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Broken Clockwork

don't look into the black pit
von

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The Flight


 

Don't you fall into that

pit of loneliness

I've been there before,

and I did not get no rest.

[SHAWN JAMES · NO REST]
 

Als Rose das nächste Mal die Augen aufschlug, war sie allein. Im ersten Moment brauchte sie eine Weile, sich zurecht zu finden und zu begreifen wo genau sie gerade erwachte, wirkte doch alles bisherige wie ein schrecklicher Traum. Sie rieb sich die Stirn, dann die Augen, stützte sich auf den Ellenbogen ins Feldbett und ließ den müden Blick durch die kleine Kammer schweifen. Die Wände schienen auf einen zu zukommen, kaum mehr Bewegungsfreiheit wie zwei Schritte zur Türe und jeweils zwei weitere Schritte, bis man mit dem Rücken gegen die Abgrenzung zum nächsten Zimmer stieß. Wenn sie sich konzentrierte, waren auch die Geräusche wieder da: das stete Atmen eines Fremden, der ebenso gut in ihrem Nacken hätte sitzen können, das Schnarchen eines Mannes in der Ferne, wahrscheinlich am anderen Ende des Ganges und ein konstantes Weinen, das mehr an das Wehklagen einer Wahnsinnigen erinnerte.
 

Gepaart mit dem fahlen Licht, das die unterirdische Zuflucht erhellte, hätte sie ebenso gut in einem schlechten Horrorfilm wach werden können – oder einem dieser Computerspiele, wie Mickey sie mochte, wo man mit nichts weiter als einer kleinen Waffe oder einem Messer bewaffnet direkt im Inneren einer Irrenanstalt ausgesetzt wurde und sich seinen Weg nach Draußen erkämpfen musste.

Hätte Rose gewusst, wie nah sie mit dieser Vorstellung lag, hätte sie sich mit ziemlicher Sicherheit in völliger Panik unter ihrem Feldbett versteckt und auf die Rückkehr des Doctors gewartet. So setzte sie sich an den Rand desselben, bemerkte beiläufig, dass ihr Begleiter seine Bleibe nicht einmal angerührt, geschweige denn sich hingelegt hatte und fuhr sich nachdenklich durch das dichte, buschige Haar, während ihr ein Gähnen entkam. "John?", vielleicht war er ja bloß vor die Türe gegangen. Zumindest konnte sie sich am Riemen reißen und ihn nicht bei seinem richtigen Namen rufen – oder dem, was er als seinen richtigen Namen bezeichnete.
 

Nachdem weder Antwort, noch Reaktion folgten, rappelte sich Rose auf die schmerzenden Beine zurück, räkelte sich flüchtig und machte sich prompt selbst auf, ihren Begleiter zu finden. Es wäre gelogen gewesen zu behaupten, dass sie sich allein in dem spärlichen Raum wohl fühlte – oder in der gesamten Bleibe. Der Doctor tat gut daran, nicht jedem zu vertrauen, der ihm über den Weg lief; auch, wenn Rose ihre eigene Naivität in dieser Feststellung erkannte, weil sie gerne jemandem spontan auf gut Dünken ihr Vertrauen aussprach. Hatte sie nicht selten bereits in Schwierigkeiten gebracht, die sie im Anschluss bitter bereute. Adam, der Kerl aus dem Museum und das letzte Beispiel, war darunter nur eine Anekdote von vielen.
 

Die Türe ächzte in ihren schiefen Angeln, als Rose sie öffnete und einen Blick um das Eck nach draußen riskierte. Wider aller Erwartungen war der Gang allerdings leer, annähernd auf eine ausgestorbene Art und Weise. Die Laute um sie herum nahmen dabei jedoch nicht ab und verursachten der Blondine zwangsläufig eine unangenehme Gänsehaut. Hatte ihr der Kerl vom Eingang nicht angeboten, ihr zu helfen, wenn's notwendig war? Er schien ihr in genereller Hinsicht behilflich sein zu wollen, was Rose eher die Nase rümpfen ließ, vor allen Dingen in einer Situation wie dieser, doch weil sie sich weder in dem unterirdischen Labyrinth an Gängen auskannte, noch eine Ahnung hatte wohin der Doctor verschwunden sein konnte, gab sie Kleinbei und steuerte wagemutig die Richtung an, aus der sie zuvor gekommen waren.
 

Es war nicht so, dass ihr der junge Soldat – dessen Namen sie inzwischen wieder vergessen hatte – gänzlich unsympathisch war; er löste in ihr lediglich dieses seltsame Gefühl aus, das man verspürte, wenn man sich anfänglich nicht ganz sicher war, ob man jemanden leiden mochte oder eben nicht. Beim Doctor war das anders gewesen: er hatte sie überfallen, hatte ihren Job quasi in die Luft gejagt und ihr lächelnd den Tipp gegeben, um ihr Leben zu laufen. In dem Augenblick war sie vor allem verstört gewesen, nicht einmal so sehr verängstigt.
 

Und anschließend hat es bloß eine weitere Reise, ein Abenteuer in Raum und Zeit, benötigt um fest zu stellen, dass sie ihn mochte und ein weiteres Mal, um ihr die Sicherheit zu geben, dass sie für immer mit ihm reisen wollte. Er war zu einer Beständigkeit geworden, zu einem Freund, zu einer Person auf die sie sich verlassen konnte – und so etwas war in Roses Leben bisher eine Seltenheit gewesen. Nicht, dass sie ihre Mutter verleugnete, ganz im Gegenteil. Aber Mum war ihr in manchen Dingen viel zu ähnlich – vor allem, wenn es darum ging ihre Existenz auf die Reihe zu kriegen – als dass sie sie als wirkliche und verlässliche Konstante hätte bezeichnen wollen.
 

**** |[T]| ****
 

Androgar lehnte zur Seite der metallenen Türen und zog an etwas, das verdächtig nach einer Zigarette aussah – zumindest sprühte es kleine Funken, als er einen tiefen Zug davon nahm. Der Geruch war allerdings befremdlich und anders, nicht so sehr wie das Gras, wie Rose es von Sheron kannte, die gerne mal "einen durchzog",  sondern viel mehr wie der Duft einer Kerze, wenn man sie ausblies.
 

Er hatte ein großes Gewehr um seine Schultern baumeln, das ebenso gefährlich aussah wie das seines Anführers, der sie in den Außenseiter-Bezirken aufgelesen hatte, stopfte seine andere Hand aber so nonchalant in die Hosentasche, dass man hätte meinen können Krieg und Chaos um sie herum wären nichts weiter als Fiktion. Rose räusperte sich leise, versuchte seine Aufmerksamkeit zu erregen und entrang sich ein Lächeln, als sich ihre Blicke kreuzten. Androgar straffte sofort die Schultern, schnippte den Zigarettenstummel weg und grüßte die Blonde mit einem kecken Wink aus Kopfhöhe: "Was für eine angenehme Überraschung – brauchst also doch meine Hilfe?" Rose unterdrückte den Impuls, die Augen zu rollen und rettete die wenigen Schritte, die sie trennten, mit einem Achselzucken: "Ich suche nur meinen Freund, hast du ihn gesehen?"
 

"John Smith?" Seine Mundwinkel kräuselten sich auf eine Weise, die der Blonden nicht gefiel. "Zufällig hab ich den gesehen, ja – was krieg ich dafür, wenn ich's dir sage?" Roses Augenbrauen wanderten über ihre Stirn zum Haaransatz. Solche Spielchen? Darauf konnte sie eigentlich verzichten: "Meinen besten Dank, wie wär's damit?" Der Mund des Soldaten verzog sich in ein Schmollen und sein Greifen nach der Schusswaffe, die er über seine Brust zurück zog, so dass er die Arme darauf stützen konnte, machte die Geste nicht unweigerlich besser. Für den Bruchteil einer Sekunde befürchtete die Britin sogar, dass sie Androgar verärgert hätte. Doch er nickte schließlich und ging an ihr vorbei: "Folge mir. Ich bring dich hin."
 

Rose hatte Mühe mit dem hoch Gewachsenen Schritt zu halten. Vor der Abzweigung zu den Quartieren schlug er einen rechten Haken und folgte einem Pfad abwärts tiefer in die Schächte hinunter. Beklemmung zu empfinden wäre auf die Dauer sicher untertrieben gewesen. Die Blonde war jeden Falls froh darum, wieder an die Oberfläche zu kommen – und das so schnell wie eben möglich.

Androgar musterte sie von der Seite aus und war schon daran etwas zu sagen und sämtliche Fragen auszupacken, die ihm sichtbar auf der Zunge lagen und vor Neugierde nur so gesprudelt hätten, wurde jedoch von der tiefen Stimme des Doctors unterbrochen, die an den niedrigen Wänden widerhallte wie Donner vor einem Sturm und für Rose Ansporn genug war ungehindert darauf zu zu laufen.
 

Der Gang endete in einem Stollen, der ausgebaut war wie eine Basis mit Gerätschaften, die sie nicht kannte und die mitunter zweifellos gallifreyischer Natur sein mussten. In der Mitte des halb runden Raumes stand der hoch Gewachsene, die Hände in den Taschen seiner Lederjacke vergraben und die Stirn so tief in Falten gelegt, dass sich seine Augenbrauen an der Nasenwurzel berührten; ihm gegenüber verschränkte Kopyion gerade die Arme vor der Brust.

Sie waren dieses Mal nicht allein, sondern geradezu umzingelt von einer Handvoll Männer in ähnlichen Uniformen wie ihr Anführer sie trug – und wenn Rose es nicht besser wusste, platzte sie in ein unangenehmes Kreuzverhör. Aber überraschte sie das? Sie waren hier schließlich die Fremden, die Eindringlinge. Alles andere wäre stümperhaft seitens ihrer Retter gewesen, wenn sie nicht zumindest ein wenig Misstrauen hätten walten lassen.  

Der Doctor bemerkte sie zuerst und begrüßte seine Begleiterin mit einem steifen Lächeln: "Ah Rose, du bist wach – dann können wir aufbrechen."
 

"Und was ist mit unserer Vereinbarung, John Smith?"

Der Gallifreyan schüttelte den Kopf, merklich von Ungeduld gezeichnet: "Es gibt keine Vereinbarung, Kopyion. Unser Schiff ist nicht groß genug – Rose, tu' mir den Gefallen und erkläre diesem Mann, für wie viel Personen das Raumschiff ausgelegt ist." Sein kühler Blick durchbohrte sie, während sie zu ihm aufschloss und seine Forderung mit einem Blinzeln erwiderte: "Zwei", entgegnete sie automatisch, weil sie ahnte, worauf der Doctor hinaus wollte. Kopyions trockenes Lachen bestätigte das: "Ihr sagtet, ihr seid hier gestrandet – also wo liegt das Problem, uns mitzunehmen, wenn das Schiff wieder fit ist? Habt ihr kein Ehrgefühl? Ich habe euch euer Leben gerettet, ihr seid es mir schuldig!"

Eine kalte Hand schloss sich um die ihre, war ergriffen von einer Anspannung, die Rose verriet, dass sich der Doctor zur Flucht wappnete. "Wir haben nicht um eure Hilfe gebeten, du hast sie uns aus freien Stücken gewährt. Wir haben keinen Pakt miteinander, gleichwohl wir dankbar dafür sind.“

"Sah dort draußen nicht danach aus", mischte sich der andere ein. "Sah mir eher so aus, als wärt ihr ohne mich gestorben, umzingelt von diesen Missgeburten – ihr verdankt mir also euer Leben! Ist euch unseres dann etwa nichts wert, dass ihr in eurem Schiff alleine fliehen wollt?"
 

"Wir haben nicht einmal Platz für einen weiteren Flüchtling, geschweige denn dreißig von Ihnen!"

"Das halte ich für eine Lüge – und selbst, wenn dem so ist: auf diesem Planeten gibt es genügend Technologien, die uns zu Meistern von Raum und Zeit machen. Für Raldeth ist das ein Kinderspiel, schließlich genoss er die Wissenschaften der TimeLords, ich werde nachher mit ihm sprechen. Meine Männer sollen euer Schiff bergen, wir kümmern uns um den Rest. Dort draußen würden Primaten wie ihr keinen Tag alleine überleben."
 

**** |[T]| ****
 

Lag eine Schlinge um ihre Hälse, zog sie sich jetzt zu. Natürlich war die Vorstellung, ein Raumschiff außerhalb des Krieges gefunden zu haben, ein Sieg auf ganzer Linie für die Gallifreyans. Allerdings hatten weder Rose, noch der Doctor angenommen, dass ihre vermeidlichen Verbündeten sofort auf die Idee kamen sich ihnen anzuschließen – selbstverständlich ganz ohne die beiden nach ihrer Meinung zu fragen. Es war längst beschlossene Sache, ja es war schon geplant und ausgeklügelt. Es fehlte nur noch die bedeutungslose Zustimmung des Doctors, der wiederum keinen Hehl daraus machte, wie wenig er von der Idee hielt.
 

Wahrscheinlich wäre der Fluchtgedanke der Außenseiter nicht einmal so sehr das Problem gewesen – das Problem war, dass den Zeitkrieg niemand überleben durfte, außer der Doctor selbst. Und er hielt verbissen an diesem Ausgang und der Vorstellung fest, offensichtlich eingeschüchtert von den Konsequenzen, die es haben könnte, einen kleinen Teil seines Volkes zu retten.

"Nein", beendete der Dunkelhaarige kühn. Der Griff um Roses Hand wurde jetzt fester, schmerzhaft. Kopyion seufzte: "Hör zu, John Smith, du bist ein … mutiger Mann, zweifelsohne. Aber du hast keine Freiheit darüber meiner Familie ihre Existenz zu verwehren. Versteh' mich nicht falsch, dass wir uns getroffen haben war pures Glück, für uns beide. Lehnt euch zurück, genießt den Aufenthalt und wenn wir so weit sind, werden wir dich und dein Mädchen in eurem Sonnensystem absetzen. Eine Hand wäscht die andere, das Prinzip gibt es dort, wo ihr her kommt, bestimmt auch."

"Ich sagte Nein."

"Oh, ich bin mir nicht sicher, ob du eine Wahl hast, John."

"Das entscheidest nicht du."
 

Die Bewegung des Doctors war schnell und flüssig, geübt in ihrer Ausführung, als er den Schallschrauber aus der Tasche zog und an die Decke richtete. Der Stein bebte und lenkte durch sein Geräusch die Blicke der Außenseiter bereits lange genug nach oben, dass der Doctor den Moment für sich nutzen und Rose mit sich im Laufschritt in einen der Gänge zerren konnte.

Kaum, da sie den Stollen im Rücken hatten, brach das Mauerwerk in sich zusammen und katapultierte Staub und Geröll in sämtliche Richtungen, raubte ihnen dabei Atem und Sicht. Der Doctor hatte die Blonde unlängst an seine Brust gepresst und beugte sich schattengleich schützend über sie. Die kleine Explosion hatte ausgereicht, den Stollen von dem Gang zu trennen, hatte ihnen immer hin genügend Zeit verschafft, tatsächlich durch die unterirdischen Tunnel der TimeLords zu fliehen.
 

Rose keuchte, überwältigt von der Kraft des Gallifreyans, dessen beiden Herzen so laut trommelten, dass sie sie hören konnte. Auf der anderen Seite drangen stumpf und klanglos die überraschten und zornigen Rufe der Außenseiter an ihre Ohren, die sich zweifelsohne ebenso versuchten in Sicherheit zu bringen, wie sie – aber zu welchem Preis?
 

Der Doctor wartete einen weiteren Atemzug, bevor er von Rose abließ, zurück taumelte und wie eine Puppe zusammen klappte der man die Fäden gekappt hatte. Seine schwarze Kleidung tauchte sich in Sand und Dreck, indes er die Beine an seinen Körper zog und das Gesicht in den Händen vergrub. Zuerst verfiel er in stoisches Schweigen, dann begann er zu schluchzen und Rose musste kein Genie sein um zu erkennen, dass er weinte.

Aber war es verwunderlich? Die Chance, ein Paar seiner Leute zu retten, vertan – vertan, weil er nicht einmal hier sein durfte, weil der Krieg längst vorüber und sie lange tot waren. Es geschahen böse Dinge mit denen, die glaubten mit der Zeit spielen zu können und der Doctor wusste das. Ob er davon ausging, dass das alles seine Konsequenz war? Dafür, so viele andere Existenzen und Leben gerettet zu haben? Rose leckte sich über die trockenen Lippen und sah auf den schwarzen, kurz geschorenen Haarschopf hinab, ehe sie die Hände in hilflose Fäuste ballte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Arthuria_Kingsley
2015-01-18T11:48:47+00:00 18.01.2015 12:48
Tolles und spannendes Kapitel.^^
Mach weiter so. ^^

LG Arthuria
Antwort von:  kaprikorn
19.01.2015 06:33
Vielen lieben Dank. (-:
Ich verweise auch gerne auf meine anderen Geschichten zu Nine und Rose und freue mich immer wieder über Feedback und Leser :D

viele Grüße!


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