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Tokyo Bay

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Kapitel 2

Michiru wurde heute ausnahmsweise nicht von ihrem Wecker aus dem Schlaf gerissen. Stattdessen ging ihre Zimmertür schon zehn Minuten früher auf, als nötig gewesen wäre, und ein dunkelhaariges, kleines Mädchen schlich an das Bett ihrer großen Schwester. „Michiru-chan? Chiru-chan? Bist du wach?“, flüsterte die kleine Hotaru zunächst, erreichte zum Ende hin jedoch schon fast ihre normale Zimmerlautstärke. Verschlafen drehte sich Michiru auf die andere Seite und zog sich die Decke übers Gesicht. „Michiru-chan, ich weiß, dass du wach bist! Du brauchst jetzt sowieso nicht mehr schlafen!“ diskutierte die Kleine energisch und schlüpfte zu der Türkishaarigen unter die Decke. Nun konnte Michiru sie wohl wirklich nicht mehr ignorieren. Langsam drehte sie sich um und zog ihre kleine Schwester in ihre Arme. „Alles Gute zum neunten Geburtstag, mein kleiner Quälgeist!“, flötete sie der Dunkelhaarigen entgegen, „Warum bist du denn schon auf? Konntest du nicht mehr schlafen?“ „Blöde Frage,“, antwortete die Kleine, „natürlich nicht! Man hat ja schließlich nicht jeden Tag Geburtstag. Und ich wusste, dass du mich heute bestimmt nicht wieder aus deinem Bett schubst, wenn ich dich wecke.“ Michiru lächelte und öffnete langsam die Augen. „Da hast du aber Glück gehabt. Weißt du, wer dir bestimmt auch so schnell wie möglich gratulieren will? Ich wette, deine Mama wird sich noch viel mehr freuen, von ihrem Geburtstagskind geweckt zu werden.“ Hotaru sah abschätzend in das Gesicht ihrer großen Schwester, grinste frech, gab ihr einen kurzen Kuss auf die Wange und kroch dann aus dem Bett, um nun auch ihre Eltern vorzeitig wecken zu gehen. Zufrieden schmunzelte Michiru, drehte sich wieder um und versuchte, für die nächsten acht Minuten noch einmal Schlaf zu finden.
 

Nach dem gemeinsamen Geburtstagsfrühstück mit ihren Eltern machten sich Michiru und Hotaru auf den Weg zu Schule. Kaum hatten sie das Hochhaus, in dem ihre Wohnung lag, verlassen, kamen auch schon zwei Klassenkameradinnen von Hotaru auf sie zu gestürmt, überrumpelten das Geburtstagskind und dirigierten sie zügig weiter in Richtung der Bushaltestelle. Kurz blickte die Dunkelhaarige noch einmal zurück zu ihrer Schwester, erhielt aber ein Lächeln und ein aufmunterndes Nicken und ließ sich nun widerstandlos weiter ziehen. Michiru ging den Kindern langsam nach und war erleichtert, dass ihr kleiner Schützling nun, nachdem sie noch vor ein paar Monaten immer so zurückhaltend gewesen war, endlich Anschluss gefunden hatte.

In der Schule angekommen wurde Michiru schnell von Narumi ausfindig gemacht. Ihre hochnäsige und geschwätzige Freundin mit den hellbraunen Haaren hakte sich sofort bei ihrer Mitschülerin ein und zog sie munter in Richtung der Klassenräume, wobei sie es sich nicht entgehen ließ, über den neusten Tratsch, von dem sie in den Ferien erfahren hatte, zu plappern.

Auch als sie sich gesetzt hatten, fand Narumi kein Ende. Nicht einmal, als ihr Klassenlehrer, bei dem sie jetzt Japanisch haben würden, Herr Hisakawa eintrat, kam sie zur Ruhe. Nachdem alle Schüler an ihren Plätzen standen und die Lehrkraft die erste Unterrichtsstunde nach den Ferien einläuten wollte, ging noch einmal die Tür auf. Haruka hatte sich wohl etwas in der Zeit vertan und auf ihren ausgedehnten Umwegen durch die Stadt nicht bedacht, dass sie ja noch ihren Unterrichtsraum finden müsse. Verlegen trat sie ein und reichte dem Lehrer einen Zettel, den sie am Freitag noch von Direktor Ikuso erhalten hatte. Herr Hisakawa schaute sie erst skeptisch an, überflog dann das ihm vorgehaltene Pergament und richtete sich nun wieder an seine Klasse. „Guten Morgen.“, begrüßte er zunächst seine Schüler, wartete auf ein einstimmiges Echo und nickte ihnen dann zu, sich zu setzen. „Wie ich soeben erfahren habe, wird es nun noch bis zum Schuljahresende einen neuen Schüler in Ihrer Klasse geben. Tenoh-kun, wenn Sie sich bitte kurz vorstellen würden.“, richtete sich Hisakawa nun an den Neuling.
 

Bereits als Haruka die Klasse betreten hatte, begann Narumi erneut, ihrer Freundin etwas herüber zu flüstern. „Wow, jetzt guck dir den mal an! Na der sieht doch mal gut aus. Der dürfte meine Konkurrentinnen um Hiro ja wohl ablenken. Obwohl, wenn der auch noch was vom Finanzwesen versteht, sollte ich mich lieber an den ran schmeißen und Hiro den anderen überlassen. Was meinst du, Michiru-chan? Sag doch auch mal was!“, doch Michiru schloss nur kurz die Augen. Sie atmete einmal tief durch, um ihre Nerven zu beruhigen. Fast hatte sie in den Ferien vergessen, wie gesprächig und eitel ihre sogenannte beste Freundin war. Als sie die Lider nun wieder hob, sah sie zu dem Neuen. Er sah wirklich sehr gut aus, da musste sie Narumi recht geben. >Aber Moment mal…. Er?!< Michiru legte den Kopf schief und sah nun genauer in das Gesicht des Unbekannten. Diese Gesichtszüge, die Wangenknochen und die Lippen waren viel zu fein… Auch die Statur und die Körperhaltung waren für einen so gut aussehenden Mann irgendwie zu elegant. Irgendetwas stimmte mit diesem Jungen nicht. Und was war das? Die Reaktion des Blonden auf die Aufforderung seines Lehrers, sich vor zustellen, war ungewöhnlich. Als wollte er nur für Millisekunden Widerspruch einlegen. >Was sollte das?<
 

Haruka hatte tatsächlich kurz überlegt, ob sie Hisakawa nicht verbessern sollte, der machte allerdings einen sehr strengen Eindruck und sie wollte nicht, dass er sich schon in der ersten Stunde von ihr vor den Kopf gestoßen fühlte. „Ich bin Tenoh Haruka, komme aus Nagoya, bin siebzehn Jahre alt und freue mich darüber, mit euch die letzten Monate bis zu meinem Schulabschluss verbringen zu dürfen.“, stellte sich die Sportlerin kurz vor, verbeugte sich knapp aber elegant und ließ den Blick durch die Klasse schweifen. Dabei fiel ihr sofort die unglaubliche Schönheit in der dritten Reihe ins Auge, die ihr nachdenklich direkt ins Gesicht sah. Fasziniert von den türkisblauen Augen der Hübschen vergaß sie einen kurzen Moment lang, wo sie war.

Michiru musterte immer noch das Gesicht des Blonden und traf plötzlich genau dessen Blick. Wie hypnotisiert sah sie in die strahlendgrünen Augen und traute sich nicht, zu blinzeln, weil sie Angst hatte, diese wunderschönen Augen sonst zu verlieren. Ein lautes, genervtes Stöhnen holte die beiden wieder ins Hier und Jetzt zurück. Da Narumi die ganze Zeit über zu Michiru herüber gequasselt hatte, hatte Hisakawa beschlossen, sie in die erste Reihe zu setzen. Leicht abwesend sah Michiru ihr nach, während der Störenfried seine Unterlagen nach vorne trug.

„Tenoh-kun, jetzt, da neben unserer besten Schülerin ein Platz frei geworden ist, setzen Sie sich doch bitte zu ihr. Dann haben Sie auch gleich den perfekten Ansprechpartner, sollten Fragen aufkommen.“ Haruka schluckte kurz. Ob es so eine gute Idee war, sich direkt neben diese wunderschöne Ablenkung zu setzen…? Auch Michiru wurde bei dem Gedanken irgendwie warm in der Brust, wodurch sie auch eine leichte Rosafärbung ihrer Wangen nicht unterdrücken konnte. Haruka nickte und bewegte sich langsam auf die Türkishaarige zu. Vorsichtig setzte sie ihre Tasche auf dem Tisch ab und sah ihr erneut in die Augen. Gedankenverloren streckte sie ihr die Hand entgegen und sprach kaum hörbar: „Wenn du nichts dagegen hast? Tenoh Haruka.“ Ohne den Blick von dem strahlenden Grün abzuwenden nahm Michiru den Handschlag an und flüsterte fast: „Kaioh Michiru.“ Bei der kurzen Berührung beschleunigten sich beide Herzen und jede hatte das Gefühl, es würde sich ein Kribbeln von den Fingerspitzen aus, über den Arm, bis hin zum Herzen ausbreiten. Dieser Moment hätte für beide eine Ewigkeit andauern können, doch Hisakawa räusperte sich unüberhörbar und forderte die Blondine dazu auf, sich zu setzen. In der gesamten Doppelstunde konnte sich weder die eine noch die andere wirklich auf den Unterricht konzentrieren. Und jedes Mal, wenn es Haruka doch mal schaffte, dem Lehrer für ein paar Minuten zu zuhören, fiel ihr wieder ein kleines Defizit auf. Japanisch war einfach nicht ihre Stärke. Daraufhin fiel ihr ein, was ihr der Klassenlehrer vorgeschlagen hatte und schon war es mit ihrer Konzentration wieder vorbei und ihr Blick huschte erneut zu der Schönheit herüber.

Auch Michiru erging es nicht wirklich anders. Zum ersten Mal während ihrer gesamten Schulzeit über konnte sie dem Lehrer irgendwie nicht richtig folgen. Selbst wenn sie nicht zu ihrem neuen Mitschüler sah und selbst, wenn ihr mal ein Blick entgangen war, der auf sie gerichtet wurde, musste sie über den Menschen am Nachbartisch nachdenken. So anmutig und elegant… Und dann dieses wunderschöne Gesicht mit diesen atemberaubenden Augen. >Und diese angenehme, sanfte Stimme erst!< Das alles passte irgendwie nicht in das Bild eines siebzehnjährigen Jungen. War er vielleicht doch ein Mädchen? Das würde auch diese merkwürdige Reaktion von vorhin erklären. Aber warum hatte sie Hisakawa dann nicht korrigiert? Und überhaupt, was sollte die Schuluniform der Jungen? War das alles Absicht? Wollte sie ihr Umfeld verwirren oder sogar täuschen? Oder bildete sich Michiru das alles nur ein und der Blonde neben ihr war einfach etwas femininer als die anderen Jungs in seinem Alter? Und attraktiver…. Kurz schüttelte die türkishaarige Schülerin ihren Kopf. Je mehr sie darüber nachdachte, desto unsicherer wurde sie sich. Vielleicht könnte sie ja in der Pause etwas mehr über ihn (oder sie) erfahren.

Nach dem Klingeln am Ende der Doppelstunde packte Haruka ihre Japanischunterlagen zusammen und Michiru stand auf, um zu ihr zu gehen. Doch noch ehe sie richtig aufrecht stand, war auch schon Narumi neben ihr aufgetaucht und machte kein Geheimnis um ihre Gedanken. Sie zog ihre Freundin mit sich und machte sich auf den Weg zum Neuling. „Hallo, Tenoh-kun! Ich bin Narumi. Ich muss ja sagen, dass du die anderen Jungs in der Klasse ganz schön in den Schatten stellst. Erzähl mal, wieso kommst du so kurz vor dem Schuljahresende noch an eine neue Schule? Bist du von deiner alten runter geflogen, weil du Blödsinn gemacht hast? Oder sind deine Eltern jetzt erst nach Tokio gezogen? Vielleicht aus geschäftlichen Gründen?“, zwinkerte die Brünette und beugte sich Haruka leicht entgegen. Diese war von der ganzen Fragerei überfordert und lehnte sich weiter zurück in ihren Stuhl. „Narumi-san, kannst du dich nicht ein Mal zusammen reißen?!“, mischte sich Michiru ein, zog unsanft ihren Arm, der von Narumi umklammert wurde, wieder zurück und funkelte ihre Freundin genervt an. Haruka war von dem energischen Vorgehen der Schönheit kurz überrascht und noch bevor sie auf die beiden Schülerinnen richtig reagieren konnte, trat ein kräftig aber athletisch gebauter, schwarzhaariger Junge neben die Geschwätzige. Geradezu verfolgt wurde er von einer Blondine und drei weiteren Jungen. „Tenoh-kun, du versuchst dich doch wohl nicht etwa an Narumi und Michiru ran zu machen, oder? Ich wollte dich nur darüber informieren, dass ich hier das Sagen habe, verstanden?“ , grinste Hiro schief. Haruka wurde die ganze Situation nun doch etwas zu überfordernd. Sie stand auf, schwang sich ihren Rucksack über die Schulter und nahm sich ihren Helm. Ruhig trat sie an den Schwarzhaarigen heran und war nun mit ihm auf Augenhöhe. „Keine Sorge, du Zuchthängst. Ich habe keinerlei Interesse an deinen Stuten.“, lächelte sie ihm gelangweilt ins Gesicht und bahnte sich einen Weg durch die kleine Menschenmenge, die sich zuvor gebildet hatte. Michiru hob überrascht die Augenbrauen. >Stuten?!< Hatte der Neuling etwa auch sie damit gemeint? Empörung wollte in ihr aufsteigen, doch dann erhaschte sie einen Blick auf Hiros entrüsteten Gesichtsausdruck. Michiru konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen. Die anderen hingegen sahen dem Blonden verdutzt nach. So ruhig blieben die wenigsten, die von Hiro belehrt worden. Die Gruppe verließ daraufhin etwas zögerlich ebenfalls den Klassenraum und machte sich auf den Weg in die Cafeteria.
 

Haruka hatte, nachdem sie außer Sichtweite war, ihre Schritte beschleunigt. Zwar hatte sie keinerlei Angst vor Hiro, im Gegenteil. Sie hatte ihn sofort durchschaut und erkannt, dass sie spielend mit ihm fertig werden würde, aber sie wollte nicht schon am ersten Tag in Ärger verwickelt werden. Vor allem nicht, nachdem sie sich mit dem Direktor so gut verstanden hatte. Etwas planlos ging sie über das Schulgelände und fand schließlich ein etwas ruhigeres Plätzchen unter einem Baum. Seufzend setzte sie sich auf die dortige kleine Bank, legte den Kopf in den Nacken und schloss kurz die Augen. >Na, das geht ja schon gut los. Erst diese elfengleiche Schönheit, die mich mehr als nur ein wenig ablenkt, und dann auch noch so ein arroganter Spinner, der meint, er müsse sich mit mir anlegen. Und was sollte überhaupt dieser Auftritt mit seinen Bodyguards? Der scheint´s ja echt nötig zu haben.< Mit hinter ihrem Kopf verschränkten Armen ließ sich Haruka gegen die Lehne fallen und versuchte den kalten Januarwind zu genießen. Doch noch bevor sie sich richtig entspannen konnte, hörte sie aufgeregtes Geplapper, öffnete die Augen und entdeckte eine Horde jüngerer Mädchen, die tuschelnd auf sie zu kam. >Bitte nicht!<, dachte sich die Sportlerin und erhob sich, bevor sie die Gruppe erreichte. Sie griff nach ihren Sachen und machte sich schnellen Schrittes wieder auf den Weg zum Klassenraum. Dort angekommen hatte sie immer noch gut zehn Minuten bis zur nächsten Unterrichtsstunde zu überbrücken. Also legte sie ihre Tasche und ihren Helm auf dem Fensterbrett ab, lehnte sich gegen einen Tisch und sah verträumt nach draußen. Nach einiger Zeit bemerkte sie ein leises, zierliches Hüsteln hinter sich. Als sie sich umdrehte, standen ihr ein brünettes und ein schwarzhaariges Mädchen gegenüber. Beide sahen sie mit freundlichen, braunen Augen an. „Entschuldige, bitte,“, sprach die Brünette ruhig, „aber du belegst da gerade meinen Tisch.“ Haruka blinzelte kurz überrascht, machte dann aber einen kleinen Schritt zurück und entschuldigte sich. „Kein Problem. Ich bin übrigens Kikyo, die Klassensprecherin. Und das hier ist Junko.“, stellte sich die Schülerin vor und reichte Haruka die Hand. „Es freut mich, euch kennen zu lernen, Kikyo-san und Junko-san.“, nahm die Blondine freundlich den Handschlag an. „Du hast dich vorhin von Kawashima-kun wohl nicht einschüchtern lassen, was?“, lächelte die Klassensprecherin. „Endlich haben wir mal jemanden in der Klasse, der sich nicht von ihm herum schubsen lässt.“ „Ich muss zugeben, dass ich nicht sonderlich viel von ihm halte.“, grinste die Sportlerin ihre Klassenkameradinnen an. „Ja, sein großes Mundwerk ist tatsächlich etwas stärker ausgeprägt als sein Verstand.“, lachte Junko, „Aber du solltest ihn vielleicht trotzdem nicht unnötig provozieren. Er geht keiner Schlägerei aus dem Weg und seinen kräftigen Anhang zieht er natürlich auch immer hinter sich her. Allerdings glaube ich, dass du mit ihm allein spielend fertig werden könntest.“ Haruka wurde leicht verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. „Ach was! Wenn es nach mir ginge, muss ich das gar nicht herausfinden. Ich will ja nicht meinen guten Ruf bei Ikuso aufs Spiel setzen.“ „Ja, in der Tat, mit diesem Direktor haben wir wirklich das große Los gezogen. Er setzt sich immer für seine Schüler ein und zieht nie voreilige Schlüsse.“, lächelte Kikyo.

Während die drei in Ruhe ihr Gespräch führten, füllte sich nach und nach der Raum. Auch Hiro kam mit seinem Anhang wieder in das Klassenzimmer. Aber erst, als Michiru eintraf, sah Haruka von ihren Gesprächspartnerinnen auf. Diese folgten ihrem Blick und lächelten, als sie ihre Mitschülerin erkannten und Kikyo wandte sich wieder an die Blondine. „Ja, Michiru-san ist schon eine Schönheit. Lass dich nicht von ihrer harten Schale ablenken. Ich bin überzeugt, sie ist ein wunderbarer, warmherziger Mensch, der sich durch diese Prolls in ihrer Umgebung nur zu schützen versucht, Haruka-san.“ Bei dem Anblick hätte Haruka ihren Namen fast überhört. Erst langsam wurde ihr bewusst, wie sie gerade auffallend leise angesprochen wurde. Verwirrt und überrascht sah sie zu den beiden Mädchen. Diese grinsten sie breit an und Kikyo zwinkerte der Sportlerin zu. „Keine Sorge. Wir sagen es auch nicht weiter. Aber wir möchten dabei sein, wenn Kawashima-kun erfährt, dass seine größte Konkurrenz in der Klasse kein Junge ist.“, kicherte die Klassensprecherin leise und machte sich daran, ihre Geographieunterlagen auszupacken. Verdutzt schnappte sich Haruka wieder ihre Tasche - ihren Helm konnte sie wohl im Fensterbrett, in der Obhut ihrer neuen Freundin, zurücklassen- und wollte sich auf den Weg zu ihrem Platz neben Michiru machen. Etwas enttäuscht stellte sie fest, dass dieser schon von Narumi besetzt wurde. Nachdem sie einmal tief ein- und wieder ausgeatmet hatte, schlug sie die Richtung der ersten Reihe ein. In diesem Moment betrat Herr Fukami den Raum und suchte sofort nach dem Störenfried der Klasse. „Hara-san, Hisakawa-sensei hat mich und auch alle anderen Kollegen darüber informiert, dass er es für besser halte, die Noten unserer besten Schülerin vor Ihnen und Ihren so wichtigen Informationsgesprächen zu schützen. Nehmen Sie bitte Ihre Sachen und kommen in die erste Reihe. Und diesen Platz sollten Sie sich auch einprägen.“, sprach der Lehrer bestimmt und unter erneut genervtem Stöhnen wanderte Narumi nach vorne zu ihrem neuen Platz. Haruka konnte ein leises Lächeln nicht verbergen und machte kehrt, um sich wieder zu ihrer engelsgleichen Schönheit zu setzen, wobei ihr nicht entging, dass Kikyo ihr von der Fensterreihe aus zu zwinkerte.

In der kommenden Doppelstunde schafften es sowohl Haruka als auch Michiru, sich wieder halbwegs zu konzentrieren und Michiru konnte sogar wieder zum Unterrichtsgeschehen beitragen. Herr Fukami lächelte zufrieden darüber, dass die Umsetzung von Narumi offenbar Früchte trage, und entdeckte mehr zufällig den neuen Schüler neben der Klassenbesten. Währenddessen die jungen Erwachsenen selbstständig etwas aus dem Lehrbuch herausarbeiten sollten, machte sich der Lehrer auf den Weg zu dem neugebildeten Paar. Da Haruka in einigen Fächern wohl nicht die richtigen Bücher hatte, bat ihr Michiru an, mit ihr gemeinsam die gesuchten Daten heraus zu lesen. Herr Hisakawa hatte ja immerhin auch gesagt, Haruka solle sie ruhig um Hilfe bitten, wenn sie Fragen hätte. Mit Herzklopfen rutschte die Blondine ein Stück weiter an die Schönheit heran. Auch deren Herz schlug kräftiger und ein Lächeln bildete sich auf den Lippen der jüngeren Schülerin. Als die Sportlerin endlich weit genug heran gerutscht war, um ebenfalls im Buch lesen zu können, trat auf beide Gesichter eine leichte Röte. Schüchtern sahen sie sich für einen kurzen Moment in die Augen und bemerkten gar nicht, wie ihr Lehrer plötzlich vor ihnen stand. „Sie müssen unser neuer Schüler sein, richtig?“, sprach Fukami zwar ruhig und leise, um die anderen Schüler nicht zu stören, trotzdem schraken die beiden Schülerinnen ein wenig zusammen. „In der Tat, ich bin Tenoh Haruka.“, stellte sich die Blondine vor, stand auf und reichte ihrem Lehrer die Hand. Dieser nahm den Handschlag an und lächelte freundlich zurück. „Ikuso-sensei hat mir erzählt, die Leichtathletik wäre eine Ihrer Leidenschaften?!“ „Ja, ich laufe für mein Leben gern.“, antwortete die Sportlerin selbstbewusst. „Na gut, am Donnerstag haben wir unsere erste gemeinsame Stunde. Ich werde gerne überprüfen, wie weit ihre Leidenschaft reicht.“, zwinkerte Fukami und begab sich dann wieder an seinen Platz. Mit einem breiten Grinsen setzte sich Haruka und sah zufrieden zu ihrer Sitznachbarin. Dieser wurde ganz warm ums Herz, als sie in das glückliche Gesicht ihres Gegenübers sah, sodass auch ihr Lächeln noch breiter wurde.

Nachdem Fukami die Doppelstunde beendet hatte, packten die Schüler ihre Sachen zusammen und holten die Geschichtsbücher raus. Fast enttäuscht musste Haruka feststellen, dass sie anscheinend das richtige Buch dabei hatte und sich so wohl keine weitere Gelegenheit ergeben würde, der türkishaarigen Schönheit näher zu kommen. Diese schien den Blick der Blondine verstanden zu haben. Es bildete sich ein rosafarbener Schimmer auf ihren Wangen, trotzdem sah sie zu der Blondine herüber und grinste verschmitzt: „Keine Sorge, in Chemie bekommen wir Bücher, die Schuleigentum sind. Und da wir nicht genug haben, müssen wir uns da immer zu zweit eins teilen. Du könntest mich ja fragen, ob ich mit dir zusammen arbeiten würde. Vielleicht sage ich auch ‚ja‘.“ Nun war es Haruka, die ihre Röte im Gesicht nicht mehr verbergen konnte. Bevor sie dazu kam, etwas zu sagen, betrat Herr Hisakawa den Raum und eröffnete seine Geschichtsstunde.

In der Mittagspause eilte Narumi zügig zu ihrer besten Freundin und zog sie aus dem Raum. Hiro folgte den beiden. Natürlich hatte er wieder seine Bodyguards und das blonde Mädchen im Schlepptau. Enttäusch sah die Blondine der Gruppe nach. Sie schrak leicht zusammen, als sie die Hand von Kikyo auf ihrer Schulter spürte. „Keine Sorge, das wird schon noch.“, versuchte die Klassensprecherin ihre neue Freundin aufzumuntern. Gemeinsam mit Junko machten auch sie sich auf den Weg in die Cafeteria. Lange konnte sich Haruka nicht zurück halten. Dann fragte sie die beiden über Michiru aus. Sie erfuhr, dass sie Psychologie anstelle von Astronomie und Kunst statt Physik hatte. Außerdem hatte sie nicht Leichtathletik sondern Schwimmen. Und in der ersten Stunde am morgigen Tag hätte sie wohl nicht Ethik, wie Haruka, sondern Gesellschaftskunde. Die übrigen Fächer hatten sie gleich belegt. Sie erfuhr auch, dass Michiru eine begnadete Violinistin sei und beim Gerede über die Kunst ihrer Mitschülerin kamen die beiden Mädchen gegenüber der Sportlerin regelrecht ins Schwärmen. Über ihre Familie konnten die beiden nicht viel sagen. Sie wussten, dass sie noch eine jüngere Schwester hatte und Junko meinte, sie hätte mal etwas von einem Bruder gehört, aber das war´s dann auch schon. „Naja, Michiru gibt nicht viel über sich Preis. Aber ich bin mir sicher, wenn sie erst den richtigen Menschen kennen gelernt hat, wird sie auftauen.“, mutmaßte Kikyo.

Nach der Politikstunde bei Frau Araki beeilte sich die Blondine und trat schnell neben die jüngere Schülerin. „Michiru, ich würde dein Angebot gerne annehmen. Also… Ich dachte, du hattest in Chemie sicher immer neben Narumi gesessen. Und da das ja ab heute anscheinend von den Lehrern unterbunden wird, würde ich mich freuen, wenn ich ihren Platz einnehmen dürfte.“, erklärte die Sportlerin selbstbewusst. Der überraschte Gesichtsausdruck der Künstlerin wandelte sich. Lächelnd nickte sie. „Na dann komm. Ich nehme an, du weißt noch gar nicht, wo der Chemieraum ist?!“ Mit einem breiten Grinsen warf sich Haruka ihren Rucksack über die Schulter und bekam im Gehen noch ihren Helm von Junko überreicht. Den hätte sie vor Vorfreude tatsächlich fast vergessen. Leider befassten sie sich in Chemie fast ausschließlich mit der Wiederholung des Stoffs, der vor den Ferien durchgenommen wurden war. Deshalb blieben die Bücher heute im Schrank. Aber Haruka freute sich trotzdem, neben ihrer Schönheit sitzen zu dürfen. Anders als in den anderen Räumen, in denen Einzeltische standen, teilten sich im Chemieraum je zwei Schüler eine Sitzbank, weshalb sie der Violinistin hier näher war, als zuvor in Politik.

Natürlich wurde Michiru nach dem Unterricht wieder viel zu schnell von Narumi, gefolgt von den anderen, davon gezogen und so konnte sich Haruka nicht einmal richtig verabschieden. Stattdessen verließ sie mit Junko und Kikyo den Raum und machte sich nach einigen Gesprächsthemen wieder auf den Weg in ihr Hotel. In ihrem Zimmer stellte sie fest, dass sie noch viel zu energiegeladen war. Ein Blick aus dem Fenster versprach ihr jedoch nichts Gutes. Nachdem sie ihr Schuljackett ausgezogen und über ihren Stuhl gehängt hatte, hatte ein Eisregen eingesetzt. Bei diesem Wetter konnte sie weder joggen gehen, noch mit dem Motorrad irgendwohin fahren, also zog sie sich um, holte ihren iPod aus ihrer Reisetasche, die sie immer noch nicht ausgepackt hatte, und machte sich auf den Weg, das Hotel nach einem Fitnessraum abzusuchen. Beim Laufen auf einem Laufband würde ihr zwar kein Wind durchs Haar wehen, aber immerhin konnte sie sich auspowern und nebenbei auch noch ihren Gedanken freien Lauf lassen.
 

Michiru wurde zu Hause gleich stürmisch von ihrer kleinen Schwester begrüßt, die, wie jeden Tag, schon lange vor ihr Schluss gehabt hatte. Sie wurde direkt ins Wohnzimmer gezogen, wo sich längst der Rest der Familie versammelt hatte. Zu ihrer Linken hatte Hotaru extra einen Platz für ihr großes Vorbild frei gehalten. Zu ihrer Rechten saß bereits ihre Mutter und daneben ihr Vater. Lächelnd nahm Michiru Platz und setzte sich somit rechts neben ihren großen Bruder, den sie noch kurz mit einer warmen Umarmung begrüßte. „Hotaru-chan, sag bloß, du hast noch nicht mal die Kerzen ausgeblasen?“, fragte Michiru, woraufhin ihre Schwester energisch den Kopf schüttelte. „Natürlich nicht! Ich wollte lieber warten, bis alle da sind.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: Tidus17
2015-12-21T20:55:27+00:00 21.12.2015 21:55
Wieder super geschrieben.....doch etwas verwirrend war, wie hatte Kikyo und Junko heraus gefunden das Haruka ein Mädchen war? Das war etwas verwirrend zu lesen. Ansonsten sehr gut ^^
Von:  fahnm
2015-07-26T07:55:48+00:00 26.07.2015 09:55
Ein Tolles Kapitel
Mach weiter so^^
Antwort von:  Ruka_S_Orion
26.07.2015 10:06
Dankeschön ^^


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