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Psiana aus der Gegenwelt

von

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Kap Kante

Da stand ich nun. Mein Blick fiel gen Westen in die untergehende Sonne, die am Horizont die Wolken und den Himmel in sämtliche Rot-, Orange- und Violetttöne färbte. Mein Kopf war voller undefinierbarer Gedankenstränge. Ich wusste nicht wirklich wohin damit.

Richtig. Ich stand an meinem Kap Kante. Nach so langer Zeit, nach solch einer aufreibenden und unwirklich scheinenden Reise durch Sinnoh.
 

Genau vor einer Woche hatte ich das Finale der Sinnoh-Meisterschaft gewonnen. Nelson, mein Gegner, war, nachdem sein Knakrack an die Betonmauer flog und es zurückrief, mit hochrotem Kopf erzürnt abgezischt. Nicht mal zur Pokalvergabe war er da. Die nächste Erinnerung. Die Pokalverleihung. Die Zuschauerränge waren proppenvoll. Das Kampffeld wurde elektrisch eingefahren, sodass auch dort Menschen Platz fanden. Das gesamte Stadion drohte überzulaufen. Dann wurde ich, Nathaniel Gardner, auf ein Podest gerufen. Hinter mir loderte das unendliche Feuer der Sinnoh-Liga. Und dann wurde mir, MIR, der Pokal des Sinnoh-Champs überreicht. Erneut wurden Konfetti-Kanonen abgefeuert. Diese schier endlos wirkende Menschenmasse fing erneut an frenetisch zu jubeln, während ich den Pokal in die Höhe recken durfte. Mit auf dem Podest standen alle meine Pokémon, die zwar ziemlich kaputt aussahen, sich aber natürlich dennoch mit mir freuten. Direkt vor dem Podest, noch vor der ersten Reihe, standen Hannah und meine Großmutter und lächelten mir beide glücklich zu. Ich würde sagen, ich log nicht, wenn ich behauptete, dass das der wundervollste Moment meines Lebens war.
 

Doch dieser Rummel ist nun vorüber. Die anschließende Pressekonferenz brachte ich schnell über die Bühne. Nur noch eine letzte Übernachtung auf der Maiglöckcheninsel und dann ging es auch schon wieder zurück. Zuerst zurück auf das Festland, dann zurück zu meinem geliebten Kap Kante auf Eiland 2. Natürlich begann dafür ein anderer Rummel. Ich war nun ein Champ. Medien interessierten sich plötzlich für mich. Mädchen und junge Frauen interessierten sich plötzlich für mich. Alles, was der Ruhm eben so mit sich brachte.

Wollte ich das alles? Eigentlich nicht. Die Medien interessierten mich, wie schon das ganze Turnier über, eher weniger. Und Mädels? Hannah kam mit mir auf Eiland 2. Dass sie nicht zurück nach Kanto wollte lag auf der Hand. Sie stand zu mir und hatte diesen sensationellen Moment mit mir geteilt, also wozu brauchte ich andere Mädels? Die interessierten mich ebenso wenig.
 

So, wie ich diese unheimlich aufdringlichen Fangirls abwimmelte, wimmelte ich auch die Medien ab. Sie sagten, ich hätte neue kämpferische Maßstäbe gesetzt. Nelson wäre mit diesem Kampf, den er abgeliefert hatte, locker in jedem davor dagewesenen Finale Champion geworden, nur heuer gab es den ‚Über-Contender‘ Nathaniel Gardner, der ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Der, der einfach einen Schritt weiter war, als alle bisherigen Anwärter. Das übliche Gefasel der Medien eben. Ich schob diese Schlagzeilen auf Seite, da es mich einfach nicht kümmerte. Ich hatte mein langersehntes Ziel erreicht. Mehr wollte ich nicht.

Dementsprechend fielen die Medien über Nelson her, da sie merkten, dass ich nicht der gesprächigste Typ war, wenn es um Interviews und dergleichen ging. Das Fernsehen und Radio war voll mit Nelson, und das, obwohl er verloren hatte. Aber er konnte diese Aufmerksamkeit gerne haben. Der wohl berühmteste Verlieren eines Meisterschaftsfinales, den es je gegeben hat.
 

Ich zog mich stattdessen zurück und genoss die Natur, die bekannte Umgebung am Kap Kante, die Anwesenheit meiner Großmutter und von Hannah.

Apropos meine Großmutter. Natürlich musste ich sie fragen, nachdem wir wieder zu Hause waren, was es nun genau mit dieser Geschichte auf sich hatte, die sie mir erzählte, bevor ich nach Sinnoh reiste. Ich fragte sie, wieso sie mir noch nie etwas davon gesagt hatte, dass auch sie Giratina kannte. Ihre Antwort war so simpel wie einleuchtend. Jeder müsse seinen Weg selbst finden.

Auch erzählte sie mir, dass sie ebenfalls vor langer Zeit in einer ähnlichen Situation gewesen wäre und mit einem Nachtara Schlimmeres verhindert hätte. Mit einem Nachtara. Der schwarze tierliche Begleiter der Vertrauten des Königs. Ich konnte es nicht fassen, dass diese Erzählung wirklich von meiner Großmutter handelte. Sie konnte meine Fassungslosigkeit anhand meines Gesichtsausdruckes sehen und sagte noch einen weiteren Satz. Die Verbundenheit zu Giratina läge anscheinend in der Familie. Danach schwieg sie und verlor kein Wort mehr zu diesem Thema. Auch ich ließ es auf sich beruhen.

Ich genoss es nicht nur, wieder mit Hannah bei meiner Oma zu sein, sondern achtete auch auf die kleinen, aber wichtigen Dinge im Leben. Die Ruhe und Geborgenheit meiner Heimat. Neben unserem Haus befand sich ein Baum, in dem man den Wind durch die raschelnden Blätter hören konnte. Die Wellen, die ungefähr 20 bis 30 Meter tiefer gegen den Felsen schlugen. Und dann war da ja noch der schönste Sonnenuntergang überhaupt. Die Farben gingen nun eher ins Blaue und Violette. Mittlerweile saß ich auf dem Felsvorsprung und sah, wie die Sonne immer kleiner wurde. Die Temperaturen waren immer noch angenehm. Psiana hatte sich sphinxmäßig auf meinem Schoß platziert und sah mit mir in die untergehende Sonne.

Psiana. Das Pokémon, das diese außergewöhnliche Reise quasi erst ermöglicht hatte. Man musste sich die Frage stellen, ob Psiana mich auf meiner Reise begleitet hat, oder ich Psiana auf seiner Reise begleitet hatte. Denn ohne dieses Pokémon, wäre ich womöglich nie so weit gekommen und hätte niemals solche Dinge erlebt, die ich auf dieser Reise erleben durfte. Schicksal? Zufall? Was auch immer es war, wenn ich die Wahl hätte, ob ich nochmal dieses Pokémon in mein Team aufnehmen könnte und ich wüsste im Voraus schon was passieren würde, wenn ich es aufnahm, ich würde es wieder nehmen und alles genauso machen, wie ich es schon einmal gemacht hatte.
 

Zum Glück stellte sich solch eine Frage nicht, denn ich besaß dieses Pokémon und hatte auch nicht vor es abzugeben. Wo wir bei der nächsten Frage wären. Was würde jetzt kommen? Ich war der neue Sinnoh-Champion. Ein Leben am Kap Kante wäre sicherlich schön, doch mit meinen 17 Jahren wahrscheinlich nicht die Erfüllung, besonders wenn man gerade eine Liga gewonnen hatte und voll im Saft stand. Doch könnte ich mich zu einer sofortigen neuen Reise aufraffen? Ich, als heimatverbundener Mensch, sofort wieder weg von meinem geliebten Ort? Ich würde es wohl nicht übers Herz bringen, meine Großmutter jetzt gleich wieder alleine zu lassen. Ich war ja gerade erst wiedergekommen. Doch mein Entdeckergeist sagte mir, dass es mich irgendwann wieder in die Ferne ziehen würde. Mein Kopf sprang auf diese Idee natürlich voll an und überlegte sich sogleich mögliche Zielregionen, obwohl ich darüber überhaupt noch nicht nachdenken wollte.

Zum Glück kam Hannah aus dem Haus. Zuerst bemerkte ich sie nicht, doch als sie sich räusperte, drehte ich meinen Kopf um und sah ihr freundliches Lächeln.
 

„Möchtest du reinkommen, Nathaniel? Deine Oma hat Essen für uns gemacht.“

„Ja, klar, ich komm sofort.“
 

Sie wusste, dass mein ‚sofort‘ nicht bedeuten würde, dass ich aufstehen würde und mit ihr ins Haus ging. Auch deshalb trat sie bereits den Rückweg an und ließ mich noch einen Moment sitzen. Erneut sah ich gen Westen und musste feststellen, dass die Sonne verschwunden war. Nur noch ein kleiner orangener Lichthof deutete die Sonne an.
 

<Nathaniel, bevor du irgendwann auf eine neue Reise gehst, möchte ich zurück an meinen Geburtsort. Glaubst du, dass wäre möglich?>

„An deinen Geburtsort? Emeritae? Ich denke, das lässt sich einrichten, Psiana. Doch bis es irgendwann soweit ist, wird glaub ich noch etwas Zeit vergehen.“

„Nathaniel?! Führst du Selbstgespräche? Komm rein, das Essen deiner Großmutter wird kalt.“

„Bin schon auf dem Weg.“
 

Ende



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