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Weihnachten

Das Fest der Liebe uns des Wahnsinns
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Das Fest der Liebe und des Wahnsinns

Weihnachten

Das Fest der Liebe und des Wahnsinns
 

Jedes Jahr derselbe Mist. Wer das erfunden hat muss einen an der Klatsche gehappt haben, oder aber er hätte nie ahnen können was daraus mal werden würde. Ihr mögt euch jetzt sicher fragen, woher meine schlechte Einstellung gegenüber diesem sonst so geliebten Fest kommt. Na dann passt mal auf.

Jedes Jahr am 24 Dezember versammelt sich die ganze Familie bei uns zuhause und das schon früh morgens. Schon kein guter Start ich weiß. Das übliche Szenario beginnt, dass ich nun schon 18 lange Jahre mitmache. Erst wird der Baum geschmückt, bei dem meine schusselige Oma jedes Jahr die neu gekauften Figuren als erstes fallen lässt. Wie diese Frau alleine und unbeaufsichtigt leben kann ohne ihr Haus abzufackeln, verstehe ich bis heute nicht. Nick und Nina, die Zwillinge und mein Cousin und Cousine streiten sich von Anfang bis Ende wer den Stern auf den Baum setzen darf. Ihre Lautstärke ist eine Zerreißprobe für mich, immer wieder aufs Neue. Am Ende setzt dann doch immer mein Vater den Stern auf den Baum umso den Streit zu schlichten. Das hat zur Folge, dass beide schmollend abziehen, nur um eine Minute später im Stockwerk über uns wieder irgendwelchen Scheißdreck anzustellen. Meine Mutter der Fels in der Brandung und Ruhe in Person ist eigentlich fast den ganzen Tag in der Küche, um den Gänsebraten vorzubereiten. Nur manchmal streitet sie sich mit meiner Tante über die Füllung. Da diese aber immer verliert, lässt sie das Ganze dann genervt an mir aus, weil ich ja nur in der Gegend rumsitze und mich nie am Sozialleben der Familie beteilige, wo wir doch nur so selten im Jahr alle zusammen sind. Ein Glück.

Wenn ich dann mit den Augen rolle, kommt immer derselbe Satz von ihr: „Immer diese Jugend heutzutage!“ theatralisch wirft sie dabei die Hände hoch. Ich denke dabei immer, dass die mit meinem Benehmen noch total Glück gehabt haben. Außerdem sollte sie sich lieber um ihre eigenen Bälger kümmern. Während dieser Zeit sitze ich im Wohnzimmer. Ich darf nicht den ganzen Tag in meinem Zimmer bleiben, weil wie mein Vater mich jedes Jahr überredete, wir doch eine Familie sind und die verbringt den ganzen Weihnachtstag zusammen. Und meinem Vater konnte ich leider nie etwas abschlagen.

Zu allem Übel kommt da auch noch mein großer Bruder hinzu der jedes Weihnachten mit ner neuen Schnecke mir gegenüber hockt und ihr bis 16 Uhr die Zunge in den Hals steckt. JEDES JAHR!

Ich liebe meinen Bruder wirklich, nicht dass ihr mich jetzt falsch versteht. Er ist nett, kümmert sich um mich, ich kann mit ihm über alles reden, weil er mir immer zuhört und er beschützt mich immer, auch wenn er da meistens nicht mehr muss. Da hat er wohl nen kleinen Bruder Komplex. Ihr dürft auch nicht denken das dieses ehm wie sag ich das ohne das es zu vulgär klingt- das dieses von Bett zu Bett gehüpfe das ganze Jahr über geht nein. Eigentlich ist er total anständig. Eigentlich. Aber irgendein Floh packt ihn jedes Jahr zur Weihnachtszeit, sodass er sich auf alles stürzt was nicht bei drei aufm Baum is. Horror. Ich darf dieser Knutscherei, die er schamlos durchzieht, dann immer zugucken. Ein Glück hat mein Vater ihm als es anfing direkt die 16 Uhr Grenze Gesetz, sonst würde er das wohl den ganzen Tag durchziehen. Darauf würde ich wetten. Den Rest der Zeit hatten wir ihn dann wieder. Wobei er jedes Jahr Moms roten Lippenstift Konkurrenz macht.

Während alledem pennt mein Onkel neben mir im Sessel und kriegt bis zum Abend von nichts etwas mit. Wie ich ihn beneide! Als ich noch klein war bin ich immer wieder zwischendurch zu ihm gegangen, um zu gucken ob er noch atmet. Wie man sieht kommt bei mir also zur allgemeinen Massenpanik und Geschenkewahnsinn, noch diese bekloppte Familie hinzu. Gut man mag jetzt denken, dass ich nach so vielen Jahren mich mittlerweile an diese Marotten gewöhnt hätte und darüber lachen würde. Ja so war es ja auch eigentlich meistens, aber das Sahnehäubchen meine Tragödie kommt noch.

Ich war Single. Das an sich ist zu Weihnachten schon doof, vor allem mit besagtem Bild von Bruder und Knutschgefährtin vor mir. Aber war ich das eben erst seit kurzem. Vor ungefähr drei Wochen trennte sich mein Freund von mir mit den Worten: „Weißt du ich glaube das mit uns funktioniert doch nicht so gut. Du bist einfach nicht das was ich mir vorgestellt habe.“ Toll nicht. Das was er sich wohl vorgestellt hatte, war eine dumme Blondine, die für ihn immer wenn er Bock hat die Beine breit macht und das war oft. Doch ich bin weder dumm, noch blond. Will ich aber noch etwas mit unserem ersten Mal warten, weil wir noch nicht solange zusammen waren, war ich nicht mehr das was er sich vorgestellt hatte. Das hatte ich ihm auch mit meiner flachen Hand klar gemacht.

Man sieht also ich trauere nicht wirklich um ihn, aber allein ist auch nicht schön und macht mich noch miesgelaunter als ich eh schon war. Weshalb mich jede Kleinigkeit umso mehr aufregte, als sie es sonst tun würde. Ihr erkennt also mein Dilemma.

Falls ihr euch nun fragt was ich während des ganzen Chaos im Wohnzimmer tat. Ich zeichnete, besser ich versuchte es. Durch den ganzen Lärm und diverse andere Ablenkungen konnte ich mich aber leider nicht auf meine Kunst konzentrieren. Das war das schlimmste, wenn ich eins hasste dann wenn ich beim Zeichnen unnötig gestört wurde und das war an Weihnachten immer der Fall.

Oh beinahe hätte ich ein weiteres Übel das mein momentanes Glück verursachte vergessen. Zu der Trennung kamen nämlich unsere neuen Nachbarn hinzu, die vor kurzem, auch wenn ich nicht verstehen kann wieso man ausgerechnet in der Weihnachtszeit umzieht, gegenüber eingezogen waren. Das Fenster meines Zimmers blickte direkt auf ihr Haus. Zuerst waren es die Laster und die üblich Umzugs und Handwerker Geräusche die mich nervten, aber dann kamen diese Leute wohl auf die glorreiche Idee jeden Abend eine Einweihungsparty feiern zu vollen, sodass ich nicht immer besonders viel Schlaf bekam. Gesehen hab ich bis jetzt noch keinen dieser Vollidioten. Deren Glück.

Meine Gefühlslage ließ sich also so beschreiben: Neid gegenüber meinem Bruder und seinem Zungenspiel, Genervtheit gegenüber der Zwillinge, Unfassbarkeit gegenüber meiner Mutter, Wut gegenüber meiner Tante, Hass auf die Nachbarn, Unverständlichkeit gegenüber meiner Oma, blinde Raserei für meinen Ex-Freund, Machtlosigkeit für Papa und ein komplettes Unverständnis gegenüber meinem Onkel.

Ihr werdet nun also verstehen, warum ich diesem Weihnachten nicht gerade mit Frohsinn und Glückseligkeit entgegenblickte.
 

16 Uhr. Halleluja die Lippenkauerin meines Bruder haut endlich ab, der Weihnachtsbaum ist geschmückt und die Füllung in der Gans. Jetzt begann meistens der gemütliche und schönere Teil des Tages, aber wie schon erwähnt machte meine gute Laune gerade Urlaub.

„Na Prinzessin, was zeichnest du uns da schönes?“ Mein Bruder hatte mich jetzt da- ich habe keine Ahnung wie sie heißt da ich mir garantiert nicht die Mühe mache jede seiner Weihnachtsfummelein zu merken. Jedenfalls war sie weg und somit galt seine Aufmerksamkeit, wie durch Zauberhand wieder mir. „Ich frage mich wie viele Mädchen du schon so genannt hast, um sie ins Bett zu kriegen?“ ich sah ihn genervt an. Sein vorher fröhliches Grinsen machte nun einen sanften aber ernsten Gesicht platz: „Ich würde niemals eine andere als dich so nennen. Der Name ist speziell für meine süße kleine Prinzessin reserviert.“ Er wuschelte mir über den Kopf und lachte.

Er wusste, dass ich das nicht mochte, tat es aber schon seit wir klein waren und mittlerweile nahm ich ihm das auch nicht mehr so übel. „Also Sonnenschein“ mein Blick darauf sagte eindeutig, dass ich keinen Bock auf seine billigen Späße hatte, was ihn aber nicht daran hinderte weiterzumachen. „Was erschaffst du gerade für ein Kunstwerk?“ er stierte auf meinen Block, auf dem nicht mehr als die grobe Skizze einer Landschaft zu sehen war. Wie gesagt Ruhe und Konzentration waren hier ein Fremdwort. „Wow du wirst ja immer besser“, „Leon noch ein Wort und das Ding fliegt dir um die Ohren“ keifte ich ihn an. Er duckte sich nicht mal, da er leider genau wusste, dass ich mein geliebtes Zeichenmaterial niemals nach irgendwem werfen würde, da es mir dafür viel zu wichtig war. Aber vielleicht würde ich heute eine Ausnahme machen wenn er so weitermacht. War schließlich Weihnachten.

„Ach Prinzessin was ist denn heute mit dir los? Du bist noch mieser gelaunt als sonst um diese Zeit.“ Gerade wollte ich mit einem ‚es ist nichts‘ aufstehen und mir einen ruhigeren Platz suchen, als Leon meinte: „Ist es immer noch wegen Danny?“ Scheiße wie macht er das nur. Ich seufzte und ergab mich. Ihm konnte ich sowieso nichts vor machen, er durchschaute mich immer. Ich setzte mich also zu ihm wo wir uns zusammen gemütlich in eine Decke kuschelten und er wartete bis ich etwas sagte.

„Es wäre einfach das erste Weihnachten gewesen, wo ich auch endlich mal jemanden hätte mit dem ich kuscheln und den ich küssen könnte. Ich weiß er is ein Arsch, aber er hat mir somit auch die einzige Hoffnung auf ein romantisches Weihnachten, wie ich es immer wollte zerstört.“ Ich schmollte und legte meinen Kopf auf seine Schulter, während er mir über diese streichelte. Ja ja ich oute mich freiwillig. Ich bin, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, eine Romantikerin deren „Weihnachtswunsch“ es war einen Jungen für den ich Gefühle hatte, unter dem Mistelzweig zu küssen und mit ihm vor dem Kamin zu kuscheln. Verklagt mich, aber so ist es.

„Tja dann werde ich dir auch diesmal wieder als Kuschel-Ersatz tapfer zur Seite stehen.“ Ich schnippte ihm gegen den Kopf. „Au! Mensch Willa.“ Er rieb sich die schmerzende Stelle und seufzte dann ergeben. Ich hasste es wenn er mich verarschte „Möchtest du Aschenbrödel gucken?“ Aber bei diesem Angebot konnte ich ihm leider nicht mehr lange böse sein. Er wusste wie er mich ablenken und selbst zu Weihnachten zum Lächeln bringen konnte und ich liebte ihn dafür. „Du holst die DVD, ich mach den Kamin an.“
 

Wir kuschelten uns vor den brennenden Kamin, als es keine fünf Minuten dauerte bis Nick und Nina dazu kamen, sich zwischen uns quetschten und mitguckten. Während der Mitte des Films kamen auch meine Mutter, Tante und meine Oma hinzu. Keiner sah es aber ich wusste, dass auch mein Vater im Türrahmen lehnte und mein Onkel am Schluss immer aufwachte. Es war jedes Jahr das Gleiche, was die Familie dazu brachte friedlich beieinander sein zu.

„Hach guck mal wie süß die Kinder zusammen kuscheln. Ich hol die Kamera das muss festgehalten werden“, rief meine Oma dann, nachdem der Film aus war. „Muss das sein?“ meine Genervtheit kam zurück. „Oh nein!“ riefen auch die Zwillinge im Einklang. „Ach kommt jetzt reißt euch zusammen, dauert doch nur ne Sekunde“, meinte Leon lachend. Wir sahen ihn alle drei entgeistert an. Daraufhin wurde er ernst und verpasste uns allen eine Kopfnuss. „Jetzt wird nicht gemeckert. Ihr setzt euch jetzt hin und haltet die Klappe, sonst gibt es kein Schokoladen Mouse.“ Ja da kam dann doch der große Bruder durch und er wusste was unser aller Schwäche war, seine übrigens auch. Mamas Schokomouse das es nur so selten gab und das sie immer zu Weihnachten machte. Wir seufzten und setzten uns dann wieder zu ihm auf die Couch. Aber das Lächeln wollte mir nicht so wirklich gelingen. Also flüsterte Leon den Zwillingen was ins Ohr, die sich dann auf mich stürzten, um mich zu kitzeln. „Hey das ist unfair!“ „Komm schon Willa lachen!“ ich konnte nicht mehr und lachte. Wir bekamen uns gar nicht mehr ein. Als Leon dann auch noch mitmachte, schien auch die Familie ob des lustigen Bildes zu lachen.

„Ich hab siiie“, flötete daraufhin meine Oma und kam mit der Kamera ins Wohnzimmer, als sie stockte. Es war aber auch ein komisches Bild das wir abgaben. Überall lagen Kissen und Decken auf dem Boden und unsere Wangen schon ganz rot vor Lachen. „Oh ist das niedlich, bleibt genauso Kinder!“ es blitzte ein paar Mal und dann sahen wir uns die Fotos an. Eigentlich machten wir jedes Jahr ein Gruppenfoto für unsere Oma, aber ich fand noch keins so schön wie das hier. Die anderen waren immer so etwas gestellt aber, das hier. Alle vier auf der Couch. Nina halb auf Leons Schulter, der sie mit einem Arm festhielt, während der andere sich um meine Taille schlang und Nick der bäuchlings auf mir lag aber sein Gesicht zur Kamera gedreht hatte. Wir alle lachten fröhlich sodass ich auch einen Abzug davon haben wollte.

Man musste die kleinen Quälgeister einfach liebhaben. Vor allen Dingen da mich der ganze Rummel so abgelenkt hatte, dass ich im Verlauf des Abends nicht einen weiteren Gedanken an Danny verlor.
 

20 Uhr. Der Gänsebraten war wie jedes Jahr gelungen auch wenn meine Tante meinte, dass er mit ihrer Füllung genauso gut geschmeckt hätte. Ich hatte mich für den Abend etwas schicker gemacht. Normalerweise mach ich das gerne aber dieses Jahr habe ich es nur gemacht um meinen Vater eine Freude zu machen. Für mehr als meine Familie konnte ich mich ja nicht schick machen. Ich trug meine schwarzen Overknees mit schwarzer Strumpfhose und Shorts. Darauf einen beigen Pulli der einen horizontalen Ausschnitt hatte, sodass meine Schultern frei waren. Darauf trug ich meine rote Lieblingskette sowie die Perlenohrringe die ich zu Nikolaus bekommen hatte. Meine langen Haare hatte ich seitlich zu einem Zopf geflochten und meine Augen mit schwarz und braun Tönen beton. Schlicht aber irgendwie doch schick dachte ich. Auch alle anderen hatten sich schick gemacht. Sogar Nick und Nina auch wenn sie davon nicht so begeistert waren. Nina hätte wohl lieber etwas Einfacheres als das knall rote Kleid, dass ihre Mutter für sie ausgesucht hat getragen. Sie hatte auch wie jedes Jahr darauf bestanden das ich ihr die Haare mache. Dieses Jahr war es ein Dutt mit passender roter Blume. Das sind die wenigen Momente wo wir Cousinen alleine sind ohne die Jungs. Leon machte während der Zeit immer was mit Nick. Meine Oma und mein Vater die ganze Zeit mit der Kamera rumwuselten machten dabei immer die schönsten und witzigsten Momentaufnahmen. Ob wir wollten oder nicht.

Nun war Bescherungszeit. Erst sangen wir zwei Weihnachtslieder wobei uns mein Onkel, der mittlerweile wach war, auf dem Klavier begleitete. Dann beschenkten wir uns gegenseitig. Wie jedes Jahr bekam ich neue Zeichenmaterialien von meinem Bruder wofür ich ihm ein Küsschen gab. Und wie jedes Jahr schenkte ich ihm Kondome wofür er mir in die Wange kniff. Glaubt mir, ich möchte gerne irgendwann Tante werden nur eben noch nicht jetzt. Natürlich bekam er auch immer noch was dazu, so gemein war ich nun auch nicht. Dieses Jahr waren es Handschuhe und die neuste Coldpay CD.

Die Zwillinge bekamen neue Sachen von Playmobil was sie auch sogleich aufbauen wollten nur um sich eine Minute später um eine Figur zu streiten. Mein Onkel nahm sie ihnen dann weg und deklarierte, dass das jetzt seine Figur wäre, bevor er ihnen dann beim Aufbauen half. Meine Eltern, Tante und Oma saßen sich mit einer Tasse Kaffee vor den Kamin und schalteten den Fernseher an. Leon und ich standen mit Schokomouse im Türrahmen und beobachteten das Ganze. Ich lächelte bei diesem Bild. Abe als sich meine Eltern enger aneinander kuschelten, stieg die altbekannte Leere wieder in mein Herz und mein Lächeln verschwand. Die Gedanken an Danny und was er mir hätte erfüllen können, waren wieder da. Wie sehr ich das jetzt auch gerne hätte.

Leon bemerkte das natürlich sofort und wollte mich in eine Umarmung ziehen. Doch noch bevor er das konnte, verschwand ich aus seiner Reichweite. „Ich geh kurz raus ok?“ Eigentlich war es keine Frage und ich bat auch nicht um seine Erlaubnis, aber ich hatte das Gefühl etwas sagen zu müssen, bevor ich mich zurückzog. Er nickte mit einem mitfühlenden Lächeln das ich versuchte zu erwidern. Dann drehte ich mich um und ging in Richtung meines Zimmers, als er mich auf dem Flur nochmal einholte.

„Du weißt, dass er keinen einzigen deiner wertvollen Gedanken verdient hat.“ Ich drehte mich nicht um sondern nickte nur. Er seufzte. „Vielleicht sollte ich ihm doch nochmal eine reinhauen dafür, dass er meine Prinzessin zu Weihnachten traurig macht!“ Ich sah aus den Augenwinkeln, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten. „Er ist auch keinen weiteren Schlag deiner wertvollen Energie wert. Außerdem trauert mein Herz nicht ihm nach, sondern der Hoffnung darauf, dass sich mein Wunsch dieses Jahr erfüllt. Aber so war es nicht. Ich bin schon groß und werde das überstehen, mach dir also nicht zu viele Sorgen.“ „Ich werde nie aufhören mir Sorgen um dich zu machen Willa, dass haben große Brüder so an sich. Ich möchte nur das dieser Abend für dich mit einem Lächeln endet.“ Ich setzte mich wieder in Bewegung. „Ich komm nachher wieder, dann wird sich schon noch ein Lächeln finden lassen“, und mit diesen Worten bog ich in mein Zimmer ein.
 

In meinem Zimmer angekommen, stieß ich erstmal die Luft aus. Ich öffnete meinen Zopf und ließ meine langen braunen Haare über meine Schultern gleiten. Das andere hatte mir irgendwie die Luft abgeschnürt. Auf der Suche nach meinem Block, fand ich etwas in meiner Schublade, dass meine momentane Gefühlslage nicht gerade verbesserte. Es war der Schal den ich Danny schenken wollte. Braun-Blau gestreift. Ich wollte ihn nur gegen die Wand werfen, zerreißen und verbrennen. Stattdessen nahm ich ihn raus und fuhr mit meinen Händen darüber. Meine Augen begannen zu tränen, obwohl ich versuchte sie zu unterdrücken, oder sie wegzuwischen, wobei das Make up in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das war mir aber im Moment sehr egal. Es gab ja schließlich niemanden mehr, für den ich gut aussehen wollte.

Ich betrachtete wieder den Schal in meinen Händen. Nein dafür war er viel zu schade. Er konnte ja nichts dafür, dass sich der Typ wie ein Arsch benommen hatte. Aber was sollte ich jetzt damit machen. Meinem Bruder schenken? Nein der würde sofort was merken und mich dann wieder so mitleidig und besorgt angucken. Von dem Blick hatte ich in der letzten Zeit echt genug gesehen. Für Nick war er zu lang. Den müssten wir ihm dreimal um den Kopf wickeln und das sähe auch doof aus. Für Papa oder meinen Onkel wäre das nichts, genauso wie für die anderen Mitglieder meiner Familie. „Aber wegschmeißen will ich ihn auch nicht dafür ist er A. zu schön und B. war er dafür zu teuer gewesen.“ Ich seufzte zum gefühlt hundertsten Mal heute über diese Sache. Na ja immerhin hatte sich mein Wunsch teilweise erfüllt. Ich hatte mit meinem Bruder vor dem Kamin gekuschelt und den liebte ich ja auch, auch wenn eben nicht so. Aber der Kuss. Tja auf den werde ich wohl noch etwas warten müssen.

Ich wollte gerade in Mitleid versinken und irgendwas Melancholisches auf meinen Block zeichnen, in der Hoffnung, dass es mir danach besser gehen würde, als es an der Tür klingelte. Ich fuhr überrascht hoch. Wer klingelt den an Heiligabend an einer fremden Haustür? Besuch erwarteten wir schließlich keinen.

„Ich geh schon“, rief ich durch den Flur, um niemanden bei seiner Besinnlichkeit zu stören. Ich stapfte also mit offenen, nicht mehr ganz so tollaussehenden Haaren und verschmiertem Make up, mit bestimmt geröteten Augen zur Tür. Toll, ob ich Leon das versprochene Weihnachtslächeln noch schenken würde, weiß ich jetzt auch nicht mehr. Ich öffnete die Tür und dachte erst ich seh nicht richtig. Vor mir stand ein Junge, ungefähr in meinem Alter, mit nem Milkaherz in der Hand und einem Grinsen auf den Lippen.

„Ja?“ fragte ich zögerlich, nicht wissend, was jetzt auf mich zukommen würde. „Hi. Ich bin Manuel und bin gegenüber eingezogen. Ich dachte irgendwie sollte ich mich vielleicht mal vorstellen.“ Er begann sich im Nacken zu kratzen, aber das Grinsen blieb. Ich musterte ihn, weil mir die Situation viel zu unrealistisch war. „Und darauf kommst du ausgerechnet an Heiligabend, wo alle anderen; keine Ahnung; bei ihrer Familie sind und feiern. Da kommst du drauf dich bei den Nachbarn vorzustellen, was sicher auch noch ein paar Tage hätte warten können. Sag mal, was ist bei dir denn schief gelaufen“, schrie ich ihn an. Eigentlich wollte ich ihn nicht anschreien, schließlich konnte er nichts für meine Wut auf dieses Fest. Er kommt aber auch auf bescheuerte Sachen. Welcher Mensch kommt denn auch darauf sich ausgerechnet heute bei den Nachbarn vorzustellen.

„Na ja dir scheint ja auch nicht nach feiern zu sein, so verheult wie du aussiehst“, gab er darauf zurück. Ok jetzt hatte er definitiv eine Grenze überschritten. Sowas lass ich mir nicht bieten, schon gar nicht wo es mir heute schon scheiße genug geht, auch ohne sein Auftauchen. „Weißt du was, ich hab darauf keinen Bock. Du hast dich vorgestellt, herzlichen Glückwunsch und nun hau ab!“ Ich wollte ihm schon die Tür vor der Nase zuschlagen, doch er hielt sie fest. „Warte! Tut mir leid das war blöd von mir. Ich denke du hast schon irgendwie genug am Hals, aber ich wollte einfach, na ja ich wollte…“ Langsam wurde ich ungeduldig. „ Was! Was willst du denn?“ fuhr ich ihn an. Im nächsten Moment spürte ich auch schon warme, raue Lippen auf meinen und eine kalte Hand die mir in meinem Nacken fuhr. Ich war so erschrocken, dass ich mich nicht rührend konnte und nur seine geschlossenen Augen anstarrte. Ich wollte mich lösen, wirklich, aber irgendwas hielt mich ab, sodass ich sogar zögerlich die Augen schloss.

Dann war der Moment auch schon vorbei und er löste sich von mir, wo er mit seinen Fingern noch durch meine Haare fuhr. „Ich bin froh, dass du auf gemacht hast“, flüsterte er. „Fröhliche Weihnachten.“ Er lächelte mich sanft an und wandte sich zum Gehen. „Warum…? Ich meine wieso, also wieso hast du…?“ platze meine Verwirrung aus mir heraus. Er drehte sich um, nickte auf etwas über mir und ging wieder auf sein Haus zu. Ich sah nach oben und lief auf der Stelle knallrot an. Über mir an unserer Tür hing, wie jedes Jahr, ein Mistelzweig, den ich aber schnell vergaß, weil niemand von uns dem Brauch wirklich nachging und er dort nur zur Dekoration hing. Erschrocken legte ich meine Finger auf die Lippen.

„Er hat mich unter einem Mistelzweig geküsst.“ Die Worte spukten mir die ganze Zeit im Kopf rum, während ich die Tür schloss und mich dagegen sinken ließ. Erst jetzt fiel mir auf, dass er mir die Pralinen in die Hand gedrückt hatte. „Er hat mich an Weihnachten unter einem Mistelzweig geküsst!“ Außerdem hatte ich Gefühle für ihn. Die bestanden zwar hauptsächlich aus Wut und Verwirrung, doch irgendwo war auch ein klein wenig Glück zu spüren. Ich biss mir auf die Lippen, als ich sie mir erneut nachfuhr nur um sicher zu gehen, dass das auch kein Traum war. Doch alles beißen konnte das Lächeln, ja fast dämlich glückliche Grinsen, nicht zurückhalten.

Nach einer Weile stand ich auf und ging zurück ins Wohnzimmer, wo mich Leon ansah. „Ich hab mein Lächeln gefunden.“

Naja ok ich geb es zu. Vielleicht wird Weihnachten dieses Jahr doch nicht so schlimm, wie die anderen Jahre.



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