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Heimliche Hoffnung

von

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Vorbei

Shuichi runzelte die Stirn. Noch immer blickte er auf das Handy in seiner Hand.

Reiji.

Wer war nur dieser Reiji? Und was noch viel wichtiger war, was hatte Jodie mit ihm zu schaffen? Ob Anne ihre Hände im Spiel hatte? Versuchte sie Jodie erneut zu verkuppeln, so wie damals? Seine Nackenhaare richteten sich auf und er verengte die Augen. Die Vorstellung behagte ihm ganz und gar nicht. Und in Wahrheit hoffte er, dass Reiji einfach nur ein Arbeitskollege war oder der Lieferant ihres Mittagessens.

Warum musste Jodie auch nur in die Staaten zurückkehren? Immer wieder merkte Shuichi, was ihn vor sieben Monaten so sehr störte. Natürlich gönnte er ihr das neue Glück. Dennoch machte ihn der Gedanke an Jodie und einen anderen Mann rasend. Shuichis Hand verkrampfte. Das Glas seines neuen Smartphones zerbrach. Die neuen Handys waren aber auch einfach zu zerstören.

„Wie geht es ihr?“

Shuichi blickte auf das zersplitterte Glas, anschließend sah er hoch zu Camel, der ihn aus seinen Gedanken riss. „Gut.“ Shuichi legte das Smartphone auf den Tisch.

„Ich hab mir wirklich Sorgen um sie gemacht“, entgegnete Camel leise. „Vor allem, als sie so überstürzt zurück in die Staaten ging. Als ich hörte, dass sie auf unseren Boss schoss…ich…ich…ich dachte es wäre meine Schuld. Ich hab nicht auf sie aufpassen können.“

„Du hättest nichts tun können. Jodie hat selbst entschieden. Sie hatte ihre Gründe und konnte dich deswegen nicht in den Ablauf miteinbeziehen. Sie hat das getan, was ich in dem Fall auch getan hätte: So wenig Personen wie möglich einweihen.“ Shuichi merkte, wie bitter seine eigene Medizin schmeckte.

Camel seufzte. „Ich hab versprochen, dass ich auf sie aufpasse und für sie da bin“, gab er leise von sich. „Ich…es tut mir leid. Ich hab wieder versagt.“

„Nun hör auf mit dem Unsinn“, entgegnete Akai etwas Lauter. „Sag mir lieber, ob dir ein Reiji beim FBI bekannt ist.“

„Reiji?“, wiederholte Camel fragend. Er überlegte und überlegte. Es klingelte einfach nicht. „Ehrlich gesagt, weiß ich da keinen.“

Shuichi schloss die Augen und lehnte sich nach hinten in das Sofa. Auch als seine Identität aufflog, residierte er weiterhin in der Kudo-Villa. Sie war ruhig und abseits vom weiterem Geschehen. Außerdem konnte er Shiho sehr gut im Auge behalten.

Jodie und Reiji.

Reiji und Jodie.

„Aber nur weil ich keinen Agenten mit dem Namen kenne, muss das noch lange nichts heißen. Ich glaube, die neuen Rekruten müssten nun ihre Probezeit in den Büros absolvieren“, sprach Camel sofort. „Vielleicht hat Jodie ihn als neuen Partner zugeteilt bekommen…oder sie hat ihn bei einer Lagebesprechung kennen gelernt.“

„Mhmm…“

„Es geht doch darum, dass Jodie Kontakt zu diesem Reiji hat, oder?“, wollte Camel wissen.

Akai nickte schweigend.

„Sie kann ihn auch auf dem Rückflug kennen gelernt haben oder in China-Town“, meinte Camel nachdenklich. „Oder zufällig in einem Geschäft, abends als sie ausgegangen ist oder…“

„Stopp.“

Camel blickte zu Akai. „Hab ich was Falsches gesagt?“

„Nein. Diese Spekulationen bringen uns nicht weiter. Man kann Menschen immer irgendwie kennen lernen.“

„Ich kann bei James nachfragen“, schlug der Agent vor.

„Nein.“ Shuichi öffnete wieder die Augen. „Wenn dieser Reiji für die Organisation arbeitet und sich um Jodie kümmern soll, bringen wir sie in Gefahr. Die Sache muss unter uns bleiben.“ Akai dachte kurz nach. „Hast du Kontakte oder Freunde beim FBI, die dir helfen und es nicht an ihren Vorgesetzten weitergeben?“

Camel nickte.

„Gut, triff eine weise Wahl und versuch heraus zu finden, ob dieser Reiji beim FBI arbeitet oder ob er anderweitig dort bekannt ist, zum Beispiel wenn er Jodie abholt.“

„M…mach ich.“

Shuichi knurrte leise. Die Vorstellung, dass Jodie auf ein Mitglied der Organisation reinfiel und es nicht einmal bemerkte, gefiel ihm nicht. Generell konnte sich der FBI-Agent nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass Jodie einen anderen Mann fand. Einen, der sie glücklich machte.

„Ich werde dieses Mal nicht versagen.“

„Hmm?“ Akai sah ihn an. „Vergiss doch endlich das, was vor Jahren war.“

Camel blickte finster drein. Damals kam er frisch von der Akademie, absolvierte ohne Probleme die 20-monatige Probezeit und konnte anschließend, aufgrund seiner überragenden Leistungen, an der Mission Schwarze Organisation teilnehmen. Und dann machte er diesen einen Fehler, ein Fehler, der ihn noch immer verfolgte. „Wäre ich nicht zu dem alten Mann gegangen, hättest du die Hintermänner kennen gelernt und wir hätten sie verhaften können…dann wäre…alles nicht so gekommen.“

„Wir können die Vergangenheit nicht mehr rückgängig machen und sollten in die Gegenwart und in die Zukunft sehen.“

Überrascht sah Camel nun zu ihm. Die Worte kamen tatsächlich aus Akais Mund. Camel wollte etwas sagen, doch es verschlug ihm einfach die Sprache.

„Was ist?“

„I…ich bin…ü…überrascht“, stotterte der Agent. „Wir alle dachten…“

„Ich weiß.“

Camel schluckte. „Und wenn ich nicht versagt hätte…“

Akai seufzte. Schon wieder sprach sein Kollege über die Vergangenheit. Wieder konnte er sich nicht von dieser Lösen.

„Akemi war alt genug. Sie traf ihre eigenen Entscheidungen und sie kannte das Risiko.“

„Aber wenn…sie wäre vielleicht jetzt noch am Leben und dann könntest du…“

„Möglich.“ Shuichi zuckte mit den Schultern. Seine Stimme klang schon kühler. „Keiner kann sagen, was passiert wäre, wenn die Dinge anders gelaufen wären. Jetzt allerdings ist es wichtig, dass wir uns um den Schutz von Shiho kümmern und Jodie nicht aus den Augen lassen.“

„Die Organisation wird alles tun, um Shiho in ihre Hände zu bekommen.“

Ein Grinsen umspielte Shuichis Gesicht. „Da müssen sie schon früher aufstehen. Ich hab sie in Sicherheit gebracht.“

„Eh…ich dachte…ihr Aufenthaltsort ist für uns alle unbekannt“, warf der Agent ein.

„Ist er auch.“ Erneut schloss Shuichi die Augen und lehnte sich nach hinten.
 

Shuichi blickte die junge Frau, die vor ihm stand, an. Nur widerwillig ging er mit ihr in den Park. Er war nicht der Typ, der eine Beziehung mit der Öffentlichkeit teilte. Warum auch? Reichte es nicht, wenn sie abends zusammen saßen und morgens gemeinsam aufwachten? Seine Freundinnen sahen es allerdings immer anders.

Jodie fiel es damals schon schwer ihre Beziehung geheim zu halten und sobald sie einen Abend außerhalb ihrer Wohnung verbrachten, hing sie an seinem Arm. Obwohl er sich in erster Intention aus ihrem Griff befreien wollte, hielt ihr Lächeln ihn davon ab.

Und auch Akemi war jemand, der gern an seinem Arm hing und der ganzen Welt von ihrem gemeinsamen Glück erzählen wollte. Shuichi spielte einfach mit. Es war ein Auftrag und wenn er ehrlich war, sah er sie gern lächeln.

In einer Art und Weise ähnelten sich Jodie und Akemi. Beide waren stark und kämpften für ihre Familie. Und beide waren auch Persönlichkeiten, die kaum bis nie in der Öffentlichkeit weinten oder Trauer zeigten. Nach außen hin waren sie stark, nachts weinten sie sich in den Schlaf, wenn es nicht anders ging.

„Lass die Witze“, lächelte Akemi und gestand ihm unter Tränen: „Wenn du mich damit irgendwie aufziehen willst, dann…denk dir etwas Besseres aus…und nichts…was ich schon weiß.“

Shuichi schnellte zu ihr heran und hielt die junge Frau an der Schulter fest. „Wenn du es gewusst hast, warum hast du mich nicht verraten?“, wollte er leicht aufgebracht wissen.

Traurig sah sie ihn an. „Musst du mich das wirklich fragen?“

Shuichi schluckte. Sie liebte ihn. Und sie kannte die Wahrheit. Sie deckte ihn und brachte sich damit selbst in Gefahr.

Shuichi kannte die junge Frau gut. Jeden Tag, seit Beginn ihrer Beziehung, lernte er sie immer besser kennen. Er wusste, wie sie handelte, was sie dachte und was sie noch tun würde. Jetzt aber überraschte sie ihn.

Wie lange sie die Wahrheit wohl kannte, ging es Shu durch den Kopf. Wusste sie es seit Anfang an? Fand sie es zwischendurch raus? Legte sie die Puzzleteile so einfach zusammen? Oder war es einfach nur Zufall?

Shuichi wollte nicht daran denken, was sie fühlte. Sie musste sich benutzt vorkommen. Benutzt um später weggeworfen zu werden. Oder kalkulierte sie dieses Risiko ein? Benutzte sie ihn vielleicht selber? Wollte sie, außer Liebe, noch etwas Anderes von ihm?

Shuichi presste die Lippen aufeinander. Ein leises Knirschen war sie hören. Und obwohl es von seinen Zähnen kam, ratterte es auch in seinem Hirn. Dass ausgerechnet ein Mensch wie Akemi in der Organisation war, war unvorstellbar. Sie war anders als die anderen Mitglieder. Akemi war nett, ruhig, zuvorkommend, manchmal ängstlich und normal.

Bis auf ihre tragische Vergangenheit. Ihre Eltern starben als sie ein kleines Mädchen war. Danach kam sie zu einer, von der Organisation ausgewählten, Pflegefamilie. Die ersten fünf Jahre lebte sie zusammen mit Shiho, danach wurden sie getrennt. Während Akemi ein ganz normales Leben verbrachte, kam Shiho in eine privatisierte Schule. Sie wurde zum Lernen angetrieben und erhielt noch vor ihrer Volljährigkeit einen Doktortitel.

Sie war auch der Grund, weswegen Akemi in die Fänge der Organisation geriet. Freiwillig, wie sie ihm später gestand. Dabei waren ihre Gründe offensichtlich.

Je mehr Zeit er mit der jungen Frau verbrachte, desto mehr mochte er sie. Gefühle während der Arbeit zu entwickeln, Freundschaft zum Feind aufbauen, war verboten. Man durfte Mitleid zeigen, aber nie durfte man die unsichtbare Grenze überschreiten. Vor allem dann nicht, wenn es gefährlich wurde. Sowohl bei Jodie als auch bei Akemi hielt er sich nicht an die Vorschriften.

Akemi wurde, entgegen seiner Erwartungen, zu einem wichtigen Teil in seinem Leben, eine Person, die ihm wichtig war. Je öfter er sich mit ihr traf, umso befremdlicher wurden diese Lügen. Trotzdem hielt er sie aufrecht, auch wenn es Tage gab, in denen er sich selber im Spiegel nicht mehr ansehen konnte. Zu tief waren die Verwicklungen, zu viele Gefühle spielte er ihr vor, zu oft benutzte er sie.

Ob er sich noch mit ihr Treffen würde, wenn die Geschichte mit der Organisation vorbei war? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Eines aber wusste er. Akemi würde in Japan bleiben und er selbst würde zurück in die Staaten gehen. Zurück in sein altes Leben, in seine Wohnung, an seine alte Arbeit, Menschen sehen, die ihm in all der Zeit fremd wurden. Das Leben in der Organisation prägte ihn. Sie alle würden es sehen.

Akai ließ von ihr ab. „Bleib morgen zu Hause.“

Akemi nickte und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Dai?“, wisperte sie leise.

„Hmm?“

„Ist es sicher, dass du morgen alle Mitglieder der Organisation verhaften wirst?“

Was für eine Frage? Sie schlug ein, wie eine Bombe. Wer kannte die Zukunft schon? Wer wusste, ob sich die Arbeit überhaupt lohnte? „Ich kann morgen zumindest einige höhere Mitglieder kennen lernen. Wir erhoffen uns, dass wir anschließend zu den Hintermännern kommen.“

„Das dachte ich mir“, sprach sie. „Dai, sollte es nicht klappen, bitte…du musst meine Schwester aus ihren Fängen befreien. Du musst sie beschützen, komme was wolle.“

Erstaunt sah Shuichi zu ihr. Natürlich dachte sie zuerst an ihrer Schwester und nicht an sich. „Versprochen.“

„Denkst du, wenn alles vorbei ist…könnten wir einmal miteinander ausgehen? Ohne, dass du dazu verpflichtet bist?“

„Ich…“ Was sollte er darauf antworten? Ja? Nein? Vielleicht? Shuichi wägte die verschiedenen Möglichkeiten ab. Konnte er ihr jetzt die Hoffnung nehmen? „Können wir.“

Akemi lächelte. Es war warm und herzlichst. Sie freute sich.

„Wie hast du es heraus gefunden?“, wollte der Agent wissen.

„Ich kam einmal von einem Auftrag früher nach Hause zurück und wollte dich überraschen. Aus deiner Wohnung kam ein amerikanischer Mann heraus. Ich versteckte mich neben den Treppen. Ich weiß, es war nicht die feine Art“, murmelte Akemi. „Als er dann vor dem Fahrstuhl stand, hörte ich, wie er über das Ende der Organisation sprach. Ich bin nicht dumm, Dai, ich konnte eins und eins zusammen zählen.“

„Ich verstehe“, gab der Agent von sich. „Danke, dass du mich nicht verraten hast.“

„Wie hätte ich das nur tun können?“ Erneut kamen Akemi die Tränen. „Auch wenn du mich benutzt hast, du wolltest doch nur das Richtige tun. Und die Organisation zu vernichten ist auf jeden Fall das Richtige.“

„Es tut mir trotzdem leid, dass ich dich benutzen musste.“

Akemi wischte sich, wie schon zuvor, die Tränen aus dem Gesicht. „Du musst dich wirklich nicht entschuldigen. Nicht bei mir. Aber vielleicht…vielleicht solltest du es bei deiner Freundin tun.“

Shuichi sah sie geschockt an. Seine Gesichtszüge entglitten ihm.

„Du hast ihren Namen mehrfach im Schlaf gesagt. Jodie. Beim ersten Mal dachte ich mir nichts dabei. Aber irgendwann hast du ihn wieder gemurmelt. Sie ist deine Freundin nicht wahr?“

Shuichi schwieg.

„Liebst du sie?“
 

Shuichi seufzte auf. Warum erinnerte er sich gerade jetzt an die Vergangenheit? Warum konnte er sich nur nicht auf das Hier und Jetzt konzentrieren.

Liebst du sie?

Ja, er liebte sie. Und genau aus diesem Grund hielt er sich von ihr fern.
 

***
 

Camel trat, mit gesenktem Kopf, in die Villa.

„Hat dich jemand verfolgt?“

Camel sah hoch und schüttelte den Kopf.

„Hast du was heraus gefunden?“ Shuichi ging zurück in die Küche und schenkte ihnen beiden je eine Tasse Kaffee ein.

„Beim FBI ist kein Agent mit dem Namen Reiji bekannt. Weder als Vorname noch als Nachname. Keine Treffer.“

„Verstehe. Ohne weitere Anhaltspunkte können wir die Suche vergessen. Ich hoffe, Jodie weiß, was sie tut.“

„Jodie kann auf sich aufpassen“, warf Camel ein. Trotzdem stand auch ihm die Sorge ins Gesicht geschrieben. „Ich könnte Jodie anrufen und…“

„Nein.“

„Aber…“

„Nein. Wir müssen den Kontakt zu ihr auf ein Minimum begrenzen. Wenn dieser Reiji doch nicht zur Organisation gehört und sie irgendwie bemerken, dass wir wieder Kontakt zu ihr haben, rückt sie möglicherweise in den Fokus.“

„Glaubst du, Jodie kommt irgendwann wieder zurück nach Japan?“

„Möglich. Aber ich hab auch nicht vorhergesehen, dass sie Japan verlassen würde. Nach all der Zeit schafft sie es noch mich zu überraschen.“

Camel schmunzelte. Jodie war wirklich eine Frau für sich. „Wie war Jodie eigentlich früher?“, wollte der Agent wissen.

„Fast so wie jetzt“, entgegnete Akai. „Anfangs ein wenig ruhiger, bis sie die ersten größeren Projekte leiten durfte. Selbst während der Ausbildung war Jodie nie zu überhören. Viele der damaligen Ausbilder sahen in ihr ein kleines Mädchen, welches durch ihren Nachnamen aufgenommen wurde und dass nur an Rache dachte. Jodie kämpfte sich damals durch.“

„Sie hat Glück gehabt, dass sie dich schon in der Ausbildungszeit kennen lernte“, sprach Camel. Er selbst hatte keinen Kontakt mehr zu seinen damaligen Kollegen und fand, aufgrund seines grimmigen Aussehen und Auftreten, wenig Zugang zu den Anderen. Leider. Vielleicht wäre es anders gekommen, hätte er ein Jahr vorher angefangen. Zusammen mit Jodie und Shuichi.

„Das hat sie nicht. Mein einziger Kontakt bestand zu den Ausbildern. Die anderen hab ich nicht einmal angesehen. Ich konzentrierte mich auf meinen Job.“

„Eh…verstehe…“ Camel sah es genau vor sich. Jodie wurde zur Schnecke gemacht, während er an der Wand lehnte, wartete und der Szene gelangweilt zusah. Eigentlich passte es nicht zu ihm. Nicht zu dem, was er über den Agenten hörte. „War sie damals auch schon so verbissen was ihre Arbeit anging?“

„Manchmal. Am Anfang war sie es und wollte unbedingt einen Anhaltspunkt finden. Zwischendurch wurde es weniger, bis Chris Vineyard auf der Beerdigung ihrer ,Mutter‘ auftauchte. Dann ging die Recherche wieder los.“

Camel nickte. Das klang wirklich sehr nach Jodie.

„Es grenzte schon an ein Wunder, dass sie überhaupt wusste, was Freizeitparks sind oder Stadtfeste kannte.“

„Und dich wollte sie mitschleppen?“ Camel schmunzelte. Er sah es direkt vor sich. Jodie, die Shu anbettelte, dass er sie begleitete. Ebenso sah er, wie sich der Agent dagegen sträubte und Jodie zum Schluss allein hinging.

„Ja, aber war keine große Sache.“

„Hmm?“

„Regel 1: Bring deine Freundin nie wegen belanglosen Sachen zum Weinen.“

Camel spuckte den Kaffee, den er eigentlich soeben trinken wollte, auf den Tisch aus. „F…freundin?“

„Hast du das nicht gewusst?“

„Ihr…ihr…ihr…“

„Komisch. Ich dachte, dass gesamte FBI weiß darüber Bescheid.“ Akai zuckte mit den Schultern. Scheinbar nicht. Oder es wussten nur die älteren Kollegen.

„Sie hat…sie hat mir nie etwas erzählt“, meinte Camel leise. „Ich wusste, dass sie Gefühle für dich hat…“ Camel hielt sich die Hände vor den Mund.

„Du hast nichts verraten. Ich weiß, was sie fühlt. Sie ist nie über mich hinweg gekommen.“

Camel sah auf den Tisch. Die Zusammenhänge zu kennen, rückte die gesamte Geschichte in ein ganz anderes Licht. Alle sprachen nur vom Armen Akai, der seine Freundin nicht mehr sehen konnte und später verlor. Aber keiner dachte nur an Jodie. Jodie, die den Mann, den sie liebte, täglich sehen musste. Ihr Wissen, dass sie nie wieder zusammen kommen würde…jetzt erst konnte er sich wirklich vorstellen, was Jodie fühlte.

„Wenn ich das gewusst hätte…“, wisperte Camel.

„Hättest du auch nichts tun können. Ich hätte Jodie selbst in die Staaten zurück schicken sollen.“

Shuichi stand auf und ging aus der Küche. Er musste eine Rauchen. Ob Camel ihm dabei folgte oder nicht, war egal. Akai ging auf die Terrasse und holte seine Zigarette heraus. Er hörte Jodies Stimme deutlich vor sich, wie sie ihm wieder eine Predigt hielt,

Shu! Du solltest langsam mit dem Rauchen aufhören. Du weißt ganz genau, dass es schlecht für die Gesundheit ist.

Er lächelte leicht und schloss, bei seinem ersten Zug die Augen.
 

„Der Auftrag ist gescheitert. Ich komme wieder zurück“, sprach er in sein Telefon.

„Passen Sie auf sich auf.“

„Keine Sorge.“ Akai legte auf. Anschließend zog er seine Beretta und feuerte auf den Mann, der ihn die ganze Zeit beobachtete. Typisch Organisation. Versuchten ihn, mit niederen Mitgliedern zu erledigen. Als ob er seinen Verfolger die ganze Zeit über nicht bemerkte.

Zurück in den Staaten sah es nicht anders aus. Bereits am ersten Tag, schaltete er ein weiteres Mitglied der Organisation aus. Sie drehten auf. Und er war das Ziel. Das Fadenkreuz stand ihm auf die Stirn gemeißelt und in all der Zeit wurde er es nicht los.

Seine eigene Erfahrung und sein Instinkt halfen ihm. Nur so konnte er überleben.

Versteckt im Schatten der Gasse, beobachtete er sie.

Die blonde Frau wirkte fröhlich. Zumindest wenn man nur ihr Lachen sah. Doch er kannte sie und wusste es besser. Es war gespielt. Shuichi seufzte leise auf. Konnte er es ihr antun?

Wenn sie schon alle Geschütze gegen ihn auffuhren, was wäre, wenn sie von ihr wussten? Wie Akemi war auch sie in Gefahr. Sie sogar noch stärker.

Sollte er unter diesen Umständen ihre Beziehung weiter aufrecht erhalten? Von vorne anfangen? Wie? Auf Dauer konnte er sie nicht schützen und gleichzeitig gegen die Organisation arbeiten. Konnte weder Shiho retten, noch Vermouth zur Strecke bringen. Seine Versprechen wären nichtig geworden.

Shuichi verengte die Augen. Alles was einst so einfach war, wurde komplizierter. Er musste es abwägen. Wieder mit Jodie zusammen sein oder weiterhin getrennte Wege gehen? Er war sich sicher, dass sie ihn zurück nahm. Aber konnte er ihr das alles antun? Shuichi warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Er würde ihr die gleichen Sorgen bereiten, wie ihr Vater. Ständig der Gefahr ausgesetzt und irgendwann würde er ihr den gleichen Schmerz bereiten. Bewusst oder unbewusst.

Und so musste er es beenden…für immer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Avialle
2016-02-09T12:15:43+00:00 09.02.2016 13:15
Jaha, da hat einer aber an seinem vermeintlichen Nebenbuhler zu kauen. Das arme Handy *kicher*
Tja, schon fies. Da weiß er endlich, wen er will, aber dann stehen ihm seine Prinzipien im Weg
Dazu auch noch, dass er sich Sorgen wegen der Organisation macht...
Jetzt lernt er auf schmerzvolle Weise, was ein solches Verhalten bei den Mitmenschen bewirkt
Aber du? Im Kapitel vorher hieß es doch, Jodie hätte ihre Tätigkeit beim FBI aufgegeben. Wissen das die beiden nicht? Oder warum überlegen sie, ob ihn jemand gesehen hat, wenn er sie von der Arbeit holen kam? Oder wirr ich da was?
Ich musste aber sowas von lachen, als Camel seinen Kaffee ausspuckte. Armer Kaffee, das hat er nicht verdient
Antwort von:  Varlet
09.02.2016 20:41
Jap, armer Shu. Jetzt denkt er, das Jodie jemanden hat und ist damit nicht zufrieden :D
nur weiß Shu ja, dass die Organisation jagt auf Jodie machen würde, weswegen er sie ja schützen will.

Ja, Jodie hat aufgehört, aber sie will ja nicht, dass jemand von der Schwangerschaft erfährt und wenn Shu, Camel und die anderen FBI-Charas erfahren, dass Jodie mit der arbeit aufhört, würden sie ja fragen stellen. Und dann könnt es vllt auch der Feind erfahren. Deswegen durfte Jodie es nur den wenigen Vorgesetzten mitteilen.

irgendwie dachte ich mir, dass dir die Szene mit dem Kaffee gefällt :D


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