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Are You Sane, Baby?

von

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Narben | Yami

Es war kurz vor elf, als ich mich aus dem Milleniumsring befreite und Ryou vor seinem Computer entdeckte. Er schien etwas gegooglet zu haben. Hastig las er sich die Ergebnisse durch, war sehr stark konzentriert. Seine Haare waren handtuchtrocken, er schien geduscht zu haben.
 

“Ryou”, sprach ich hinter ihm stehend, worauf er kurz erschrack. “Ich werde mich nie daran gewöhnen, dass du immer so plötzlich auftauchst”, gab er ernst zu und widmete sich wieder seinen Recherchen. Normalerweise hätte er kurz gelacht. Kurz gelacht und mit mir weitergeredet, doch irgendwas hinderte ihn daran, klar zu denken. Ich konnte Verzweiflung und Hektik in ihm ablesen. Mit langsamen Schritten näherte ich mich dem Bleichhaarigen, legte meine Hände auf seine Schultern und las, was auf dem hellen Bildschirm stand. “Psychose” war das Wort, nachdem gesucht wurde.
 

Ryou ließ einen lauten Schrei aus, schob sich mit dem Bürosessel weg vom PC und fuhr sich hastig durch die Haare. Er wirkte sehr isoliert, in sich gekehrt. Es bereitete mir Sorgen, konnte mich jedoch nicht entscheiden, ob ich ihn beruhigen soll oder nicht, da er nicht weiter auf mich eingegangen ist. Während Ryou in seine Panik vertieft war, schielte ich rüber zum Bildschirm und las, was dem Kleinen so eine Angst eingejagt hatte.
 

Ursachen: Nicht ganzheitlich bekannt. Oft verbunden mit Schizophrenie und/oder Depressionen.

Symptome: Akkustische und optische Halluzinationen.

Behandlung: Neuroleptika

Dauer: Meistens eine Episode.

Durchschnittliche Erstmanifestation: Frauen: 25-29 Jahren, Männer: 20-24 Jahre.
 

Ich hätte es mir denken können. Wer würde beim Erleben von Kommunikation mit einem uralten Geist in einem goldenen Schmuckstück nicht anfangen, zu hinterfragen, was mit einem los ist? Ich ließ einen Seufzer aus, hob Ryou von seinem Stuhl und drückte ihn an mich. Er legte die Arme um mich und atmete sehr tief ein und aus. Auch zitterte er leicht und stand nicht fest auf seinen Füßen. In die dunklen Farben seines Gefühlszustandes wurden einige hellere dazugemischt, während ich ihn im Arm hatte. Ich ließ ihm einige Minuten, um sich zu beruhigen. Eigentlich war ich der Grund, weshalb er so austickt, und gleichzeitig war ich sein Zufluchtsort. Ironie des Schicksals.
 

“Egal, was du bist; ich will, dass du bei mir bleibst…”, flüsterte Ryou, löste sich langsam von mir und sah mich an. “Werde ich auch immer. Ist heute etwas passiert, was dich sehr geprägt hat?”, ich strich ihm durch seine frisch gewaschenen Haare und wollte wissen, wie sein Tag verlaufen war. Mein Gegenüber griff sich einen kleinen, weißen Zettel, der neben seinem PC lag und steckte ihn mir hin. In Gedanken las ich: Diagnose: Psychose. Das war also der Grund. Das war der Grund, warum du so außer Rand und Band bist, mein Kleiner.
 

“Man verschreibt dir Tabletten gegen mich?”, fragte ich mit einem Hauch Spott in meiner Stimme. Erstens wird es nicht funktionieren, und zweitens werde ich nie, nie, niemals von Ryou’s Seite weichen. Er braucht mich - das Schicksal wollte es so.
 

“Ich habe meinem Psychiater gestanden, dass ich dich sehe und wahrnehme. Dann verschrieb er mir etwas gegen meine angeblichen Halluzinationen…”, erzählte mir der 17-jährige, zerknüllte das Rezept und warf es gezielt in den kleinen Mülleimer. Selbstsicher sagte er, dass er diese Tabletten auf keinen Fall nehmen wird, ehe er kurz ins Bad verschwand.
 

Ich setzte mich kurz auf seinen Bürosessel und starrte auf die Definition, die offen war. Kurz lachte ich auf und schüttelte den Kopf. Ich sah mich etwas auf dem Schreibtisch um, meine Augen schweiften langsam über die Holzplatte. Notizhefte, Stifte, Kekse und ein Glas Wasser - nichts Außergewöhnliches. Plötzlich entdeckte ich aber etwas, das ich nicht genau zuordnen konnte; zwei dünne, lange, schwarze Tücher. Oder waren es doch Augenbinden? Etwas perplex glotzte ich, wandte meinen Blick jedoch ab, als Ryou wieder ins Zimmer kam.
 

“Du kannst den Computer herunterfahren, ich brauche Nichts mehr”, informierte er mich und legte sich ins Bett. Der süßliche Geruch seiner Nachtcreme betörte mich ein wenig, als er mir sanft in die Nase stieg. Der Duft passte gut zu Ryous Charakter, so zart und zerbrechlich. Mit geschlossenen Augen sog ich den Passionsfruchtduft tief in meine Lungen. “Yami?”, kam es verwirrt vom Teenager, der meine mentale Abwesenheit bemerkte. Sofort fing ich mich wieder und fuhr den PC herunter.
 

Ryou griff nach den mysteriösen zwei Tüchern, die schwach vom Nachtlicht beleuchtet wurden. Neugierig sah ich zu, was passieren würde. Er band sie sich um die Handgelenke, riss dann aber die Augen auf, weil ich einfiel, dass ich auch noch da war. Sofort sah er zu mir rüber und war wie erstarrt. Es musste um etwas gehen, von dem er nicht wollte, dass es jemals irgendwer erfährt. Er fühlte sich ertappt und presste seine Lippen zusammen. Dann erinnerte ich mich, dass ich ihn in der ersten Nacht damit gesehen habe. Er hatte etwas schwarzes an den Handgelenken, ich machte mir aber nicht weiter Gedanken drüber, es gehörte in dem Moment einfach zu ihm dazu.
 

“Ich hätte duschen sollen, bevor du erschienen bist…”, er bereute die Tatsache, es nicht getan zu haben und zog seine Hände zu sich. “Was versteckst du vor mir?”, fragte ich und setzte mich zu ihm aufs Bett. Er hatte seine Hände gegen seinen Bauch gedrückt und der Blick war gesenkt. Seine Stirnfransen hingen ihm ins Gesicht und ich konnte seine Augen nicht mehr sehen. Vorsichtig nahm ich seine linke Hand, doch er zog sie sofort zurück und schüttelte den Kopf kräftig. Was war denn mit ihm los?
 

Ich war mir nicht sicher, was er vor mir verstecken wollte, doch ich musste ihn beschützen. Ich musste stets wissen, was er tut und sicher gehen, dass es nichts war, das seine Gesundheit gefährdete. Es war meine Aufgabe, auf ihn aufzupassen - und das wird er nicht verhindern können. So zog ich - mit blutendem Herzen - sehr stark an seinem Handgelenk und hielt es fest. Ryou entfleuchte ein Schmerzensschrei, der aber nicht alleine von meinem Ziehen entstanden sein konnte. Ich umklammerte mit der linken Hand seine, und löste meine rechte von seinem Handgelenk. Ich riss meine Augen weit auf, während Ryou in Scham versank. Frische, tiefe Schnittwunden zierten seine Haut und bildeten zentimeter lange Narben. Schockiert lockerte ich meinen Griff und war sprachlos.
 

“Liebst du mich trotzdem noch?”, kam es verletzt von Ryou.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Quelle der Fakten über die Psychose: Vgl. Wikipedia Komplett anzeigen

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