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Tokyo Bay

Neustart
von

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Kapitel 6
 

Keine fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn stellte Haruka ihr Motorrad auf dem Parkplatz ab. Nur ein paar einstudierte Handgriffe waren nötig, um ihren Helm trotz Dauerlaufs zum Schulgebäude sicher an ihrem Rucksack zu befestigen. Wenige Schritte vor dem Eingang wurde sie langsamer und kam schließlich ganz zum Stillstand. „Guten Morgen. Wartest du auf jemanden Bestimmtes?“ „Du bist spät dran. Ich dachte fast, du wärst doch schon vorgegangen.“, antwortete ihr Michiru lächelnd.

In der Frühstückspause schlenderte die Violinistin langsam neben der Blondine her. „Du solltest heute lieber nicht so spät ins Bett gehen. Nicht, dass du doch noch zu spät kommst und du nachsitzen musst.“ „Das brauchst du mir nicht sagen. Ich kann nichts dafür, dass Ogata-sensei uns so viel aufgibt.“ Michiru legte die Stirn in Falten. „So viel hatten wir in Mathe nun auch wieder nicht auf.“ Haruka begann zu grinsen. „Wenn man sich auf seiner Erkundungstour durch Tokio mehrmals verfährt, reichen die Aufgaben trotzdem aus, um bis in die Nacht daran zu sitzen.“ „Ach was. Oder brauchst du etwa doch Nachhilfe in Mathe?“, neckte die Künstlerin. „Eigentlich nicht. Aber wenn mir Ogata-sensei auch so eine bezaubernde Nachhilfelehrerin zuweist, würde ich mich fügen.“ Michiru schluckte. Dass der Rennprofi dieses Kompliment ernst meinte, war deutlich herauszuhören. Mit einem leichten Kopfschütteln fand sie zu ihrer Kontenance zurück. „Ich weiß nicht, wen du damit meinen könntest, aber mich würde sie dafür sicher nicht ansprechen. Ich denke, wir werden bald wieder mit meinem Training für den nächsten Schwimmwettbewerb anfangen.“ Haruka ließ sich seufzend auf ihre Bank fallen. „Du nimmst an Wettbewerben teil?“ Michiru nickte, bevor sie sich ebenfalls setzte. „Neben Kunst und Musik ist das Schwimmen meine größte Leidenschaft. Mein Bruder hat es mir beigebracht, als ich kaum laufen konnte. Seitdem komm ich kaum noch raus aus dem Wasser.“

Neugierig hörte sich Haruka alles über Michirus Karriere als Schwimmerin an. So wunderte es sie wenig, dass sich die Streicherin in der Mittagspause Fisch bestellte, um sich auf ihr Element einzustellen, in welches sie in einer knappen halben Stunde eintauchen würde.

In dieser Woche war die Blondine auf den Umweg vorbereitet. Daher überzeugte sie Michiru davon, dass sie die kurze Strecke zur Schwimmhalle ruhig mit ihr auf ihrem Motorrad zurück legen könnten. Sie brauchte einen Moment, bis die Künstlerin schließlich einwilligte. Also stieg die Sportlerin schon mal auf ihre Yamaha. Dann hielt sie der Geigerin ihren Helm entgegen. „Nimm schon. Man sollte immer mit den Fehlern anderer rechnen. Ich verspreche dir zwar, dass ich ganz vorsichtig fahre, aber ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn uns irgendjemand von der Straße abdrängt und dein hübsches Gesicht auch nur einen Kratzer abbekommt.“, erklärte sie auf Michirus fragenden Blick hin. >Mein hübsches Gesicht?< Die Künstlerin errötete. Warum sagte Haruka so etwas immer wieder? Wollte sie ihre Mitschülerin damit nur in Verlegenheit bringen, oder meinte sie das ernst? Bis auf ihre Familie hatte ihr noch nie jemand solche Komplimente gemacht… „Michiru?“ Die Stimme der Blondine holte sie wieder in die Realität zurück. Schnell nahm sie den Helm an und versuchte sich hinein zu zwängen. Die Sportlerin beobachtete sie schmunzelnd dabei. Dann bat sie ihr ihre Hilfe an und schob den Helm vorsichtig über den Kopf der Schwimmerin. „Er muss eng sitzen. Nur so kann er dich schützen.“, erklärte sie und zog langsam den Gurt an Michirus Kinn enger. Michiru musste bei der zärtlichen Berührung schwer schlucken, was Haruka natürlich nicht entging. Liebevoll lächelte sie die Schönheit an. „Ist alles in Ordnung?“ Zur Antwort bekam sie ein zögerliches Nicken. Grinsend drehte sie sich auf ihrer Maschine in Fahrtrichtung und wartete auf ihren Engel. Dieser stand jedoch grübelnd vor dem Motorrad. Wie sollte sie sich denn da drauf setzen? Mit ihrem Rock konnte sie ja wohl schlecht ein Bein über den Sitz schwingen. Haruka reichte ihr, ohne sich umzudrehen, ihre Hand. „Am besten, du nimmst deine Beine nach links. Dann kommst du nicht versehentlich an den Auspuff.“ Michiru nahm den Ratschlag und die Hilfe gerne an und stieg vorsichtig auf die Maschine. Dann stand sie vor einem neuen Problem. Wo sollte sie sich jetzt fest halten? Einen momentlang überlegte sie, ob sie sich einfach an der Sportlerin fest klammern sollte, doch dann bekam sie schon ihre Antwort. Haruka streckte ihre Hände nach hinten, strich dabei >zufällig?< die Oberschenkel der Violinistin und griff dann nach ihren Armen, um sie zärtlich aber bestimmt an sich zu ziehen. „Du musst dich schon festhalten.“, erklärte sie leise, denn Michiru war jetzt mit ihrem Gesicht fast neben dem der Blondine. Einen Augenblick zögerte die Streicherin noch. Dann legte sie ihre Hände auf dem Bauch der Fahrerin ab, die daraufhin den Motor anstellte und langsam losfuhr. Erst jetzt bemerkte Michiru den Rosenduft, der sie in Harukas Helm umgab. Ohne es steuern zu können, rückte sie noch ein Stück weiter an die Blondine heran.
 

Am liebsten wäre Haruka noch etliche Meilen mit ihrem Engel gefahren. Der Wind peitschte ihr ins Gesicht und der warme Körper der Violinistin rutschte beim Halt an der nächsten Ampel noch ein Stück näher an sie heran. >Konzentrier dich, Tenoh! Fahr einfach zur Schwimmhalle. Du darfst nicht schon wieder zu spät kommen!<

Auf dem Parkplatz der Schwimmhalle angekommen stieg Michiru zögerlich vom Motorrad und noch langsamer setzte sie den Helm ab. Sie vermisste den Duft und die Nähe zu der Rennfahrerin schon jetzt.

„Bis nachher.“, lächelte die Blondine. Michiru konnte nicht reagieren. Mit roten Wangen und verklartem Blick beobachtete sie, wie ihr Haruka den Helm abnahm, ihn sich selbst aufsetzte und kurze Zeit später auf der Straße verschwand.

Haruka bemerkte augenblicklich den dezenten Kirschblütenduft, den Michiru in ihrem Helm hinterlassen hatte, was dazu führte, dass sich die Sportlerin kaum aufs Fahren konzentrieren konnte.

Kurz bevor ihre Klassenkameradin Aiko die Tür abschloss, erreichte Haruka die Umkleiden. Mit einem breiten Grinsen schob sie sich an der Schülerin vorbei und sagte noch: „Ich bin gleich da und bring den Schlüssel mit.“, bevor sie die Tür hinter sich schloss. Verwirrt blickte Aiko auf die Klinke, drehte sich dann aber langsam um und begab sich auf die Laufbahn. Nach dem Unterricht wollte Herr Fukami noch wissen, wie der Läuferin der Platz gefiel und ob sie schon die Gelegenheit zum selbstständigen Training ergriffen habe. „Natürlich habe ich das! So eine gute Bahn hatten wir in Nagoya nirgends. Vielen Dank noch mal, dass ich den Platz einfach so nutzen darf.“, grinste die Sportlerin und verabschiedete sich dann von ihrem Lehrer. Als sie die Umkleide erreichte, schrie Aiko kurz spitz auf und auch die anderen Mädchen schnappten sich schnell verschiedenste Kleidungsstücke, um ihre Körper abzuschirmen. „Ich werde euch schon nichts weggucken.“, schmunzelte Haruka und zog ein Handtuch aus ihrer Tasche, um sich dann auf den Weg in die Mädchendusche zu machen. Verwirrte Blicke folgten ihr bis zur Tür. Als sie verschwunden war, tuschelten ihre Mitschülerinnen aufgeregt und zogen sich hektisch ihre Schuluniformen an. Aiko konnte ihrer Neugierde nicht widerstehen. Sie wartete mit zwei Freundinnen im Flur, um ‚diesen dreisten Kerl‘ zur Rede zu stellen, der kurz darauf wieder in seiner Uniform vor ihnen stand und breit grinste. „Tenoh-kun! Wie kannst du dir nur so etwas erlauben? Für wen hältst du dich überhaupt? Du kannst doch nicht einfach so in unsere Umkleide herein spazieren und dann auch noch bei uns duschen gehen!“, stellte Aiko mit lauter Stimme klar. Das Grinsen im Gesicht der Blondine wurde noch breiter. „Ich kann ja mal mit Fukami-sensei reden, aber ich glaube nicht, dass er besonders viel davon hält, wenn sich eine seiner Schülerinnen bei den Jungs duschen und umziehen will. Er scheint mir ja ein toleranter Lehrer zu sein, aber ich denke, das wäre auch für ihn zu viel des Guten.“ Nachdem sie ihnen charmant zugezwinkert hatte, ließ sie die drei offensichtlich verwirrten Mädchen zurück.

Mit fast doppelter Geschwindigkeit wie vor dem Sportunterricht raste Haruka zur Schwimmhalle. Sie konnte es kaum erwarten, wieder Michirus warmen Körper hinter sich zu spüren. Daher erreichte sie ihr Ziel, noch bevor die Schwimmerin überhaupt ihr Haar getrocknet hatte. Ungeduldig lehnte die Blondine an ihrem Motorrad und tippte mit ihren Fingern auf dem Tank herum. Als ihr Engel endlich im Eingang auftauchte, lächelte sie ihm freudestrahlend entgegen.

„Wartest du schon lange?“, fragte Michiru und blieb dichter vor der Sportlerin stehen, als sie eigentlich geplant hatte. Haruka stieß sich leicht von ihrer Maschine ab und war jetzt nur noch wenige Zentimeter von der Schönheit entfernt. „Auf dich hätte ich auch tagelang gewartet.“, antwortete sie leise. Wieder zauberte sie der Künstlerin damit eine leichte Röte auf die Wangen. Vorsichtshalber senkte Michiru ihren Blick. „Warum sagst du so etwas immer? Du machst mich verlegen, mit deinen ganzen Komplimenten…“, erklärte sie schüchtern. Als sie aufsah, wurde sie sofort von dem strahlenden Grün Harukas Augen gefesselt. „Es tut mir leid, wenn es dir unangenehm ist. Aber ich kann nun mal nicht für mich behalten, wie wunderschön du bist.“, flüsterte die Sportlerin zurück. Zärtlich legte sie eine Hand auf die Wange der Violinistin, die daraufhin verträumt ihre Augen schloss.

„Bis morgen, Kaioh-san!“, ertönte plötzlich die Stimme von Frau Ogata und ließ die beiden aufschrecken. „Ja, bis morgen, Ogata-sensei.“, antwortete Michiru, als sie sich wieder gefangen hatte. Flüchtig sah sie ihrer Lehrerin, die in ihr Auto stieg und dann verschwand, nach und nutzte die Gelegenheit, um einmal tief Luft zu holen. Dann lächelte sie wieder zu Haruka. „Wollen wir los?“, überspielte sie ihre Nervosität und nahm den Helm vom Motorrad der Rennfahrerin. Die Blondine half sofort beim Aufsetzen und diesmal rückte die Violinistin gleich dichter an die Fahrerin heran. Die Streicherin machte noch einen tiefen Atemzug und ließ sich von dem Rosenduft augenblicklich benebeln. Haruka wählte einige Umwege und fuhr außergewöhnlich vorbildlich, um die kurze Fahrt zur Schule voll auszukosten. Sie wollte nicht, dass ihr Engel wieder abstieg, auch wenn sie danach noch zusammen ihre Hausaufgaben machen würden. Diese hitzige Nähe würde sie dabei nicht spüren können.

Auf dem Schulparkplatz angekommen, half sie ihrer Mitschülerin vom Motorrad und bat ihr an, sie anschließend auch nach Hause zu fahren. „Danke, aber ich wohne doch einige Straßen weiter… Meine Wohnung liegt nicht gleich um die Ecke, so wie die Schwimmhalle.“, erklärte Michiru. „Ach, das macht mir nichts aus. Ich fahre gerne durch die Gegend und was hätte ich für einen triftigeren Grund dafür, als dich nach Hause zu bringen?“ „Aber du hast nur einen Helm dabei! Und wir müssten nicht nur durch irgendwelche kleinen Gassen, sondern über den Highway und ohne Helm lasse ich dich da nicht fahren!“, bestimmte die Geigerin. „Okay, dann bringe ich morgen einen zweiten mit und fahre dich dann.“, grinste die Blondine und erntete von ihrem Gegenüber zwar ein resignierendes Seufzen, aber auch ein dankbares Lächeln.
 

Als Haruka am nächsten Morgen vor dem Schuleingang auf Michiru wartete, registrierte sie zahlreiche Blicke von Mitschülern, sogar von Schülern aus anderen Klassenstufen. Wissend begann sie zu grinsen und als die Künstlerin eintraf, machten sie sich auf den Weg zum Musikraum. „So früh schon so gut gelaunt? Habe ich was verpasst?“, fragte die Violinistin. „Du nicht. Aber alle anderen, wie es scheint.“, grinste die Pianistin noch breiter. Sie erreichten den Raum nur wenige Augenblicke vor Unterrichtsbeginn, weshalb ihren Mitschülern keine Zeit mehr blieb, die Sportlerin auf ihren gestrigen Auftritt in der Umkleide anzusprechen. Erst als Herr Nanba den Unterricht beendet hatte, kamen Junko und Kikyo auf die Blondine zu. „Das war ja eine interessante Methode für dein Outing, Haruka-san.“, flötete die Klassensprecherin und verließ mit ihrer Freundin lieber den Raum, bevor der Ansturm los ging. Überraschenderweise fiel dieser relativ klein aus. Die meisten Schüler tuschelten nur. Irgendwie traute sich niemand so wirklich, die Sportlerin anzusprechen. Fragend sah Michiru zu ihrer Freundin. „Seit gestern ist mein kleines ‚Geheimnis‘ wohl gar kein Geheimnis mehr.“, lachte die schulterzuckend.

Es schien, als hätte der ganze Schulhof kein anderes Thema mehr. Verfolgt von neugierigen Blicken steuerten Haruka und Michiru ihren Lieblingsplatz an. „Wie hältst du das nur aus? Mir reicht es ja schon, wenn ich auf der Bühne stehe und beobachtet werde. Da lästert allerdings niemand über mich. Glaube ich zumindest…“ „Ich habe mich daran gewöhnt, in der Öffentlichkeit zu stehen. Und glaub mir, die Medien können viel bissiger als jeder Schüler sein.“, seufzte die Blondine, woraufhin sie fragend angesehen wurde. „In Nagoya war ich bekannt wie ein bunter Hund. Das hatte nicht nur Vorteile. Ein richtiges Privatleben war gar nicht möglich. Das ist auch ein Grund, weshalb ich jetzt hier bin.“ „Du hast bisher nicht viel über deine Zeit in Nagoya erzählt. Eigentlich… weiß ich so gut wie nichts über dich, Haruka.“, stellte Michiru enttäuscht fest. „Naja, es fällt mir nicht leicht, darüber zu reden. Aber allein die Tatsache, dass ich lieber in einem Hotel lebe, als in einem großen Haus mit Garten und allem Drum und Dran, beweist ja schon, dass ich wohl gute Gründe hatte, von da abzuhauen.“, antwortete die Sportlerin und biss in ihren Apfel. Schweigend beobachtete die Violinistin die Blondine. >Haruka wohnt in einem Hotel? Wieso? Und hat sie gesagt, sie wäre von zuhause abgehauen?<

Bevor sie weiter nachfragen konnte, stellte die Pianistin fest, dass die Pause fast vorüber war, also machte sie sich auf den Weg zum Astronomieunterricht, währenddessen Michiru die Richtung zu ihrem Psychologiekurs einschlug.

Im Raum für Hauswirtschaftskunde ergriff Hiro die Gelegenheit, da die Lehrerin, Frau Amano, noch nicht zu sehen war. Er stützte sich mit den Händen auf Harukas Tisch ab und musterte auffällig ihr Gesicht. „Hab ich da was?“, grinste Haruka und rieb sich die Wange. „Was? Nein! Wieso?“ „Ganz offensichtlich kannst du den Blick nicht von mir wenden. Ich hatte gehofft, das läge an einem Fleck oder so. Ich wollte nicht gleich davon ausgehen, mein gutes Aussehen hätte dich in seinen Bann gezogen.“ „Was?“ Hiro war sichtlich verwirrt. Immer wieder blickte er ungläubig zu seiner Kontrahentin zurück, währenddessen er an seinen Platz zurück trottete. Als er saß, meinte Haruka die Worte: „Das macht überhaupt keinen Unterschied!“ von seinen Lippen ablesen zu können. Grinsend suchte sie Blickkontakt zu Kikyo und Junko, die auf der anderen Seite des Raumes lautlos applaudierten, woraufhin sich die Sportlerin übertrieben tief verbeugte.

Michiru hatte Hiro und Haruka lächelnd beobachtet, doch als sie sah, wie sich Haruka mit der Klassensprecherin und deren Freundin wortlos verstand, legte sie die Stirn in Falten.
 

In der Mittagspause wurde Haruka auf ihrem Weg in die Mensa abermals von allen Seiten beobachtet. Fast schon entsetzt stellte ihre musikalische Freundin fest, dass ihr das offenbar auch noch Spaß machte. Als sie dann jedoch Hiro entdeckte, der regelrecht geschockt mit seinem Anhang ein paar Tische weiter saß, musste auch die Streicherin schmunzeln. „Das muss ein ganz schöner Schock für ihn gewesen sein. Erst legt er sich mit einer Frau an und dann muss er sich auch noch eingestehen, dass er wohl keine Chance gegen sie hat. Er ist einem Mädchen gegenüber noch nie handgreiflich geworden. Offenbar gab es für ihn doch eine Grenze… Auch Narumi-san sieht irgendwie geschockt aus. Sie war eigentlich vom ersten Tag an scharf auf dich, wusstest du das?“, zwinkerte sie Haruka zu. „Was soll ich sagen? Sie wäre damit nicht die Erste. Bei meinem guten Aussehen kann man das ja auch verstehen.“, grinste die frech und warf ihren Kopf zur Seite, um eine imaginäre Strähne aus ihrem Gesicht zu wirbeln. Bei dieser Geste musste Michiru anfangen zu lachen. Die Blondine lächelte sie daraufhin verträumt an >Zum ersten Mal, seit wir uns kennen, lacht sie so richtig<

Sie beugte sich ein Stück weit über den Tisch, um ihr leise zu erklären: „Narumi hatte aber nie eine Chance bei mir. Ich habe mich von Anfang an nur für ihre Freundin interessiert.“ Augenblicklich stellte sich das Gelächter der Violinistin ein. Erneut konnte sie den aufsteigenden Rotschimmer auf ihren Wangen nicht verbergen und sah verlegend auf ihr Tablett. >Schon wieder. Will sie mich in Verlegenheit bringen? Das hat sie jedenfalls geschafft. Ich verstehe nicht ganz, warum… aber irgendwie könnte ich ihr dabei stundenlang zuhören. Diese Aufmerksamkeit... gerade von ihr. Sie erfüllt mich mit so einer Wärme... Was ist das nur? Hatte Setsuna recht?<, überlegte die Geigerin. Schüchtern sah sie in das Gesicht ihres Gegenübers. Auch wenn sie es nur aus Spaß gesagt hatte, Haruka war wirklich schön. >Geradezu atemberaubend<, dachte die Künstlerin und ließ ihren Blick wandern. Diese feinen Gesichtszüge… Die sanften Lippen, auf denen sich ein Lächeln abzeichnete… Diese strahlendgrünen Augen, in denen sie sich verlieren konnte und die sie… direkt anstarrten! Michiru schrak kurz auf und die Röte kehrte augenblicklich wieder in ihr Gesicht zurück, woraufhin die Blondine schmunzeln musste. „Du warst wohl gerade etwas abwesend.“, lächelte sie und stand dann auf. Nachdem sie sich wieder gefangen hatte, erhob sich auch die Violinistin und folgte Haruka zum Mathematikunterricht.

Die letzte Stunde vor dem Wochenende ging schnell vorbei und so verabschiedeten sich Junko und Kikyo mit einem „Bis später dann!“ von ihrer sportlichen Freundin, die von Michiru daraufhin überrascht angesehen wurde. „Nichts von Bedeutung.“, wehrte die Blondine den fragenden Blick ab und schulterte grinsend ihren Rucksack. „Wollen wir los?“ Lächelnd nickte die Streicherin.

Auf dem Parkplatz half Haruka Michiru ohne Aufforderung beim Aufsetzen des Helmes und sicherte sich anschließend selbst. Michiru gab ihr noch eine kurze Wegbeschreibung und setzte sich danach wieder so dicht wie möglich hinter die Rennfahrerin, der sofort auffiel, dass ihr die Schönheit von Mal zu Mal näher kam.

Um diese Uhrzeit war die Straße nicht sehr dicht befahren, also gab die Blondine nach und nach mehr Gas. Die Wärme, die Michirus Körper, der sich bei steigender Geschwindigkeit immer enger an ihren presste, ausstrahlte, machte es ihr schwer, sich aufs Fahren zu konzentrieren. Trotzdem hätte sie am liebsten die Zeit angehalten, um den Moment nicht vergehen zu lassen.

Langsam bog die Rennsportlerin in die Straße ein, in der das Hochhaus stand, in dem Michirus Wohnung lag. Und noch langsamer lockerte die Schwimmerin den Griff um Harukas Taille.

Etwas geknickt befreite sie sich von ihrem Helm und sah an dem Gebäude vor ihr hinauf.

„Hast du heute noch etwas vor?“, fragte Haruka plötzlich. Michiru dachte kurz nach, schüttelte dann aber den Kopf: „Nicht, dass ich wüsste.“ „Na wenn das so ist, schlage ich vor, du bringst deine Sachen nach oben und ich lade dich auf einen Kaffee ein. Oder Tee, wenn dir das lieber ist.“ Es dauerte noch einen Moment. Dann begann die Geigerin zu lächeln und nickte.
 

Zügig lief sie die Treppen hinauf, an Setsuna und Hotaru vorbei, warf ihre Tasche auf ihr Bett und stolperte zurück in die Küche zu ihrer Schwester und deren Mutter. Verwundert schaute die Erwachsene in das strahlende Gesicht ihrer Stieftochter. „Ich bin dann mal weg, keine Ahnung, wann ich wieder zurück bin. Ich geh mit Haruka einen Kaffee trinken.“, grinste sie und wollte sich gerade wieder auf den Weg machen. „Warte, Michiru!“, ertönte es hinter ihr. Nach nur wenigen Schritten stand Setsuna vor ihrem Schützling und nahm deren Gesicht in ihre Hände. „Du meine Güte, du glühst ja geradezu vor Vorfreude. Dich muss es ja ganz schön erwischt haben, was?“, lächelte sie sanft. Michiru rollte mit den Augen, grinste aber verlegen. „Vergiss nicht, dass du morgen ein wichtiges Vorspiel hast. Sei also bitte bis zum Abendessen wieder hier. Ich wünsche dir viel Spaß!“

Lässig an ihrer Yamaha lehnend wartete Haruka vor der Tür. Gedankenverloren musterte sie das Haus, in dem ihr Engel verschwunden war. Es machte keinen schlechten Eindruck. Es war ein modernes Hochhaus, das vermutlich erst vor ein paar Jahren errichtet worden war. Auch die Autos, die am Straßenrand standen, sprachen nicht gerade für schlechtverdienende Besitzer. Das war auch nicht weiter verwunderlich. Immerhin stand das Gebäude in einem der teureren Bezirke Tokios. Es war nicht ganz so edel wie Minato, trotzdem konnte sich hier sicher nicht jedermann eine Wohnung leisten.

Nach wenigen Minuten erschien Michiru prustend wieder im Eingang. „Bist du etwa gerannt? Ich habe doch gesagt, du kannst dir zeitlassen.“, schmunzelte Haruka. „Bevor du doch abhaust, weil ich dir zu lange brauche…“ Die Sportlerin machte einige Schritte auf die schnell atmende Schönheit zu und blieb dicht vor ihr stehen. „Willst du es nochmal hören? Ich würde auf dich tagelang warten. Oder auch länger, wenn es sein muss.“ Wieder konnte sie die kräftiger werdende Röte auf Michirus Wangen erkennen. Diese hielt dem Blick diesmal jedoch stand. >Mal sehen, ob ich das auch kann, Tenoh Haruka<, dachte sie sich und sah der Blondine verführerisch in die Augen. Sie musste sich zwar darauf konzentrieren, nicht selbst in dem strahlenden Grün unterzugehen, erkannte jedoch bald, wie sich die Pupillen ihres Gegenübers weiteten. Es dauerte nicht lange und Haruka versank förmlich in dem Türkis, das ihren Blick festzunageln schien. Irgendwie hatte sie das Gefühl, sie würde in den verschiedenen Blau- und Grüntönen ertrinken. Trotzdem war es ein unbeschreiblich schönes Gefühl, nach dem die Blondine augenblicklich süchtig wurde. Michiru begann triumphierend zu lächeln. „Wollen wir los, oder willst du mich lieber weiter anstarren?“, fragte sie und ließ ihre Mitschülerin damit aufschrecken. „Ähm, ja. Klar. Also nein. Ich meine,… wir können los.“
 

„Was gibt’s denn da zu sehen, Mama? Hat Chiru-chan ein Date?“, fragte Hotaru neugierig und zerrte an dem Arm ihrer Mutter. Setsunas Neugierde war einfach zu stark und so hatte sie, nachdem Michiru verschwunden war, das Fenster geöffnet und vorsichtig hinaus gespäht. Unten erkannte sie einen Blondschopf, der sich an ein Motorrad lehnte, an dessen Lenker zwei Helme hingen. >Das muss sie wohl sein<, dachte sie sich und zog sich schnell wieder zurück, als die Blondine aufsah. Einen momentlang wartete sie noch. Dann sah sie wieder vorsichtig nach draußen. Sie erkannte Michiru und beobachtete, wie die Blondine auf ihre Stieftochter zuging. „Was ist denn nun? Lass mich auch mal gucken!“, bettelte Hotaru. Setsuna legte sich einen Finger auf die Lippen. „Du darfst aber nicht nach unten rufen, Taru-chan.“, erklärte sie und machte ein wenig Platz am Fenster. Gemeinsam sahen sie wieder hinaus. Sie erkannten, wie die beiden nur Zentimeter voneinander entfernt standen. „Was machen die denn? Da passiert ja gar nichts.“, stellte die Kleine enttäuscht fest. Die Erwachsene erkannte hingegen sofort, was für eine Spannung zwischen den beiden Jugendlichen lag. Sie lächelte still und als Haruka dann plötzlich nach einem der Helme griff und ihn Michiru aufsetzte, musste sie kichern. „Okay, viel zu erkennen war ja nicht, aber von hier oben sah der ja echt nicht schlecht aus.“, stellte Hotaru fest, als die beiden aufs Motorrad gestiegen und davon gefahren waren. Setsuna überlegte kurz. „Sie.“, stellte sie knapp klar und erntete dafür einen verwirrten Blick. „Haruka ist ein Mädchen.“, erklärte sie nun ausführlicher. Hotaru legte ihre Stirn in Falten. „Ein Mädchen? Aber die beiden haben sich doch so verliebt angesehen…“ „Ja, manchmal ist das so. Viele Mädchen verlieren ihre Herzen an einen Jungen, aber deine große Schwester hat sich offensichtlich Hals über Kopf in eine junge Frau verliebt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  MilkyWay04
2017-02-28T18:53:21+00:00 28.02.2017 19:53
Absolut geil :) kann mich kaum losreißen.
Finde es absolut genial und freue mich riesig, dass es eine Story ist, in der es vor allem für die Eltern das normalste überhaupt ist. Auch das es der kleinen Schwester direkt so beigebracht wird. Ist trotz 2017 bei einigen noch immer nicht selbstverständlich :-(
Von: Tidus17
2015-12-22T19:56:00+00:00 22.12.2015 20:56
Schönes Kapitel und immer denke ich mir, na wann kommt es endlich zum Kuss XDDD
Aber gut, ......gut ding will weile haben ;)
Antwort von:  MilkyWay04
28.02.2017 19:49
Same here xD
Von:  fahnm
2015-09-06T10:35:08+00:00 06.09.2015 12:35
Spitzen Kapitel
Mach weiter so^^
Von:  beatjoker
2015-09-05T18:08:51+00:00 05.09.2015 20:08
Wow ich liebe deine Geschichte echt und ich hab immer wieder gewartet bis es weiter geht hab mich riesig gefreut ;) hoffe es geht jetzt schnell weiter :) die Geschichte verleitet dazu such selbst im lesen zu verlieren das finde ich klasse
Antwort von:  Ruka_S_Orion
05.09.2015 20:24
Super, das spornt doch an :D Ich gebe mein Bestes, stehe aber kurz vor einigen Prüfungen. Darum muss ich mich leider etwas zügeln ;)


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