons zu lehnen und trübselig auf das Meer hinaus zu starren. Nicht, das es da noch viel zu sehen gab, denn es war mittlerweile komplett dunkel geworden. Ein paar Lichter erhellten den Strand, aber einzig das stete Rauschen der Wellen verriet, was sich dort in der Dunkelheit verbarg.

Sakuma seufzte leise – in der lauten Geräuschkulisse der ausgelassenen Leute an ihren Tischen ging es sogar für ihn beinahe unter. So hörte er auch nicht, dass jemand sich zu ihm gesellte, nahm ihn erst wahr, als er eine Bewegung neben sich bemerkte und drehte irritiert den Kopf zur Seite. Seine Augen wanderten hoch in das nur zu bekannte Gesicht.

 

„Genda...“, murmelte Sakuma, wendete den Blick dann wieder ab und richtete ihn zurück auf den Strand.

 

„Stör ich?“

 

„Nein, schon gut.“

 

„Es ist zu viel für dich, das verstehe ich. Wenn du willst, dann-“

 

Sakuma schnaufte ein wenig erzürnt und empört gleichzeitig.

„Sag das nicht so daher. Niemand, dem es nicht genau so geht, versteht mich. Du weiß doch nicht einmal ansatzweise, wie das ist.“

Seine Worte kamen am Ende bissiger raus, als er es gewollt hatte. Aber ehrlich, sowas sagt man immer leicht daher, dabei versteht es doch keiner. Erst recht nicht Genda. Er hätte längst eine Freundin haben können, wenn er nicht so schüchtern wäre, aber zu ihm sagte keine nein. Garantiert nicht.

 

„Da wäre ich nicht so sicher“, murmelte Genda mehr in sich hinein. So nah wie Sakuma ihm war, hörte er es trotzdem. Ihre Blicke trafen sich für einen Moment, sein eigener fragend, Gendas konnte er nicht genau einordnen – irgendwo zwischen hoffnungslos, ernst und bedrückt.

Sakuma konnte nicht glauben, dass es seinem Freund genau so gehen sollte, wie ihm. Er schüttelte den Kopf, letztendlich verstand er nicht, was Genda damit wirklich hatte sagen wollen und ihm war auch gerade nicht danach, sich mehr damit auseinander zu setzen. Ein Gespräch zwischen zwei hoffnungslos abservierten High School Schülern, darauf konnte er dankend verzichten, er brauchte nicht noch mehr Stimmungskiller.

 

„Hast du Lust, dir ein bisschen die Beine zu vertreten?“, fragte Genda schließlich und durchbrach die Stille, die zwischen ihnen herrschte, erneut. „Jetzt, wo es dunkel ist, kommen die vielen Lichter sicher noch viel besser zur Geltung.“

 

„Aber das Feuerwerk startet bald.“

 

„Bis dahin sind wir zurück. Komm, ist doch besser, als hier herum zu stehen.“

 

Genda deutete ihm auffordernd an, loszugehen. Unter einem angestrengt klingenden Seufzen ließ Sakuma schließlich von dem Holzgeländer ab und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Na gut, gehen wir.“

 

Obwohl es schon dunkel war, waren am Strand noch viele Leute unterwegs. Immer wieder saßen kleine Grüppchen im Sand, manche hatten kleine Campingleuchten dabei, eine größere Gruppe stand sogar um einen Feuerkorb herum, an dem sie Marshmallows rösteten.

Genda und er gingen erst einmal schweigend durch den Sand – langsam bemerkte er, wie erschöpft seine Waden schon von dem ständigen Gang durch den nachgebenden Boden waren, vermutlich würde er am nächsten Tag Muskelkater haben. Ab und zu schweifte sein Blick in der Umgebung herum, bis sie schließlich ihr Ziel erreichten. Und Genda hatte recht behalten, die Lichter waren im Dunkeln noch viel schöner als vorher. Die Teelichter leuchteten intensiv, zauberten an jede der Papierwände einen hellen Kreis und trotzdem kamen die verschiedenen Farben des Papiers noch wunderbar zur Geltung.

 

Das bunte, strahlende Bild vor sich zauberte Sakuma eine leichte Gänsehaut, sodass er die Arme vor der Brust verschränkte. Irgendwie fühlte er sich geborgen, so inmitten der Lichter, die ihn an einen bunten, prachtvollen Blumengarten erinnerten.

 

„Lass mich ein Foto machen.“

 

Auf die Aufforderung hin machte Sakuma ein paar Schritte zur Seite, doch bevor er über die Laternen steigen konnte, fing Genda an, leise zu lachen und erntete dafür einen fragenden Blick.

 

„Von dir, Sakuma“, klärte ihn Genda auf. Sakumas Mimik wechselte von fragend zu ungläubig. Wirklich begeistert war er von der Idee nicht, würde das überhaupt gehen?

 

„Es ist doch viel zu dunkel. Am Ende erkennt man mich eh nicht.“

 

„Das geht bestimmt, wenn du dich in den Sand hockst und näher an den Lichtern bist. Das Blitzlicht schafft das schon.“

 

„... Na gut. Aber du kommst mit rauf“, bestimmte Sakuma und suchte sich einen günstigen Platz zwischen de Lichtern, der groß genug für sie beide war, setzte sich mit dem Hintern in den Sand und wartete. Er sah in dem schwach beleuchteten Gesicht ein Schmunzeln, dann kam Genda mit dem Handy in der Hand zu ihm und hievte seine langen Beine über die Papierlaternen, vorsichtig genug, sodass kein Sand mit nach oben flog und sie darunter begrub.

 

Als Genda endlich neben ihm zum Sitzen kam, brachte sich Sakuma in Position, lehnte sich zu ihm rüber und lächelte dem Handy entgegen, das am ausgestreckten Arm schräg über ihnen hing. Während das Aufleuchten des Blitzlichts das bevorstehende Foto ankündigten, spürte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter. Und dann wurde es so hell, dass er die Augen halb zukneifen musste.

 

„Ah...! Jetzt hatte ich sicher die Augen zu“, kommentierte Sakuma frustriert, er konnte kaum richtig gucken, denn wo immer er in der Dunkelheit auch hinsah, sah er einen hellen Fleck, so als hätte sich das Blitzlicht in sein Auge gebrannt. Es würde Minuten dauern, bis das wieder verging.

 

„Versuchen wir es noch mal ohne Blitzlicht.“

 

Und wieder Lächelten sie in die Kamera, dieses Mal ohne die Gesichter zu verziehen. Als Genda ihm danach das Handy hinhielt, um ihm das Foto zu zeigen, konnte Sakuma es noch immer nicht richtig erkennen, aber er war sich sicher, dass es trotzdem eine schöne Atmosphäre hatte, selbst wenn die Belichtung sich als nicht ideal erwies. Wenn er so ein Foto mit Kidou hätte... Sakuma ohrfeigte sich innerlich für diesen Gedanken.

 

Erst als er wieder aufstehen wollte, bemerkte er, dass Gendas Hand noch immer auf seiner Schulter lag und er ihn damit halb im Arm hatte. Außerdem sah er ihn an. Verunsichert schaute Sakuma zurück, er konnte sehen, wie Genda schluckte.

 

„Was...?“

 

„Sakuma, ich-“

 

Weit hinter Sakuma zerbarst plötzlich eine Rakete, malte flackernd leuchtende Strahlen in den dunklen Nachthimmel, gefolgt von einem lauten Knall. Er drehte ruckartig den Oberkörper, sah blaue, gelbe, rote Feuerwerksblumen, die wieder von lautem Knallen begleitet wurden.

 

„Das Feuerwerk! Wir müssen zurück!“, stellte Sakuma hektisch fest und war jetzt erst recht drauf und dran aufzustehen, aber Gendas Hand, die seinen Arm packte, wollte ihn nicht gehen lassen. In ihm machte sich längst das Gefühl breit, dass er wüsste, was Genda ihm gerade sagen wollte. Jetzt schluckte auch Sakuma, die Augen groß und ungläubig.

 

„Wir müssen nicht zurück, wenn du nicht willst. Die Wahrheit ist... Ich will lieber mit dir hier bleiben. Alleine.“

 

Das letzte Wort war so betont, dass die Aussage unmissverständlich wurde, wenn man dazu noch die ernsten, eindringlichen Augen Gendas sah. Sakuma war regungslos – er konnte sich gar nicht bewegen, selbst wenn er es versuchte. Im Augenblick brachte sein Körper nichts zu Stande, sogar die Sprache hatte es ihm verschlagen. Gendas Hand ließ von seinem Arm ab, strich ihm liebevoll über die Wange und- Näherte sich ihm Gendas Gesicht?!

 

Sakumas Herz raste, überschlug sich und drohte komplett auszufallen. Sein ganzer Körper spannte sich an. Als ginge es ums Überleben, bewegte sich zumindest sein Arm reflexartig und drückte Genda die Hand auf seinen Mund. Aber das schien ihn nicht abhalten zu wollen. Das Streicheln auf seiner Wange stoppte, dafür schmiegte sich die raue Handfläche an Sakumas Handrücken und umfasste ihn schließlich bestimmend genug, um seinen Mund zu befreien. Ihre Blicke trafen sich, ein zarter Kuss wurde auf Sakumas Handfläche gehaucht, der ihm das Blut in den Kopf steigen ließ.

 

„Ich liebe dich, Sakuma“, sagte Genda leise, irgendwo zwischen rau und sanft.

 

Nicht, dass er es nicht schon vermutet hätte, aber das zu hören, ließ Sakuma die Luft anhalten. Seine Hand gehörte längst Genda, denn sie hatte ihren Widerstand komplett aufgegeben – Verräterin.

Er wusste nichts zu antworten, hatte es schon schwer genug, seine Atmung wieder in Gang zu bekommen und wollte eigentlich nur weglaufen, egal ob es seinen Waden gefiel oder nicht. Doch er wusste auch, dass Genda ihn nicht gehen lassen würde, so bestimmend, wie seine große Hand seine Schulter einnahm. Eine Flucht war unmöglich.

 

„Tut mir leid, ich... wollte dich nicht so überfallen“, sagte Genda schließlich und sah aus, als würde er mit sich selbst hadern. Er war offensichtlich genau so überfordert mit der Situation. Dass Sakuma nicht antwortete, bewegte ihn vermutlich dazu, weiterzusprechen. Aber was hätte er auch sagen sollen? Genda wusste doch, dass er Kidou liebte und das änderte sich eben nicht von jetzt auf gleich.

„Ich weiß, du liebst ihn, aber wenn du mich mal mit anderen Augen siehst, dann kannst du dich vielleicht auch in mich verlieben. Es muss nicht sofort sein. Ich warte auf dich Da ist niemand anders, den ich will – nur du.“

 

Genda war ernst, todernst, irgendwie beeindruckte es Sakuma ein bisschen. Im Gegensatz zu ihm, hatte er sich nicht getraut, Kidou seine Liebe zu gestehen. Er hatte ihm nie ins Gesicht gesagt, dass er so wichtig war, dass er auf ihn warten würde – egal wie lange es auch dauern mochte.

Er hatte in Genda nie etwas Anderes als einen Freund gesehen, vermutlich war er nicht einmal dieser Rolle richtig gerecht geworden, so wie er den Torhüter teilweise behandelt hatte, aber sich jetzt in ihn zu verlieben, das konnte er sich nicht vorstellen. Es war absurd. Wahrscheinlich dachte Kidou genau das selbe über ihn...

 

Sakuma senkte den Blick. Es war ihm unangenehm, er konnte ihn einfach nicht weiter ansehen. Auch das Feuerwerk war längst zur Nebensache geworden. Zwar hörte er das Knallen der Raketen immer noch, schenkte ihm aber keine Beachtung. Nicht mal ein Blick ging in dessen Richtung. Er ließ seinen Kopf gegen Gendas Schlüsselbein sinken, sein Pony verschleierte sein Gesicht zum Großteil.

 

„Ich will dich nicht verlieren“, murmelte Sakuma und sprach damit die Angst aus, die sich in ihm breit machte. Eine Angst, die er auch schon bei Kidou gehabt hatte – ein Grund, ihm nichts von seinen Gefühlen zu sagen.

 

„Wirst du nicht, das verspreche ich dir.“

 

Er hoffte wirklich inständig, dass Gendas Worte nicht nur so daher gesagt waren. Aber in diesem Moment lag sein innigster Wunsch ganz wo anders. Er wollte sich neu verlieben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Puppenspieler
2016-08-31T00:53:54+00:00 31.08.2016 02:53
Haaaaaaaach. ;_; So viele Feels! D: Und so wenige davon sind positiv... ;_; Aber, trotzdem: Es war wunderschön und ich bin sehr begeistert! °^° Und sehr happy, dass ich es lesen konnte - also bin ich happy mit dem Kapitel! Ha! òwó Hab ich doch gesagt!

Ich wäre ja nie auf die Idee gekommen, dass Genda Gouenji für Hijikatas Nummer kontaktiert. Aber... das ist clever. ô_o Ich bin echt beeindruckt! Mir gefällt die Idee übrigens echt gut - die ist so schön logisch, ergibt einfach Sinn und fügt sich da so natürlich ein... o_o großes Yay dafür!
Auch wenn es verständlich ist, dass Sakuma nicht so happy über die Nachricht war. Klar, es ist ja toll, dass Genda sich um ihn sorgt, aber... ne? :'D Ich versteh das irgendwie schon. Ich wäre an Sakumas Stelle auch angefressen, dass es nicht Kidou war, der sich gemeldet hat. Hach, Eifersucht und Liebe sind schon böse Dinge.
Ich hoffe, Sakuma kommt nochmal zurück zu dem Pinguin-Café, das ist ja voll traurig, dass er es am Ende gar nicht mehr richtig genießen konnte!!!!;_;

Random Einwurf... Ist es Gouenji, in den Kidou verknallt ist...? Die nötige Chemie hätten sie zumindest!

Ich hab mich tierisch über Tsunami gefreut. XD Es ist einfach immer so wunderbar, wenn er auftaucht! ;w; Und es ist sooooooo süß, dass er Tachimukai Fotos gemacht hat, wo der Kerl schon nicht da sein kann. Aww, Mann! Die müssen sich bald mal wiedersehen! Fernbeziehungen sind doch gemein!!!
Über Otomura freue ich mich auch sehr. :3 Der hat sowas... friedliches an sich. Ich finde es total beruhigend, wenn er dabei ist, weil er irgendwie eine angenehme Atmosphäre zusammen mit Kidou verbreitet. Ich mag das. ♥ Aber gut, aktuell verbreitet wohl jeder eine angenehmere Atmosphäre als unser kleiner Grump Sakuma.

Diese Papierlaternen klingen so wunderschön ;_________; Ist das etwas, das Okinawa-speziell ist? Ich hab von Papierlaternen zu Umi no Hi nur was in der Bucht von Tokyo (glaube ich) gefunden, und da waren es auch nur einfach ganz platte, langweilige Laternen, nicht so coole. Das ist voll faszinierend. o__o Und das klingt so wunderwunderschön... ich würde das ja gern mal live sehen. :'D
Und dann noch das Feuerwerk dazu!!! Das muss einfach atemberaubend sein...

Atemberaubend stell ich mir aber auch Sakuma zwischen den Laternen vor. :') Oh mein Gott, das sieht vor meinem inneren Auge echt einfach nur wunderschön aus! Kein Wunder, dass Genda ein Foto wollte! Ich hätte auch gleich mal auf einem bestanden bei so einem Anblick!
Genda ist ja sowieso so ein bisschen mein Baby hier. :'D Er tut mir einfach soooooooooo leid... der arme Kerl. .__. Sakuma ist echt ein kleiner Trampel, so auf ihm herumzuhacken, ohne selbst zu wissen, was eigentlich Sache ist. Ein bisschen sollte er sich schämen, auch wenn es verständlich ist! Dass Genda das wirklich mitmacht, sagt echt viel darüber aus, wie wichtig ihm Sakuma ist. ;w; Aww.
Auch wenn... wirklich! Es hätte ihm doch klar sein müssen, dass das nicht der richtige Zeitpunkt für ein Geständnis ist! Dummer Genda! Dumm!;_; Andererseits... immerhin hat er mal was gesagt. ._. Das ist ja auch viel wert, vor allem, wo er wusste, wie aktuell aussichtslos es ist. Mutig. Oder töricht. xD
Kann sich Sakuma nicht einfach wirklich in ihn verlieben und gut ist? ;_; Das wäre doch was! Dann wären sie alle glücklich. ;_; Ich fürchte nur irgendwie, dass es so einfach nicht sein wird... D: Argh.

ARGH! D: Viel argh. Viel zu viele Feels hier!;_;


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