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Cursed Shadow

- verliebt in einen Dämon -
von

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Gefühle und Sorgen

Ich hatte mich alleine in mein Zimmer zurückgezogen. Schweigend lag ich auf dem Bett und starrte an die Decke. Mein Kopf war gefüllt. Nicht mit Fragen, sondern mit Antworten. Zu viele Antworten, die mir erst ungläubig vorkamen, aber dessen Wahrheit ich nicht in Frage stellen konnte. Nicht hier. Nicht in dieser Welt und nicht in diesem Augenblick.

Dennoch musste ich die Wahrheit erst begreifen. Ich dachte viel über Deeons Worte nach. An die Zeit, die er mit meiner Mutter teilte und auch an den Moment, indem sie starb. Konnte ich Deeon als Schuldigen darstellen? War er wirklich der Mann, der den Tod meiner Mutter zu verantworten hatte? Und selbst wenn dies zutreffen sollte, wie sollte ich ihm in Zukunft gegenübertreten? Als Feind oder Freund?
 

Bevor ich in mein Zimmer ging, wollte Shiro noch mehr erfahren. Er wollte mehr über den Zufall unseres Treffens bis hin zu Namis Aufgabe in dieser Geschichte wissen. Außerdem gab es noch offene Fragen die es zu beantworten galt, wie meinen Gedächtnisverlust kurz nach der Begegnung in der Dämonenwelt.

Deeon erklärte uns, dass er nach meiner Rettung im Verborgenen leben musste. Er musste vermeiden in meine Nähe zu kommen, da er mein Leben sonst in Gefahr brachte. Denn er konnte sich nicht sicher sein, ob Luzifer ihn noch immer beobachtete. Luzifer brachte alles daran, die Menschen von den Dämonen oder übernatürlichem zu trennen. Auch Dämonen, die beabsichtigten in der Menschenwelt ihr Unwesen zu treiben vernichtete er. Die Menschen sollten mit der vollkommenen Unwissenheit der zwei Welten leben. Das war die Aufgabe der gefallenen Engel. Also konnte Deeon es nicht riskieren auch Shiro in Gefahr zu bringen. Sollte Luzifer ihn noch immer beobachten lassen, könnte es sein, dass die gefallenen Engel Shiros Arbeit entdeckten. Aufgrund der gefallenen Engel, die Dämonen bestraften, die in die Menschenwelt reisten um dort Angst und Schrecken verbreiteten, fürchteten sich die Dämonen dies zu tun. Das spielte Shiro in die Hände. Denn er tat dies geschickt und unbemerkt, sodass er mit seiner Seelensammlung der stärkste Dämon wurde, den man kannte. Warum er nie dabei ertappt wurde, lag an mehreren Gründen. Zum einen, hatte er stets einen anderen Namen, zum anderen war Deeon eine Zeit lang bis zu seinem Verschwinden ein Schutz. Denn wenn ein Engel wie Deeon an einem Ort war, gab es keinen Grund für einen zweiten Engel den gleichen Ort zu begutachten.

Da Deeon jedoch einer bestimmten Gruppe von Engel angehörte, konnte er sich mit seiner Kraft an Orte bewegen, ohne dass Dämonen oder Menschen ihn wahrnahmen. Eine Kraft die vor einer lang vergessenen Zeit genutzt wurde um den Menschen Botschaften zu übermitteln. Damit hatte er mich und auch Shiro beobachtet.

Jedoch war seine Angst zu groß, dass Shiro oder mir etwas passieren würde, sobald er in die jeweils andere Welt reiste. Er hatte aber Misaki versprochen sich um mich zu kümmern und sich selber geschworen auf Shiro zu achten. Also erschuf er Nami für mich. Ein Mädchen, das nur ein leben vorspielte. Sie war alles andere als das, was ich kannte. Sie war kein Mädchen, das alles hatte, sondern ein Waisenkind, der alles weggenommen wurde. Sie hatte das gleiche Alter wie ich, war einsam, krank und arm. Mit sechs Jahren fand er sie. Also nahm Deeon die letzte Kraft, die er noch aus Shiros Bibliothek übrig hatte und kombinierte sie mit einer uralten, verbotenen Magie um Nami einen Teil seiner Engelskraft zu geben. Er verlor dabei einen Flügel, den Nami erhielt und verlor die Hälfte seiner Kraft die er nie wieder erlangen würde. Seither war er ihr Mentor. Er gab Nami als Aufgabe, sich um mich zu kümmern und an meiner Seite zu bleiben. Er gab ihr eine Familie und alles was sie nie hatte. Einen Bruder hatte sie beispielsweise gar nicht. Und ihre Eltern hatten sie nur aus einem, von Deeon verursachten Zufall adoptiert.

Hätte Shiro sie an jenem Tag in der Schule entdeckt, an welchem ich mein Gedächtnis verloren hatte, hätte er sofort Deeons Engelskraft in ihr bemerkt, weshalb sie damals das Weite suchte und vor ihm flüchtete. Als er jedoch ein Mensch war und sie kennenlernte, konnte er ihre Engelskraft nicht spüren sondern nur schätzen und sie damit nicht mit Deeon in Verbindung bringen.

Warum ich jedoch mein Gedächtnis verlor, nachdem Shiro mich an dem ersten Tag wieder in die Menschenwelt brachte, konnte Deeon nicht beantworten. Dies lag auch außerhalb seines Wissens. Eine Frage, die also noch unbeantwortet bleiben musste. Jedoch erklärte Deeon uns etwas, das mir Sorgen bereitete.

Denn es war nicht von Beginn Deeons Plan, Shiro und mich zusammen zu führen. Dass ich Shiro damals überhaupt beschworen hatte, war scheinbar alleine Nami zu verdanken. Der Grund dafür konnte Deeon sich nur schwer erklären. Deeon erwähnte von Shiros schwerem Leben, dass ihn immer mehr in den Abgrund zog. Vielleicht wollte sie nur helfen? Denn kurz bevor Shiro sich sein Leben nehmen wollte, brachte sie mich dazu, ihn zu rufen. Vielleicht sah Nami in mir die einzige Person, die Shiro helfen konnte? Vielleicht, hatte sie auch einen ganz anderen Gedanken dabei. Seitdem ich ihre Identität als Engel kannte, sprach ich kein Wort mehr über ihre Gründe und Lügen oder Geheimnisse. Ich dachte nie daran, dass Nami mich den Schattenmann mit einem Hintergedanken rufen ließ.

Auch Deeon war zuerst schockiert, als er bemerkte, dass wir uns trafen. Als Deeon das erfuhr, kam ihm jedoch sofort der Gedanke, dass wir uns gegenseitig helfen konnten. Er kannte uns. Er empfand, dass ich eine genau so besondere Ausstrahlung wie Misaki hatte und hoffte darauf, dass ich Shiro vor seinem Abgrund beschützen konnte. Hätte Deeon Shiro helfen wollen, hätte er es wohl nur verschlimmert. Anders herum konnte Shiro mich beschützen und verband seine Dämonenseele mit meiner, wodurch Engel mich in der Menschenwelt nicht sofort als Menschen erkennen würden. Eine komplizierte aber effektive Angelegenheit.

Als Nichtmensch also Kontakt zu einem Engel zu haben, wäre dann keine Gefahr mehr. Dies führte also dazu, dass Deeon mich zum ersten Mal treffen konnte. Es führte dazu, dass Deeon und ich uns das erste Mal in der Dämonenwelt sahen. Es führte dazu, dass ich Deeon das erste Mal in meinem Leben wahrnahm. Einen Mann, der mich rettete. Einen Mann, der sich all die Jahre beschützte. Einen Mann, dem ich mein Leben zu verdanken hatte.

Also erzählte er mir von Shiros Vergangenheit in der Hoffnung, dass ich Shiro retten würde. Ich erinnerte mich wieder an die vielen Gespräche mit Deeon. Er brachte uns zusammen, mit dem Gedanken, dass Shiro und ich uns gegenseitig helfen würden. Und er hatte damit Recht.

Zuletzt wurde die Engelsfeder, welche mein Vater in seinem Schrank versteckte mit einem kleinen Zufall erklärt. Denn mein Vater hatte weder Kontakt zu Deeon noch zu Nami oder einem anderen Engel. Es war lediglich ein letztes Andenken an meine Mutter. Denn sie hatte die Feder damals in ihre Tasche eingesteckt, als sie Deeon als Engel sah. Somit kam sie in die Hände meines Vaters.
 

Nun waren wir also an diesem Punkt angekommen, an dem Deeon uns dies alles endlich offenbaren konnte. Ich dachte darüber nach, wie Deeon sich gefühlt haben musste, als ich ihn das erste Mal sehen konnte. An den Moment, als ich durch die Massen von Dämonen im Atrium stolperte und er mich auffing. Hatte er mich damals gesucht? Hatte er mich schon gefunden und lief direkt auf mich zu? Ich fragte mich, wie er sich fühlte, als er Shiro das erste Mal nach alle dem getroffen hatte. Welche Gedanken er hatte, als er wusste, dass Shiro ihn wiedersehen würde. Es war in Renektons Halle. Wusste er, dass Shiro ihn angreifen würde? Ich fragte mich, was er all die Zeit nur durchstehen musste und wie schrecklich es für ihn gewesen sein musste.

Außerdem dachte ich an meine Mutter und weshalb sie damals weinend wegrannte, als Deeon sie berührte. Ich kannte die Antwort. Denn ich wusste, wie sie sich fühlen musste. Sie wehrte sich all die Zeit gegen die Gefühle, die sie für Deeon verspürte und bezeichnete sie als Freundschaft. Unbewusst hatte Deeon mit seiner Berührung und seinem Kuss wohl diese Mauer gesprengt, hinter der sie ihre Gefühle versteckte. Sie wusste nicht was geschehen war und wollte nicht ihre Treue zu ihrem Mann verunreinigen. Überwältigt von ihren unwissend manipulierten Gefühlen, die jedoch ihre wahren Gefühle wiederspiegelten, konnte sie nichts tun, als zu flüchten.

Mit all diesem Wissen, war es mir möglich, diese Berührung zu verstehen. Wenn ein Mensch einen Engel berührte, werden positive Gefühle in einem geweckt. Unwissend über diese Fähigkeit, dachte ich, dass es eine Art Liebe war die ich dadurch zu Deeon spürte. Denn jedes Mal wenn ich in einer überforderten Situation stand, schaffte er es, dass mich keine Angst überkam, sondern dass ich mich beruhigte und mich gut fühle. Außerdem bemerkte ich an ihm die gleiche Aura, die ich all die Jahre bei Nami empfand, welche mir ein Gefühl von Vertrauen gab. Doch das war keine Liebe. Ich war lediglich verwirrt von all diesen verschiedenen Emotionen.

Natürlich spürte ich noch ein positives, beglückendes Gefühl, wenn Deeon mich berührte. Doch nun wusste ich, woher dies kommen musste und wusste damit umzugehen. So wie auch Shiro wusste, dass Nami seine Trauer mit einer Berührung nehmen konnte. Es sind Emotionen die unser Körper spürt aber nicht unseren Blick vernebeln.

Aber wie sollte ich mit allem was ich nun wusste umgehen? Das wusste ich nicht. Daher wollte ich mich mit meinen Gedanken zurückziehen.

Die Zeit verging plötzlich ganz schnell. Wo doch gerade erst die Sonne aufging und ich nach einem beruhigenden Schlaf aufstand, war nun tiefe Nacht. Und ich lag die gesamte Zeit nun auf meinem Bett und schaute an die Decke. Ich wollte nicht, dass Shiro bei mir war. Nicht weil ich ihn nicht in meiner Nähe haben wollte, sondern weil ich wusste, dass ich eine lange Zeit nachdenken wollte. Ihn wollte ich nicht mit meiner Stille belästigen, auch wenn ich seine Nähe gerne spürte.

Das viele Grübeln und Nachdenken machte mich nach langer Zeit müde. Meine Augen waren schon sehr schwach und mein Körper schwer. Außerdem hatte mein Kopf so viel gearbeitet, dass ich nun keinen Willen mehr verspürte, weiter nachzudenken. Sollte ich schlafen? Wie spät war es? Der Mond stand jedenfalls schon hoch oben und die Sonne war seit langer Zeit gesunken. Schliefen die anderen schon?

Müde drehte ich mich zur Seite und schloss meine Augen. Ich sollte einfach schlafen und den nächsten Morgen abwarten, in der Hoffnung dass ich mich aktiver fühlte. Der Tag hatte mich viel Kraft gekostet. Ich dachte, dadurch würde ich schnell einschlafen können.

Doch mit geschlossenen Augen lag ich da und dachte noch immer nach. Ich wollte nicht mehr denken. Ich wollte doch schlafen. Warum konnte mein Kopf nicht abschalten? Ich drückte die Augenlieder noch fester zusammen und strengte mich an zu schlafen. „Einfach schlafen..“, sagte ich mir selber, als wäre dies eine Leichtigkeit.

Einen Moment lag ich leise dort.

Ich versuchte mich zu entspannen, doch es gelang mir nicht. Egal wie lange ich versuchte meine müden Augen zu schließen, wollte mein Körper nicht schlummern.

Verärgert seufzte ich und öffnete wieder die Lieder. „Hachh…“ Dann blickte ich auf die leere Seite des Bettes, auf der Shiro am Morgen lag. Nachdenklich legte ich meine Hand auf die Stelle und musste an ihn denken. Würde er auch schon schlafen?

Neugierig stand ich auf und schlich mich leise aus meinem Zimmer. Ich musste leise sein, denn ich wollte allen anderen ihre Ruhe gönnen, so wie sie auch mir Ruhe schenkten. Also schob ich vorsichtig meine Tür auf. Im Flur war es dunkel. Es schien nur das sanfte Licht des Mondes durch einen Schlitz der Balkontür. Leise tapste ich über die Holzdielen zum Zimmer gegenüber. Dort sollte Shiro liegen und schlafen.

Als ich mein Ohr an die Tür hielt um zu versuchen ihn darin zu hören, erkannte ich jedoch keinen Ton. Sollte ich klopfen? Oder sollte ich einfach zurück gehen?

„Wie sieht das denn aus, wenn ich in der Nacht zu Shiro gehe?“, flüsterte mir selbstironisch zu. Ich drehte mich wieder um. Dann wollte ich mich zurück zu meinem Zimmer begeben. Aber mitten im Flur blieb ich wieder stehen, zwiegespalten von dem Gedanken, zu Shiro gehen zu wollen.

Ich blieb einen Moment stehen und biss mir auf die Lippe. Was sollte ich denn sagen, wenn ich ihn wecken sollte? Was sollte ich überhaupt tun, wenn ich ihn weckte?

Doch nun nickte ich mir selber zu und ballte meine Faust zuversichtlich. Ich sollte einfach zu ihm gehen und ihm sagen was ich dachte. Auch wenn es nur die Information war, dass ich nicht wusste was ich dachte.

Schnell drehte ich mich wieder zu seiner Zimmertür und klopfte leicht an. „Shiro? Shiro, bist du wach?“, fragte ich leise. Doch ich hörte keine Antwort. Also schob ich seine Tür leise auf und spähte dezent hinein. „Shiro?“, fragte ich noch ein Mal. Doch ich sah nur in einen dunklen Raum, der meinem ähnlich sah. Das Bett stand leer. Shiro lag nicht darin. Verwundert öffnete ich die Tür nun ganz und blickte in das Zimmer. Shiro war nicht hier. „Hmh?“

Plötzlich hörte ich ein Geräusch in den Flur schallen. Es waren Bewegungen die vom Balkon kamen. Fragend richtete ich mich dem Geräusch entgegen und sah zu der halb geschlossenen Tür die vom Flur zum Balkon führte. Durch den Spalt erkannte ich einen roten Fuchsschwanz, der sich vergnügt hin und her bewegte.

Also lief ich direkt dort hin. Je näher ich der Tür kam, desto deutlicher vernahm ich ein flüsterndes Gespräch zwischen zwei Personen. Das leise Kichern musste Kitsune sein. Fragend öffnete ich vorsichtig die Tür und sah zu den zwei Personen die dort auf dem Balkon saßen.

„Oh. Yuki. Hihihi. Du bist noch wach?“, hörte ich dann auch schon Kitsune fragen, dich sich mit einer roten Nase zu mir drehte. Neben ihr saß Kisho, der gerade ein Getränk in Kitsunes Becher füllte. „Süße Yuki.“, lächelte er beschwipst. „Kannst du nicht mehr schlafen?“, fragte er mich und lächelte vergnügt.

Ich blickte verwirrt zwischen beiden her. „Ehm.. nein.. ich kann nicht schlafen..“, antwortete ich und sah auf die Krüge. „Ist das Alkohol?“, fragte ich nun erschrocken. Kitsune reichte mir ihren Becher grinsend. „Hmmmmmh. Möchtest du auch?“, fragte sie. Aber Kisho drückte ihre Hand zurück. „Aaah. Das lassen wir mal lieber.“, grinste er. „Hey. Wir müssen doch unser Wiedersehen feiern. Wir leben noch, uns geht es gut. Das ist doch toll!“, begegnete Kitsune ihm nuschelnd.

Ich blickte sie verwundert an. „Darfst du.. das überhaupt trinken?“ „NA KLAAR!“, lachte sie laut und lehnte sich heiter an zurück. „Hey. Ich bin schon älter als duuuuu. Hihihi.“ „Aber nicht wirklich reifer.“, kam es grinsend von Kisho. „Mano! Was soll das?“, fragte sie mürrisch.

Aber ich lehnte mich an den Türrahmen und machte mich zum Aufbruch bereit. Die beiden sahen glücklich aus. Kitsune hatte viel durchgemacht, daher verstand ich, dass sie die Zeit mit ihrem Bruder genoss. Doch ich konnte ihre Euphorie in dem Moment nicht teilen. „Ehm.. wisst ihr, wo Shiro ist?“, fragte ich noch schnell. „Jaja! Der ist unten irgendwo und spricht sich mit Deeon aus! Meine Güte.. die Beiden haben sich viel zu erzählen jaja!“, kicherte Kitsune und zeigte in die Luft. Ich lächelte flüchtig. „Hmh.. danke.“, verabschiedete ich mich direkt und wollte wieder gehen. Doch bevor ich die Tür wieder ran zog blickte Kisho mich ernst an. „Yuki!“, rief er mich noch zurück.

Ich drehte mich fragend zu ihm. Er hielt mir die Kette entgegen, die ich für Shiro gekauft hatte. „Hier.“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Vielleicht ist ja jetzt ein passender Augenblick.“, sprach er weiter.

Zögerlich näherte ich mich ihm. Diese Kette wollte ich Shiro schenken doch ich hatte keinen Zeitpunkt dafür gefunden. Wann wäre denn der richtige Zeitpunkt? Warum brauchte ich dafür einen besonderen Zeitpunkt? Meine Wangen wurden rot. „Hmh.. Danke!“, sagte ich und nahm die Kette schnell an mich. Kisho lächelte mir zuversichtlich zu, als ich wieder zurücklief und schließlich die Tür wieder schloss.

Leise lief ich schließlich den Flur wieder zurück bis zur Treppe. Auch im Raum unten war es dunkel, also wollte ich vorsichtig hinunter gehen, ohne Kazumi zu wecken. Die Holzstufen knarrten leicht, als ich mich darauf stützte. Doch es war leise genug um niemanden zu wecken. Es war still und fühlte sich seltsam an, nachts in einem fremden Haus herum zu laufen.

Vorsichtig horchte ich, ob ich Deeon und Shiro hören würde und lief in den nächsten Raum. Dann näherte ich mich der Tür zum Garten. Doch als ich die Tür leise öffnete, vernahm ich nur Kishos und Kitsunes Lachen vom Balkon über mir. Shiro und Deeon waren nicht zu sehen. Also lief ich weiter über die Veranda, die um das Haus herum führte. Sie sollten irgendwo hier draußen sein.

Nachdenklich machte ich einen Schritt nach dem anderen. Die Umgebung war ungewohnt leise. Kein Vogel zwitscherte und es war auch windstill. Weder die Bäume raschelten noch die Luft fegte durch meine Haare. Es war lediglich still und friedlich. Es leuchtete auch kein Licht. Weder in der Stadt in der Ferne noch hier am Haus. Nur die Sterne standen hoch am Himmel und strahlten auf uns herab.

An der Ecke des Hauses angekommen, hörte ich eine aufgebrachte Stimme leise sprechen. „Nein! Das.. geht nicht.“, sprach jemand. Ich wusste, dass es Shiro sein musste und blieb stehen, ehe ich um die Ecke blickte. Vorsichtig lehnte ich mich an die Wand und horchte. Warum war Shiro so wütend?

„Hey. Du hast mich darauf angesprochen. Ich sage dir nur meine Meinung.“, antwortete Deeon ihm belustigt. Sie standen auf dem Rasen und diskutierten. Shiro war etwas verärgert, aber Deeon stand ihm gelassen, mit überkreuzten Armen gegenüber.

„Das meinte ich damit nicht!“, schnauzte Shiro ihn an und gestikulierte wütend. „Weißt du, ich würde es ihr sagen. Sonst bereust du es irgendwann. Ich spreche aus Erfahrung.“, erwiderte Deeon. Aber Shiro sah ihn grimmig an. „Das war doch gar nicht Thema des Gesprächs! Es ging um etwas ganz anderes.“ Aber Deeon grinste ihn an. „Ah. Also habe ich Recht, dass du es ihr sagen würdest?“ „Schnautze..“, grummelte Shiro ihn zurückhaltend an. Deeon ging einen Schritt auf ihn zu und hob eine Augenbraue. „Hört sich an, als würdest du dich nicht trauen.“, neckte er ihn. Shiro drehte sich aber verärgert um. „Tze. Ich habe keine Lust mehr auf dieses sinnlose Gespräch.“, fauchte Shiro ihn an. „Das muss ich mir nicht anhören..“, faselte er vor sich hin und lief in Richtung Garten.

Erschrocken bemerkte ich, dass er in meine Richtung lief. Schnell wandte ich mich wieder dem Eingang und huschte rasch in das Haus. Währenddessen stoppte Deeon ihn jedoch noch. „Hey. Sei doch nicht gleich so verärgert. Jeder hat eine Schwäche.“, lächelte Deeon ihn ironisch an und faste ihm an die Schulter. Grimmig blieb Shiro stehen und blickte hinter sich. „Nimm deine Hand da weg! Das funktioniert nur bei Menschen!“, antwortete er ihm aber. Verärgert hob er sein Bein und trat Deeon mit seinem Stiefel in die Seite. „Nerv mich nicht!“ trat er ihn weg, doch Deeon belächelte die Situation nur als er einen Satz nach hinten machte.

Ich versteckte mich hinter der dünnen Wand und horchte aus der Tür. Beide wollten wieder in das Haus. Bevor Shiro die Treppen jedoch zur Veranda hoch lief, blieb Deeon stehen. „Werden.. wir es denn durchziehen wie besprochen?“, kam es nun ernst von Deeon. Neugierig hörte ich genauer hin und lehnte mich näher an die Wand. Es klang, als würden sie nun über etwas anderes reden. Shiro blieb vor den Stufen stehen und drehte sich seitlich zu ihm. „Ich.. weiß es noch nicht..“, antwortete er nachdenklich.

„SHIIIRO!“, rief Kitsune plötzlich über ihm. Verwundert ging er zwei Schritte zurück und blickte zu ihr auf. „Hmh?“ Kitsune beugte sich über das Geländer und grinste breit. „Hihi. Shiro. Shiro möchtest du auch etwas?“, faselte sie belustigt und zeigte ihren Becher. Dabei überschwappte das Getränk darin etwas und platschte herunter.

Shiro ging gelassen einen Schritt zur Seite und wich diesem aus. „Kisho.. du solltest deine Schwester mal etwas zurückhalten.“, sagte er genervt und blickte den grinsenden Fuchsjungen an, der belustigt mit ansah, was Kitsune tat. Kisho hob nur die Schultern und mischte sich nicht weiter ein. „Lass meinen Lieblingsbruder!“, ermahnte Kistune ihn und kletterte auf das Geländer.

Aber Shiro sah zu ihr auf und legte seine Hände in die Hosentaschen. „Wenn du fällst, fange ich dich nicht auf. Ich hoffe, dass du durch ein gebrochenes Bein dazu lernst. Und ich werde dich nicht heilen. Du kannst dann deinen betrunkenen Bruder fragen.“, begegnete Shiro ihr kalt und rollte die Augen. Doch das stachelte sie noch mehr an. „PAH!“, röhrte sie laut und stellte sich auf das Geländer. Kisho bemerkte ihren wackeligen Körper und wandte sich zu ihr. „Kitsune. Lass das.“, versuchte er sie zu beruhigen, und wieder zurückzuziehen. „Ich falle doch nicht!“, versicherte sie und drehte sich zu ihm. „Kisho! Ich- WAAH“, plötzlich rutschte sie mit ihrem Fuß vom Holz und verlor das Gleichgewicht. Sofort stürzte sie herunter, bevor Kisho sie festhalten konnte. „Kitsune!“, rief er laut und versuchte sie zu greifen. Doch es war zu spät. Sie fiel bereits herunter.

Schnell, ohne großen Aufwand seufzte Shiro und stellte sich unter sie. Dann hob er die Arme und fing sie wohlbehalten auf. „UFF!“, stöhnte Kitsune laut, als sie in seinen Armen landete. Nun blinzelte sie mit ihren Augen und orientierte sich schnell. Dann blickte sie neben sich in Shiros genervtes Gesicht. „OH SHIRO!“, sagte sie laut und umschlang seinen Hals. „Ich wusste, dass du mich fangen würdest!“, freute sie sich. Doch Shiro ließ sie im nächsten Augenblick von seinen Armen zu Boden krachen.

„AUA!“, Kitsune fiel herab und landete auf dem Rasen. „Sei nicht so laut. Du weckst Yuki noch.“, ermahnte Shiro sie. Aber Kitsune blickte verwundert zu ihm hoch. „Hä? Yuki sucht dich doch. Ich dachte sie ist bei dir?“, antwortete sie ihm verwirrt.

Ich hörte, dass sie über mich sprachen. Die ganze Zeit hatte ich sie belauscht und nun fragten sie nach mir. Überrascht hielt ich kurz die Luft an und überlegte, was ich tun sollte. Aber ich entschied mich sofort dazu, mich zu zeigen. Also ging ich zur Tür und schob sie auf.

Kitsune saß noch vor Shiro am Boden und erblickte mich als erstes. „Ha. Da ist sie.“, kicherte sie und zeigte auf mich. „Yuki?“, fragte Shiro verwundert und sah zu mir. Ich biss mir auf die Lippe. „Ehm.. ich.. ich.. konnte nicht schlafen…“, stotterte ich mit großen Augen. Verlegen stupste ich meine Fingerspitzen aneinander und sah herab. Sollte ich ihm sagen, dass ich sie belauscht hatte?

Doch Deeon lief zu Kitsune. „Komm.“, sagte er ihr, und hob sie in seine Arme. „Du solltest dich lieber hinlegen.“ Kistunes Augen wirkten nun etwas benommen und müde. „Hmh.. ja.. du hast Recht..“, kam es von ihr als sie sich in seine Arme kuschelte und sich ihre Müdigkeit eingestand. Deeon blickte nun zu Shiro und mir. „Ich werde sie rein bringen.“, sagte er zuletzt, als er schließlich an uns vorbei ging, und Kitsune hinein trug. Shiro und ich sahen ihm noch schweigend nach, bis er hinter sich die Tür schloss. Dann bemerkte ich ein knarren über mir. Kisho war anscheinend auch in das Haus gegangen.

Jetzt war es leise. Nur wir beide standen noch dort. Mein Herz begann stärker zu schlagen, als ich bemerkte, dass Shiro und ich alleine waren. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Auch Shiro war still.

Ich zupfte nervös an meiner Kleidung. „Ehm.. ich wusste nicht, dass Kitsune Alkohol trinkt.“, versuchte ich die Stille zu unterbrechen. Aber Shiro lief zu mir und stellte sich vor die Veranda. „Yuki. Ist alles in Ordnung?”, fragte er mich jedoch besorgt. „Kannst du nicht mehr schlafen?”

Da ich auf der Veranda stand, war ich etwas größer als er. Zögerlich drehte ich mich zu ihm. „Ehm… ich habe gar nicht geschlafen..”, antwortete ich und traute mich erst nicht ihn anzusehen. Als ich schließlich aufsah blieb mein Herz kurz stehen. Shiro stand da und blickte mich einfach nur an. Doch dieser Blick war so liebevoll und herzlich. Er war ganz alleine für mich da. Am Himmel erkannte ich den hellen Mond auf ihn herunter scheinen und bemerkte die leichten Reflektionen der Sterne in der heißen Quelle.

Ich schluckte errötet und griff an die Tasche meiner Kleidung, in welcher die Kette lag. Shiro lächelte mitfühlend. „Es ist viel passiert.. nicht wahr?“, fragte er und blickte weg. „Es tut mir Leid, dass du meinetwegen nie Ruhe finden kannst…“, sprach er weiter. Aber ich lief sofort auf ihn zu. „Nein. Nein. Das.. ist doch nicht deine Schult!“, sagte ich schnell und wedelte mit den Händen in der Luft. „Es ist nur.. dass ich sogar glücklich bin, dass du bei mir bist.“ Plötzlich errötete mein Gesicht und ich riss die Augen verlegen auf. „Ehm. Also! Ich meine.. Ich bin froh, dass du da bist.. denn sonst hätte ich das alles ja niemals erfahren! Und .. ich.. hach..“, erschöpft seufzte ich und ließ meinen Kopf sinken. Ich hatte keine Energie mehr, mich aus dieser Situation zu retten. Also sprach ich einfach nicht weiter, um es nicht zu verschlimmern.

Shiro hörte mir zu. Er bemerkte, dass ich nervös war, doch reagierte gelassen. Er war erleichtert, dass ich ihm die Schuld abnehmen wollte, die er sich zusprach. Nun drehte er sich um und setzte sich auf die Veranda. „Ich bin auch froh, dass du da bist.. sonst hätte ich das alles wohl auch nicht mehr miterlebt…“, sagte er, ohne mich anzusehen. Er lehnte sich auf seine Arme und blickte in die Dunkelheit.

Ich wusste woran er dachte. Er kämpfte selber mit dem Gedanken, dass er sich das Leben nehmen wollte. Es machte mich traurig, ihn so zu sehen.

Aber ich hockte mich nun zuversichtlich neben ihn, ließ meine Beine von der Veranda baumeln und blickte in den Himmel. „Shiro. Weißt du was?“, fragte ich ihn glücklich. „Ich will nicht mehr in die Vergangenheit blicken!“, sagte ich ehrlich.

Fragend blickte Shiro zu mir. Als er mich ansah, erschreckte er leicht. Denn ich blickte freudestrahlend in den Himmel während mir eine Träne über die Wange glitt. Doch mein Lächeln wurde immer glücklicher. „Shiro. Ich möchte, dass du auch nicht mehr an die Vergangenheit denkst!“, nun drehte ich mich zu ihm. „Ich möchte, dass wir zusammen in die Zukunft schauen, ja?“

Shiros verwunderter Blick wurde zu einem sanften Lächeln. „Hmh..“ Er nickte mir zu. Dann legte er seine Hand sanft auf meine Wange und wischte mir die Träne vorsichtig weg. „Ok.“, antwortete er leise. Unsere Blicke kreuzten sich einen Moment, während er mir innig in die Augen sag. Ich legte meine Hand auf seine und lächelte ihm zu. Seine Hand an meiner Wange war kalt. Aber es war die Kälte, die mein Herz erwärmte. Es war die Kälte, die ich immer bei mir haben wollte.

Seine Augen waren so wunderschön und hell. Sein Lächeln war charmant. Seine Nähe machte mich glücklich. Ich wollte ihm noch näher sein. Ich wollte ihm noch näher sein als jetzt. Ich wollte, dass er mich näher kommt.

Shiro sah mir tief in die Augen. Vorsichtig kam er mir näher. Er hielt seine Hand noch immer an meiner Wange. Auch ich näherte mich ihm zart. Doch plötzlich stoppte er und blickte mich nachdenklich an. Dann nahm er die Hand von mir und drehte sich wieder von mir weg.

„Hmh?“, ich blickte ihn fragend an und klimperte verwirrt mit den Augen. Doch Shiro seufzte laut, wischte sich mit seiner Hand durch die Haare und ließ sich nach hinten auf den Rücken fallen. „Arghhh..“, verärgert lag er da und legte eine Hand vor sein Gesicht. „Ich hasse es, wenn Deeon Recht hat..“, flüsterte er leise vor sich hin.

Ich kniete mich neben ihn. „Was? Was meinst du?“, fragte ich neugierig. Doch Shiro ließ seinen Arm verzweifelt neben sich fallen und blickte zu mir auf. „Ach… das… kann ich dir nicht erklären..“, zögerte er seine Gedanken auszusprechen und lächelte lieb. Ich konnte mir vorstellen, dass es eine Sache zwischen Deeon und Shiro war, die wir sowieso niemals verstehen würden. Er wollte es mir nicht erzählen, das respektierte ich. Also kicherte ich ihm einfach nur zu.

Danach legte ich mich neben ihn, und kuschelte mich vergnügt an ihn. „Hmh.. hihi.“ Shiro sah mich fragen an. „Was..?“, kam es verwundert von ihm. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter, meine Hand auf seine Brust und lehnte mich an ihn. Ich freute mich, wenn Shiro zu verlegen war etwas zu sagen. Das zeigte mir wieder die Menschlichkeit in ihm. „Ach.. nichts nichts.“, kicherte ich ihn an.

Nun lag Shiro doch endlich neben mir und ich musste es ihm nicht mal gestehen.

Schweigend lagen wir also da und genossen die Ruhe. Ich mochte seine Nähe. Sobald Shiro bei mir war, konnte ich mich beruhigen. Ich konnte mich entspannen. Es war das, was mir zum Einschlafen fehlte. Müde schloss ich die Augen und ruhte mich aus. Mein Körper wurde schwer. Meine Atmung wurde langsam. Ich mochte es so sehr, bei ihm zu liegen. Träumend dachte ich über unsere Worte nach.

„Shiro..?“, flüster ich ihm leise zu. „Hmh?“ „Würdest du mir die Narbe am Rücken heilen?“, fragte ich ihn. Ich wollte nicht mehr an die Vergangenheit denken. Ich wollte nicht mehr an meinen Großvater denken und meine Kaputte Familie, wenn ich diese Narbe sah. Ich wollte mich nicht mehr unwohl fühlen, sobald ich daran dachte. Ich wollte die Narbe verschwinden lassen, genau wie meine traurigen Gedanken an früher.

Shiro legte seinen Arm sanft um mich und drückte mich an sich. „Sehr gerne.“, antwortete er mir leise. Dann lehnte er seinen Kopf an meinen. Mit diesem glücklichen Gefühl schlief ich in seinen Armen ein.
 

Es war leise. Mein Körper war beruhigt und schwer. Trotz meiner immer wiederkehrenden Gedanken die mich belasteten, schaffte ich es, neben Shiro Ruhe zu finden. Ich schlief tief und fest bis zum nächsten Morgen. Neben ihm wollte ich einfach alles vergessen. Und genau das tat ich auch.

Als ich allmählich zu mir kam wurde mir klar, dass ich lange geschlafen haben musste. Ich erinnerte mich nur noch, dass ich neben Shiro eingeschlafen war. Doch ich bemerkte, dass ich nunmehr auf etwas weichem lag, statt auf dem harten Holz. Dazu fühlte ich eine weiche dünne Decke über mir. Ich wusste, dass ich nicht bei bei Shiro auf der Veranda liegen konnte.

Kurz packte mich die Panik. Ich öffnete die Augen weit und blickte auf mein Bett indem ich plötzlich lag. Während ich meinen Oberkörper aufrichten wollte, bemerkte ich jedoch einen leichten Widerstand auf mir. Verwundert verharrte ich in dieser Position und schaute ich neben mich. Eine Hand lag auf der Decke. Ich blickte an ihr entlang, den Arm hinauf bis zu dem Körper. Dann entdeckte ich Shiro hinter mir liegen.

Überrascht hielt ich die Luft an und presste meine Lippen aufeinander. Ehe ihn eine hastige Bewegung von mir weckte, beobachtete ich ihn starr. Er lag entspannt neben mir und schlief tief. Dieser Anblick beruhigte mich. Liebevoll musste ich lächeln und atmete ruhevoll aus. Mein Herz klopfte laut. Laut und aufgeregt. Jedoch nur aus Freude. Tief in meinem Inneren hegte ich den heimlichen Wunsch, Shiro neben mir liegen zu sehen.

Meine Wangen erglühten leicht vor Scham als ich ihn dort liegen sah. Dabei wirkte er so ruhig und glücklich. Er atmete langsam ein und aus. Dieser Anblick machte mich einfach glücklich. Shiro machte mich glücklich. Seine Nähe machte mich glücklich. Doch am meisten machte mich glücklich, dass er seine Zeit mit mir teilte. Ich mochte es, wenn er mir seine sanfte Art anvertraute, seine ruhige und liebliche Seite, die er nur selten zeigte. Auch wenn ich es nicht gut heißen konnte, dass er vor den anderen stets stark wirken wollte, beglückte es mich umso mehr, dass er mir wohl als einzige sein friedliches Wesen zeigte.

Vorsichtig drehte ich mich zu ihm und legte mich in seinen Arm. Still lag er mir gegenüber und schlummerte beruhigt. Verträumt blickte ich ihn einen Moment lang an. Seine Haare lagen ihm etwas im Gesicht, seine linke Wange drückte sorgenlos auf das Kissen und seine Lippen waren nur ganz zart geöffnet, während er leise atmete. In diesem Moment war mich nichts wichtiger, als bei Shiro zu sein. Als ich ihn verträumt beobachtete, legte ich meine Hand vorsichtig auf seine Schulter und streichelte sanft mit meinen Fingerspitzen über seine kalte Haut. Seine Schultern waren breit, seine sonst ständig angespannten, muskulösen Arme lagen entspannt vor ihm und eine Hand ruhte auf meiner Seite. Als ich meine Finger langsam an seinem Arm herunter gleiten ließ, weckte es ihn sanft.

Ich bemerkte wie seine Atmung wacher wurde und seine Muskeln sich anspannten. Überrascht nahm ich meine Hand zurück und lehnte mich etwas zurück. „Hmh.. Shiro?“, sagte ich leise. Doch er hatte seine Augen noch immer geschlossen. Dann lächelte ich mitfühlend. „Stehst du mit mir auf?“, fragte ich ihn nun zurückhaltend. Langsam öffnete er seine verschlafenen Augen zu kleinen Schlitzen. Müde seufzte er kurz. „Ich will nicht.“, nuschelte er leise und schloss wieder die Augen.

Vergnügt stemmte ich mich auf und lächelte ihn an. „Na gut, dann stehe ich alleine auf.“, erklärte ich. Doch er faste meine Hand und zog mich zu sich. „Nein..“, hielt er mich auf und umschlang mich mit seinen Armen. Dann zog er mich schweigend an sich.

Widerstandslos ließ ich mich von ihn umarmen aber musste und blickte ihn verblüfft am. „Was ist denn?“, fragte ich und lehnte mich auf meinen Ellbogen. Er versuchte aber meinem Blick auszuweichen und sah nachdenklich weg. Dabei schwieg er und wollte meine Frage nicht beantworten.

„So kenne ich dich ja gar nicht.“, kicherte ich und versuchte ihn aufzuheitern. Doch er drehte sich nun von mir weg und legte sich auf seinen Bauch. Dabei drückte er sein Gesicht seitlich in das Kissen. „Ich… will einfach nicht aufstehen..“, knurrte er wieder und beharrte darauf, liegen zu bleiben. Doch er wirkte so mürrisch. Also wollte ich ihn aufmuntern.

Ich kuschlte mich mich ganz nahe an ihn, legte meine Hand auf seinen Arm und lächelte. „Dann bleibe ich auch liegen.“, grinste ich. „Ich bleibe einfach immer bei dir.“ Sprachlos über meine Antwort, blickte er aufgewühlt zu mir. „Yuki..“, flüsterte er leise.

Shiro wirkte nun so ernst. Langsam begann ich mich zu sorgen. Warum war er an einem so angenehmen Morgen so negativ gestimmt? Warum war er so nachdenklich. Woran dachte er?

„Was ist denn?“, fragte ich ihn besorgt. Shiro sah mich einen Moment schweigend an. Dann atmete er tief aus. „Yuki.. ich..“, begann er. Dann zog er seinen Arm unter meiner Hand weg und legte seine Hand auf meine. „Ich weiß nicht, was ich tun soll…“, bat er plötzlich unterschwellig um Hilfe. Ich war überrascht. Was wollte er mir damit sagen? „Was musst du denn tun?“, kam es nun von mir.

Doch statt weiter zu sprechen, lehnte er sich weiter in das Kissen und blickte grübelnd weg. Verwirrt setzte ich mich nun auf. „Shiro. Was ist denn? Du weißt doch, dass ich dir helfe.“ Doch er drehte seinen Kopf auf die andere Seite und atmete schwer aus. „Dabei kannst du nicht helfen..“, seufzte er entkräftet. Neugierig legte ich meinen Kopf schief. „He. Das kannst du doch gar nicht wissen. Sag es mir doch erst. Dann sage ich dir, ob ich helfen kann.“

Doch ich stieß nur auf sein stures Schweigen. Er lag da und hatte sich etwas von mir abgewandt. Was war es, das ihn so beschäftigte? Was war es, das er mir nicht sagen konnte?

Ich runzelte kurz die Stirn, dann hob ich eine Augenbraue. „He..!“, kam es fordernd aus meinem Mund. Ich lehnte mich über ihn und legte mich auf seinen Rücken. Dabei versuchte ich in sein Gesicht zu blicken, welches er von mir wegdrehte. „Shiro. Jetzt bin ich neugierig!“, schmunzelte ich und blieb auf ihm liegen.

Doch er war noch immer nachdenklich und blieb mürrisch. „Hmmh…“, knurrte er zurück und drehte die Augen weg. Vergnügt begann ich auf ihm zu wippen. „Sag. Los.“, nervte ich ihn. Unbeeindruckt sah er über seine Schulter zu mir. „Fang nicht wie Kitsune an.“, grummelte er und versuchte noch immer seine Sorgen zu verschließen.

Doch ich grinste breit. „Hmh. Ich glaube nicht, dass du grob zu mir werden würdest, wie du zu Kitsune bist.“, sagte ich selbstsicher und hob einen Finger erklärend. Plötzlich bewegte er sich schnell zu mir. Er drehte sich rasch, griff mich an den Schultern, drehte mich auf meinen Rücken und lehnte sich über mich.

Es geschah so schnell, dass ich einen Moment nicht realisierte, was geschehen war. Plötzlich sah ich ihn über mir. Er hielt mich fest und blickte zu mir herab. Überrascht hielt ich die Luft an und blickte mit großen Augen zu ihm. „Hmgh!“, Verdattert presste ich meine Lippen aufeinander. Shiro sah mich mit einer arroganten aber lieben Miene an. Unsere Blicke trafen sich still. Dann grinste er gelassen mit einem Mundwinkel. „Das würde ich tatsächlich nicht..“, antwortete er und lehnte er sich zu mir herunter. Schließlich hauchte er mir einen zarten Kuss auf die Stirn. Perplex schloss ich die Augen und zuckte etwas zusammen.

Der Kuss war kalt. So kalt sie Shiros Körper, der sich vertraut über mich lehnte. So kalt wie seine Arme, die sich neben meinem Körper vom Bett drückten. Diese Kälte. Ich mochte sie so sehr.

Durch diesen eisigen Kuss begann jedoch mein Körper zu glühen. Meine Wangen erröteten, mein Herz pochte schneller. Wie erstarrt lag ich unter ihm und konnte mich nicht bewegen. Mein Bauch begann zu kribbeln. Shiro war mir so nah. Wieso wurde ich nervös? Wieso konnte ich mich nicht bewegen, sobald er mir so nahe kam? Gerade noch lehnte ich mich verspielt über ihn, doch sobald sich die Rollen tauschten, war mein Körper bewegungslos und mein Mund stumm.

Doch die wichtigste Frage die ich mir stellte war, ob Shiro sich genau so fühlte wie ich mich fühlte.

Als er sacht meine Hände faste und sie auf das Bett drückte, öffnete ich meine Augenlieder wieder und blickte in seine hellen Augen. Wir sahen uns einen Moment lang schweigend an.

Was dachte er gerade, als er mich ansah? Und was dachte ich? Ich blickte ihn an und wollte, dass er mir näher kommt. Ich wünschte, dass sich diese letzte, dünne Distanz zwischen uns auflöste und hoffte, dass er das gleiche dachte.

Wäre nun der richtige Zeitpunkt, ihm die Kette zu schenken? „Shiro…“, sagte ich verlegen und blickte errötet weg.

Plötzlich hörte ich eine laute, schrille Stimme aus dem Flur erklingen. „SHIROOO.“, rief Kitsune erschöpft durch das Haus und lief die Treppe torkelnd hinauf. „Shiro! Aufstehen! Yuki! Wach werden.“, wollte sie uns rabiat wecken. Oben angekommen, hörten wir zuerst Shiros Zimmertür, welche laut aufgerissen wurde. Daraufhin folgte ein leises. „Hä?“

Shiro und ich sahen erschrocken zur Tür. Sofort drehte Shiro sich weg, rollte sich geschickt über das Bett und stand rasch auf. Im gleichen Augenblick, öffnete sich die Tür zu meinem Zimmer. „Yukiii! Aufstehen.“, quietschte Kistune mit lauter Stimme und blickte herein. Kindisch hob sie ihre Hand. „Na Yuki? Gut gesch… oh?“, als sie jedoch Shiro am Bett stehen und mich wach im Bett sitzen sah, hielt sie einen Moment inne. Ich sah, dass sie zwar so lebendig wie immer war, ihr Gesicht jedoch dunkle Augenringe aufgrund der Nacht zuvor trug.

Nachdem sie erst mich anstarrte und ihr Blick dann zu Shiro wanderte, breitete sich ein frechen Grinsen auf ihrem Mund. „Ach so ist das.“, sagte sie und legte ihre Ohren verdächtig an. Ich riss meine Augen auf. „Hmh? Was?“, fragte ich ertappt lächelnd. Doch Shiro unterbrach uns. „Kitsune. Was willst du?“, fragte er mit seiner genervten und ernsten Art. Er stand am Bett und überkreuzte seine Arme ineinander ohne sich anmerken zu lassen, dass ihm die Situation überrumpelte. Doch Kitsune ging einen Schritt zurück, wedelte witzelnd mit ihrer Hand und wollte die Tür wieder schließen. „Ach. Ist schon ok. Deeon kann warten. Lasst euch nicht stören.“, grinste sie breit und machte noch einen letzten Blick in den Raum.

Doch schnell lief Shiro zur Tür und riss sie wütend wieder auf. „Kitsune!“, ermahnte er sie mit leicht erröteten Wangen und blickte auf sie herab. Gleichzeitig lief Kisho den Flur entlang.

„Hey Kitsune!“, meinte er als er an ihr vorbeilaufen wollte. „Was hast du jetzt schon wieder gemacht?“, fragte er sie. Dabei wirkte auch er etwas müde und schlaff. Aber seine Schwester drehte sich nur mit einem Grinsen und einem Schulterzucken zu ihm. „Ich habe gar nichts gemacht.“, meinte sie und deutete in das Zimmer.

Müde sah er nun Kitsune an, dann schaute er ihrem Blick in das Zimmer nach. Dort sah er mich auf dem Bett sitzend. Schließlich wanderte sein Blick zu dem wütenden, leicht erröteten Shiro, der aufgebracht in der Tür stand und den Türgriff festhielt. Es dauerte einen Moment, doch dann hob Kisho die Augenbrauen und nickte ihr zu. „Oooh! Achso… Ja dann. Komm, lassen wir die beiden in Ruhe.“, meinte Kisho und faste seine Schwester an der Schulter.

Shiro erstach beide nur noch mit seinem hassenden Blick und schlug die Tür vor ihnen zu. Wütend ballte er die Faust und biss die Zähne aufeinander, doch dann seufzte er, beruhigte sich allmählich und wischte sich durch seine Haare. Mir noch immer den Rücken zugewandt dachte er kurz nach.

Unwissend über das, was passiert war, richtete ich mich nun auf und setzte mich an die Bettkante. „Was ist denn los?“, fragte ich. „Was wollte Kitsune?“ Shiro drehte sich zu mir und deutete aus dem Zimmer. „Deeon wartete auf mich. Ich.. werde mal zu ihm gehen..“, erklärte er schnell und öffnete wieder die Tür. Bevor er jedoch ging, wartete er auf meine Antwort. Zögerlich faste ich an die kleine Tasche meiner Kleidung, in der noch die Kette lag. „Ehm. Ok. Mach das.“, antwortete ich zurückhaltend. Shiro nickte mir noch schnell zu, lief auf der Tür und schloss sie vorsichtig wieder hinter sich.

Nun war ich alleine. Ich ärgerte mich und blickte ihm nachdenklich hinterher. „Ich.. wollte ihm doch die Kette schenken.“, sagte ich betrübt und blickte herab. „Das… war wohl nicht der richtige Augenblick…“, sprach ich mir zuletzt bekümmert zu.

Als nächstes, schaffte auch ich es, meinen Körper aufzuraffen und aufzustehen. Ich griff mir die Kette, lüftete das Zimmer, schüttelte meine Decke ordentlich auf, nahm mir neue Kleidung und lief zielgerichtet aus meinem Zimmer. Zunächst ging ich in das große Bad, ließ meine Kleidung fallen und stellte mich unter die Dusche.

Ich wollte den Tag erholt und gut gelaunt starten. „Hach.. das tut gut..“, stöhnte ich leise und ließ das warme Wasser auf mein Gesicht tropfen. Es war erfrischend und wohltuend. Meine Sorgen versuchte ich damit einfach zu umgehen und konzentrierte mich auf das warme Wasser. Ich versuchte nicht an Shiro zu denken. Ich versuchte meine Gedanken auf etwas anderes zu lenken. „Was wohl Heute auf mich zukommt?“, fragte ich mich leise und glitt mir durch mein Haar. „Was Shiro wohl jetzt macht..?“, fragte ich. Doch ich ertappte mich selber dabei, wie meine Gedanken nur bei ihm waren. Ich kniff die Augen zu und schüttelte den Kopf. „Nein. Nein… Denk doch mal an etwas anderes Yuki..“ Sprach ich mir selber zu und richtete mich wieder dem Wasser. Ich bemerkte, wie die Wärme meinen Körper weckte. „Hmh. Ich werde mal nachsehen, was die anderen so treiben. Vielleicht gehen wir ja wieder in die Stadt?“, spielte ich mit den Gedanken und streifte über meinen Bauch, meinen Schultern, den Armen und meinem Rücken. „Ob Shiro mitkommt?“, fragte ich mich selber. Aber verärgert wandte ich mich der Wasserregler. „Argh! Das nervt!“, ärgerte ich mich selber und biss die Zähne aufeinander. Doch bevor ich das Wasser wieder ausdrehen wollte, blieb ich verwundert stehen. Denn ich fühlte etwas Ungewohntes an meinem Rücken. Etwas fehlte.

„Meine.. Narbe?“, sagte ich erstaunt und wischte mit meiner Hand über meine Haut am Rücken. Ich versuchte sie mehrmals zu erfühlen doch sie war verschwunden.

Noch unter dem Wasserstrahl stehend, lehnte ich mich an die Wand und blickte nachdenklich herab. „Shiro..“, sagte ich leise und musste verlegen lächeln. „Danke..“, flüsterte ich in den Raum. Denn er hatte meine Narbe geheilt. Er hatte mir einen Gefallen getan und mir diesen Wunsch erfüllt. Er hat mir geholfen, nicht mehr an die Vergangenheit zu denken. Er hat mir gemeinsam einen nächsten Schritt in die Zukunft gewagt.
 

Nachdem ich mich abtrocknete und ankleidete, lief ich mit nassen, offenen Haaren aus dem nebligen Bad heraus. Etwas Wasserdampf folgte mir heraus und stieg an die Decke. „So. Jetzt bin ich wieder sauber.“, sagte ich und lief glücklich in den Wohnraum.

Als ich hinein trat, war jedoch niemand zu finden. In der Mitte stand lediglich der kleine Kaffeetisch mit einer kleinen Vase. „Hmh? Wo sind denn alle?“, fragte ich und blickte umher. In der Küche war niemand, im Nebenzimmer auch nicht. Als ich mich nun in Richtung Garten bewegte, vernahm ich Geräusche von dort. Es waren angestrengte und schnelle Geräusche. Verwundert trat ich also zur Tür und trat heraus.

Als ich auf der Veranda stand, traute ich meinen Augen nicht. Ich blieb angsterfüllt stehen und starrte auf den breiten Rasen, neben der Wasserquelle. „Was.. geht hier vor?!“, fragte ich panisch und legte meine Hand schockiert vor meinen Mund.

Deeon und Shiro kämpften gegeneinander. Es war ein mächtiger und schneller Kampf. Shiro wich gerade einem Tritt von Deeon mit einem Sprung nach hinten aus. „Was soll das?!“, fragte ich aufgebracht und lief mit raschen Schritten vor. Ich konnte nicht fassen, was ich sah. Ich dachte, der Streit zwischen den beiden hätte sich gelegt. Ich dachte, dass wir alle zusammen halten würden. Ich dachte, dass sie sich vertragen hätten.

Sie bewegten sich schnell. Ein rasanter Schlag, gefolgt von einem noch schnellerem Tritt von Deeon, Shiro wich zurück, drehte sich geschickt und versuchte Deeon die Beine weg zu treten. Deeon sprang jedoch mit einem wuchtigen Sprung weg und sprintete wieder auf ihn zu. Daraufhin folgte ein senkrechter Schlag. Shiro rollte sich zur Seite und griff mit einem Frontalhieb nach oben an. Deeon hielt seine Arme schützend vor sich und wehrte diesen Schlag ab. Dann ging der Kampf blitzartig weiter. Diese Wucht hinter den Hieben war beängstigend. Warum kämpften sie plötzlich gegeneinander? Was war nur geschehen? Mein Körper war starr, als ich sie kämpfen sah. „Warum?“, fragte ich leise und starrte sie mit ängstlichen Augen an.

„Oh Yuki. Du bist auch endlich wach.“, hörte ich Kitsune gelassen von der Seite sagen, die sich mir belanglos näherte. Ich drehte mich erschrocken zu ihr. „Kitsune!“, sagte ich laut. „Was ist passiert?! Wieso bekämpfen sie sich?!“, fragte ich laut und deutete auf Deeon und Shiro. Kitsune lächelte mir zu und wedelte mit der Hand in der Luft. „Ach keine Sorge. Die trainieren nur.“, erklärte sie.

„Trainieren?“, fragte ich aufgelöst und ließ die Schultern sinken. „Ja genau. Deeon meinte, dass Shiro zu schwach wäre. Das wollte Shiro nicht auf sich sitzen lassen und wollte ihn vom Gegenteil überzeugen. Ist spannend oder? Ich glaube, Shiro gewinnt! Denn Shiro gewinnt immer!“, kicherte sie und wedelte mit ihrem Fuchsschwanz. Dann lief sie an mir vorbei. „Ich hole uns Tee. Setz dich ruhig schon mal.“, sprach sie mir zu und deutete auf die Veranda. Sprachlos sah ich ihr hinterher.

„Sie.. trainieren nur…“, wiederholte ich erneut und drehte mich wieder zu ihnen.

Nun erkannte ich, dass hinter ihren Schlägen zwar eine gefährliche Wucht stand, ihre Gesichter jedoch Ehrgeiz und Freude ausstrahlten. Dazu führten sie den Kampf ganz ohne Waffen. „Training…“, sagte ich ein letztes Mal, realisierend, was das bedeutete.

Ich war grundlos besorgt. Shiro und Deeon hatten sich ausgesprochen. Die Feindseligkeit war überwunden. Dennoch wäre es Shiro mit seinem Temperament zuzutrauen, dass er sich wutentbrannt in einen tödlichen Kampf gegen Deeon stürzte. Dies war aber nun nicht der Fall.

Fasziniert von ihren Bewegungen, Techniken und Angriffen, setzte ich mich gespannt an die Veranda und ließ meine Beine hinunter hängen. Sie wirkten sehr konzentriert. Ihre Bewegungen waren beinahe kaum zu erkennen und von ihren Stimmen erklangen lediglich kurze Angriffsschreie.

Beruhigt, beobachtete ich Shiro, wie er geschickt mit verschiedenen Haltungen Deeons Schläge abhielt und schließlich mit einem heftigen Gegenschlag konterte.

„Ob Shiro wohl wirklich gewinnen würde?“, fragte ich mich leise. Er war schnell und stark. Doch Deeon war ihm ein ebenbürtiger Gegner.

Nun bemerkte ich Kisho neben mir stehen. „Und, wer wird gewinnen, was glaubst du?“, fragte er mich grinsend und setzte sich neben mich. Aber ich schüttelte den Kopf. „Ach. Ich.. bin für keine Seite. Es ist ja nur ein Training.“, log ich lächelnd und beobachtete den Kampf weiter. Eigentlich hoffte ich, dass Shiro gewinnen würde.

Gelassen lehnte Kisho sich zurück, an den Pfosten. „Hmh. Würde Shiro das hören, wäre er bestimmt traurig.“, erwähnte er nebensächlich und sah gemütlich dem Kampf zu.

Sofort richtete ich mich verwundert zu ihm. „Was? Wieso?“, fragte ich erschrocken. Doch statt mir zu antworten, lehnte er sich grinsend zu mir und stupste mich mit dem Ellenbogen an. „Hast du ihm schon die Kette gegeben?“, fragte er mich.

Errötet wich ich seinem Blick aus. „Ehm.. ich.. nein.“, stotterte ich und kratzte mich an der Schläfe. Dabei dachte ich an den Morgen, als Shiro über mir im Bett lag. Ich hatte zwar den Willen ihm das Geschenk zu überreichen, doch wurde dabei unterbrochen. Ich errötete nur noch mehr und legte meine Hände verlegen auf meine Wangen als ich an seinen Kuss dachte. „Hmmmghhh..!“ Mein Gesicht lief rot glühend an. Ich versuchte meine Aufregung hinter meinen Händen und einem unauffälligen Blick zur Seite zu verstecken.

„Warum nicht?“, kam es nun interessiert von Kisho. Dabei lehnte er sich zu mir und stützte sich auf seinem Knie ab. Die Frage zog mich aus meiner Träumerei und ich blickte nachdenklich zu Boden. Dabei bemerkte ich, wie ich die ganze Zeit nervös mit meinen Beinen schaukelte. Warum hatte ich ihm die Kette noch nicht gegeben? Warum fühlte ich diese Angst in mir, wenn ich daran dachte? „Ich.. weiß nicht.“, antwortete ich ihm zögerlich.

„Yuki.“, sprach Kisho auffordernd. „Hmh?“, fragend richtete ich mich zu ihm. Er hatte seinen Blick auf die beiden Kämpfenden gerichtet und meine Nervosität gar nicht weiter beachtet. „Du magst Shiro doch, oder?“, fragte er mich direkt. Erschrocken wich ich etwas zurück und hob die Hand. „Eh! Was?!“

„Er ist dir wichtig, oder?“, fragte er als nächstes. Ich riss die Augen auf. „… Warum.. fragst du?“, stellte ich ihm als Gegenfrage in der Hoffnung, vom Thema abzulenken. Mein Herz begann immer stärker zu klopfen. Worauf wollte Kisho hinaus? Warum fragte er mich das alles?

Kisho blickte in die Ferne und lächelte sanft. „Du hast Angst, dass deine Gefühle von ihm nicht erwidert werden, oder? Dass er sich nicht in dich verlieben würde.“, sprach er ernst und richtete sich schließlich geduldig zu mir.

Sprachlos blickte ich zu ihm. Ich sah ihn mit weit aufgerissenen Augen, offenem Mund, roter Miene und einer erschrockenen Haltung an. Mein Herz blieb stehen. Mir wurde so warm. Es fühlte sich schwer an, zu atmen. Doch es fühlte sich an, als würde ein Vorhang fallen. Als wenn mir ein schwerer Stein von meinem Herzen genommen wurde. Dennoch ließ mich die Wahrheit erstarren. Kisho hatte Recht. Ich wollte es mir nie eingestehen, doch ich hatte mich in Shiro verliebt. Ich wusste nicht, wie lange ich bereits diese Gefühle verschleierte doch sie wurden immer stärker.

Statt mich zu freuen, versetzte es mich jedoch in eine einsame Trauer.

Ich konnte Kisho nicht antworten. Doch mein Schweigen war ihm Antwort genug. Schüchtern zog ich meine Beine ran und umgriff diese mit meinen Armen. Dann legte ich meinen Kopf auf meine Knie und seufzte. „Es.. fühlt sich so schwer an..“, antwortete ich ihm nun ehrlich. Ich wollte mich nicht mehr anlügen. Ich wollte es endlich sagen können. Doch diese Gefühle, denen ich schwere Ketten anlegte, wurden nun gefunden und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Nachdenklich sah ich auf und beobachtete Shiro beim Kampf. „Ich.. Ich bin doch nicht gut genug… Was bin ich schon? Doch nur so ein schwacher, feiger Mensch.“, erzählte ich ihm traurig und blickte weg. Es schmerzte, meine Sorgen zu gestehen.

Shiro genoss ein solch hohes Ansehen. Er war stark, er war mutig und er war charmant. Er war stur und grob, aber liebevoll und ehrlich. Er war so emotional, dass es mich zerriss, ihn leiden zu sehen. Er war attraktiv und eingebildet, aber konnte doch zahm wie ein Welpe sein. Er war loyal, klug und mächtig. Er wusste sich stets zu helfen und konnte alles erreichen, was er sich in den Kopf setzte. Er spielte in einer ganz anderen Liga als alle anderen um ihn. Er war so vieles, das ich nicht war. „Jemand besseres würde eher zu ihm passen..“, sagte ich leise. „Du meinst, jemand wie Bastet?“, fragte Kisho und hob eine Augenbraue. Ich drehte mich überrascht zu ihm. „Was? Du.. kennst sie?“, stotterte ich aufgelöst. Aber Kisho begann zu grinsen. „Nein. Aber du hast mir von ihr erzählt!“, antwortete er gelassen. „Als du ein weeenig benommen warst, hast du ein weeenig seltsames Zeig geredet.“, erklärte er und deutete mit seinem Finger und seinem Daumen etwas Kleines an. „Du hast total unter dem Gedanken gelitten, dass Bastet viel besser sein würde als du, weil sie viel hübscher ist und stärker und so.“, meinte er und lehnte sich wieder an den Balken.

Peinlich berührt legte ich meinen Kopf wieder auf die Knie. „Oh…“, kam es leise von mir und spielte nervös an meiner Kleidung. Kisho zuckte mit den Schultern. „Ich kenne Bastet nicht. Und es könnte sein, dass sie hübsch ist. Und stark und dass sie mehr kann als du.“, sprach er weiter. Seine Worte stachen in mein Herz. Denn er zählte all das auf, indem Bastet besser war als ich. Doch dann faste er mich an der Schulter. „Yuki.“, sagte er tröstend. „Vielleicht ist sie das in deinen Augen, aber bestimmt nicht in seinen Augen.“

Überrascht blickte ich ihn an. Wovon sprach er?

„Also, ich kenne Shiro ja schon lange..“, begann er zu erzählen und lehnte sich wieder gemütlich an. „Und ich weiß, dass ihm noch nie jemand so wichtig war wie du.“, sagte er mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen.

Fassungslos von seinen Worten, sah ich ihm mit starrem Blick an. Meine Augen funkelten, erfasst von seinen warmherzigen Worten. Nun zwinkerte er mir zu. „Und ich weiß, dass du in seinen Augen, neben Bastet in allen Kategorien gewinnen würdest. Wenn sie ein funkelnder Stein ist, bist du ein Diamant.“

Schüchtern drückte ich meine Beine näher an mich und wusste nicht, was ich sagen sollte. Es verschlug mir die Sprache. Was er sagte, machte mich glücklich, dennoch konnte ich ihm nicht glauben. „Danke Kisho.. Aber..-“ „Kein Aber!“, unterbrach er mich und hob den Finger. „Glaubst du mir etwa nicht? Oh Yuki! Das finde ich nicht nett! Ich sage nur die Wahrheit.“, jammerte er überspitzt. Ich wusste, dass Kisho mich trösten wollte. Dennoch war mir klar, dass ich nur ein einfacher Mensch war, uninteressant für jemanden, der alles haben konnte.

Plötzlich rückte Kisho näher neben mich und flüsterte mir zu. „Ich beweise es dir.“, lächelte er und beugte sich vor. „W.. was?“, fragte ich zögerlich. Doch er setzte sich tuschelnd neben mich. „Wenn ich es dir beweise, schenkst du Shiro die Kette!“, forderte er heimlich.

Jetzt versteckte ich mein Gesicht noch weiter hinter meinen Knien und sah betrübt weg. „Kisho.. warum musst du mich damit jetzt aufziehen…?“, fragte ich ihn deprimiert. Aber er lehnte sich nun sicher vor um mir in die Augen zu blicken. „Yuki! Ich zeige es dir! Ich zeige dir, dass du ihm wichtig bist. Ich zeige dir, dass du deine Gefühle nicht verstecken solltest! Ich zeige dir, dass du ihm wichtiger bist, als in diesem Kampf zu gewinnen. Und wir wissen ja alle, wie Shiro verlieren hasst.“, plapperte er schnell und leise. Dann stupste er mich mit seiner Schulter an. „Und wenn ich gewonnen habe, musst du Shiro die Kette schenken!“

Nachdenklich verzog ich mein Gesicht. „Ich weiß nicht..“ Aber Kisho lachte nur. „Ok! Wette angenommen!“, und griff mich freudestrahlend am Arm. „Hey!“, moserte ich laut und versuchte mein Gleichgewicht auf der Kante der Veranda zu halten. „Das habe ich gar nicht gesagt!“, meinte ich verärgert und riss mich von ihm los.

Plötzlich umarmte Kisho mich aufgedreht glücklich und drückte mich fest an sich. „OH YUKI!“, sagte er laut und umklammerte mich fest. Dabei kuschelte er sein Gesicht an meines. „OOHHH Du bist ja soooo süß! Ich liebe es, wenn du so niedlich bist! Oh meine süße Yuki!“

Ich versuchte nach Luft zu ringen. „Argh. Was.. soll das?“, fragte ich ihn verwirrt. Doch als ich mich von ihm drücken wollte, blickte ich in die Ferne zu Shiro. Er hatte uns wohl bemerkt und sah aufmerksam zu uns. Deeons Schläge zu kontern gelang ihm nur noch schwer. Statt seinen Gegner anzugreifen, wich er lediglich nur noch den Angriffen aus. „Hey!“, moserte er, von Deeon weg springend und richtete sich zu uns. Dabei konzentrierte er sich nicht mehr auf den Kampf. Eifersüchtig versuchte er abwechselnd zwischen Deeons Schlägen und Kishos Annäherungsversuch an mich zu blicken. Seine Technik wurde unruhig, das Ausweichen wurde langsamer.

„Hach. Hihihi Yuki!“, kicherte Kisho lautstark. Nun blieb Shiro nur noch stehen und wehrte die Schläge mit seinen Armen ab, statt auszuweichen. „Hey!“, rief er erneut und sah zu uns.

„Kisho, was soll das?“, fragte ich ihn leise. Aber er grinste nur und umarmte mich. „Spiel einfach mit!“, antwortete er ebenso flüsternd. Plötzlich faste Kisho mich an den Schultern und drückte mich auf den Rücken. Dabei kicherte er lautstark. „Kisho?!“, fragte ich nun. Aber er lehnte sich über mich und zwinkerte mir zu. „Hihi. OH du bist SO niedlich!“, kam er erneut von Kishos auffälligen Stimme.

Geschockt starrte Shiro zu uns und ließ die Arme fallen. „KISHO!“, schrie er wütend mit hassendem Blick. Dann wollte er auf uns zu rennen. Dabei übersprang er Deeon Kick und wich ihm aus. „Kisho!“, wiederholte er aufbrausend. Doch in diesem Augenblick, griff Deeon seinen Arm. „Hier geblieben!“, rief Deeon, zog Shiros Arm zu sich, trat ihm die Beine weg und schmiss ihn mit einer schnellen Bewegung zu Boden. Mit einem lauten Rumpeln, lag Shiro nun besiegt am Boden. „Gewonnen.“, sagte Deeon schwer atmend und blickte triumphierend zu ihm herunter.

Nun ließ Kisho mich los. „Siehst du.“, sagte er selbstsicher und zeigte auf den besiegten, am Boden liegenden, erschöpften Shiro. Gleichzeitig überrascht von Kishos seltsamen Verhalten und sprachlos über Shiros Niederlage, klimperte ich einige Male mit den Augen. „Aber… was.. wieso.. woher.. wusstest du..“, stotterte ich und sah hin und her.

Aber Kisho stand nun auf. „Hmh. Ich habe gewonnen. Du musst ihm jetzt die Kette schenken.“, grinste er mich an, richtete seine Kleidung und zwinkerte mir zu. Doch ich drehte mich schnell zu ihm um. „Kisho! Aber…“, ich sah ihn erstaunt an.

Aber Kisho stellte sich in die Tür und blieb gelassen stehen. „Yuki… selbst ein Blinder würde merken, dass er nur Augen für dich hat. Und du nur für ihn.“



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