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Zeit zum Verlieben

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Kapitel 11 - Zeit zum Schauspielern

Endlich war es soweit, der Tag der Aufführung war gekommen. Während ich die Nacht selig schlummernd und von erotischen Theaterszenen träumend verbracht hatte, war Conner anscheinend fast die ganze Nacht wach geblieben vor Aufregung. Vom Aufstehen an benahm er sich als würde er unter Strom stehen und meine etlichen Beruhigungsversuche wirkten leider nur mittelmäßig. Bei den Vorbereitungen für die Aufführung saß er nur völlig manisch herum und murmelte stetig Textstellen vor sich hin. Natürlich trug er bereits den ganzen Tag über einen Schal. Er gab vor, er wollte nicht, dass seine Stimme bis zum Auftritt den Geist aufgibt, aber den wahren Grund kannte ich ja zu gut. Gerade einmal zum Umziehen löste er sich kurz von seinem Skript, das er die ganze Zeit dabei hatte. Ich muss zugeben, sein Kostüm sah zwar auf einer Art zum Schreien witzig aus, aber irgendwie stand es ihm auf der anderen Seite sogar. Das zarte Rosa betonte seine Augen richtig gut und die violetten Akzente passten super zu meinen Haaren. Das musste ich ihm natürlich sofort unter die Nase reiben, aber Conner war derart abwesend, dass ich ihm wahrscheinlich sogar ein Liebesgeständnis hätte machen können. Er hätte kein einziges Wort vernommen. Schmunzelnd ließ ich ihn in Ruhe und ging mich selbst umziehen. Ich wollte ja nicht, dass ich ihn vielleicht noch mehr verunsichern würde.

Eigentlich sollte ich so etwas nicht gut finden, aber die eng anliegenden Hosen, die ich tragen musste, ließen meine Beine richtig gut aussehen. Fertig umgezogen betrachtete ich mich im Spiegel und mir gefiel gut, was ich sah. Ich ging zurück um nach Conner zu schauen, welcher immer noch vertieft sein Skript anstarrte und sich selbst Verse zuflüsterte. Irgendwie tat er mir schon leid, ich wusste schließlich wie sehr er all das hasste. Ich überlegte kurz wie ich ihn aufmuntern könnte und dann ging ich zu ihm. „Hey hör mir mal bitte kurz zu.“ sagte ich und tippte ihm auf die Schulter. Tatsächlich hatte ich es geschafft ihn aus seinem trance-ähnlichen Zustand zu wecken. Er schaute fragend zu mir auf. „Wir haben das alles ausgiebig geprobt, also schaffen wir das auch. Wir werden diesen Saal einfach in Grund und Boden rocken. Was glaubst du wie dämlich Shina schauen wird, wenn sie merkt, dass du eine bessere Julia abgibst, als sie es jemals könnte?“. Ich grinste ihn an und hoffte inständig, dass ich ihn mit diesen Worten motivieren konnte. Conner blinzelte drei mal, schaute mich einmal von unten nach oben an und schwieg einige Sekunden. Plötzlich prustete er jedoch los und musste herzhaft lachen. „Okay und ich dachte ich hätte es schlimm getroffen, aber wenigstens muss ich mir nicht die Eier in so 'ner Leggings abquetschen!!!“ sagte er mit lautem Gelächter. Ich hatte die Gesichtsentgleisung des Tages und fühlte mich ein wenig verarscht. Mit so einer Reaktion hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich war doch tatsächlich geconnert worden wie schon in der Hütte. Während meine Julia sich also immer noch munter die Seele aus dem Leib lachte, war ich perplex bis ich dann selbst mit lachen musste. „Du bist scheiße Alter!!!“ entgegnete ich schließlich mit einem Lachtränchen im Auge. Dann hörte ich aber auf zu lachen und erfreute mich daran, wie locker Conner auf einmal aussah. Es lief zwar nicht wie ich gedacht hatte, aber ich hatte ihn aufgemuntert. Mission complete!

Schließlich wurde es aber ernst, denn das Publikum hatte sich vollständig eingefunden und die Lichter gingen aus. Das Stück begann. Allen Befürchtungen Conners zum Trotz lief es sehr gut. Er legte sich richtig ins Zeug, war komplett textsicher und brachte seine Rolle glaubhaft und gefühlvoll herüber. Wann immer ich gerade selbst nicht dran war, schaute ich ihm zu und nichts anderes um uns herum drang mehr zu mir durch. Er legte so viel Gefühl in seine Worte, dass ich hin und weg war und mir vorstellte, wie es wäre, wenn er so auch mit mir reden würde. Natürlich war auch ich in absoluter Höchstform und vorn auf der Bühne zu stehen machte mir riesigen Spaß, auch wenn nicht alle meine Spielpartner so perfekt waren wie Conner. Sobald es Texthänger oder peinliche Schweigesituationen gab, improvisierte ich einfach und brachte meinen Partner wieder ins Stück. Ich bin eben der geborene Schauspieler! Ich konnte zwar nicht darauf achten, aber ich hoffte, dass Conner, wenn er nicht spielen musste, mich genauso beobachtete wie ich es bei ihm tat. Allein durch Bestehen dieser Eventualität gab ich mir so viel Mühe wie nur möglich um meine persönliche Glanzleistung abzulegen.

So lief das Schauspiel perfekt ab und ehe wir uns versahen, waren wir auch schon bei der Todesszene der Julia angelangt. Verzweifelt darüber, dass sie nicht mit ihrem Geliebten vereint sein darf, nimmt sie ein Mittel, dass sie scheinbar umbringt. Leider wirkt es aber so täuschend echt, dass nicht nur beide Familien glauben, sie sei tot, sondern auch ihr geliebter Romeo. Julia alias Conner lag also aufgebahrt mitten auf der Bühne und ein Scheinwerfer war nur auf diese Stelle gerichtet. Ganz meiner Rolle folgend trat ich aus der Dunkelheit heraus in jenes Licht und betrachtete die scheinbar verstorbene Schönheit wie sie dort lag, die Hände auf dem Bauch zusammen gefaltet mit einer weißen Rose darin. Die langen Haare fielen in alle Richtungen und ihr Gesicht wirkte friedlich, aber leblos. Mit traurigem Ausdruck legte ich meine Hand auf die von Conner und die Atmosphäre des Moments riss mich so mit, dass ohne, dass ich Kontrolle darüber gehabt hätte, plötzlich eine Träne über meine Wange rann. Innerlich etwas überrascht, blieb ich nach außen hin meiner Rolle treu und sagte meinen Text auf. Als das getan war, ich musste tatsächlich aufpassen, dass ich nicht zu zittrig klang, beugte ich mich über meine Julia und dachte nicht einen Moment mehr daran, dass es ein Filmkuss werden sollte. Es war im Raum plötzlich komplett still geworden. Ich hörte weder meinen eigenen, noch Conners Atem, da wir beide die Luft angehalten hatten. Doch eines konnte ich so laut hören, als hätte jemand eine Bassbox neben meinem Ohr platziert: meinen Herzschlag! Es fühlte sich so an, als hätte ich mein Herz plötzlich im Kopf und es übertönte alle Gedanken darin.. Bevor ich auch nur versuchen konnte zu mir zu kommen, berührten meine Lippen die von Conner. Unter normalen Umständen wäre ich spätestens nun zu mir gekommen und hätte Panik geschoben, dass er mir gleich eine rein haut. Okay, unter normalen Umständen, hätte er das vermutlich auch getan... Wie dem auch sei, ich hörte von Conners Seite ein ganz leises Geräusch, eine Art Quietschen. Mehr gab er aber nicht von sich. Diese Blöße wollte er sich vor dem Publikum anscheinend nicht geben. Lieber blieb er weiter wie tot liegen und ließ den Moment vorüber gehen, der mir vorkam, als dauerte er mindestens 10 Minuten. Ich presste meine Lippen auf die seinen und alles in mir fing an zu kribbeln. Nachdem ich dem so lange Zeit entgegen gefiebert hatte und schon aufgegeben hatte, jemals zu erfahren, wie es sich anfühlte Conner zu küssen, war ich entschädigt. Er hatte so zarte Lippen, wie es normalerweise nur bei Frauen beschrieben wird und ich konnte mich gerade so noch zurückhalten, damit ich bloß nicht weiter ging. Meine Zunge blieb da, wo sie hingehörte; in meinem Mund.

Ich ließ von Conner ab und dieser verzog nicht einmal kurz das Gesicht, sondern spielte weiter wie ein Profi. Der Saal war immer noch vollkommen still, als ich mein „Gift“ heraus holte und es mir meinen Text aufsagend einflößte. Augenblicklich kippte ich um und landete, leider ziemlich unsanft, neben der Aufbahrung und blieb reglos liegen. Erst als ich dort lag, kam mein Verstand langsam wieder zu sich und ich realisierte, was ich gerade getan hatte. Conner würde mich nach dieser Vorstellung mit hundertprozentiger Sicherheit köpfen. Nun wachte er aber erst einmal wieder auf, schließlich war die Julia nicht wirklich tot. Als wäre nichts geschehen spielte er die Szene weiter, stieg von der Bahre zu mir herab und legte seine Hand an meine Wange. Für die Zuschauer muss es romantisch gewirkt haben, für mich jedoch eher bedrohlich. Ich spürte förmlich Conners wahre Aura, die danach schrie mich bei lebendigem Leibe zu häuten. Dieser Zwiespalt war schon gruselig, vor allem, weil ich wusste, dass das Stück bald vorbei sein würde und dann Gnade mir Gott! Mit traurigem Blick sah Conner auf mich herab und sprach seinen Text, wobei er richtig verzweifelt klang. Professionell verhielt er sich ja, das musste ich ihm lassen... Nachdem er fertig gesprochen hatte, beugte er sich zu mir hinunter und küsste mich auf die Stirn, wie es seine Rolle vorsah. Wäre doch nur diese Aura des Hasses nicht gewesen, ich glaube, dann wäre ich sofort in den siebten Himmel zurück geschwebt. Nun nahm er den Dolch, den ich als Romeo bei mir trug und stach ihn sich durch seine Brust. Er ließ sich fallen und landete mit dem Gesicht genau neben meinem. Das Licht ging aus und der Erzähler beendete mit seinen Worten die Aufführung. Währenddessen konnte ich eine zutiefst furchteinflößende Stimme hören, von der ich erst nach Sekunden bemerkte, dass sie zu Conner gehörte. Er flüsterte mir etwas zu. „DASSSSSSS wirst du mir büßen, du Pennerrrrr...!“ Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter, doch bevor ich mich hätte dazu äußern können, ging auch schon das Licht wieder an und der Beifall des Publikums prasselte auf uns herab. Wir standen auf und alle Darsteller verbeugten sich vor den Leuten. Ich sah immer mal wieder aus dem Augenwinkel zu Conner hinüber, der allerdings ein freundliches Lächeln für die Leute aufgesetzt hatte. Mich überkam blanke Panik, was er mir wohl als Rache antun würde, aber ich versuchte mir bloß nichts anmerken zu lassen.

Als wir uns alle wieder hinter die Bühne verzogen hatten, kam sofort freudestrahlend unser Lehrer gesprungen und hielt eine Lobes-Rede für uns alle. Außerdem verkündete er, dass wir nachher alle zusammen feiern würden, weil dieses Stück so ein großer Erfolg war. Je länger der Lehrer sprach, desto unwohler wurde mir, denn Conners Aura war immer noch unmissverständlich todbringend. Da ich aber wenigstens noch diesen Abend gern überleben wollte, hielt ich mich einfach die ganze Zeit da auf, wo noch andere Klassenkameraden waren bis die Party los ging. Einige unserer Kumpanen hatten verbotenerweise Alkohol organisiert und so waren die meisten von uns schon bald seeeehr gut drauf. Shina schoss sich auch gleich zu Anfang so richtig ab. Wahrscheinlich war sie wirklich total deprimiert, weil wir als Romeo und Julia so viel Anklang gefunden hatten. Ihr wäre es bestimmt lieber gewesen, wenn wir uns bis auf die Knochen blamiert hätten. Shit happens! Dass so viele sich die Kante gaben war an sich nichts Ungewöhnliches, aber dass ich plötzlich auch Conner bei den ganzen Betrunkenen sah schon. Es war eigentlich gar nicht sein Ding viel Alkohol zu trinken, zumal er nicht wirklich viel vertrug. Dieses Mal war er jedoch schon feucht fröhlich dabei als ich zu ihm rüber ging. Die Gruselaura war gewichen, dafür lachte er jetzt fast die ganze Zeit, auch wenn gar nichts Witziges passierte. „Ey Romeo, jetzt trink doch auch mal was! Dein armer Schatz muss hier sonst allein die Stellung halten!“ grölte einer der Betrunkenen, als ich näher kam. Dann schaute er Conner an und meinte: „Übrigens der Filmkuss sah ja meeeeega echt aus!“. Ich musste schmunzeln, aber dann antwortete Conner plötzlich wie aus der Pistole geschossen: „Jahaaa das lag daran, dass der echt war mann!“. Auf einmal herrschte kurz peinliche Stille, ehe wieder lautes Gegröle los ging. Ich betete nur, dass sich alle Beteiligten am nächsten Tag an nichts mehr erinnern konnten. Schließlich schnappte ich mir auch etwas vom Alkohol und scherzte mit den anderen herum. Ich wollte nochmal ausgelassen feiern, bevor mir Conner spätestens am nächsten Tag gepflegt den Hintern aufreißen würde.

Der nächste Morgen kam nach einer viel zu kurzen Nacht und dafür mit heftigen Kopfschmerzen für Conner und auch für mich. Nach dem Aufwachen hingen wir beide auf unseren Betten und warteten sehnsüchtig darauf, dass die Schmerztabletten, die wir genommen hatten endlich Wirkung zeigten. Schließlich traute ich mich etwas zu sagen: „Hey...Wie viel weisst du noch von gestern?“. Conner hielt sich die Hand vor die Augen, weil das Tageslicht ihm zu hell war und antwortete: „An nicht sehr viel. Aber ich hab das Gefühl irgendwas Peinliches getan zu haben.“ Ich musste mir ein wenig das Lachen verkneifen, weil ich wusste, wenn ich jetzt lachte, würden mich erstens meine Kopfschmerzen umbringen und selbst wenn die mich am Leben ließen, würde zweitens Conner den Rest erledigen. „Du hast jedenfalls nicht gestrippt oder so, wenn du das denkst.“ sagte ich halb ernst gemeint. Dafür erntete ich einen bitterbösen Blick. „Glaub bloß nicht den Rest des Tages hätte ich auch vergessen.“ knurrte Conner. „Was war das eigentlich für 'ne bescheuerte Aktion mit dem Kuss?!“ fragte er gleich nachfolgend. Schade, dass der Alkohol nicht sein gesamtes Gedächtnis an den gestrigen Tag gelöscht hatte. Einen Versuch war es ja wert... Ich seufzte nur und sagte: „Ich wollte nur, dass es echt wirkt und war voll in meine Rolle vertieft. Entschuldige.“. Conner setzte sich auf und schaute nun richtig zu mir herüber. „Hast du 'ne Ahnung, was das für Folgen haben wird?! Jetzt denken am Ende noch alle wir wären Tukken oder so! Schalt doch einmal dein Hirn ein, bevor du was machst!!!“. Ich merkte sofort, dass Conner richtig geladen war. Ich setzte mich auch und versuchte ihn zu beschwichtigen. „Ach komm, das war nur geschauspielert, das wissen die doch alle. Mach dir nicht so einen Kopf, ja?“. Empörung schlug mir entgegen. „Nicht so einen Kopf?! Nicht so einen KOPF?! Alter du hast mich abgeknutscht!!! Ich kann mir schon super ausmalen, wie das für die anderen gewirkt haben muss! Was war so schwer daran einen verdammten Filmkuss zu machen?!“. Conner wurde doch tatsächlich hysterisch. „Jetzt beruhige dich doch mal. Vom Publikum aus und für die Leute hinter der Bühne sah es bestimmt sowieso aus wie ein Filmkuss. So genau konnte das doch keiner sehen. Tut mir echt leid, dass ich mich nicht an die Abmachung gehalten hab.“. Ich schaute betroffen nach unten. Der Kuss war für mich das schönste Erlebnis in meinem ganzen Leben, aber für ihn war es nur ein peinliches, rufschädigendes Ereignis, nicht mehr und nicht weniger.

Anscheinend war Conner aber fürs Erste beruhigt, denn er winkte ab und verschwand im Bad. Es tat weh, dass er sich so aufregte, aber ich konnte es ihm auch nicht übel nehmen. Immerhin konnte er ja nichts dafür, dass ich meine Gefühlswelt nicht unter Kontrolle hatte. Trotzdem war ich der Meinung er übertrieb. Die anderen hielten den Kuss gewiss nicht für echt und würden sicher keinen großen Wirbel darum machen. Was sollte unser Auftritt also schon für Folgen haben?



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