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Freundschaftsbeweise

von

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5.

Ino schlug auf den Boden auf und als sie ein Stück zurück geschleift wurde, fühlte sie, wie die spitzen Steinchen die Haut ihres Oberarmes aufrissen. Der Schmutz in den schmalen Wunden brannte, doch sie war viel zu sehr damit beschäftigt, das zu verstehen, was gerade passierte.

Kankurous fester Griff löste sich und sie sah einen hellen Schemen, der an ihr vorbei huschte.

Geistesgegenwärtig raffte sie sich auf und beobachtete ungläubig, wie Akamaru der überraschten Temari in den Rücken sprang und zu Fall brachte.
 

»Wie hast du das –«, setzte Kankurou perplex an.

»Ich habe nur so getan, als wäre ich k.o.«, hörte sie Kibas Stimme sagen. »Und deine Kollegen hab ich schlafen gelegt!«
 

Sie fuhr sich um und erblickte tatsächlich Kiba, der den Mann, der sie gefangen genommen hatte, mit aller Kraft zu Boden drückte.
 

»Worauf wartest du noch, Ino?! Hau ab!«, schmetterte er ihr entgegen und biss vor Anstrengung die Zähne zusammen. »Verschwinde zusammen mit Shikamaru und warne die anderen!«

»Und was ist mit Naruto und Tenten?«, fragte sie verzweifelt. »Und was wird aus dir?«

Kiba grinste siegessicher. Es war ein aufgesetztes, falsches Grinsen, das wusste Ino.

»Akamaru und ich regeln das schon«, knurrte er. »Sieh zu, dass du Land gewinnst!«
 

Shikamaru sah die Schusswaffe, die Temari ihm abgenommen hatte, über den Boden schlittern. Er stürzte hinter ihr her, bevor sie über den Abhang rutschen konnte und sprintete los. Er warf einen Blick auf Kiba, der ihm zunickte, packte Ino am Handgelenk und riss sie mit sich. Sie verlor fast das Gleichgewicht, fing sich aber im letzten Moment und passte sich seiner Geschwindigkeit an, bis er sie nach einigen Metern losließ.
 

»Ist es in Ordnung, wenn wir die Vier zurücklassen?«, fragte sie, während sie den Pfad hinab rannten und die Weggabelung passierten.

»Es ist eine Anweisung des Anführers«, gab er zurück, wobei ihm selbst nicht wohl bei dem Gedanken war.
 

Die beiden hechteten an der Höhle vorbei und den schmalen Weg entlang in Richtung des Übergangs. Die Umgebung schwamm nur so an ihnen herüber, doch –

Shikamaru blieb abrupt stehen und ehe Ino reagieren konnte, zog er sie hinter den nächsten Felsen.

»Was ist los?« Sie flüsterte, da sie ahnte, dass etwas nicht stimmte.

Sein Blick verfinsterte sich. »Verdammt«, zischte er, »ich hätte damit rechnen müssen, dass sie ein paar Leute abstellen, falls es einem von uns es gelingen sollte, ihnen zu entwischen.«

»Und was machen wir jetzt?«

Er lehnte sich an und atmete tief durch. »Wir müssen an ihnen vorbei, wenn wir zurück zum Haus wollen.«

»Schon klar, aber«, sie sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, »wie sollen wir das anstellen, ohne dass sie uns bemerken.«

»Gar nicht«, entgegnete er knapp. »Wir müssen uns einen anderen Weg suchen.«

»Aber –«

»Ich weiß«, sagte er, drehte sich um und ging los. »Vielleicht gibt es weiter unten eine Möglichkeit, auf die andere Seite zu kommen.«

Ino presste den Mund zusammen. »Hat Kiba nicht gesagt, dass es keinen anderen Weg gibt?«

»Ja, das hat er«, sagte er. »Aber heißt es nicht: Viele Wege führen nach Rom?!«

Sie lachte halbherzig. »Ich hoffe, du hast Recht.«
 

Sie eilten zur Höhle zurück und hielten auf das Waldstück zu, in dem sich die rechte Seite des Pfades verlor. Von weiter oben meinte Ino, dass sie ein Winseln von Akamaru vernahm, doch sie wollte nicht daran denken, welches Schicksal ihm und den anderen bevorstehen könnte. Mit einem Kopfschütteln vertrieb sie den Gedanken und tauchte in den Schatten der Bäume ein.

Sie hielten sich rechts und tatsächlich ging es nach einem Stück deutlich bergab.
 

»Meinst du, der Weg führt hinab ins Tal?«, fragte Ino atemlos.

»Wenn wir Glück haben …«, erwiderte Shikamaru.

»Könnten wir dann nicht theoretisch in die Zombie-Horde hineinlaufen?«
 

Er stoppte und sie tat es ihm nach. Sie stützte sich an einem Baumstamm ab und rang nach Atem, bevor sie ihren Kameraden anschaute.
 

»Möglich wäre es«, antwortete er. »Aber ich denke eher nicht. Sie sind noch zu weit weg und kommen aus einer etwas anderen Richtung.«

»Eher nicht? Du weißt, wie du mir Mut machst«, bemerkte sie ironisch.

»Deshalb ist Kiba der Anführer und nicht ich«, gab er zurück und lächelte matt.

»Du warst schon immer ein Pessimist.« Sie wandte sich ab und blickte sich um. Sie konnte ein Stück des blauen Himmels zwischen den Bäumen festmachen. »Und wo lang jetzt? Es sieht mir nicht danach aus, dass es dort noch lange weitergehen wird.«

»Sehen wir trotzdem nach. Vielleicht bietet sich uns die Möglichkeit, dass wir auf schnellerem Wege ins Tal kommen.«
 

---
 

Ein tiefer Abgrund breitete sich vor ihnen aus. Er zog sich von links viele Meter, bis er rechts in ihrer Nähe in einem steilen Felsen mündete.
 

»Jetzt verstehe ich wenigstens, warum Kiba meinte, dass wir auf dieser Seite sicher vor der Horde sind«, murmelte Ino entmutigt. »Nicht mal der geschickteste Akrobat würde von dort unten hier hinauf kommen.«

»Gehen wir weiter«, sagte Shikamaru knapp. »Vielleicht haben wir bei der Biegung mehr Glück.«
 

Er wollte gerade losgehen, als zwei Vögel aufgeschreckt davonflogen. Er verengte die Augen, um besser in den Schatten des Waldes hineinsehen zu können und erkannte weiter entfernt einen Schemen, der sich bewegte.
 

»Wir müssen verschwinden«, flüsterte er. »Wir werden verfolgt.«

Inos Herz setzte einen Schlag aus. »Und wohin sollen wir gehen?«, fragte sie leise und ging in die Knie in Deckung. »Wir befinden uns in einer Sackgasse.«

»Dann verstecken wir uns und schleichen uns im richtigen Moment davon.«

»Das klingt so einfach, wenn du es sagst.«

»Vertrau mir. Ich bin ein Experte im Abhauen.« Er hockte sich ebenfalls hin und schlich in Richtung der Felswand.

Sie folgte ihm. »Dann war die Strenge deiner Mutter doch zu etwas gut, was?«

Er schmunzelte. »Sieht ganz so aus.«
 

---
 

Die Schritte waren leise und dennoch erschütterten sie Ino bis ins Mark. Sie presste ihren Körper noch enger an den Boden und versuchte, sich in Gedanken abzulenken. Damit hatte sie mäßigen Erfolg, bis sie die Person erkannte, die in gerade mal zehn Metern Entfernung stehen blieb.

Die strenge, fast schon militärische Kleidung, die störrischen, dunkelblonden Haare, der entschlossene Gesichtsausdruck. An ihrem linken Unterschenkel prangte die Bisswunde eines großen Hundes, doch sie schien sie nicht im Geringsten zu beeinflussen. Die Frau ging völlig unbeirrt ihren Weg und zuckte noch nicht einmal mit der Wimper, obwohl Akamarus Biss unglaublich schmerzen musste.

Sie blieb stehen und sah sich um. Ino hielt den Atem an und als sie sich nach einer Weile umdrehte, glaubte sie schon, dass sie das Gröbste überstanden hätten, doch …
 

»Ich weiß, dass ihr hier seid!«, rief Temari. »Wenn ihr beide nicht gleich ein paar Wurfmesser abbekommen wollt, solltet ihr besser aus eurem Versteck kommen!«
 

Ino blickte Shikamaru an und er schüttelte den Kopf. Er musste davon überzeugt sein, dass sie bluffte.

Sie verharrten in ihrer Position, atmeten so lautlos wie möglich und hofften, dass diese verrückte Frau aufgab, um woanders nach ihnen zu suchen.

Minuten vergingen, doch sie bewegte sich nicht. Sie rührte sich nicht einen Zentimeter von der Stelle und wartete geduldig darauf, dass sie sich stellten. Sie bluffte nicht. Sie wusste genau, dass sie in ihrer Nähe waren. Vielleicht nicht den genauen Ort, aber sie wusste es.
 

»Eine letzte Warnung«, begann Temari selbstsicher. Sie zog ein Kunai aus ihrer Gürteltasche und hielt es in die Höhe. »Seht ihr das hier?«, fragte sie provokant. »Es ist eine Waffe, die die Ninja früher benutzt haben. Ein Laie kann nicht damit umgehen, ich aber schon.« Sie legte eine kurze Pause ein, um das, was sie gesagt hatte, wirken zu lassen. »Und ich werde einen von euch damit treffen, wenn ich will.«
 

Ohne eine Vorwarnung warf sie das Messer. Nicht in Richtung Abgrund, nicht östlich zu der Biegung in der Ferne, nein, es kam direkt auf ihr Versteck zugeflogen.

Ino kniff die Augen zusammen und hielt ihre Arme zum Schutz vor ihr Gesicht. Wenn sich das Kunai nur in ihren Unterarm bohrte, gelang es ihr vielleicht, einen Schrei zu unterdrücken und somit ein paar wertvolle Sekunden heraus zu schlagen.

Sie hörte ein Zischen, als es in Haaresbreite an ihr vorbeiflog und sich nur Zentimeter entfernt neben ihrem Oberkörper in die Erde bohrte.
 

»Beim nächsten Mal treffe ich«, sagte Temari. »Ich würde es mir an eurer Stelle gut überlegen, ob es euch die paar Sekunden Freiheit wert sind, ernsthaft verletzt zu werden.«
 

Shikamaru zog die Waffe heraus und flüsterte: »Wenn ich dir das Kommando gebe, läufst du los – und dreh dich auf gar keinen Fall um, um nach mir zu sehen.«

»Aber –«

»Ich mach das schon«, meinte er. »Sie hatte vorhin die Gelegenheit, mich zu töten, also wird sie es jetzt vermutlich auch nicht tun.«

»Und wenn sie es doch tut?« Ino war bewusst, wie dumm sich ihre Frage anhören musste, aber es ging hier schließlich nicht um irgendjemanden, sondern um ihren besten Freund.

»Dann habe ich dir hoffentlich genug Zeit zur Flucht verschafft«, erwiderte er nüchtern und als er ihre besorgte Miene sah, ergänzte er: »Mach dir keine Sorgen. Ich folge dir auf jeden Fall!«

»Versprochen?«

Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Versprochen.«
 

Sie erhob sich langsam, er nickte ihr zu und sie sprintete los.

Temari fuhr zu ihr um und zielte mit einem weiteren Kunai auf sie, doch Shikamaru blockierte es, indem er seines warf. Es war ein Glückstreffer, das war ihm bewusst, aber dass er dieser Frau ein Schnippchen geschlagen hatte, beflügelte ihn.
 

Er stand auf und schaute sie überlegen an. »Du bist nicht die Einzige, die mit so was umgehen kann«, bemerkte er.
 

Wütend blinzelte sie ihn an, doch anstatt noch ein Wurfmesser zu ziehen, wandte sie sich von ihm ab und lief los.

Shikamaru zögerte nicht und rannte ihr hinterher. Sein erster Plan war gescheitert, aber das hieß nicht, dass er nicht noch eine andere Idee hatte.

Er sprang über umgefallene Holzstämme, schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch, um so schnell wie möglich den Abstand zu ihr zu verringern und sie so aufzuhalten. Die Schusswaffe in seinem Gürtel schlug bei jedem Schritt gegen seinen Oberschenkel. Er spielte mit dem Gedanken, sie zu ziehen, doch er wollte sie nur benutzen, wenn es keinen Ausweg mehr gab.

Immer wieder sah er Inos lange, helle Haare im dunklen Grün des Waldes hervorblitzen und das motivierte ihn zusätzlich. Sie war flink und obwohl Temaris Geschwindigkeit nicht zu verachten war, holte sie keinen Zentimeter auf. Nach und nach vergrößerte sich der Abstand, sie wurde langsamer und schließlich knickte ihr linkes Bein ein und sie kam ins Taumeln.

Shikamaru nutzte die Gelegenheit. Er warf sich auf sie, umklammerte ihre Knie und brachte sie zu Fall. Mit einem dumpfen Schlag kamen sie auf den harten Waldboden auf. Er biss sich bei dem Aufprall auf die Zunge und schmeckte Blut, aber das hielt ihn nicht davon ab, ihre Handgelenke zu fixieren und sie bewegungsunfähig zu machen.
 

Er musterte sie entschlossen. Temari gab sich Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr die Bisswunde sie beeinträchtigte, doch ihre Stirn, auf der unter normalen Bedingungen keine Spuren der Anstrengung zu sehen sein durften, glänzte vom Schweiß.

Sie setzte wieder diesen abwertenden Blick auf und fragte: »Warum erschießt du mich nicht einfach?«

»Weil die Kugeln zu wertvoll sind, um sie an dir zu verschwenden.«

Ein belustigtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. »Du traust dich wohl nicht, was?«

»Wenn du ein Zombie wärst, würde ich dich sofort kalt machen«, gab er zurück. »Aber wozu unsere Gattung noch weiter dezimieren?«

»Weil ich dich sonst umbringe?«

»Ach, tust du das wirklich?«, entgegnete er gelassen. »Oder hast du einfach nur eine große Klappe, um dein sensibles Inneres zu verschleiern, das nicht mal einer Fliege etwas zuleide tun könnte?«

Sie fuhr sich mit den Zähnen über die Unterlippe. »Tu nicht so, als würdest du mich kennen«, fauchte sie. »Du weißt nichts über mich! Wenn du mich kennen würdest, wüsstest du, dass ich dich ohne zu zögern töten würde, wenn es sein muss.«

»Und warum hast du es bis jetzt nicht getan?«, fragte er. »Du hattest mehrere Gelegenheiten dazu.«

Sie schaute zur Seite und antwortete nicht.

»Wir sind abgehauen und obwohl du uns umbringen und somit Ressourcen für deine Gruppe hättest sichern können, gibst du einem von uns die Möglichkeit zur Flucht«, fuhr er fort. »Du hättest also gleich bei deinen Leuten bleiben können, denn so bringt das gar nichts.«

»Doch«, erwiderte sie forsch, »wie wahrscheinlich ist es, wenn ich dich hier festhalte, dass es deine kleine Freundin vor uns zu eurem Haus schafft?«
 

Leider war etwas Wahres dran. Ino war zwar klug und gerissen, aber dass sie alleine unterwegs war und erst mal zum Tal finden musste, verlangsamte sie. Und außerdem …
 

»Und täusche ich mich«, setzte Temari nach, »oder ist sie außer diesem kleinen Messer unbewaffnet?«
 

Sie hatte Recht. Ino wusste sich zwar zu helfen, aber in einer Notlage hatte sie nur das Messer. Verdammt, warum hatte er nicht daran gedacht, ihr vorher seine Schusswaffe zu geben?
 

»Für die nächste Gruppe Zombies ist sie ein gefundenes Fressen«, bemerkte sie und sprach somit seinen Gedanken laut aus. »Es ist egal, ob du mich hier festhältst oder ihr mit mir auf den Fersen folgst: Sie ist so gut wie –«

»Rede nicht so einen Scheißdreck!«, fuhr er sie an. »Ino wird auf keinen Fall sterben!«

Sie verengte die Augen und zischte: »Bist du so dämlich naiv oder tust du nur so?«

Er fühlte sich, als hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst.

»Sie ist stark«, flüsterte er und nun war er es, der seinen Blick abwandte. »Sie wird es schaffen ...«

»Wird sie nicht«, gab Temari zurück. »Sie hat allein dort draußen in dieser beschissenen Welt nicht die geringste Überlebenschance! Nicht mit einer Horde Zombies im Rücken! Da kann sie noch so stark sein. Einzelgänger sind verloren.«
 

Shikamaru starrte ins Leere. Ihm blieb keine Wahl, als Ino nachzulaufen und sich zusammen mit ihr zu den anderen durchzukämpfen.

Er ließ ihre Handgelenke los und richtete sich auf.
 

»Du solltest zu deinen Kameraden zurückgehen«, sagte er, »ansonsten holt dich mit dieser Verletzung der nächste Zombie.«
 

Dann lief er los, ohne sie ein weiteres Mal anzublicken. Er wusste nicht, ob sie noch die Energie und den Willen aufbrachte, ihm mit dieser Wunde nachzujagen, aber das spielte keine Rolle für ihn. Das Einzige, das zählte, war, dass er schnell wieder auf Ino traf.
 

---
 

Ino horchte den Lauten des Waldes. Singende Vögel, summende Insekten, das war alles. Keine Stimmen, keine Schritte von hektischen Laufbewegungen, nichts. Es gab nicht einen einzigen Anhaltspunkt darauf, dass es außer ihr noch menschliches Leben in der Umgebung gab.

Sie nahm sich einen Augenblick, um richtig durchzuatmen, dann hechtete sie weiter. Sie hatte keine Zeit zum Trödeln, denn das Leben ihrer Kameraden und Freunde stand auf dem Spiel.

Sie dachte an Shikamaru. Um ihn machte sie sich keine Sorgen. Er war intelligent und sie konnte sich sicher sein, dass er mit dieser vom Biss geschwächten Frau zurechtkam, doch …

Die Ruhe des Waldes bedrückte sie. Tatsächlich fühlte sie sich einsam und die Aussicht, dass es noch ewig dauerte, bis sie auf andere Menschen traf, stimmte sie nicht fröhlicher.
 

Sie lief und lief und allmählich lichtete sich der Wald. Der Pfad, dem sie gefolgt war, bog sich nach links und einen Übergang entlang, bevor er viele Meter weiter abermals in einem Waldgebiet verschwand. Zu ihrer Rechten fiel das Gelände senkrecht nach unten.

Sie ging bis zur Kante und sah hinab. Sie konnte das gesamte Tal überblicken, vom Fluss im Norden bis zu dem Weg, der zum Haus hinaufführte. Er war weit entfernt, aber nicht unerreichbar und allein der Fakt, dass sie ihn sehen konnte, machte ihr Mut.

Schwarze Punkte am Flussufer zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie konnte es mit bloßem Auge kaum erkennen, doch sie bewegten sich langsam und stetig. Es musste die Horde sein, von der Kiba berichtet hatte.

Ino beachtete sie nicht weiter und schaute zum Wald auf der anderen Seite. Das Meer aus dunklen Tannen war dicht und wirkte wenig einladend, aber es wuchs in einem begehbaren Winkel zum Tal hinunter.

Sie hielt auf den Übergang zu, der zu ihrem Glück breiter als jener war, den sie wenige Stunden zuvor begangen hatte. Als sie ihn überquerte, blickte sie starr auf die einzelne Tanne, die ein kleines Stück hinter der Überführung stand, um nicht nach unten sehen zu müssen. Rasch hatte sie den Abgrund hinter sich, passierte den massiven Baum – und hörte ein kehliges Stöhnen.
 

Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen und ihr Puls schnellte in die Höhe, bis sie das Hämmern ihres Herzens in ihren Ohren spürte.

Ein erneuter Laut und sie fuhr um. Ein Zombie kam aus dem Schatten der Tanne auf sie zu geschlurft und ächzte seine grausame Ode des Todes. Aus seiner Wange war ein großes Stück Fleisch herausgerissen und auf der Stirn schaute ein Stück des Schädelknochens hervor. Sein Verfall war in vollem Gange, jedoch nicht weit genug fortgeschritten, um sich auf einen Nahkampf mit ihm einzulassen.

Ino wich zurück und ihre Hand glitt zu ihrem Messer. Als sie realisierte, dass es ihre einzige Waffe war, sah sie sich um. Weit und breit war nichts, mit dem sie sich gegen dieses Wesen wirksam verteidigen konnte, bis zum Wald vor ihr war es noch zu weit und da sie nicht wusste, ob dort mehr Untote auf sie lauerten, gab es nur die Option des Rückzuges.

Bevor der Ghul sie mit einem Ausfallschritt erreichen konnte, lief sie den Weg zurück. Sie überwand den Abgrund, blieb auf der anderen Seite stehen und drehte sich um. Es war zwar unwahrscheinlich, dass das Mistvieh abstürzte, denn dafür war der Fels durchgehend zu breit, aber sobald es sich weit genug am Rand befand, trat sie ihm einfach die Beine weg und löste so ihr Problem.

Sie beobachtete, wie der Zombie auf sie zu schwankte. Wenn sie wollte, dass ihr Plan aufging, brauchte sie innere Ruhe, ansonsten konnte sie sich mit ihm den Abhang hinunterstürzen. Tief atmete sie ein und aus und fühlte, wie ihr Herzschlag herunterfuhr und ihre Aufregung allmählich in Gelassenheit um schwang. Es war gelacht, wenn sie es nicht schaffte, schließlich war es nicht das erste Mal, dass sie allein einem Untoten gegenüberstand.
 

Mit jeder Sekunde kam er näher und näher. Ino wartete, bis er nur noch eineinhalb Meter von ihr entfernt war, dann schnellte sie vor und holte mit Schwung aus. Ihr rechter Fuß hakte sich in die Kniekehlen des Zombies. Sie zog durch, riss ihm die Beine weg, er fiel nach hinten … und er blieb liegen. Der Ghul hing mit dem Kopf und der linken Schulter über dem Felsen in der Luft, doch er fiel nicht hinunter.

Unbeirrt davon, dass ihr Vorhaben gescheitert war, ging sie auf ihn zu, um ihn mit einem weiteren Tritt über die Kante zu befördern. Sie trat diesmal mit links zu, doch bevor sie ihn berührte, rutschte ihr anderer Fuß weg. Ino verlor das Gleichgewicht, kippte nach rechts – und stürzte.
 

---
 

Shikamaru hörte einen Schrei. Er biss die Zähne zusammen und lief noch schneller auf das offene Stück zu, das zwischen den Bäumen des Waldes hervor lugte. Er hoffte so sehr, dass mit Ino alles in Ordnung war.

Er lief an der letzten Tanne vorbei, doch seine beste Freundin war nirgends zu sehen. Stattdessen erblickte er einen Zombie, der sich langsam aufrichtete.

Seine Hand fuhr zu seiner Schusswaffe. Er entsicherte sie, hielt ihren Lauf auf den Untoten gerichtet und drückte ab. Er schoss dreimal auf den Kopf des Zombies, der zurücktaumelte, unter einem Stöhnen zusammenbrach und reglos liegen blieb.
 

»Ist da jemand?«, hörte er Inos Stimme rufen und eine unglaubliche Erleichterung machte sich in ihm breit. Sie lebte. Das war alles, was zählte.

Er sprang vor und sah, wie sie sich einen halben Meter tiefer an einem herausragenden Felsen klammerte.

»Shikamaru, beeil dich«, sagte sie atemlos. »Ich kann mich nicht mehr lange festhalten!«
 

Er platzierte die Pistole neben sich, legte sich flach auf den Boden und streckte den rechten Arm nach ihr aus.

Ino nahm all ihren Mut zusammen und ließ den Felsen mit der linken Hand los. Kaum hatte sie das getan, umfasste er ihr Handgelenk.
 

»Und jetzt greif mit der anderen Hand nach meinem Arm!«, forderte er sie auf.

»Bist du sicher, dass du das schaffst?«, fragte sie mit zitternder Stimme.

»Hab ich denn eine Wahl?«, erwiderte er ein wenig belustigt von ihrer Frage. »Jetzt mach schon! Ich lasse dich auf keinen Fall dort hinunterfallen!«

Sie nickte, dann ließ sie mit rechts los und schloss ihre Finger um seinen Unterarm.

Shikamaru spürte einen Ruck nach unten, doch er hielt ihm stand und begann, seine Kameradin mit all seiner verfügbaren Kraft hinaufzuziehen. Die Nägel seiner Linken bohrten sich in die Erde, krallten sich fest und er startete den Versuch, sich hochzustemmen.

Die Bewegungen, die er in seiner Nähe vernahm, ignorierte er, verschwendete seine Konzentration nicht an das Horrorszenario, das ihm sein Gehirn gerade weismachte.

Er kniff die Augen fester zusammen und zog noch kräftiger, sagte sich, dass er ihn getötet hatte. Der Zombie musste tot sein, eine andere Möglichkeit gab es nicht.
 

Ein Ächzen und Zähne, die sich in seine Seite bohrten, vertrieben jeglichen Hoffnungsschimmer. Er unterdrückte einen Aufschrei, missachtete die Schmerzen, als der Untote sein T-Shirt zerriss und abermals zubiss. Er hielt seinen Fokus auf Ino gerichtet, die nicht die geringste Ahnung davon hatte, was nicht einmal eineinhalb Meter von ihr entfernt vor sich ging.
 

Verdammt, warum hatte er nicht überprüft, ob er wirklich tot war? Warum hatte er zur Sicherheit nicht noch mal auf den Zombie geschossen?

Er schüttelte gedanklich den Kopf. Dafür hätte er keine Zeit gehabt. Er hätte sich selbst so retten können, doch Ino wäre wahrscheinlich gestorben. Und wenn das geschehen wäre, hätte er sich das niemals verzeihen können.
 

Er hörte Schritte, das Aufnehmen einer Waffe, Schüsse.

Ino schrie. »Was ist da los?«, fragte sie hysterisch. »Schießt jemand auf dich?«

Shikamaru verzog keine Miene. Er hatte selbst keine Ahnung, was passierte und deshalb sparte er sich die Worte und versuchte, sie mit einem lässigen Kopfschütteln zu beruhigen.

Es brachte nichts. Sie schrie noch einmal, dann weiteten sich vor Entsetzen ihre Augen und bevor noch ein Laut ihre Kehle verließ, verlor sie das Bewusstsein.

Er griff nach ihrer Hand, die sich von seinem Unterarm löste und hielt ihre Handgelenke fest umschlungen. Die Schmerzen der Wunde betäubten seine Sinne und Inos Körper, der hin und her schwang, brauchte den Rest seiner Kräfte auf. Doch er ließ sie nicht los. Wenn, stürzte er mit ihr in den Tod, aber solange er sie halten konnte, ließ er sie nicht im Stich.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Hopey,
ich kann nur das wiederholen, was ich schon im Nachwort des letzten Kapitels gesagt habe: Ich hoffe, hoffe, hoffe, die Interaktion zwischen Shikamaru und Temari geht dir nicht zu sehr in Richtung Pairing. Falls doch, darfst du dich gerne bei mir beschweren.

Ich danke allen fürs Lesen! :)
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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2015-09-09T00:45:16+00:00 09.09.2015 02:45
Hallo!

Uff, ich bin gerade vor Spannung umgekommen. Das kannst du doch nicht machen! (Ich meine: Doch, tu es!) Sehr genial, sowohl in der zeitlichen Abfolge, als auch der Dramatik. Ich habe am Bildschirm kleben müssen, sobald Ino den Zombie erblickte und der auf sie zutrottete. Ich war so verflucht überzeugt davon, dass er sie zu fassen bekäme, aber deine Lösung ist noch viel heimtückischer.
Shikamaru ist ab heute mein offizieller Held. Ich komme so selten dazu, mit einem männlichen Hauptcharakter mitzufiebern, aber du machst es einem wahrlich leicht. Deine Sprache ist sicher, die Dialoge von A bis Z durchdacht und packend und authentisch.
Temari mochte ich für ihr psychologisches Spielchen und den Fakt, dass sie ihn auf die Erde zurückholt. Und Ino dafür, dass sie so gewitzt ist, wenn auch am definitiv schlechteren Ende des Abhangs. Kiba - ohweh, hoffentlich kommt Kiba da lebend raus. Den hatte ich nicht auf dem Plan, aber für solche Wenden liebe ich die Geschichte.

Viele Grüße, Morgi
KomMission-Unterstützerin, für mehr Feedback auf Animexx :-)

Antwort von:  Rabenkralle
10.09.2015 09:15
Und auch hier noch mal ein riesiges Dankeschön für deine drei Kommentare!
Ich bin von gestern immer noch ein bisschen im Freudenrausch. =)
Ich bin so froh, dass die Spannung in dieser Geschichte so gut rüber kommt. Vom Genre her war es meine erste Geschichte dieser Art und von daher war es ein kleines Experiment für mich. Und dazu noch dein anderes Lob ... Ich sitze hier gerade vor dem Laptop und freue mich über deine Worte wie ein kleines Kind. =D
Mich in Shikamaru hineinzuversetzen, fällt mir extrem leicht. Normalerweise schreibe ich lieber aus der Sicht einer weiblichen Protagonisten (wahrscheinlich, weil ich selbst weiblich bin), aber bei ihm klappt es so wunderbar, weil ich mich so gut mit ihm identifizieren kann.
Temari passt wirklich gut in die Rolle, obwohl ich sie in erster Linie genommen habe, weil ich ein ShikaTema-Fangirl bin. Es war aber auch mal erfrischend, über die beiden nicht als Paar zu schreiben (wobei ich mir den einen oder anderen unterschwelligen Seitenhieb natürlich nicht verkneifen konnte).

Liebe Grüße,
Rabenkralle
Von:  Kerstin-san
2015-08-17T15:21:35+00:00 17.08.2015 17:21
Hallo,

hui, was eine überraschende Attacke. Aber sehr schön, dass sie gelingt.
Inos und Shikamarus Fluchtversuch endet ja dann ziemlich abrupt.
Temaris Fähigkeiten sind wirklich beeindruckend. Ich kann nicht anders, ich muss einfach den Hut vor ihr ziehen.

Die Verfolgungsszene von ihr und Shikamaru ist herrlich und das nachfolgende Gespräch auch, weil die beiden sich absolut nichts schenken. Trotzdem wirkt Temari sehr verbittert, wer weiß, was sie alles schon erlebt hat.

Inos Begegnung mit dem Zombie ist dann natürlich das Highlight des Kapitels. So viel Drama auf einmal!

Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von:  Rabenkralle
19.08.2015 14:02
Ich hoffe nur, dass Temari nicht zu sehr nach Mary Sue ausgesehen hat. Aber die Gute hat schon ziemlich scharfe Sinne und der Seitenhieb mit den Ninjawaffen musste natürlich sein. :D
Temaris Verbitterung werde ich in einer anderen Fanfiction noch mal beleuchten (es wird dann eine Fortsetzung dieser Geschichte, die allerdings von einem alternativen Ende ausgeht). Dazu hätte ich noch unglaublich viel zu schreiben.
In einer Zombieapokalypse darf eine Begegnung mit einem Zombie nicht fehlen. Der am Anfang hat einfach nicht gereicht. Und ohne ihn wäre mein angestrebtes Ende auch nicht möglich gewesen.

Liebe Grüße,
Rabenkralle
Von:  Hopey
2015-07-13T10:10:52+00:00 13.07.2015 12:10
Hey :D

da bin ich wieder xD
ich vergessliche Nudel xD

Also xD
Ino-Shikamaru mag ich als Pair auch nicht :)
ich mag die beiden nur als Freunde :D und die Freundschaft triffst du exzellent :D
da kann ich mich wirklich nicht beklagen :3
da mir das gefällt ;D

Und tut mir leid, scheinbar magst du das Pair Shika-Temari (auch wenn ich es hass und meiner meinung nach die nicht zusammen passen), scheinst du es gut gelöst zu haben ^^ denn die Interaktion die die beiden führten,
zeigt nichts an, von Pair oder gar Andeutung :D

Und die wechselnde Perspektiven finde ich gut :3
vor allem weil es ja Romanstil ist auch noch 3-Person
ist es wirklich sehr gut :3 da man problemlos folgen kann :D
aus welcher Prespektive das ist :D
und ich liebe sowas auch :D
und mach das selbst sehr gerne :3

Okay DAS IST HARDCORE :o
Shika ist gebissen :o
okay er wollte seine beste freundin retten
und hat die Sicherheit etwas vernachlässigt
aber er stirbt nun :o T_T
wie traurig ist das denn T_T

Okay ich bin gespannt was als nächstes passiert :D

GLG
Hopey
Antwort von:  Rabenkralle
13.07.2015 12:40
Ich danke dir für dein Review! :)

Ich glaube, wenn man möchte, kann man in der Interaktion der beiden auch Liebe hineininterpretieren, aber das habe ich mit den Szenen wirklich nicht beabsichtigt. Es ist Freundschaft, mehr nicht. (Und Ino ist hier ja unterschwellig in Naruto verliebt.) :D

Ach, das muss dir nicht leidtun. Es ist mal ganz schön, zur Abwechslung etwas anderes zu schreiben, denn sonst schreibe ich fast nur zu ShikaTema. Und ich mag das Pairing nicht nur, ich vergöttere es. Aber wenn alle dieselben Pairings shippen würden, wäre es ja langweilig (und da es Canon geworden ist, hab ich meinen Seelenfrieden gefunden). :D

Ja, meine Liebe, du wolltest ja Drama haben ... Da hast du es! :D

Ich habe die Geschichte vor ein paar Tagen zu Ende geschrieben. Gleich lade ich noch den Epilog hoch, dann war's das.

Liebe Grüße,
Rabenkralle
Von:  fahnm
2015-07-03T21:33:41+00:00 03.07.2015 23:33
Hammer Kapitel
Antwort von:  Rabenkralle
04.07.2015 12:31
Dankeschön. :)


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