Pullover
Es klingelte ungewohnt früh für einen Samstag Morgen. Zwar hatte Gregory ihn bereits einmal geweckt, als er aufgestanden war, um zum Training zu fahren, aber Caleb war schnell wieder eingeschlafen und wurde darum nun eher unsanft geweckt. Verschlafen rieb er sich mit beiden Händen über das Gesicht und gähnte herzhaft. Zum aufstehen hatte er keine große Lust. Von unten hörte er Schritte, die vom Klang her seiner Mutter gehörten und Richtung Tür gingen.
„Guten Morgen Rasmus“, begrüßte sie ihren Gast und war dabei so überrascht, wie Caleb.
Um die Uhrzeit?
Müsste er da nicht beim Training sein?
„Guten Morgen“, hörte Caleb tatsächlich die Stimme von dem Austauschschüler und neuerdings offenbar auch Wecker. „Tut mir leid, wenn ich gestört habe, aber ich wollte zu Cub und Greg.“
„Aber heute ist doch Training, da ist Gregory nicht vor zwei zurück. Und Caleb...“
„Ich bin wach!“, rief Caleb runter, damit seine Mutter nicht auf den Gedanken kam Rasmus wegzuschicken. „Muss nur... aufstehen...“ Was wesentlich schwerer war, als man meinen sollte. Wenn er einen Blick aus dem Fenster warf und den Schneeregen betrachtete, hatte er schon keine Lust mehr.
„Dann komm mal rein. Magst du mit frühstücken?“
„Wenn es kein Umstände macht...“
Caleb konnte hören, das Rasmus weiter redete, aber er verstand nicht mehr, was gesagt wurde, da er auf dem Weg in der Küche war. Also würde Caleb für mehr wohl tatsächlich aufstehen müssen. Immerhin wollte er wissen, weswegen der Däne so früh hier aufschlug und sogar das Training sausen ließ.
Mit einer Spiderman-Pyjamahose, einem Katzen-Shirt und Yoshi-Hausschuhen bekleidet schlürfte Caleb nach einigen Minuten in die Küche und wirkte dabei noch nicht ganz wach. Rasmus grinste bei dem Anblick. Während Gregory immer in seinen Sportsachen unterwegs war, hatte Caleb seinen ganz eigenen – nun manche würden es ganz sicher nicht als Stil bezeichnen.
„Was machst du denn mitten in der Nacht hier?“, wollte Caleb wissen und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Am liebsten hätte er einen Kaffee getrunken, um wach zu werden, aber da er den Geschmack einfach nicht leiden konnte, beließ er es bei einem Kakao.
„Ich hab Post von meinen Eltern bekommen und da waren auch ein paar Sachen für euch drin.“
Da hatte er einfach nicht lange warten können, um die Präsente seinen Freunden zu bringen. Aber damit hatte er Caleb auch schon ein Stück wacher bekommen.
„Geschenke?“, fragte der nämlich sofort. „Zeig her!“
„Ist das denn okay, wenn wir hier den Tisch jetzt mit den Sachen belagern, wenn eigentlich gefrühstückt wird?“
„Kein Problem.“ Die Mutter der Zwillinge wollte auch wissen, was da für ihre Söhne gekommen war und schob deswegen die Tassen und Tüten ein wenig zur Seite, um Platz zu schaffen. Rasmus öffnete in der Zwischenzeit seinen Rucksack, den er neben sich auf den Boden gestellt hatte, zog ein Geschenk heraus und las das Namensschildchen. „Das ist für dich, Cub.“ Damit reichte er Caleb das Päckchen und griff erneut in einen Rucksack. „Dann muss das für Greg sein.“ Darum wurde das erst einmal zur Seite gelegt. „Das hier ist für alle“, erklärte er zum nächsten Geschenk und reichte es deswegen Calebs Mutter. „Und das hier ist für euch beide.“ Damit schob er eine Box vor den jüngeren Zwilling. Mehr war es nicht gewesen, aber so hatte er die Chance zu beobachten, wie die Geschenke ankamen.
Caleb packte einen Pullover aus, der in den dänischen Nationalfarben gehalten war. Die linke Schulter war rot, die rechte weiß und nach unten hin vermischten sich die Farben in einem Muster.
„Den hat meine Mor, selbst gemacht. In der Box sind Süßigkeiten. Zuhause hab ich auch noch ein paar Plätzchen, die für mich mitgeschickt worden sind. Davon kann ich auch welche vorbeibringen, aber die passten nicht mehr in die Tasche.“
„Süßigkeiten?“, wurde Caleb hellhörig und zog sich schnell den Pullover über, um zu sehen ob er passte, bevor er die Box öffnete. Keine der Packungen sagte ihm etwas. Er verstand auch kein Wort von dem, was da drauf stand.
„Du verrätst mir aber was das alles ist, bevor wir probieren, ja?“
Aber klar. Allerdings sollten wir damit auf Greg warten. Sonst isst du ihm alles weg.“
Caleb grinste und klaute sich dennoch etwas aus der Box. „Meins!“ Er drückte das, was er für Schokolade hielt, an sich und streichelte es langsam. Rasmus machte deswegen schnell wieder den Deckel auf die Box und brachte sie auf die Arbeitsfläche. Das war sicherer für den Inhalt.
Calebs Mutter schmunzelte nur und nippte an ihrem Kaffee. Das Geschenk, das Rasmus ihr gegeben hatte, lag neben ihr und sie reichte es ihm, als er sich wieder setzen wollte.
„Ich denke, wir öffnen das hier, wenn dann auch alle da sind“, erklärte sie ihr tun und der Däne legte das Päckchen ebenfalls auf die Box.
„Die Süßigkeiten müssen derweil eventuell in einen Safe.“