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Es war einmal...

von

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Kapitel 1

Die Bibliothek war dunkel, nur in einer Ecke brannte eine Stehlampe. Daneben stand eine Chaiselongue, auf der eine junge Frau saß und in einem Buch las. Umgeben von großen Regalen, die gut gefüllt mit alten, aber auch neuen Büchern waren, war sie ganz versunken in die Lektüre, dass sie erst mitbekam, dass jemand den großen Raum betreten hatte, als sie angesprochen wurde.

„Wie kommt es eigentlich, dass ich dich jeden Abend hier antreffe?“

Sie sah auf. Georg, der stellvertretende Sicherheitschef des Schlosses, stand vor ihr.

„Was soll ich sagen, ich lese einfach gern und hier habe ich die entsprechende Atmosphäre und Ruhe dafür“, antwortete Leila. „Und außerdem bin ich nicht jeden Abend hier!“

„Ich weiß, manchmal begleitest du den König auf seinen abendlichen Spaziergängen“, meinte Georg und musste lächeln.

„Ganz genau.“

„Welches Buch ist es denn heute überhaupt?“

Er setzte sich neben sie und sah auf den Einband.

„Die Geschichte der Königsfamilie. Der König hatte mir neulich von seinen Vorfahren erzählt und da wollte ich noch mehr darüber erfahren. Von seinem Sohn hat er auch erzählt, er wurde dabei ganz traurig. Es ist sicherlich nicht einfach für ihn, dass sein einziger Sohn bei einem Attentat ums Leben kam. Wie lang ist das jetzt her?“

„Fast 19 Jahre.“

„Oh man, so lange wie ich lebe.“

Sie schwiegen einige Augenblicke, bevor Leila erneut das Wort ergriff.

„Sag mal Georg, wir sind ja eigentlich so etwas wie Freunde, oder? Ich meine, wir treffen uns fast jeden Abend und reden miteinander und das solange ich zurückdenken kann. Ja, früher war es eher spielen als reden, aber du weißt ja, was ich meine. … Sind wir Freunde?“

„Davon kannst du ausgehen.“

„Und würdest du mich als Freund zu meinem Abschlussball begleiten?“

„Du hast es tatsächlich geschafft, die Schule zu beenden?“, fragte er provozierend und musste grinsen, als sie ihn beleidigt ansah und einen Hieb in die Rippen verpasste.

„Kommst du also mit oder nicht?“

„Ich komme gern mit.“

„Sehr schön. Nächsten Samstag dann, halb sieben im Foyer.“

Sie blieben noch eine ganze Weile sitzen und sprachen über die Vorgänge im Schloss, bis Georg seinen Kontrollgang fortsetzen musste und Leila langsam ins Bett wollte.

 
 

***
 

 

„Sag mal, Mama, kanntest du den Sohn des Königs? Ich meine, du bist ja schon ziemlich lange seine Assistentin.“

Liljana verschluckte sich an dem Kaffee, von dem sie gerade einen Schluck genommen hatte.

„Warum möchtest du das wissen?“, fragte sie dann.

„Na ja, ich habe mich mit dem König unterhalten und er hat mir von seinen Vorfahren erzählt und eben auch ein bisschen von seinem Sohn. Mich interessiert nur, wie er so war.“

„Frederik war groß, schlank und doch kräftig. Er hatte braune Haare wie du und große grüne Augen. Er war sehr liebevoll und hilfsbereit, immer hat er sich für die Schwachen eingesetzt.“ Liljana lächelte, als sie von ihm erzählte. „Er schaffte es, alle zum Lachen zu bringen. Wenn die Atmosphäre angespannt war, auf Konferenzen oder bei Verhandlungen, dann hat er es jedes Mal geschafft, sie aufzulockern. Er war ein toller Mann.“

„Ich hätte ihn gern kennen gelernt.“

„Du hättest ihm gefallen. … Was hast du denn heute vor?“, brachte Liljana das Gespräch dann auf ein anderes Thema.

„Ich wollte in die Stadt.“

„Kannst du dann einige Briefe für mich mitnehmen und bei der Post abgeben?“

„Na klar.“

Einige Zeit nach dem Frühstück machte Leila sich auf den Weg. Es war ein schöner Sommertag, warm mit einer leichten Brise. Leila brachte die Briefe zur Post und bummelte danach durch die Einkaufsstraße in der Innenstadt, sie brauchte noch passende Schuhe für ihr Abschlussballkleid. Nach vier verschiedenen Schuhgeschäften hatte sie immer noch keinen Erfolg gehabt, weshalb sie sich ein Eis kaufte und vor dem Schaufenster des Buchladens die Auslage begutachtete.

„Wer bin ich?“

Jemand hatte ihr plötzlich die Augen zugehalten. Sie griff nach den Händen, sie fühlten sich groß und stark an.

„Was soll der Mist, Georg?“

Er nahm seine Hände von ihren Augen und sie drehte sich zu ihm um.

„Ich habe dich gesehen und konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen“, meinte er grinsend.

„Du bist so ein Spinner!“, erwiderte sie. „Was machst du überhaupt hier?“

„Ich habe heute meinen freien Tag und brauchte neue Hosen.“ Als Beweis hielt er die Einkaufstüte hoch. „Hast du schon etwas zum Mittag gegessen?“

„Nein.“

„Hast du Lust auf Italienisch?“

„Schon.“

„Na dann komm, ich lade dich ein!“, meinte Georg, legte seinen Arm um sie und schob sie sanft in Richtung Restaurant.

Georg wählte einen Tisch am Fenster. Sie wurden schnell bedient und bekamen ihre Getränke.

„Was möchtest du eigentlich nach dem Abschluss machen?“

„Ich habe mir schon Informationen über verschiedene Studiengänge rausgesucht. Ich würde gern studieren, aber so ganz sicher über den Studiengang bin ich noch nicht.“

„Was steht denn zur Auswahl?“

„Literaturwissenschaften oder was bodenständiger ist Betriebswirtschaftslehre oder Gastrowissenschaften“, antwortete Leila.

Sie unterhielten sich über die verschiedenen Studiengänge - die Vor- und Nachteile und die Jobchancen. Als das Essen serviert wurde, war das Gespräch über die Entscheidung Georgs für die Ausbildung zum Sicherheitsoffizier aber bereits zum Staatsbankett in der nächsten Woche übergegangen.

„Seid ihr gut vorbereitet? Gab es irgendwelche Drohungen?“

„Nein, bisher sind wir noch bei der Sicherheitsstufe grün. Die Vorbereitungen laufen gut, alle sind eingewiesen, aber wir werden uns zurückhalten“, berichtete Georg. „Es soll schließlich um Offenheit gehen, da würden zu viele offensichtliche Sicherheitskräfte nicht gut aussehen.“

 
 

***
 

 

Der Tag des Abschlussballs war herangekommen und Georg wartete im Foyer des Schlosses an der Treppe auf Leila und ihre Mutter. Warum brauchen Frauen nur immer so lange? Zum wiederholten Male sah er auf die Uhr.

„Georg, es tut mir leid. Aber bei einem solchen Anlass dauert das Fertig machen besonders lange.“ Liljana war zu ihm getreten, sie trug ein sommerliches Kleid, das trotzdem elegant wirkte. „Leila ist gleich soweit, sie wollte nur noch einen kurzen Blick in den Spiegel werfen.“

„Okay.“

Georg lehnte sich gegen das Geländer und als er das Klappern von Schuhabsätzen hörte, drehte er sich um. Leila lief langsam die Stufen herunter, sie trug ein langes, grünes Kleid. Der obere Teil war eng anliegend, doch nach unten hin wurde es weiter. Was er noch nicht sehen konnte, am Rücken war es tief ausgeschnitten. Kettchen mit kleinen grünen Perlen, die am Kleid festgemacht waren, verzierten den freien Teil des Rückens. Die braunen Haare waren hochgesteckt, nur einige zu Locken gedrehte Strähnen fielen in ihren Nacken.

Sie sieht wirklich aus wie eine Prinzessin. Georg verscheuchte mit einem kurzen Kopfschütteln seine Gedanken und reichte Leila dann seinen Arm.  

 

Lange Tafeln waren in dem großen Saal aufgebaut, in dem der Abschlussball stattfand. Weiße Tischdecken, Kerzenleuchter, Blumengedecke. Schüler aus den unteren Klassenstufen führten die Abschlussschüler und ihre Begleitung zu ihren Tischen. „Dies ist Ihr Tisch. Ich wünsche einen schönen Abend.“

Georg zog einen Stuhl zurück und ließ Leila sich setzen.

„Danke.“

„Wo möchtest du sitzen?“, wendete er sich an Liljana und sie wählte den Platz gegenüber ihrer Tochter, damit Georg neben Leila sitzen konnte.

 

„Ich freue mich, dass alle Schüler den Abschluss geschafft haben und ich kann euch nur gratulieren, denn ihr seid der beste Jahrgang seit 20 Jahren.“ Nach der Rede des Schulleiters wurde das üppige Büffet eröffnet. Während bei Unterhaltung und Musik gespeist wurde, zeigte man auf einer Leinwand Fotos und Filme der Abschlussklasse, es waren offizielle von Schulveranstaltungen, aber auch inoffizielle von diversen gemeinsamen Feiern. Der Eröffnungstanz fand nach dem Essen statt und die Stimmung wurde immer ausgelassener. Leila hatte mit ihrem Partner aus der Tanzschule einige Lieder getanzt und gesellte sich danach zu ihren Freundinnen.

„Wer ist denn der Schnuckel, mit dem du hier bist?“

„Du meinst Georg?“

„Wenn er so heißt. … Wer ist er?“

„Ein alter Freund.“

„Alt sieht er ja weiß Gott nicht aus“, erwiderte Annemarie verschmitzt.

„Du schon wieder. Ich kenne ihn schon mein Leben lang, er arbeitet im Schloss als stellvertretender Sicherheitschef.“

„Wenn er nur ein Freund ist, dann kann ich ihn mir ja sicher schnappen.“

„Muss das wirklich sein?“, erwiderte Leila.

„Heißt das etwa…?“

„Das heißt gar nichts.“

„Na, wenn du das sagst…“, meinte Annemarie wissend. Hatte sie doch beobachtet, wie Leila ihn mit strahlenden Augen ansah und über seine Bemerkungen lachen musste.

 

Sie saß bei ihren Freunden, redete und lachte viel. Georg beobachtete sie aus der Ferne. Nichts durfte ihr passieren, niemand durfte ihr etwas zuleide tun, ihr durfte kein Leid geschehen. Sie sollte nicht weinen müssen. Er wusste nicht, warum, aber er war gern mit ihr zusammen. Er mochte es, wenn sie lachte. Er mochte es, wenn sie ihm erzählte, was sie am Tag erlebt hatte. Er mochte es, wenn sie einfach da saß und in einem Buch las. Im nächsten Augenblick stand er auf und lief zu ihr hinüber.

„Darf ich um diesen Tanz bitten?“

Leila sah auf. Sie lächelte, griff nach seiner ausgestreckten Hand und gemeinsam liefen sie zur Tanzfläche hinüber. Er legte seine Hand auf ihren Rücken, sein Griff war fest und doch liebevoll, dann setzte er seinen Fuß vor und der Tanz begann. Sie nutzten die gesamte Tanzfläche aus, wobei Georg sorgsam darauf achtete, nicht die anderen Tanzpaare zu touchieren. Als ein langsames Lied gespielt wurde, lehnte Leila sich an ihn, sie genoss die Geborgenheit. Es war schön mit Georg zu tanzen. Sie mochte ihn, er strahlte Stärke aus und war doch so voller Zärtlichkeit. Sie sah ihn direkt an und es gab nur noch eines, das sie tun wollte. Im nächsten Moment küsste sie ihn. Georg war überrascht, genoss den Kuss allerdings, bevor er sich von ihr abwandte.

„Leila, ich kann das nicht.“

„Was soll das heißen?“

Die beiden standen nun mitten auf der Tanzfläche, um sie herum wirbelten die anderen Paare im Takt der Musik.

„Wir beide… das geht einfach nicht.“

Leila starrte ihn fassungslos an.

„Dann geh! Ich will dich hier nicht mehr sehen!“, sie musste sich zusammenreißen, um nicht lauter zu werden. Doch noch bevor Georg gehen konnte, verließ Leila die Tanzfläche mit schnellen Schritten. Er blieb allein zurück, um ihn herum ein Gewirr aus Freude und Ausgelassenheit.



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