Epilog
Seine Lordschaft bemerkte durchaus die überraschten Blicke – der Hundekrieger am Privattrakt ebenso wie aller, die ihm begegneten. Natürlich verweigerte ihm niemand den gebotenen Respekt, aber als er in die Halle kam und sich offenbar genau den Dienstwechsel der Hofdamen ausgesucht hatte, fand er sich Auge in Auge mit fast vierzig Dämoninnen, die ihn anstarrten, dann sich eilig verneigten.
Etwas zynisch erklärte er: „Die Gerüchte über meinen Tod waren etwas übertrieben um einen Hochverräter zu überführen. Das war alles. Geht!“
Eilig stob der bunte Schwarm auseinander, während sich der Sohn des Hauses langsam auf den Weg über den Hof machte. Nun, immerhin schien bislang niemandem seine gewisse Schwäche aufgefallen zu sein.
Dort drüben war die Heilerhütte, in der Neigi offensichtlich schon wieder Menschen versorgte. Nun ja. Dem alten Heiler konnte er schlecht etwas über seine Behandlung erzählen, das würde ihm nur Ärger mit seinem verehrten Vater einbringen. Und immerhin, der hatte ihn von dieser Nadel befreit, wenn auch nach einer haarsträubenden Fehldiagnose.
Und Sakura kniete drüben im Privatgarten. Was machte sie denn da? Ah ja, Vater hatte Neigi ja gestattet bestimmte Gewürzkräuter dort anzubauen, die Platz benötigten aber eine Hundenase nicht störten. Der Heiler brauchte immer mehr Platz, da immer mehr Patienten kamen. Als ob es so wichtig wäre Menschen am Leben zu erhalten. Sie vermehrten sich doch permanent.
Sakura zupfte sorgfältig Unkraut, als sie ein Prickeln im Kreuz spürte, das sie erkannte. Jemand stand hinter ihr und betrachtete sie. Hier, im Privatgarten, konnte es sich nur um ihren Lehrer oder ein Mitglied der fürstlichen Familie handeln und so wandte sie sich auf Knien um, vorsorglich bereits weiter verneigend.
Sie erkannte die schwarzen Schuhe vor sich. Zum Einen war sie erfreut, dass es Seiner Lordschaft wohl gelungen war die Krisis zu überwinden – zum Anderen, was wollte er hier von ihr?
„Ich fasse zusammen,“ sagte er sachlich: „Du hast mich gegen meinen Willen berührt, mich ausgezogen und mit kalten Tüchern traktiert. Du hast meinen Mund gewaltsam geöffnet und mir gegen meinen Willen Tropfen verabreicht, ja, meine eigene Mutter dazu gebracht dich zu unterstützen.“
Ja, das stimmte, dachte sie, während ihr Herz immer rascher schlug. Das war kaum zu leugnen. Und er hatte schon für weniger getötet. Viel weniger. Geleistete Dienste waren bei ihm keine Lebensversicherung, das hatte sie doch immer gewusst...
„Ferner hast du mitgeholfen mich über deinen Schoss zu zerren, mich festgehalten....“ Was war denn jetzt los? Er konnte wittern, dass sie panische Angst bekam, ja, Todesangst. Hm. Vielleicht hätte er doch mit dem positiven Teil anfangen sollen? Nun, dann jetzt: „Du hast mein Fieber gesenkt, hast zu einem Zeitpunkt, an dem du annehmen musstest, dass ich nichts mitbekomme die notwendige Höflichkeit bewahrt, du hast aufgepasst, dass außer meinen Eltern und euch Heilern niemand mich zu Gesicht bekommt. Du hast mitgeholfen mich...zu unterstützen aus dieser Lage zu gelangen.“ Nein, helfen hätte er nicht über die Lippen gebracht. „Steh auf.“
Sakura gehorchte, wenngleich mit zitternden Knien. Der letzte Teil seiner Aussagen gab ihr ein wenig Hoffnung, aber sie war sicher, dass eine Strafe noch folgen würde. Wohl nicht der Tod, vielleicht schützte sie da doch der Befehl seines Vaters. Aus den Augenwinkeln erkannte sie, dass die Stelle, an der sie standen, vom Haupthof des Schlosses aus einsehbar war, und die ersten Menschen und Dämonen stehenblieben um zu sehen, was passierte. Oh je... Sie blickte lieber zu Boden, spürte zusammenzuckend die Hand Seiner Lordschaft unter ihrem Kinn, die sie zwang den Kopf zu heben, dann weiter glitt über ihre Wange. Wollte er ihr den Kopf abreißen? Wortwörtlich?
Irgendjemand war schlau genug gewesen Neigi zu informieren. Dieser war herangeeilt, blieb jedoch wie die anderen Neugierigen im Haupthof stehen, sicher, dass er sich nur unter Lebensgefahr einmischen durfte. Überdies hegte er die Hoffnung, dass sich seine überaus intelligente Schülerin selbst aus dieser Misere retten konnte.
Nur, was tat Lord Sesshoumaru da?
Aus dieser Distanz sah es so aus, als liebkose er ihr Gesicht, ehe er sich vorbeugte und ihre Wange zu küssen schien. Das war doch unmöglich....?
Da sich der Erbprinz mit ungerührtem Gesicht abwandte und auf die Zuschauer zukam, hielten es alle für vernünftiger sich tief zu verneigen und lieber wieder an ihre Arbeit zu hasten. Der alte Heiler blieb, wo er war, richtete sich auch rasch wieder auf, nur, um zu sehen, dass Sakura mit bleichem Gesicht in die Knie gebrochen war, sichtlich um ihr Gleichgewicht kämpfend. Er eilte hinüber, bückte sich und hielt sie.
„Was...was hat er gesagt, meine Schülerin?“ Denn jetzt war ihm klar, dass Seine Eisigkeit natürlich nicht ein Menschenmädchen küsste sondern etwas unhörbar selbst für Dämonen sagen wollte. Wie töricht von ihm selbst. Aber diesen Eindruck hatten wohl alle Zuschauer gewonnen. Armes Mädchen.
Sakura schüttelte etwas den Kopf, froh um den Halt. „Ich...ich verstehe es nicht...“
„Was sagte er?“
Sie war sich eigentlich nicht sicher ob sie das ausplaudern durfte, aber es war ihr Lehrer und er war besorgt: „Lord Sesshoumaru sagte....“
„Ja?“
„Danke.“