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Herzkristall

von

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~Familie~

Die Familie führt mich ins Haus. Es hat nur ein Zimmer. In seiner Mitte steht ein großer Holztisch, an seiner Stirnseite ist eine große Ecke herausgebrochen, er hat überall Scharrten und Kanten. Die Stühle, die sich drum herum verteilen sind schmucklos und ohne Polsterung. Auf dem Tisch sind Blumen in einer weißen Vase hergerichtet. Mir direkt gegenüber steht ein großer Offen mit Herdplatten auf der Oberseite. Daneben sorgt ein einziges Fenster für Licht, vor ihm befindet sich eine Küchenzeile. Alles ist dort sauber und sortiert, Teller übereinander, Besteck in einem Holzkrug, aufrecht stehende Messer in einem Block. Der große Schrank daneben ist sicher der Kühlschrank.

Viel mehr Einrichtungsgegenstände gibt es nicht, dafür fällt mir ein Laken auf, das quer durch den Raum gespannt ist. Ob sich dahinter der Schlafbereich der Familie befindet?

Eine warme Hand legt sich auf meine Schulter, mit sanftem Druck werde ich zum Eintreten bewegt und auf den Tisch zugeschoben.

„Setze dich doch!“, sagt die Mutter, ich mache dir in der Zwischenzeit eine Limonade, die erfrischt dich sicher, nach deinem langen Weg."

Ich setze mich auf einen der harten Holzstühle.

Die Mutter holt aus dem Schrank eine Schussel in der frische Zitronen liegen. Unter der Spüle kramt sie eine Glaskaraffe hervor und füllt sie mit Wasser und Zucker. Während sie die Zitronen schneidet und auspresst, setzt sich der Vater an die Stirnseite des Tisches. Sein Blick ist noch immer bedrohlich und seine Gesichtsmuskulatur angespannt.

Mir ist nicht wohl bei seinem Anblick. Ich sollte das hier schnell hinter mich bringen und mich dann rasch verabschieden.

Isegrim sondiert seine Umgebung gründlich, langsam kommt er zu mir und setzt sich neben mich. „Ihr Haus ist wirklich sehr gemütlich!“, sagt er.

Der Vater bekommt große Augen. „Dieses Ungetüm kann ja sprechen!“

„Ja, das hat er sich und Luna heute selbst beigebracht. Isegrim ist etwas ganz Besonderes“, erwidere ich und betrachtet meinen Kristalina mit Stolz.

Der Vater räuspert sich. „Nun, ich kann diesen Dingern nicht viel abgewinnen. Sie sind unverschämt teuer und machen Menschen zu Sklaven.“

So habe ich das noch nie gesehen. Ich erinnere mich an meine Mitschüler, wie sie scheinbar schlafend in ihren Stühlen lagen und an die Menschen auf den Straßen, wenn sie wie versteinert da stehen und ins Leere schauen, während ihre Kristalinas ihnen etwas ins Gehirn projizieren. Aber sind wir deswegen wirklich ihre Sklaven? Isegrim ist für mich viel mehr ein Partner. „Aber ihrer Tochter haben sie doch auch einen gekauft“, sage ich mit Blick auf Luna.

Die Fee schwirrt unentwegt um Ivie herum. Das Mädchen streckt die Hände nach ihr aus und versucht sie zu fangen. Beide scheinen schon jetzt viel Spaß miteinander zu haben.

„Das war ein notwendiges Übel. Ohne dieses Dinger kann man heutzutage ja kein Kind mehr einschulen.“

„Wir leben schon in einer verrückten Welt“, sagt die Mutter. In ihrem Gesicht spiegelt sich Traurigkeit. Sie stellt die Karaffe auf den Tisch und holt noch vier Gläser aus dem Schrank. „Als ich noch Kind war, haben Stift und Papier ausgereicht. Der Lehrer stand vorn an der Tafel und hat direkt zu uns gesprochen. Heute ist das alles anders.“ Sie verteilt die Gläser auf dem Tisch und füllt sie mit Limonade.

Ich versuche mir das vorzustellen, ich kennt nur die neuen Unterrichtsmethoden, bei denen es oft reicht eine Datei herunterzuladen und schon ist der gewünschte Lernerfolg im Gehirn abgespeichert. Alles ist sofort erlebbar. Wir können uns in ein Atom hinein fühlen, es anfassen, es riechen und schmecken. Das alles von einer einfachen Tafel abzulesen und sich vorzustellen zu müssen, erscheint mir unglaublich mühsam.

Die Mutter setzt sich zu uns an den Tisch, sie findet ihre Lächeln wieder und sagt: „Nun warum bist du jetzt zu uns gekommen. Doch nicht wirklich, weil du Ivie ein so teures Geschenk machen wolltest, oder?“

„Nun, um ehrlich zu sein, es war Isegrims Idee.“ Ich schaue an mir hinab auf meinen Kristalina und streichle ihn hinter dem Ohr. „Sie müssen wissen, ich erfinde diese Kristalinas für mein Leben gern und es war eine echte Herausforderung für mich, aus der kaputten Brosche einen funktionierenden Kristalina zu machen. Das ist auch schon alles. Es ging mir wirklich nicht darum Geld mit Luna zu verdienen. Sie zu erschaffen war mein Lohn. Da nur Ivie sie benutzen kann, kann ich ohnehin nichts mit ihr anfangen. Sie kann sie wirklich haben.“

„Völlig umsonst?“, fragt der Vater misstrauisch.

„Ja, ich brauche kein Geld, wir haben mehr als genug. Mein Vater ist der Besitzer der Krista-Kompanie. Dem fallen nicht mal auf, wenn die Materialien fehlen, die ich für Luna benutzt habe. Mein Hobbykeller ist so voll mit diesen Sachen, das ist wirklich kein Verlust.“

Luna kommt auf den Tisch geflattert. Mit geschmeidigen Flügelschlägen lässt sie sich auf die Füße sinken. Als sie sicheren Halt gefunden hat, klappt sie die Flügel ein. Sie verschränkt die Arme hinter dem Rücken und schaut freundlich in die Runde. „Es freut mich ab jetzt Teil dieser Familie zu sein“, sagt sie und verbeugt sich.

Die Mutter beugt sich über den Tisch vor zu mir. „Darf Ivie mit dieser Fee auch wirklich am Unterricht teilnehmen?“

„Ja sicher, sie müssen sich vielleicht noch um die Formalitäten mit der Schule kümmern, aber rein technisch hat Luna alles was Ivie braucht, um an unserem virtuellen Unterricht teilzunehmen.“

Freudig schlägt die Mutter die Hände zusammen. „Das ist ja großartig!“, jubelt sie.

Ihre Freude erfüllt mich selbst mit Glück. Es tut gut zu wissen, dass ich diesem Kind mit meiner Tat eine Zukunft geschenkt habe, die ihr ihre Eltern nicht hätten bieten können.

„Mein Junge, ich kann es noch immer nicht ganz verstehen und noch weniger glauben, aber wenn das alles wirklich dein Ernst ist, dann weiß ich gar nicht, wie ich dir das jemals danken soll. Wir haben wirklich unser Möglichstes getan, um unsere kleine Ivie in die Schule schicken zu können.“

Ivie klettert dem Vater auf den Schoss, er hilft ihr in dem er ihr unter die Arme greift und sie hochhebt, dann schaut er sich im Wohnraum um. „Du siehst ja, wie ärmlich wir eingerichtet sind. Seit das Kind auf der Welt ist, haben wir jeden Rukien an die Seite gelegt und trotzdem hat es nicht gereicht. Dieser Kristalina kann für Ivie ihr ganzes Leben verändern. Jetzt muss sie nicht mehr das Leben eines verlorenen Kindes führen. Sie kann Studieren und mal alles werden, was sie sein möchte.“ Der Vater senkt den Kopf. „Vielen Dank dafür! Von heute an, bist du uns immer ein willkommener Gast.“

„Ja, komm ruhig vorbei, wann immer du magst. Wir haben zwar nicht viel, aber für einen selbst gebackenen Kuchen oder frische Milch von unseren Kühen lohnt sich der Weg aus der Stadt. So etwas gibt es immerhin nur hier.“

„Danke, sehr gern!“, sage ich und trinke einen Schluck der Limonade. Sie schmeckt ganz anders, als die aus der Flasche. Irgendwie mehr nach Zitrone und nicht so süß.

„Karak!“ Isegrim reibt seinen Kopf an mir, auffordernd sieht er mich an. „Wir wollten doch noch etwas anbieten!“, fügt er an.

„Noch etwas?“, ich brauche einen Moment, bis ich verstehe was er meint. „Ach ja!“ Ich richte mich an die Eltern von Ivie. „Luna wird sicher auf der Straße jedem, der sich mit Kristalinas auskennt, ins Auge stechen. Sie ist viel zu ausgefallen. Isegrim hat deswegen vorgeschlagen, dass es sicherer wäre, wenn wir sie abholen und jeden Tag zur Schule begleiten. Natürlich nur, falls ihnen das Recht ist. Wir sind in der selben Klasse, also hätten wir auch zur selben Zeit Unterricht, das wäre also kein Problem. “

Die Eltern sehen sich Ratsuchende an. Schließlich ist es die Mutter, die sagt: „Wäre es denn für sie mit Luna allein gefährlich?“

„Naja, sie ist noch so klein und ein Dieb hätte leichtes Spiel. Da Luna ja für ein Kind gedacht ist, habe ich sie nicht mit Abwehrmechanismen ausgestattet. Isegrim kann seine Zähne und Krallen wie Messer benutzen, aber Luna ist nur ein hübsches Püppchen.“

„Wir passen gut auf sie auf“, sagt Isegrim und lächelt.

Der Vater beugt sich zur Mutter, er sagt leise: „Ich weiß nicht, das alles erscheint mir zu viel des Guten. Wer sagt uns denn, dass wir dem Jungen trauen können?"

"Aber wenn wir es nicht tun, kann Ivie nie zur Schule gehen. Das wäre wirklich eine große Chance für sie?", sagt die Mutter.

Schließlich richtet der Vater sich wieder auf und sieht mich streng an. "Wir nehmen das Angebot dankend an. Aber sollte mir zu Ohren kommen, dass mit Ivie etwas nicht stimmt, oder sie nicht in der Schule ankommt, dann finde ich dich, verlasse dich darauf!"

Ich werde in meinem Stuhl immer kleiner. „Ich habe wirklich nichts schlimmes im Sinn“, sage ich kleinlaut und nehme noch einen Schluck Limonade.

Die Mutter greift über den Tisch, sie legt ihre Hand über meine. „Bitte nimm es meinen Mann nicht übel. Wenn sonst Menschen aus der Stadt hier her kommen, dann wollen sie etwas verkaufen.“

„Die halten uns für leichtgläubige Dummköpfe, mit denen sich schnelles Geld verdienen lässt, dabei gibt es hier doch nun wirklich nichts zu holen.“

Da hat er Recht, alles was ich bei mir trage, dürfte mehr wert sein, als das Haus und alles was sich darin befindet.

„Karak, eine Nachricht von deinem Vater!“, sagt Isegrim unter dem Tisch herauf.

"Nicht jetzt!", erwidere ich und schubse seine Schnauze von meinem Bein. So lange er mir nicht in die Augen sehen kann, so lange muss ich mir diesen Mist nicht ansehen.

"Eine Nachricht? Wie funktioniert das?", fragt die Mutter und sieht mich neugierig an.

Wie soll ich ihr das erklären. Sie hat sicher noch nie einen Kristalina besessen. "Wenn ich Isegrim machen lassen würde, dann würde er mir jetzt eine Nachricht von meinem Vater direkt in den Kopf projizieren. Dann würde ich mir alles, was mein Vater sagt und die Umgebung wo er sich aufhält anschauen können, als wenn ich direkt bei ihm wäre."

"Wow, und das könnte Ivies Fee auch?"

"Ja sicher, nur müsstet ihr dann auch über einen Kristalina verfügen, um ihr überhaupt eine Nachricht schicken zu können."

"Das ist schon eine erstaunliche Technologie", sagt er Vater.

„Karak, noch mehr Nachrichten von deinem Vater“, sagt Isegrim.

„Das scheint wichtig zu sein“, sagt der Vater.

Ich schaue verlegen und kratze mich am Hinterkopf. „Scheint so! Es ist wohl besser, wenn ich langsam nach Hause gehe.“

„Ja, tu das. Und du kommst dann morgen früh wieder her, um unsere Ivie abzuholen?“, fragt die Mutter.

Ich nicke und erhebe mich. Vor dem Tisch verbeuge ich mich noch einmal. „Vielen Dank, dass sie mich angehört haben.“

„Wir haben zu Danken!“, sagen Mutter und Vater fast zeitgleich.

„Na dann Ivie bis morgen“, sage ich und winke dem Mädchen.

Sie winkt zurück und auch Luna schüttelt ihre Hand. „Bis morgen!“, sagen sie.
 

Ich verlasse das Haus und will die Tür nach mir schließen, als mir die Mutter nachgeeilt kommt. Sie nimmt meine Hände und legt mir einen roten Apfel hinein. „Hier nimm den als Wegzerrung mit, er ist von unseren Bäumen und schmeckt sehr süß.“

„Danke!“ Ich nicke ihr noch einmal zu, dann gehe ich den Weg zurück, denn ich gekommen bin.

„Willst du jetzt die Nachrichten deines Vaters ansehen?“, fragt Isegrim.

„Kannst du mir nicht eine kurze Zusammenfassung geben?“, frage ich und beiße in den Apfel. Er ist tatsächlich sehr süß und ganz saftig. Obwohl ich mir sonst nicht besonders viel aus Äpfel mache, schmeckt mir dieser erstaunlich gut.

„Dein Vater ist zu Hause angekommen, er sucht dich und lässt fragen, wo der neue Kristall ist. Er will ihn umgehend ins Labor schaffen, ihn zerlegen und untersuchen lassen.“

Mir bleibt ein Stück des Apfels im Halse stecken, ich beginne zu husten. Nach Luft schnappend sehe ich Isegrim an. Das ist mehr als schlecht. Ich habe nicht daran gedacht, dass Vater den Kristall ja haben wollen wird. Nun ist er in Luna verbaut. Wenn ich der Fee ihr Herzstück nehmen muss, ist sie nutzlos und wenn Vater den Kristall im Labor untersuchen lässt, wird er sicher zerstört oder zumindest beschädigt werden. Jetzt habe ich Ivies Familie aber schon dieses teure Geschenk gemacht. Ich kann Luna unmöglich zurück fordern. Was mache ich denn jetzt?

„Karak? Willst du ihm antworten?“

„Nein, wir tauchen unter. Komm, sehen wir, ob wir irgendwo ein Hotelzimmer bekommen.“ Ich laufe schneller.

Isegrim folgt mir und sieht an mir hinauf. Sein Blick ist streng, als er sagt: „Du kannst deinem Vater aber nicht ewig davon laufen. Er wird dich morgen früh spätestens vor der Schule abfangen und wir müssen morgen zur Schule, weil wir Ivie ja hinbringen wollen.“

„Ach verdammt!“ Da habe ich mich ja mal wieder in eine beschissene Situation gebracht. Jetzt muss ich mir eine gute Ausrede einfallen lassen. „Na schön. Lass mich ihm eine Nachricht schicken!“ Ich bleibe stehen.

Mein Kristalina umrundet mich und bleibt vor mir stehen. Er setzt sich auf die Hinterpfoten und beginnt damit mich und meine Umgebung zu scannen. Ein blaues Licht tritt aus seinen Augen aus, es tanzt auf und ab.

„Hallo Vater! Ich bin noch unterwegs. Ich denke ich werde in einer Stunde zu Hause sein. Was den Kristall angeht, da habe ich gelogen. Ich wollte nur, dass du nach Hause kommst und nur für mich tust du das ja nicht. Also bis dann.“

Isegrims Augen verlieren ihr Leuchten, er sieht mich wieder normal an. „Verschickt!“, sagt er abgehackt. Ach ja, da war sie wieder diese Standarteinstellung, die ich noch ändern wollte.

Mein Wolf braucht einen Moment bis er wieder so lebendig wirkt wie immer. Er schaut mich schief an. „Ist was?“, fragt er.

„Ja, ändere diese 'Verschicken Meldung'. Das ist ja gruselig, wenn du wie ein normaler Kristalina redest.“

„Oh, okay wird gemacht.“ Isegrims Augen blinken kurz, dann sagt er abgehackt wie auf Werkseinstellung. „ERLEDIGT!“

Ich schaue ihn böse an. „Das hast du jetzt mit Absicht gemacht, oder?“

Auf den Lefzen des Wolfes legt sich ein schelmisches Grinsen, dann fängt er an zu lachen.

Moment, hat er gerade einen Witz gemacht und dabei auch noch Sarkasmus benutzt? Dieses neue Programm entwickelt sich viel zu schnell von alleine weiter. Langsam bekommt er eine eigene Persönlichkeit. Ist das jetzt gut oder eher schlecht? Vielleicht ist es doch gut, wenn ich nach Hause gehe und das mit Vater und seinen Kollegen bespreche.

Isegrims Lachen verstummt, sein Blick wird ernst, als er sagt: „Karak, die Nachricht solltest du besser sehen!“

„Ja, okay, warte!“ Ich schaue mich suchend um. Hier mitten auf dem Feldweg will ich nicht in Trance versinken. In der Ferne kann ich eine Bank ausmachen. „Lass uns da hingehen!“ Ich deute mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger auf sie und gehe zu ihr. Als wir sie erreichen setze ich mich. Noch einmal sehe ich mich nach allen Seiten um. Wir sind allein, sehr gut.

Isegrim bleibt vor mir stehen, er schaut mir direkt in die Augen, dann wird alles für einen Moment schwarz.
 

...~*~...
 

Ich finde mich in unserem Keller wieder. Vater sitzt an meiner Werkbank, sein Blick ist finster und vorwurfsvoll. In der Hand hält er das kleine Kästchen, mit dem ich die Daten auf Ivies Herzkristall gezogen habe. Seine Anzeige zeigt noch immer die unglaubliche Zahl von 400 GB an. „Warum belügst du mich Karak? Ich habe gerade die Daten aus dem Programmierer geladen. Ich weiß genau dass darin ein Herzkristall lag. Was soll das also?“
 

...~*~...
 

Die Aufnahme Endet, ich sitze wieder bei Isegrim auf der Bank. „Na ganz toll. Und jetzt?“, frage ich meinen Wolf.

„Die Wahrheit?“, sagt er achselzuckend.

„Die Wahrheit? Na ganz toll. Was glaubst du wird Vater dann machen?“

„Finden wir es heraus!“

Ich bin mir nicht sicher ob die Wahrheit wirklich eine gute Idee ist, aber ich weiß auch nicht, was ich Vater sonst glaubhaft erzählen könnte. „Na schön. Schicken wir ihm eben noch eine Nachricht.“

Isegrim beginnt erneut mich zu scannen.

Ich atme noch einmal durch, dann sage ich: „Na schön, es war eine Lüge. Ich habe den Kristall nicht mehr. Er ist in einem Kristalina verbaut, denn ich gerade verschenkt habe. Ich habe dir doch von dem Mädchen erzählt, dessen Schmetterlingsbrosche zu alt war für den Unterricht und sie deswegen die Schule verlassen musste. Eigentlich war das mit dem lilanen Kristall nur ein versehen. Ihr Vater hat die Brosche aus Wut zerbrochen und ich wollte sie reparieren und einen anständigen Kristalina daraus für sie bauen. Ich habe ja genug Material rumliegen, dass sonst nur verstaubt. Ich hatte aber keine blauen Kristalle mehr, also habe ich mit einem roten Experimentiert. Beide waren aber nicht kompatibel und da habe ich sie zusammen weggeworfen. Als beide dabei zerbrochen sind, konnte die Energie frei fließen. Mehr habe ich nicht gemacht. Bitte können wir Ivie den Kristalina und den Herzkristall lassen? Sie kann sonst nicht zur Schule gehen. Ich bin mir sicher ich kann einen neuen Herzkristall herstellen der genau so viel GB hat.“ Ich winke ab.

„Okay, alles aufgenommen und verschickt!“, sagt Isegrim dieses mal in seinem normalen Tonfall. Ich schaue nachdenklich vor mich hin. „Was meinst du? Wird er wegen Luna jetzt ruhe geben?“

Isegrim steigt auf die Bank, er legt sich neben mich und bettet seinen Kopf auf meinem Schoß. „Keine Ahnung! Aber wenn nicht müssen wir einen Weg finden, ihn zu überreden. Luna gehört zu Ivie und ohne ihren Herzkristall wird Luna sterben. Das dürfen wir nicht zulassen.“

„Sterben?“, fage ich leise. Bisher ist mir nicht in den Sinn gekommen so über die Herzen der Kristalina zu denken, aber Isegrim hat recht. Ohne ihr Herzstück sind sie nur leblose Hüllen. Ähnlich wie bei uns Menschen nach dem Tod. Selbst ihr mechanischer Körper wird führe oder später zerfallen, wenn sich niemand mehr darum kümmert.

„Ich lasse mir was einfallen“, sage ich und streichel Isegrim über den Kopf. Sein Fell ist ganz weich, dort wo meine Hand ihn berührt sprühen kleine blaue Funken. Nicht auszudenken, wenn mir jemand seinen Herzkristall nehmen würde.

„Karak, ein Anruf von deinem Vater“, sagt Isegrim und richtet sich wieder auf.

„Okay?“ Sonst ruft Vater doch nie an. Eine Nachricht reicht ihm immer. „Na gut! Log mich ein!“
 

...~*~...
 

Wieder lande ich in unserem Keller. Mein Vater sitzt noch immer an der Werkbank, sein Blick ist noch finsterer, seine Augenbrauen tief ins Gesicht gezogen. Dieses Mal hält er meine Skizzen in der Hand. „Ist das der Kristalina, den du verschenkt hast?“

„Ja?“, antworte ich zögernd.

„Hat er funktioniert?“

„Ja?“, frage ich noch vorsichtiger.

„Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du kannst deine Prototypen ja meinetwegen verschenken, aber nicht bevor wir sie nicht eingehend überprüft haben.“

„Du meinst wohl eher, nicht bevor ihr alles was Gewinn abwerfen könnte, für euch Patentiert habt“, sage ich mit deutlicher Wut in der Stimme. Ich habe es so satt, dass mein Vater nur nach dem Gewinn strebt, den er mit meinen Ideen machen kann, nur dafür kommt er mal nach Hause und nur dafür scheint sich ein Gespräch mit mir zu lohnen.

„Ja, aber das ist nicht der Punkt. Du magst ein guter Erfinder sein, aber auch deine Programme laufen nicht fehlerfrei. Mal von einer ganz neuen Konstruktion einer Fee zu schweigen. Was glaubst du passiert bei einer Fehlfunktion, mit dem Mädchen, dem du die Fee geschenkt hast?“

„Ich habe alle Daten noch mal von Isegrim überprüfen lassen!“

„Dein Kristalina läuft auch noch nicht fehlerfrei. Was ist eigentlich mit dem hier?“

Mein Vater blendet neben sich ein Programm ein. Ich brauche nur einen kurzen Blick auf die ersten Zeilen werfen, um zu wissen, dass es die Gefühle sind, die ich Isegrim aufgespielt habe. „Was soll damit sein?“

„Hast du das prüfen lassen?“

„Nein?“, frage ich wieder vorsichtig.

„Läuft Isegrim schon damit?“

„Ja?“ Ich werde noch leiser.

„Die Fee auch?“

Ich nicke nur noch scheu.

Mein Vater springt aus dem Stuhl. „Man Karak. Wie kannst du nur so unverantwortlich sein? Mal von dem fremden Kind abgesehen, kann auch dir etwas passieren, wenn du dich mit Isegrim einlogst und bei dem neuen Programm etwas nicht stimmt.“

Ich atme scharf aus. Die Wut, die ich schon seit Wochen mit mir herumtrage platzt nun ungeschönt aus mir heraus. „Als wenn dich das wirklich kümmern würde, was mit mir ist! Wenn ich die Kellertreppe herunterfallen würde, wann würdest du das merken? Tu doch nicht so, als wenn es dich wirklich kümmern würde, wie es mir geht. Isegrim, beende das Gespräch! Sofort!“

Isegrim erscheint in einem Hologramm neben mir. „Nein, sprich dich mit ihm aus!“, sagt er.

„Was? Mach gefälligst was ich dir sage!“, schimpfe ich aufgebracht.

„Nein!“, sagt er wieder.

„Verdammt noch mal! Was soll das?“

Mein Vater verschränkt die Arme vor der Brust, er grinst selbstgefällig.

„Bist du das gewesen?“, frage ich ihn schroff. Auch wenn ich die Antwort schon kenne. Bisher hat noch keine die Sicherheitsbarrieren meines Kristalinas überwinden können, auch Vater nicht.

Vater schüttelt den Kopf. „Ich sage dir doch, auch deine Programme haben Schwächen, wobei mir dieser Fehler gerade zu gefallen beginnt. Gut gemacht Isegrim.“

Isegrim beginnt zu lächeln, ein finsteres bedrohliches Lächel. Neben mir sehe ich ein Programm laufen, das nur für ihn und mich sichtbar ist. Hackt er sich gerade in Vaters Kristalina ein?Ich überfliege die Datensätze, zu mehr komme ich auch nicht, weil sie unglaublich schnell an mir vorbei ziehen. Er macht irgendwas mit dem Speicher.

„Vater ich glaube wir müssen uns wirklich zusammensetzen. Hier läuft was ganz und gar nicht gut!“, sage ich.

Vaters Stirn bekommt tiefe Sorgenfalten. „Was ist lose?“

„Isegrim hackt gerade deinen Speicher und er baut irgendwas zum Löschen ein.“

„Was?“ Mein Vater sieht starr vor sich, in die Richtung wo sein Kristalina stehen muss.

„Fertig!“, sagt Isegrim auf einmal in dem abgehakten Ton, den ich ihn habe abstellen lassen. Er schaut meinen Vater direkt an und sagt: „Wenn sie den Herzkristall aus Luna entfernen, wird im selben Moment der Speicher ihres Raubvogels unwiederbringlich gelöscht. Sie ist der einzige Kristalina der wie ich ist. Ich lasse nicht zu, dass sie zerlegt wird. Sie brauchen es auch gar nicht leugnen oder mit Fürsorge begründen. Ich kann immerhin ihre Gedanken lesen und aller Sorge zum Trotz, steht doch noch immer der Gewinn an erster Stelle. Sie malen sich doch die ganze Zeit schon aus, wie teuer sie eine Fee wie Luna verkaufen könnten. Aber sie ist nicht zu verkaufen. Sie bleibt einzigartig, wie ich!“
 

...~*~...
 

Der Keller löst sich auf, ich kann wieder das warme Sonnenlicht auf meiner Haut fühlen. Den Trampelpfad und die weiten Felder sehen. Ich bekomme eine Gänsehaut, meinen Blick richte ich auf Isegrim.

Der Wolf sitzt vor mir, er schaut noch immer grimmig.

„Bist du verrückt geworden?“, schreie ich ihn an, „Jetzt wird er dich zerlegen lassen!“

Isegrim fletscht die Zähne und gräbt die Krallen in den Boden. „Das soll er ruhig versuchen. Du hast mir die hier nicht umsonst gegeben.“

Meine Augen weiten sich. Zum ersten Mal macht Isegrim mir Angst. Mit den Verteidigungsmechanismen, mit denen ich ihn für den Notfall ausgestattet habe, kann er einen Menschen tödlich verwunden. Was wenn er meinen Vater tatsächlich angreift? Was habe ich da nur geschaffen?

„Isegrim, hör auf dich so zu benehmen!“ Mir steigen die Tränen in die Augen. Egal wie viel Angst er mir gerade macht, oder wie viele Fehlfunktionen sich gerade in ihm häufen, er ist mein bester Freund. Ich will nicht das er von Vater auseinander genommen wird. Dann bin ich wieder ganz allein.

Der Wolf legt den Kopf schief, das finster Lächeln verschwindet, er schaut besorgt. „Aber warum? Du wolltest doch das Ivie Luna behalten kann.“

„Aber doch nicht, wenn wir dich dafür opfern müssen.“ Ich schlinge meine Arme um Isegrim und ziehe ihn fest an mich. Helle Funken sprühen auf. „Du darfst nicht sterben.“

„Keine Sorge. Ich beiße und kratze, wenn mir jemand zu nah kommt.“

„Du sollst auch niemanden verletzen!“, sage ich laut.

„Aber die dürfen mich verletzen?“

Ich lasse den Wolf los und schaue ihn an. Warum habe ich Idiot ihm nur Gefühle geben? Er hat nicht mal eine Woche gebraucht, um eine eigen Persönlichkeit daraus zu entwickeln. Sie werden ihn auf jeden Fall zerlegen. Ich komme gegen die Tränen nicht mehr an. Sie laufen mir von den Wangen. Dort wo sie in Isegrims Fell fallen, leuchtet es hell auf.



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