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Warum erwachsen werden

von

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Kapitel 35

Die Dunkelheit der Höhle verschwand mit der Fackel, die James in Händen trug und warf unheimliche Schatten. James‘ Herz raste. Der Jubel steckte noch in seinen Gliedern. Mochte er auch keine Ahnung haben, wer diese Piraten, wer dieser Smee war, so hatte er doch auf Silver’s Schiff genug Ansprachen gehört, wie diese, welche er gerade gehalten hatte. Merkwürdigerweise hatte sie sich seltsam vertraut angefühlt. So als hätte er schon oft in diese wettergegerbten Gesichter gesehen und Worte des Mutes und des Tatendranges gesprochen. James gönnte sich, jetzt, da er alleine war, den Luxus, einmal tief ein und aus zu atmen. Die Luft in der Höhle war modrig und dennoch entspannte ihn das bewusst ruhige Atmen ein wenig.
 

Er dachte kurz an Peter. An das Gesicht des Jungen, der völlig betreten, ja fast schon leidend zu ihm gesehen hatte, weil er ihm die Möglichkeit geraubt hatte, sich zu erklären. Aber James wollte keine Erklärung von Peter. Nicht jetzt. Die Piraten hatten Peter wie einen Feind behandelt, ihn selbst als Kapitän bezeichnet, gleich was zwischen ihm und dem Jungen gewesen war, bevor er sein Gedächtnis verloren hatte, es war nichts, das man in der Nähe einer Piratenhorde aufklären konnte. Ein falsches Wort, eine falsche Gestik von ihm und das Kartenhaus aus Scheinwahrung fiel in sich zusammen. Nein, James musste sich konzentrieren. Es ging um das Gift in dieser Höhle. Das Gift, welches Peter hatte holen wollen und das Gift, hinter dem die Piraten und somit auch er her waren.
 

Nun erst drängte er den Gedanken an Peter zurück und besah sich die Höhle genauer. Der Eingang war breit genug, dass drei Mann bequem nebeneinander laufen konnten. Die Decke war hoch und wenn James sich die Kanten der Gesteinsformation richtig besah, so wirkte es, als wäre der natürlichen Breite des Gangs mit Hammer und Meißel nachgeholfen worden. Im Abstand von ca. 30 Fuß waren Halterungen für Fackeln angebracht, was James zu Recht mutmaßen ließ, dass die Höhle weitläufig war. Malereien fanden sich ebenfalls. Es waren Warnhinweise für jeden Piraten, der es geschafft hatte, hier hineinzukommen. Er runzelte die Stirn. Sollte ihnen von den Geistern der Toten Gefahr drohen?
 

Schritte und Gemurmel waren zu hören und James drehte sich um. Ohne es zu bemerken, war er ein gutes Stück vorangegangen, sodass Smee mit Peter im Schlepptau erst jetzt zu ihm aufschloss. Die Piratenmannschaft folgte noch einige Meter weiter. Ihre Mienen waren ängstlich. Der Mut seiner Ansprache war bereits nach wenigen Minuten verblasst. James verzog missächtlich seine Lippen. Wie konnten erwachsene Männer so feige sein, wenn ein Junge wie Peter mit hocherhobenem Kopf und gefesselt wie er war voran ging? Seine Achtung vor Peter wuchs, wenngleich er noch immer Wut auf diesen verspürte. Weshalb hatte Peter ihm die Wahrheit vorenthalten? Weshalb ihn mit Ahnungslosigkeit gequält? James merkte, wie seine Gedanken abzuschweifen drohten. Energisch drängte er die neuerlichen Gedanken an Peter nieder, straffte seine Schultern und wandte sich Smee und Peter zu, um seine Rolle zu festigen.
 

„Wo wart Ihr so lange?“, blökte er Smee an, genau die richtige Mischung aus Gereiztheit und Ungeduld in der Stimme, die James haben wollte. Augenblicklich zuckte Smee zusammen und stammelte mit kriecherischer Ergebenheit eine Entschuldigung nach der anderen, bis James genervt die Hand hob und ihm Einhalt gebot. Smee und Peter kamen direkt neben ihm zum Stehen. Während Smee kommandoheischend zu ihm sah, war Peters Blick eisern auf den Weg gerichtet. James spürte deutlich den Stich, den dieses Verhalten verursachte, doch konnte er es durchaus nachvollziehen. Sie waren beide gerade nicht in bester Stimmung aufeinander.
 

„Lasst uns weitergehen und zwar hurtig“, sagte James. „Ich möchte dieses vermaledeite Gift finden und diesen Ort so schnell wie möglich wieder verlassen.“

„Aye, Kapitän“, entgegnete Smee, drehte sich zum restlichen Trupp und schnauzte diesen an, sie sollen sich gefälligst beeilen. James, welcher die Szene beobachtet hatte, wandte sich mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht um – scheinbar erfüllte er seine Rolle als Piratenkapitän ganz gut. So hatten die schrecklichen Jahre unter Silver’s Kommando doch noch etwas Gutes gehabt.
 

Eine ganze Weile gingen sie weiter. Der Weg führte sie tief in das Innere des Berges. Gespenstische Schatten flogen über sie hinweg, doch sobald eine Fackel gehoben war, verschwanden sie. Die ganze Zeit über meinten sie, ein aufgeregtes Geflüster zu hören. Mit jedem Schritt, den sie weiter vordrangen, wurde die Höhle gruseliger. Selbst James konnte die Gänsehaut auf seinen Armen nicht länger ignorieren. Gelegentlich warf er einen kurzen vorsichtigen Blick nach hinten, von ihnen allen wirkte Peter als Einziger so, als hätte er keine Angst. Woher nahm dieser Junge nur so viel Mut? Oder war es schlicht die Torheit der Jugend?
 

Die Warnungen an den Wänden wurden mit jedem Meter eindringlicher, das Raunen der Gespenster lauter, doch erst als sie an einem Torbogen ankamen, welcher den Eingang zu einer breiten Grotte bildete und James die Worte „Zu Spät“ las, fragte er sich, ob es eine gute Idee gewesen war, hierher zu kommen. Er schluckte, als er durch den Bogen ging. Augenblicklich war ihm, als hätte man ihn mit kaltem Wasser übergossen. Obwohl trocken, fror er vom Kopf bis in die Zehenspitzen. Eine solche Kälte hatte er seit seinem letzten Winter in London nicht mehr gespürt. Doch nicht nur sein Körper war in Kälte gehüllt, auch sein Herz fand sich im Klammergriff einer tiefen Beklommenheit. Schwächere Männer als James hätte die Beklommenheit in Verzweiflung gestürzt. Wie als hätte James daran gedacht, sah er zu den Piraten. Ihre Gesichter waren unter der gebräunten Haut blass. Einige zitterten am ganzen Körper, sodass ihre Dolche, Degen und Schwerter leise schepperten. Bei einem war deutlich zu hören, wie die Zähne aufeinander klapperten. Mit Erleichterung stellte James fest, dass dieses Mal sogar bei Peter eine menschliche Reaktion zu sehen war.
 

Peter, beileibe nicht so ängstlich wirkend wie der Rest, war vorsichtig. Seine Augen wanderten lauernd durch die Höhle, so als könnte er deutlich die Gefahr spüren, welche auch James empfand. Die Härchen an seinen Armen hatten sich aufgerichtet und James konnte deutlich die Gänsehaut erkennen. Der Impuls, Peter wärmend zu umarmen, kam ganz plötzlich und heftig. Gerade so konnte James an sich halten. Keiner hätte verstanden, weshalb der Kapitän dem Jungen Wärme geben wollte. Nun war er wütend auf sich selbst. Gleich wie Peter ihn belogen und ihm Dinge verschweigen hatte – er fühlte noch immer Zuneigung für ihn. Bei Samantha war die Liebe just erloschen, als er ihren Verrat bemerkt hatte. Bedeutete dies, dass Peters Trug nicht so schwer wog? Oder gar, dass seine Gefühle für ihn tiefer waren?
 

Plötzlich flammte am Ende der Grotte Licht auf und riss somit die Konzentration von James an sich. Ein Meer aus Kerzen hatte sich magisch entzündet. James‘ Augen weiteten sich, als der den gläsernen Kasten sah, welcher von den Kerzen beleuchtet wurde. Fasziniert, aber langsam bewegte er sich darauf zu. Nur am Rande registrierte er, wie ihm der Rest folgte. Einen Meter vor dem Kasten blieb James stehen. Er suchte nach einem Hinweis, der auf eine Falle hindeutete, und es kostete ihn viel Energie, seinen Verstand zu nutzen. Das, was er ihm Glaskasten sah, war so unglaublich, dass er glaubte zu halluzinieren. Ein leises Schnauben entfleuchte ihm, er blinzelte und rieb sich sogar über die Augen, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass sich wunderschön und grazil eine Meerjungfrau in dem Kasten befand.
 

Ihre Haare waren rötlich, die Lippen sinnlich, aber fast genauso farblos wie ihre Haut, die ovalen Augen waren ungewöhnlich Türkis. Sie blickte ihn mit einem puppengleichen Gesicht an. Regungslos, gefühlslos und doch lauernd, als würde sich hinter ihrer Schönheit Gefahr verbergen. Wie lange sie hier wohl schon gefangen war? Wie hatte sie überleben können ohne jemanden, der ihr Nahrung brachte? Ob sich die Geister um sie kümmerten? Aber wie? Die Piratengeister konnten die Höhle nicht verlassen. Gespannt hob James seine Hand und legte sie auf den Kasten, direkt in der Höhe ihrer Wange.
 

„Nicht!“, schrie Smee, doch da war es schon zu spät. Von einer Sekunde auf die andere verwandelte sich das hübsche Gesicht in eine monströse Fratze mit spitzen Zähnen. Erschrocken stob James zurück.

„Zum Teufel!“, fluchte er. Sein Atem ging stoßweise.

„Meerjungfrauen, Kapitän. Bösartige Biester“, sagte Smee.

„Sieht jemand das Gift?“, frage James und alle außer Peter blickten sich um, doch nirgends war ein Gefäß zu entdecken, in dem das Gift sein könnte.

„Meint Ihr“, wollte Smee wissen, „wir müssen das Gift aus der Meerjungfrau pressen?“ Sein Blick schweifte ängstlich zu dem noch immer aggressiv schauenden Wesen.

„Unwahrscheinlich“, entgegnete James. „Wäre dies so, dann würden wir hier Liter um Liter Gift und kein Monster vorfinden. Nein, die Anwesenheit der Meerjungfrau muss eine andere Bedeutung haben.“

„Schade, dass wir sie nicht fragen können“, meinte Smee.

„Wieso nicht?“, wollte James wissen.

„Ihr wisst doch, Kapitän“, antworte Smee deutlich verwirrt, „Meerjungfrauen kommunizieren nur mit ihren Gedanken und auch nur mit denen, die sie fressen.“

„Stimmt“, sagte James, so als wäre ihm aufgrund seiner fehlenden Erinnerungen kein Fauxpas passiert.

„Ich könnte mir ihr reden“, sagte Peter da und alles starrte ihn an.
 

Für einen Augenblick schien die Zeit stehen zu bleiben. James sah Peter direkt in die Augen. Er meinte es ernst. Absolut. Und weshalb sollte der Junge, der auch zaubern konnte, was James merkwürdig normal vorgekommen war, nicht auch mit einem Geschöpf reden können, das James für eine Legende gehalten hatte?

„Du?“, hakte er vorsorglich nach.

„Ich“, meinte Peter.

„Wie kann ich dir vertrauen, dass du uns auch richtig übersetzt und nicht in eine Falle lockst?“ Der Pirat kam in James durch.

„Kannst du nicht. Lass es darauf ankommen. Oder hast du kein Interesse mehr, mich zu vergiften?“
 

Die Frage war provozierend und doch steckte mehr dahinter, als jeder außer Peter und ihm wusste.

„Rede mit ihr!“, befahl James, das Ziehen in seinem Herzen ignorierend. Peter nickte nur und ging auf die Meerjungfrau zu. Die Aufmerksamkeit sämtlicher Piraten war ihm gewiss. James taxierte den schmalen Rücken, so als wartete er nur darauf, erneut von diesem Jungen verraten zu werden. Aber Peter machte keine Anstalten. Stattdessen blieb er vor dem Glaskasten stehen und nahm Augenkontakt zur Meerjungfrau auf, die sich dieses Mal nicht verwandelte. Was auch immer Peter da mit dem Geschöpft tat, es dauerte eine ganze Weile, bis er sich wieder umdrehte.

„Und, was hast sie gesagt?“, platze Smee heraus.

Das Lächeln, welches auf Peters Gesicht erschien, war unheilvoll.
 

Fortsetzung folgt…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey, das war’s wieder von mir. Über Kommis würde ich mich wie immer freuen. Liebe Grüße Amunet Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Sky-
2015-06-02T10:21:36+00:00 02.06.2015 12:21
Puh, da hat James noch im allerletzten Moment seine Amnesie verschleiern können. Noch mal Glück gehabt. Und ich bin echt gespannt, was die Meerjungfrau unserem Peter so alles zu erzählen hat. Und mich würde ja auch echt mal interessieren, wie sie in der Höhle überleben konnte. Von der Luft kann sie ja kaum gelebt haben…
Antwort von:  Amunet
02.06.2015 21:46
Hey ^^

Vielen Dank für deine ganzen Kommis. Hab mich über jedes einzelne sehr gefreut. ^__________^

Mit dem nächsten Kapitel bin ich leider noch nicht fertig geworden und ich weiß auch nicht, ob ich diese Woche noch schaffe, da ich leider ein paar Termine habe. *snief* Ich hoffe am Feiertag bekomm ich es fertig. ^^

LG Amunet
Von:  Schwarzfeder
2015-05-27T19:06:21+00:00 27.05.2015 21:06
...
Σ(・Д・)!?
(」゚ロ゚)」NOOOooooo━
ヽ(д`ヽ彡ノ´д)ノ
...o(╥﹏╥)o
An SO einer Stelle auf zu hören ist FOLTER!
Das ist soooo~ übel und verdammt ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, echt jetzt. So schlim!!
Was für dich wiederrum ein Riesenkompliment ist. Ich habe JEDE Zeile aufgesogen und verschlungen und verdamm, ich hab auch ne Gänsehaut bekommen und dabei Sitze ich eingemummelt in meinem Bett (´◉◉`;)
So kanns gehen...
Also, wieder ein super Kapitel. Danke übrigens für die ENS, ich war noch nicht dazu gekommen, aber da die Regeln sich ja jetzt alle geändert habe, les ich jetzt weiter über Mexx aber danke für den Tipp, sobald ich die Gelegenheit finde, werde ich mich umschauen x3
Ich wünsche noch einen schönen Abend!
LG

P. S.: so ein dieser Cliffi *immer noch wein* 。・゚゚・(>д<)・゚゚・。


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