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Lust'n'Needs II

von

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Quick To React

Quick To React

 

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Ich will nur, dass Du weisst, / wie oft ich Briefe an Dich schreib / und sie wieder zerreiss / und dass ich Dich liebe und so'n Scheiss

 

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Eigentlich stellte Cari keine sonderlich großen Erwartungen an seinen Briefkasteninhalt. Für gewöhnlich fanden sich nur lästige Rechnungen zwischen uninteressanten Werbeprospekten und kostenlosen Wochenzeitschriften. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass er auch heute nur hastig in den Kasten griff und den ganzen Stapel herauszog, der neu eingetrudelt war, um ihn flüchtig durchzuschauen. Da er Tim und Rikki im Schlepptau hatte, die bereits darauf warteten, dass er endlich fertig wurde, ließ er sich noch weniger Zeit mit seiner Poststudiererei als sonst. Wie erwartet fiel ihm eine bekloppte Rechnung auf, hier gar eine Mahnung, aber was war eigentlich das hier?

"Mann, jetzt komm endlich mal aus dem Arsch!", stöhnte Tim, laut dem Cari bereits viel zu viel Zeit vertrödelt hatte. "Deine Liebesbriefe kannst du auch später noch lesen."

"Ja", ergänzte Rikki mit dem Anflug eines Schmunzelns. "Vielleicht haben sie sich nachher sogar noch vermehrt."

Liebesbriefe, die Zellteilung vornahmen und sich somit vervielfältigten? Cari fand den Gedanken ziemlich absurd und hätte seine Kumpels in einer anderen Situation wohl gefragt, ob sie bereits einen im Tank hatten, aber im Moment kümmerte ihn nur dieser blütenweiße Brief ohne nennenswerten Absender. Ja, auf dem Umschlag mochte in großer, ausladender Handschrift 'Für Cari' stehen, aber das musste gar nichts heißen. Oder aber es hieß sehr viel.

"Was ist das?" Rikki machte einen langen Hals, um einen Blick auf das zu werfen, über dem Cari verstummt war. "Ein Liebesbrief vom Zollamt?"

"Ha, du mit deiner Fahrweise kriegst sicherlich ständig Liebesbriefe vom Zollamt."

"Wohl eher Erpresserbriefe", berichtigte Cari den feixenden Tim, während die Neugier gewann und er jenen mysteriösen Brief prompt öffnete. "So viel Kohle, wie die schon von mir geschluckt haben..."

"Wenn du auch ständig solche teuren Fotos machen lassen musst, du eitler Schönling..."

Cari blieb die Erwiderung auf diese Worte schuldig, denn obwohl er ohnehin ahnte, dass es sich bei dem Brief entweder um eine sehr böse oder sehr seltsame Nachricht handeln musste, machte er vor Überraschung ziemlich große Augen, so wie er den gefalteten A4-Zettel aus dem Umschlag zog. Stirnrunzelnd betrachtete er die handschriftlich verfassten Worte.

"Was denn?" Selbst Rikki zog nun dezent beunruhigt eine Augenbraue in die Höhe. "Sag bloß, jemand hat Jamie entführt und will nun Lösegeld für ihn."

"Ach, so ein Quark...", nuschelte Cari, der den Blick nicht mehr von dem Brief abwenden konnte, was Tim jedoch nicht davon abhielt, noch einen Spruch zu reißen.

"Fraglich, ob wir für den kleinen Pisser Lösegeld zahlen werden."

"Oh Shit." Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ Cari den Brief sinken. Ein erleichtertes, ja regelrecht belustigtes Lächeln wuchs auf seinem Gesicht. "Ich frag mich echt, was das nun wieder soll."

"Was?"

Damit hielt er seinen Kumpels den Brief hin, woraufhin diese sich auf ihn stürzten wie hungrige Hyänen und noch gieriger zu lesen begannen.

 

Lieber Cari,

 

Eigentlich liegt mir so was überhaupt nicht. Das hier ist wohl mein gefühlt zwanzigster Versuch, etwas Brauchbares zustande zu bekommen...doch was ist bei so was eigentlich brauchbar?

Ich weiß es selbst nicht. Deswegen komme ich einfach schnell zur Sache, damit ich es endlich hinter mir habe und nicht länger hadern muss.

Cari, ich habe gemerkt, dass ich etwas für dich empfinde. Etwas, das ich besser nicht empfinden sollte. Du sollst wissen, dass ich mir das nicht ausgesucht habe. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, ich hätte mich niemals auf diesen Unsinn eingelassen. Und dann hätte ich dir auch diesen katastrophalen Brief nicht schreiben müssen. Wirklich, ich schäme mich dafür. Ich schäme mich eigentlich für kaum etwas, aber das hier ist mir äußerst unangenehm. Besonders unangenehm ist es mir, dass ich eigentlich nur über mich spreche, obwohl es hier eigentlich doch um dich gehen sollte. Um das, was du für mich bist. Schon immer.

Ich liebe dich, Cari. Es mag befremdlich klingen, aber genauso klingt es auch schön. Ich tue es nicht freiwillig, aber ich mag es einerseits. Kann man gegenüber der Liebe auch so etwas wie ein Stockholm-Syndrom entwickeln? Falls ja: Here I am.

Bitte glaube nicht, dass ich jetzt etwas von dir erwarte. Ich will eigentlich nur, dass du weißt, dass ich in manchen Nächten nicht mehr schlafen kann, weil ich an dich denken muss. Dann fange ich an, jedes kleine Detail deines Verhaltens mir gegenüber zu analysieren, in der Hoffnung, dass ich etwas entdecke, das mir beweist, dass du mich auch gern hast, auf diese Weise. Okay, ich würde mir das schon wünschen. Natürlich würde ich es mir wünschen. Jeder wünscht sich, dass seine Gefühle erwidert werden. Aber ich kann es nun mal nicht erzwingen.

 

Du hältst mich nun sicherlich für einen Idioten, und das bin ich auch. Aber du bist einfach nur wunderschön und zugleich irre sexy, wie soll man da nicht zu einem schwanzgesteuerten Vollidioten mutieren?

 

Nun, am liebsten würde ich diesen Wisch nun auch wieder zerreißen, und vielleicht mache ich es ja auch noch. Falls ich so wahnsinnig bin und es nicht tue: Ich bin zu feige, um meinen Namen zu nennen.

 

In Liebe,

Dein Verehrer

 

Bereits während des Lesens hatten Tim und Rikki immer wieder verstohlen glucksen müssen, doch so wie sie Cari den Zettel wieder in die Hand drückten, lachten sie sogar relativ offen und relativ lauthals, was Cari zunächst etwas ärgerlich auf sich bezog.

"Danke fürs Auslachen", grummelte er. "Als ob ich was dafür könnte, dass ich solche Post bekomme."

"Klar kannst du da was dafür", entgegnete Tim breit grinsend. "Wieso musst du auch so unverschämt gut aussehen?"

"Klar." Cari starrte ihn ohne zu blinzeln böse an. "Und wenn ich einen kurzen Rock trage, bin ich dann automatisch zur Vergewaltigung freigegeben oder was?"

"Nun reg dich ab", versuchte Rikki ihn zu beschwichtigen und tätschelte ihm die Schulter. "Wahrscheinlich stammt der Brief von irgendeinem durchgeknallten Fan-"

"-der mich Mark-Chapman-like abknallt, wenn ich seine Gefühle nicht erwidere?"

Cari kannte seine paranoide Ader bereits zur Genüge, und er wusste deshalb auch, dass sie ihm oftmals ziemlichen Unsinn zuflüsterte. Nicht jede Person, die einem anderen Liebesbriefe schrieb, war ein kaltblütiger Killer, der abdrehte, wenn er einen Korb bekam. Im Grunde klangen die Worte des Briefschreibers gar nicht wie jene eines brutalen Mörders. Viel eher machte er auf Cari einen verunsicherten Eindruck. Offenbar kämpfte er seit einiger Zeit mit Selbstzweifeln.

"Vielleicht hat dir ja auch ein hübsches Mädchen geschrieben", stellte Tim weitere Vermutungen an, denen Cari jedoch sofort den Wind aus den Segeln nehmen konnte.

"Ein schwanzgesteuertes Mädchen?" Er verzog schmerzlich das Gesicht. "Ich glaube nicht, dass ich mich an einem Mädchen mit Penis erfreuen könnte..."

"Vielleicht kommt er aber auch von Jamie." Caris Blicke hefteten sich genauso erschrocken wie jene Tims auf den Bassisten, der sich deshalb verpflichtet sah, zumindest die Schultern zu heben und seine Meinung zu verteidigen. "Was denn, kann doch sein. Seine Handschrift ist-"

"Nie im Leben würde Jamie mir so was schreiben." Cari hatte sich ein wenig zurückgezogen und pfriemelte nun den Brief zurück in den Umschlag. Vor allen Dingen tat er es deshalb, weil er somit niemanden mehr anschauen musste. In diesem Moment konnte er niemanden der beiden anblicken. "Das sieht Jamie überhaupt nicht ähnlich."

"Und wenn der Brief von Jamie wäre?" Rikki legte den Kopf schief und maß Cari neugierig. "Einfach mal angenommen. Was würdest du dann machen?"

Dir auf die Fresse hauen, erwiderte Cari in Gedanken, während ihm keine Antwort auf die Frage einfiel, die keine Ausflucht dargestellt hätte. Schließlich konnte er seinen Kumpels unmöglich gestehen, dass er wohl ziemliches Herzklopfen bekommen hätte, wenn Jamie ihm auf diese Weise seine Gefühle gestanden hätte. Er hätte bereits Herzklopfen bekommen, wenn Jamie ihm überhaupt etwaige Gefühle gestanden hätte, ganz egal, auf welche Weise. Denn ein klein wenig fühlte er sich wie der Verfasser des Briefes. Auch er konnte in manchen Nächten nicht schlafen, weil er an den schönen Sänger denken musste und sich ganz und gar in den Fantasien verlor, in denen er ihm ganz nah war und ihm Zärtlichkeiten schenkte...

"Gar nichts würde ich machen", sagte er schließlich bestimmt und stopfte den Brief, der kaum mehr in den Umschlag passen wollte, letzten Endes mit roher Gewalt hinein. "Vergesst den Scheiß. Irgendjemand wird sich einen Scherz erlaubt haben, das ist alles."

Zum Glück bohrten Tim und Rikki nicht weiter nach und vergaßen das Schreiben tatsächlich recht schnell über einem Bier und dem ein oder anderen Schnaps. Auch Cari zwang sich, nicht länger über den mysteriösen Brief nachzugrübeln, brachte ihm dies doch ohnehin null Punkte ein. Dadurch würde er auch nicht ergründen können, wer ihm solch bizarre Zeilen geschrieben hatte. Irgendwann wollte er es auch gar nicht mehr wissen.

 

Erst, als er am nächsten Mittag noch recht schlaftrunken und verkatert das Altpapier herunterbringen wollte, kam er ihm wieder in den Sinn. Allerdings nur vage, war er noch zu kaputt, um sich an irgendwelchen Gedanken festzubeißen. Gerade noch so hatte er es geschafft, jeglichen Papiermüll zusammenzusuchen, wobei ihm auf seiner Suche der Brief aufgefallen war, der noch immer wartend auf der Flurgarderobe lag. Ein letztes Mal hatte er einen Blick auf die Adressierung geworfen, dann war der Brief bei dem restlichen Altpapier gelandet und zur Tonne abtransportiert worden.

Nun öffnete Cari den Deckel derselben und wollte den Sack hineinheben, als er die Präsenz einer Person hinter sich wahrnahm. So wie er sich irritiert herumdrehte, erblickte er zu seiner Überraschung Jamie, welcher sich gerade nach etwas bückte, das er wohl unbemerkt verloren hatte.

Er erkannte, dass es der Brief war.

Gerade wollte Cari zu einer unbeschwerten Begrüßung ansetzen und seinem Freund mitteilen, dass er aufgrund seines Termins gestern eine Menge Spaß verpasst hatte, als der Sänger sich erhob, den Briefumschlag in der Hand und Cari schweigend anschaute. Aus Augen, die von einer tiefen Verletzung erzählten, die er jedoch zu verschweigen versuchte.

"Der sollte wohl auch mit in den Müll, nehme ich an", mutmaßte er und nickte bitter mit zusammengepressten Lippen, als Cari keine Reaktion zeigte. "Gut, dann weiß ich nun wenigstens, woran ich bin." Er warf den Brief achtlos in die Mülltonne. "Hab mir ja eh keine wirklichen Hoffnungen gemacht."

Cari verfolgte das Geschehen, als würde er lediglich Beobachter sein, aber nicht wirklich daran teilnehmen. Sein Blick hielt sich lange an dem Brief fest, wie er da in der Mülltonne lag, einsam und ungeliebt, da, wo Cari ihn vor ein paar Minuten ohnehin noch haben wollte. Aber nun schlich sich langsam eine unglaubliche Vorahnung in seine Gedanken. Etwas, das ihm schier die Sprache raubte, aber auch dafür sorgte, dass er Jamie anschaute, mit sich öffnenden und wieder schließenden Lippen, die etwas sagen wollten, aber nichts sagen konnten.

"Ich hoffe mal, du kannst den Scheiß wenigstens schnell vergessen", hörte er Jamie sagen, doch seine Worte drangen nur wie durch eine Watteschicht zu ihm durch. "Wenn ich deshalb noch meinen besten Freund verliere, kannst du mich gleich mit in die Mülltonne stopfen."

Der Sänger versuchte seinen Schmerz mit einem tapferen Lächeln zu verdrängen, und in diesem Moment wachte Cari endlich aus seiner Trance auf und begriff, was gerade geschah.

"Ich-ich hab deine Schrift gar nicht erkannt", brachte er stammelnd hervor, während Jamie ihn ohne irgendeine Gefühlsregung im Blick anschaute. Nur die Herbstsonne brachte seine grünen Augen zum Schimmern, was so wunderschön aussah, dass Cari am liebsten...

"Weil du sie nicht erkennen wolltest", stellte Jamie bestimmt fest und biss angespannt auf sein Piercing. "Du hast nicht wahrhaben wollen, dass ich etwas für dich empfinden könnte. Weil du es nicht erwiderst. Natürlich tust du es nicht. Du bist ja auch eine Hete und-"

"Jamie, ich..." Er brach ab, weil die Gefühle so heftig über ihn hereinbrachen, dass sie sein ganzes Denken beherrschten. Dafür ließ er den Müllsack wie von fremder Hand gelenkt los und machte dann einen Schritt in Jamies Richtung, dann noch einen. Bis er direkt vor ihm stand und so überwältigt von seinem wundervollen Freund war, dass er einfach die Arme um ihn schlang und ihn fest an sich drückte.

"Wenn ich gewusst hätte", nuschelte er gegen seinen Hals, um einen klaren Gedanken ringend in all den Empfindungen, die ihn zu übermannen drohten. "Wenn ich gewusst hätte, dass der Brief von dir ist..."

Er spürte, wie Jamies Finger sich bei diesen Worten in sein Shirt krallten, und genauso spürte er auch die seine Halsbeuge sanft kitzelnden Wimpern, als sein Freund die Lider schloss, erleichtert darüber, an dem Ort angekommen zu sein, nach dem sein Herz sich sehnte.

"Ich liebe dich."

Jamies Atem, der diese Worte formte, traf warm und feucht auf Caris Haut, und er bekam sie auf genau dieselbe Weise zurück.

"Ich liebe dich auch."

Ein Hauch auf seine kühle Wange, gefolgt von einem Kuss auf jene, einem Kuss, der ihm verriet, dass jenes Gefühl, welches die Herzen der beiden Männer erobert hatte, für immer währen würde.

Als Cari sein Gesicht in den langen, schwarzen Haaren seines Freundes vergrub, vermutete er, dass er sich an deren Duft nach den letzten goldenen Septembertagen und reifen, roten Äpfeln auf ewig zurückerinnern würde. Denn den Tag, an dem man die Liebe fand, vergaß man nie mehr.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal habe ich mich eines Zitates aus dem Waisenhaus bedient.

Mal schauen, ob der nächste OS wieder etwas versauter wird... ;) Komplett anzeigen

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