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The GRIMM and the BIEST - Part 2 [Aftermath]

[GRIMM - Nick x Renard]
von

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Hilferuf

Währenddessen in einer anderen Ecke der Stadt, lag die Straße, in der das Haus des Tugendschaf/Klaustreich-Ehepaars stand, in vollkommener Dunkelheit und Stille. Einzig im Schlafzimmer der Graupners glimmte ein schwaches Licht. Die eingetretene Tür war im Laufe des Tages notdürftig repariert worden und im Wohnzimmer hatte die Frau stoisch wieder für Ordnung gesorgt. Wie so oft in letzter Zeit.
 

Es war nicht das erste Mal, dass ihr Mann handgreiflich wurde, aber es war noch nie so schlimm gewesen. Zertrümmerte Möbel, umhergeworfene Teller und Tassen, vielleicht auch mal ein blauer Fleck wenn George richtig mieser Laune war, aber niemals so etwas wie heute. Ellie musste an den netten Nachbarn denken, der jetzt wegen ihres Mannes im Krankenhaus um sein Leben kämpfte. Der arme Stuart, er hatte doch nur versucht ihr zu helfen. Wie er so dagelegen hatte auf dem Gehweg... Vielleicht hätte sie doch die Tür aufmachen sollen.
 

Stuart Franklin war auch ein Wesen, ein Tugendschaf wie sie. Und dennoch hatte er den Mut gehabt, sich ihrem wütenden Mann entgegenzustellen. Vielleicht würde er sogar sterben, weil George ihn so schwer zugerichtet hatte…
 

Stuart war ein echter Held. Und sie war so feige…
 

Müde setzte sich das Tugendschaf an den Rand ihres Ehebettes und ließ den Kopf hängen. ‚Ehe…‘, dachte sie voller Bitterkeit. Als wenn man ihre Beziehung zu George als ‚Ehe‘ bezeichnen konnte. ‚Sklavenhaltung‘ war eigentlich der bessere Ausdruck dafür.
 

In Gedanken versunken fuhr sie mit der Hand über die Tagesdecke, auf der sie saß. Es war ein wunderschöner Quilt, ein Hochzeitsgeschenk ihrer Familie. Im Licht der Nachttischlampe konnte sie die zarten handgestickten Linien und verschlungene Muster erkennen. Ihre Eltern hatten sie damals gewarnt, sich auf den Klaustreich einzulassen. „Ellie“, hatten sie immer wieder gesagt, „da kann nichts Gutes bei rauskommen.“
 

Aber George war damals so nett und aufmerksam zu ihr gewesen und sie wollte nicht glauben, dass die Vorurteile gegen Klaustreiche auch auf diesen jungen Mann zutrafen, der um sie warb. Sie hatte nicht hören wollen. Nun musste sie fühlen.
 

Leise schluchzte sie.
 

Plötzlich drang ein Geräusch an Mrs. Graupners Ohr, das sie hochschrecken ließ. Es klang, als würde jemand versuchen die Hintertür zu öffnen. In der vollkommenen Stille des Hauses war das verräterische Klacken des alten Schlosses und das Knarzen der Scharniere bis hoch ins Schlafzimmer zu hören. Ellie hatte das Schloss längst austauschen lassen wollen. Es war völlig verrostet und hakte manchmal. Ihr Mann hatte das aber verboten. Das wäre unnütze Geldausgabe, sagte er immer. Im Nachhinein schien es, als wenn das ausnahmsweise mal zu ihrem Vorteil war, dass sie sich in dieser Sache nicht hatte durchsetzen können. Andernfalls hätte sie vermutlich niemals mitbekommen, dass jemand versuchte einzubrechen.
 

Aber… war es wirklich ein Einbrecher? Das Schloss hatte nur kurz geklackert. Es klang nicht, als hätte jemand länger daran rumgestochert… Es klang tatsächlich so, als wenn… jemand einen Schlüssel benutzt hätte. Aber… George sollte doch über Nacht eingesperrt werden. Das hatte zumindest die nette Polizistin gesagt. Er konnte das demnach also nicht sein, oder?
 

Aber was, wenn doch?
 

Leicht verängstigt zog Ellie ihren Morgenmantel etwas fester um ihren Körper und schaltete die kleine Lampe aus, bevor sie langsam aufstand und nach dem Telefon auf der Kommode vor dem Fenster griff. Daneben lag die weiße Visitenkarte von diesem Detective Burkhardt. Die nahm sie in die andere Hand und ging vorsichtig die letzten Schritte bis zur Schlafzimmertür. Einige Sekunden lang lauschte sie in den Flur hinaus und glaubte leise Schritte zu hören. Dann schloss sie behutsam die Tür und drehte den Schlüssel zweimal um. Anschließend setzte sie sich wieder auf den Rand des Bettes und betrachtete die Visitenkarte in ihrer Hand. Sie hielt sie so, dass die Schrift im schwachen Licht der Straßenlaternen zu lesen war.
 

Portland P.D. – Det. Nicholas Burkhardt‘ stand darauf. Unter dem Namen war seine dienstliche Telefonnummer angegeben. Und auf der Rückseite hatte er seine Mobilnummer notiert.
 

Kurz ließ sie ihre Begegnung mit dem Polizisten früher am Tag Revue passieren. Dieser Burkhardt war ein seltsamer Mann. Zuerst hatte er gar nicht mit ihr geredet, sondern nur mit der netten Polizistin und einem weiteren Kollegen in Uniform.
 

Dann hatte sie während der Sanitäter sie verarztete gemerkt, wie der Detective wütend das Haus verließ. Ellie wusste nicht warum, aber sie hatte die Welle dieser Wut förmlich auf der Haut spüren können und war zusammengezuckt. Der Sanitäter bezog das natürlich auf sich und entschuldigte sich sofort, aber das war es nicht gewesen. Ja, die Wunde an der Stirn schmerzte, aber nicht halb so sehr, wie die, in ihrem Inneren. Angst war ein scharfes Schwert und diese Wut machte ihr furchtbare Angst. Sie hatte so viele Jahre unter der Wut ihres Mannes gelitten…
 

Und dann war der Detective wieder da, setzte sich ruhig zu ihr auf die Couch und stellt sich vor. Und bot ihr seine Hilfe an…
 

Er war so… nett, freundlich, verständnisvoll. Beinahe sanft. Kein Vergleich zu der Wut, die er nur Minuten vorher ausgestrahlt hatte. George war hinterher niemals so nett zu ihr, wenn er einen seiner Anfälle hatte. Nie tat es ihm wirklich leid, was er seiner Frau antat. Im Gegenteil, immer war sie selber an allem Schuld und müsse sich das selber zuschreiben, wenn er wütend wurde.
 

Detective Burkhardt dagegen… er entschuldigte sich für sein Verhalten und hörte ihr ruhig zu, als sie den Ablauf beschrieb. Nie unterbrach er sie oder beschimpfte sie, weil ihr Mann solche Probleme verursachte. Hinterher wies sie sogar auf mehrere möglichen Hilfestellen für Frauen in ihrer Lage hin, an die sie sich wenden konnte. Einige davon kannte sie und wurden speziell von Wesen für Wesen geführt. Bislang hatte sie sich nur nie getraut, dort hinzugehen. Ihr Mann hätte jegliche Verzögerung oder spätere Heimkehr von der Arbeit sofort bemerkt. Oder wenn sie dort auch nur angerufen hätte. Auf Arbeit durfte sie nicht privat telefonieren. Sie besaß zwar ein Handy, aber nur um immer erreichbar für ihn zu sein. Und George kontrollierte jeden Tag die Anrufer-Listen, daher konnte sie es nicht riskieren, von dem Gerät aus jemanden zu kontaktieren. Ein zweites Telefon konnte sie ebenfalls nicht kaufen, weil ihr Mann auch sämtliche Ausgaben und die Kreditkartenbelege überprüfte. Und wenn sie die Telefonzelle an der Haltestelle benutzt hätte, dann hätte sie ihren Bus verpasst. Und das hätte dazu geführt, dass sie später gefahren wäre, was wiederum George wütend gemacht hätte…
 

Ich weiß Ihr Mann ist ein Klaustreich‘, hatte er leise gesagt, ‚und das diese Wesen dazu… tendierten ihren Partnern das Leben zur Hölle zu machen. Ich habe das schon zweimal erlebt. Aber Sie müssen das nicht alleine durchstehen, Mrs. Graupner. Es gibt Leute, die Ihnen helfen können.‘
 

Überrascht hatte sie aufgeschaut. Woher wusste der Detective über ihren Mann Bescheid? Über die Wesen? Ungewollte wallte sie einen Moment auf, und dann konnte sie es sehen - er war ein Grimm!
 

Sofort kroch Panik in ihr hoch, ein leibhaftiger Grimm… Was wollte er von ihr? War er gekommen, um sie umzubringen?
 

Aber er hatte gleich abgewiegelt und mit sehr sanfter Stimme auf sie eingeredet und die Polizistin hatte ihn dabei unterstützt. Eine Polizistin, zumal selber ein Wesen, würde doch kaum einen Grimm unterstützen, der ihr Böses wollen würde, oder?
 

Der Grimm machte ihr trotzdem Angst, aber noch mehr verwunderte er sie. Er wolle helfen, hatte er gesagt. Einen Augenblick lang hatte sie sich der vagen Hoffnung hingegeben, er könne das Problem ‚endgültig‘ für sie lösen, aber das hatte er abgelehnt. Er sein nicht ‚so ein Grimm‘, sondern Polizist. Aber er hatte auch gesagt, wenn sie Hilfe bräuchte, könnte sie ihn jederzeit anrufen.
 

Und genau das tat sie jetzt.
 

Sie tippte die Nummer von der Karte ins Telefon und wartete auf das erlösende Freizeichen.
 

 
 

***
 

Aus den zwei Bier waren inzwischen vier oder fünf geworden, so genau hatte Nick nicht darauf geachtet. Eigentlich hatte er vorgehabt sich ordentlich zu betrinken, aber dieser Zombie-Nebeneffekt hatte seinen Metabolismus offenbar so gründlich umgekrempelt, dass ihm das einfach nicht zu gelingen schien. Er fühlte sich nicht mal leicht beduselt. Früher hätten zwei Bier gereicht und er hätte angefangen blöde zu grinsen.
 

Vielleicht sollte er auf etwas Stärkeres wechseln, überlegte Nick, aber mehr als Wein hatten sie normalerweise nicht im Haus.
 

Sie…
 

Traurig schüttelte er den Kopf. Das hieß wohl jetzt eher ‚hatte er nicht im Haus‘. Nick verzog den Mund und setzte die Bierflasche wieder an.
 

„Was ist los, Detective?“
 

Der Grimm sah seinen Vorgesetzten an, der zu seinem großen Erstaunen noch immer bei ihm im Wohnzimmer saß und ebenfalls eine Flasche Bier in der Hand hielt. Von Hank hätte er ja erwartet, dass der sich einem ‚Saufgelage‘ anschließen würde, von Renard eher weniger.
 

Aber da saß der Royal, locker zurückgelehnt auf dem Stuhl und die Flasche in der Hand, als wäre es das normalste von der Welt. „Ich glaube ich muss Ihnen mal etwas von meinem Lieblingsscotch mitbringen, Nick. Immer nur Bier, wo bleibt denn da der Genuss?“
 

„Wenn Sie mein Bier nicht mögen können Sie ja gehen“, antwortete der Detective säuerlich und nahm den letzten Zug aus seiner aktuellen Flasche. Dann stellte er sie vor sich auf den Couchtisch und lehnte sich wieder zurück in die Sitzpolster. Er runzelte die Stirn. Vielleicht hatte der Alkohol inzwischen doch angefangen zu wirken oder er spürte die ersten Auswirkungen einer verspäteten Gehirnerschütterung nach der Ohrfeige von vorhin, obwohl das Pochen in seiner Wange inzwischen längst zurückgegangen war. Jedenfalls legte er den Kopf schief und sah den anderen Mann mit leicht glasig wirkenden Augen fragend an. „Warum sind Sie überhaupt noch hier?“
 

„Ich hatte heute Abend nichts vor und Sie sahen aus, als könnten Sie etwas Gesellschaft gebrauchen, Detective“, zuckte Renard mit den Schultern, streckte die Beine aus und überkreuzte sie an den Knöcheln.
 

Der Grimm schnaubte amüsiert. Bis sein Magen anfing lautstark zu knurren.
 

„Hunger?“
 

„Keinen Appetit“, wiegelte der Jüngere ab.
 

Missbilligend runzelte Renard die Stirn. „Sie wissen aber schon, dass Alkohol auf leeren Magen nicht gerade die beste Idee ist, oder? Wann haben Sie zuletzt was gegessen, Nick?“
 

Der Detective dachte ernsthaft darüber nach. Zum Frühstück hatte er nur den üblichen Becher schwarzen Kaffee getrunken und tagsüber war er wie so oft nicht dazu gekommen, etwas zu essen. Ursprünglich hatte er vorgehabt sich unterwegs was beim Chinesen zu besorgen, da seine eigene Kochkunst nicht über die Zubereitung von Spiegeleiern und Speck hinausging (und selbst da musste er höllisch aufpassen, dass nicht am Ende nur noch Kohle in der Pfanne übrig blieb). Aber im Eifer des Gefechts den Royal zu treffen, hatte er auch das wieder vergessen.
 

„Also ich…“
 

„Lassen Sie es gut sein“, winkte Renard ab. „Wenn Sie nicht mal mehr wissen, wann sie zuletzt was zwischen den Zähnen hatten ist es eindeutig an der Zeit für Pizza. Kommen Sie, ich bestelle uns was.“ Er kramte in der Innentasche seiner Jacke, die hinter ihm über der Stuhllehne hing und förderte sein Handy zu Tage. „Ich kenne da einen ganz ausgezeichneten Italiener, der zum Glück auch außer Haus liefert“, schwärmte er, während er das Adressbuch durchging, „sowas Gutes haben Sie garantiert noch nie gegessen, Detective. Ich empfehle…“
 

Doch bevor er die Nummer wählen konnte klingelte das Handy des Grimms.
 

Renard seufzte bedauernd und ließ sein Telefon sinken. Nick kramte umständlich aus seiner Hosentasche sein eigenes hervor. Er stutzte kurz, als er die Anrufer Nummer las und ging dann ran.
 

„Burkhardt“, meldete er sich und setzte sich aufrechter hin. Der Captain zog bei dieser Reaktion und dem wachsamen Blick, den der Grimm zeigte, seine Beine wieder heran und richtete sich ebenfalls auf. Gespannt wartete er darauf zu erfahren, wer seinen Untergebenen zu so später Stunde noch anrief und warum.
 

„In Ordnung“, antwortete dieser gerade und erhob sich von der Couch. „Bleiben Sie ruhig, ich bin unterwegs. Verschließen Sie die Tür, aber unternehmen Sie erstmal nichts weiter, ich werde sofort die Kollegen informieren. Ja… Nein… Hören Sie, ich bin auf dem Weg, warten Sie auf mich, ja? Okay, bis gleich.“ Damit legte er auf, verstaute sein Handy wieder in der Hosentasche und marschierte schnellen Schrittes in Richtung Eingangstür.
 

Als wäre ihm gerade eben erst wieder eingefallen, dass er ja noch Besuch hatte, blieb er plötzlich stehen und sah Renard an, der inzwischen auch aufgestanden war und bereits nach seinem Jackett griff.
 

„Ein Notfall?“, fragte der Captain nur.
 

„Ja“, bestätigte Nick die Vermutung seines Vorgesetzten. „Das war die Frau, bei der wir heute Vormittag waren, das Tugendschaf. Sie sagt, jemand versucht sich Zutritt zum Haus zu verschaffen und jetzt hat sie natürlich furchtbare Angst.“
 

Der Captain zog eine Braue hoch. „Ich dachte ihr Mann wäre noch bei uns in Gewahrsam?“
 

„Ist er auch“, bestätigte der Detective und zog währenddessen seine Jacke über, bevor er seine Waffe und seine Marke wieder am Gürtel befestigte und nach dem Autoschlüssel griff. Er winkte Renard sich zu beeilen. „Aber er hat auch einen Bruder, soweit ich mich entsinne.“ Sein Gesicht drückte tiefe Besorgnis aus.
 

„Oh“, meinte der Captain und beschleunigte seine Schritte. „Ich komme mit, aber wir fahren besser mit meinem Auto, dann können Sie von unterwegs die Kollegen alarmieren“, legte er fest. „Wie ist die Adresse?“
 

 
 

***
 

Der Vorteil den Wagen des Captains zu nehmen lag darin, dass es ein Dienstwagen mit entsprechendem Blaulicht war, welches nun fröhlich vor sich hin blinkte. Das brachte die beiden Männer in kürzester Zeit zum Haus des Ehepaares Graupner. Kurz bevor sie in die richtige Straße einbogen, schaltete Renard diese Lichter jedoch aus, damit sie den Einbrecher nicht vorwarnten.
 

Beide Polizisten sprangen aus dem Fahrzeug, kaum dass der Motor aus war, und zogen ihre Dienstwaffen. Nick ging voran und Renard deckte seine Flanke.
 

Das Haus lag im Dunkeln. Von außen war auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches zu sehen. Die Frau hatte von der Hintertür gesprochen, also warf der Grimm nur einen kurzen Blick auf die Eingangstür und fand sie geschlossen und notdürftig repariert vor.
 

Mit der Taschenlampe in der einen Hand und der Waffe in der anderen arbeiteten sich beide Polizisten langsam an der Garage vorbei zur Hintertür vor. Dort angekommen deutete Nick mit dem Strahl der Taschenlampe auf den Spalt zwischen Tür und Rahmen und Renard nickte als Zeichen, dass er es gesehen hatte. Der Captain stellte sich mit dem Rücken zur Wand neben die Treppe und beobachtete die Umgebung, während der Detective voran ging.
 

Vorsichtig nahm der Grimm eine Stufe nach der anderen und versuchte dabei keine Geräusche zu machen. Aber die Treppe war aus Holz und knarzte trotz aller Vorsicht leise unter seinem Gewicht. Irgendwo in der Nachbarschaft bellte plötzlich wild ein Hund. Er musste die vielen Fremden bemerkt haben, die in seinem Revier herumliefen und das schien ihm nicht zu gefallen. Nick hoffte nur, dass das Kläffen den Einbrecher nicht zu früh auf sie aufmerksam machen würde.
 

Auf dem oberen Treppenabsatz angekommen, warf der Detective zunächst einen schnellen Blick durch das Türfenster. Die dünne Gardine, die von innen davor hing, ließ genug Durchblick in den dahinterliegenden Raum frei. Keiner zu sehen. Er winkte Renard zu ihm zu folgen und der rückte sofort nach. Dann deutete der Grimm auf den Schlüssel, der noch im Schloss steckte und der Captain schnaubte leise. Wer immer auch im Haus war, es handelte sich dabei um keinen gewöhnlichen Einbrecher. Der Bruder des Ehemannes klang immer wahrscheinlicher. Nahestehende verwandte Klaustreiche unterstützten sich wohl immer gegenseitig, wenn es um ihr ‚Eigentum‘ ging, mutmaßte Nick, der an Robins Fall und den dortigen Sheriff zurück dachte. Der war ihr Schwager gewesen, doch statt der Frau zu helfen, wie es eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre, unterstützte er lieber seinen Bruder darin die Frau auszubeuten, wie es eben Klaustreiche tun. Nick verabscheute das.
 

Renard hatte inzwischen seitlich neben der Tür Stellung bezogen und deutete mit einer Kopfbewegung, dass er bereit war. Während Nick vorsichtig die Tür öffnete und den Raum dahinter betrat, rückte der Captain nach und sicherte die linke Seite ab. Der Detective wandte sich dementsprechend nach rechts. Niemand stellte sich ihnen entgegen. Der Grimm deutete auf die Zimmerdecke. Die Frau war im ersten Stock und vermutlich damit auch der Eindringling. Besorgt warf Renard einen Blick auf seine Uhr. Die Verstärkung sollte jeden Moment auftauchen. Sie mussten sich also beeilen, falls im Obergeschoss Dinge passierten, die ein Ungesicht besser nicht sehen sollte.
 

Trotzdem checkten die beiden schnell und sorgfältig die angrenzenden Räume, bis sie zur Treppe gelangten. Anders als bei Nick daheim hatte dieses Haus nur eine Treppe die nach oben führte. Sollte der Eindringling also flüchten wollen, musste er auf jeden Fall an ihnen beiden vorbei kommen. Außer natürlich er sprang aus dem Fenster. In diesem Moment geschahen zwei Dinge gleichzeitig. Plötzlich war laut splitterndes Holz zu hören und eine Frau – höchstwahrscheinlich Mrs. Graupner – schrie über ihnen aus Leibeskräften auf. Nick und Renard sahen sich kurz an und stürmten dann die Treppe empor und folgten den Hilferufen.
 

Die zweite Tür auf der linken Seite stand offen. Der Grimm betrat den Raum wieder zuerst, die Glock weiter im Anschlag.
 

„Portland P.D.!“, rief er, um sich anzukündigen. Und bekam prompt Antwort in Form eines vollaufgewallten Klaustreichs, der ihm entgegensprang. Nick wich ein wenig zur Seite und holte automatisch mit der Rechten aus. Er erwischte das Wesen mit dem Griff seiner Dienstwaffe am Hinterkopf und der Mann ging zu Boden. Renard tastete an der Wand neben der Tür nach dem Lichtschalter und tauchte den Raum in grelles Licht.
 

Während der Grimm sich noch dem Angreifer widmete, sah der Captain bereits im Nebenraum nach der Frau. Völlig verängstigt, die Hände schützend vor dem Gesicht, doch scheinbar unverletzt kauerte sie halb hinter der Kloschüssel versteckt. Sie hielt immer noch das Telefon in der Hand, mit dem sie wohl vor wenigen Minuten bei Detective Burkhardt angerufen hatte.
 

„Mrs. Graupner?“, fragte er und steckte, nachdem er sich überzeugt hatte, dass sich kein weiterer versteckter Angreifer im Raum aufhielt, seine Waffe zurück in das Halfter. „Ich bin Captain Renard, Portland P.D.“, stellte er sich vor und bot ihr hilfreich die Hand an. Mit einiger Anstrengung zog er das Tugendschaf zurück auf die wackeligen Beine.
 

„Wo ist der Gr… Ich meine, der Detective?“, fragte Mrs. Graupner mit zittriger Stimme.
 

„Grimm ist schon in Ordnung, ich weiß Bescheid“, winkte Renard mit einem schiefen Grinsen ab. Und wie er das wusste... „Der…“
 

Im Schlafzimmer nebenan gab es den Geräuschen nach zu urteilen ein kurzes Handgemenge: der Lattenrost knarzte protestierend auf. Jemand musste gegen oder auf das Bett gestoßen worden sein. Schließlich erklang das typische Geräusch von zuschnappenden Handschellen. Danach wurde es still. Nick hatte offenbar den Mann verhaftet. Gut so… „Der kümmert sich nebenan um ihren ungebetenen Besuch“, stellte der Captain fest und warf der Frau prüfende Blicke zu, aber sie schien keine frischen Verletzungen erhalten zu haben. „Geht es Ihnen soweit gut? Möchten Sie sich lieber hinsetzen?“
 

Ihr Morgenmantel war verrutscht und das Gesicht tränenverschmiert. Die Hände zitterten wie Espenlaub, als die Frau das Frottee zurecht rückte. „Es… es geht schon, danke.“
 

Renard war nicht überzeugt, beließ es aber erstmal dabei. Stattdessen fragte er, „Kennen Sie den Mann, der Ihnen das angetan hat?“
 

Mrs. Graupner nickte. „Mein Schwager“, antwortete sie leise und senkte den Blick.
 

Also hatte Nick Recht gehabt mit seiner Vermutung. Der Royal drehte sich zu seinem Begleiter um, begann „Alles in Ordnung bei Ihnen, Detec…“, aber der Rest des Satzes blieb ihm bei dem Anblick im Halse stecken.
 

Nun, zumindest hatte der Grimm dem Mann Handschellen angelegt, aber der Rest war so ganz und gar nicht in Ordnung. Nick hatte den Klaustreich beim Kragen gepackt und starrte ihn finster an. Sein Gesicht war wieder in diesen grauen Zustand verfallen und das Wesen winselte beinahe vor Angst.
 

„Nick“, rief Renard den Mann beim Namen, aber der Grimm reagierte nicht. Er stand weiter unbeweglich neben dem Bett und funkelte den Angreifer wütend an.
 

Vor dem Haus waren die quietschenden Reifen einiger Fahrzeuge zu hören und durch die Fenster waren die blitzenden Lichter von Polizeiautos zu sehen. Ihre Verstärkung war offenbar eingetroffen. Bald würden die Kollegen das Haus stürmen und Nick stünde dann hier oben wie Pik 7 herum. ‚Das sollte besser kein anderer zu Gesicht bekommen‘, dachte Renard. Dass würde sonst nur Fragen aufwerfen, die keiner von ihnen beantworten wollte. Eile war also geboten.
 

„Warten Sie hier“, bat der Captain die Frau und schob sie freundlich aber nachdrücklich von der Tür weg.
 

Erschreckt weiteten sich ihre Augen, aber sie nickte nur stumm und zog ängstlich den Mantelkragen hoch, als wollte sie sich in dem flauschigen Material verkriechen. Vermutlich dachte sie, ihr Schwager hätte sich losgerissen und würde sich gleich wieder auf sie stürzen…
 

Er hasste es, die arme Frau noch weiter zu verängstigen, aber besser das, als zu sehen, was ihr Held gerade machte. Drei schnelle Schritte brachten den Captain dann dicht hinter seinen Untergebenen. Hier bezog er Stellung, schirmte den Grimm so gut es ging vom Einsichtsbereich beider Türen ab und legte ihm eine Hand auf seine Schulter. Den winselnden Klaustreich, der verzweifelt versuchte mit den Füßen irgendwo Stand zu finden beachtete er nicht. „Detective…“, flüsterte er eindringlich, „lassen Sie es gut sein. Sie haben den Mann verhaftet. Den Rest übernehmen die Kollegen von der Streife.“
 

Wie aufs Stichwort waren von unten mit einem Mal schwere Schritte und laute ‚Portland P.D.‘-Rufe zu hören. Na Super…
 

„Hier oben“, gab der Royal den Kollegen zähneknirschend Bescheid, „alles unter Kontrolle.“
 

„Er wird das wieder tun, oder?“, fragte Nick leise und bedrohlich. „Sobald wir ihm den Rücken zudrehen wird er wieder versuchen der Frau etwas anzutun.“
 

„Das können Sie nicht wissen, Nick“, versuchte ihn der Captain zu beruhigen, obwohl er selber nicht recht daran glaubte.
 

„Doch“, wiedersprach der Grimm. „Ich kann es in seinen Augen sehen…“ Er schüttelte den Mann, den er noch immer am Kragen hielt. Der Klaustreich war etwas kleiner als der Detective und stand wackelig auf den Zehenspitzen. Er versuchte winselnd seinen Kopf zur Seite zu drehen. Offenbar sah er etwas viel schlimmeres in den Augen des Grimm, obwohl er inzwischen längst nicht mehr in Aufwallung war.
 

„Nick“, flüsterte Renard eindringlich und legte eine Hand über die des Grimms, um ihn zum Loslassen zu bewegen. „Gleich kommen die anderen, und Sie…“ Bevor er noch irgendein weiteres Wort sagen konnte, schienen die Lichter von mehreren Taschenlampen in ihre Richtung. Als sich der Captain halb zur Tür umdrehte stürmten zwei Uniformierte mit gezückter Waffe den Raum.
 

„Portland P.D.!“



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