Frostbeulen und Gebelle
Aktz 2: von Frostbeulen und Gebelle
Die Hälfte des Tages war endlich vorbei und die Gruppe um Yugi Muto fror sich auf dem Schulhof ihre Glieder ab. Lange hatten sie versucht es mit ihrer Lehrerin auszudiskutieren, aber Minusgrade schienen für selbige kein Grund zu sein von der Schulordnung abzuweichen.
Während der langen Pause hatte nun mal kein Schüler im Schulgebäude zu sein.
Punkt.
„Das ist doch echt mies, wir frieren uns hier draußen die Zehen ab und die sitzen im Lehrerzimmer vermutlich mit fünf Kaminen und zwei Heizstrahlern… Das ist doch echt ungerecht. Was glauben die, was wir in der Pause im Klassenraum tun, was wir nicht eh schon unter der Stunde machen? Kreide klauen? ... Lächerlich.“ Joey schimpfte nun schon geschlagene zwanzig Minuten und seine Freunde, die sich alle zusammen an die Seite eines großen Baumes gestellt hatten - um zumindest dem beißenden Wind zu entgehen, waren langsam aber sicher genervt davon.
„Joey, weder die Lehrer noch wir können etwas dafür, dass du Anfang Dezember deine Jacke zuhause vergisst! Also schließ die Futterlucke und warte auf das Ende der Pause wie jeder andere Normalsterbliche auch“, es war Tea die ihn unerwartet anfuhr und dafür teilweise dankbare und teilweise verwirrte Blicke vom Rest der Gruppe erntete.
Doch es war ihr einerlei. Ihre Nerven lagen blank. Der Tag hatte schon schlecht angefangen, als heute Morgen plötzlich die Milch leer war und ihr ein Handschuh in eine Pfütze fiel als sie gerade eine SMS tippen wollte. Dann der Streit mit Kaiba und schließlich hatte sie dieses Jahr weniger Spenden ergattert als in den vergangenen drei. Dazu kam jetzt Joeys andauerndes Gemotze und diese Kälte, die langsam unter Jede einzelne Schicht Kleidung kroch… Für sie war der Tag heute einfach gelaufen.
„Dafür war ich heute sogar 5 Minuten zu früh in der Schule, und das obwohl ich mich nicht einmal beeilt habe. Sollte ich dafür nicht wenigstens mal Anerkennung bekommen? Ich meine, für mich ist das echt eine Leistung, vor allem bei dieser menschenunwürdigen Kälte die einfach“, begann Joey von Neuem, ehe ihn eine Stimme von außerhalb unterbrach. Eine kalte, selbstverliebte und schwer zu verkennende Stimme.
„Erwartest du jetzt auch schon ein Leckerli fürs atmen, Köter?“
Sofort sprang Joey darauf an und drehte sich zu dem wenig Größeren, trat dich vor ihn. Dass seine Freunde sich dabei von den zwei zurückzogen und ihren eigenen Unterhaltungen nachhingen kümmerte weder ihn noch Kaiba. In letzter Zeit achtete die Gruppe immer seltener auf die Streithähne. Man konnte sie ja doch nicht auseinander bringen. Sie gingen neuerdings nur noch dazwischen, wenn es wirklich so schien als würde Joey handgreiflich werden, was jedoch auffällig selten der Fall war.
„Kaiba!“
„Ich bin beeindruckt, du kannst sogar meinen Namen bellen.“ Dreckig grinsend trat nun auch Kaiba dichter an sein Gegenüber heran. Die Wärme des jeweils anderen Körpers strahlte auf sie ab und für einen flüchtigen Augenblick hatte Joey das Bild vor Augen, wie er sich vor alle Augen in diese Wärme hinein schmiegte. Verdammt… Wieso nur war er so blöd gewesen seine Jacke zu vergessen?
„Kaiba! Ich bin verdammt noch mal kein HUND!“, blaffte Joey ein wenig zu spät zurück und bemühte sich dabei möglichst aufzuplustern. Doch alles Strecken und Recken half nichts, er war und blieb kleiner als Kaiba.
„Ach nein?“ grinsend reckte Kaiba seinen Kopf noch ein Stück nach vorne, sodass er Joeys tiefen Atem auf seinem Gesicht spüren konnte. Sie waren sich so nah, so nah, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. So nah, dass Joey ein wohliger Schauer über den Rücken rann und seine Stimmer weicher formte als sie eigentlich sein sollte als er ein hoffentlich halbwegs konsequentes ‚Nein‘ hervorbrachte.
Wie versehendlich strichen Kaibas Fingerspitzen ungesehen über Joeys Oberschenkel, verschwanden noch schneller als sie aufgetaucht waren. Beinahe hätte Joey gedacht, dass er sich die Berührung nur eingebildet hatte, wäre da nicht die erhitzte Spur gewesen, die sie auf Joeys Haut zurückließ.
Eingehend studierte Joey jede Pore in Kaibas Gesicht, bemerkte das Funkeln in Kaibas Augen, das eine einzelne Haar das über seiner Stirn hing und die leichten Augenringe die von nächtlicher Arbeit zeugten. Und nicht zuletzt die fein geschwungenen Lippen die immer wieder warmen Atem ausstießen und zwischen dienen genau jetzt eine Zungenspitze zu sehen war, die sie zärtlich befeuchtete.
Kurz zuckten des Blonden Lider, wollten sich schließen und das Bild dieser lasziven Geste für immer in sein Gedächtnis brennen. Er wollte sich Kaiba entgegen recken, diese sinnlichen Lippen mit seiner eigenen Zunge nachfahren und den Warmen Körper an sich ziehen. Doch er hatte nicht vergessen wo sie waren, das sie mitten auf einem Schulhof standen, vor einem Mistelzweig-Graffiti inmitten einer Meute frierender Jugendlicher die nur wegen der Kälte zum Glück noch nicht bemerkt hatten, dass die zwei Streithähne vom Dienst sich gerade nicht mehr stritten, dass es um sie herum nicht mehr kalt war, weil zwischen ihnen Funken flogen die einen Regenwald in Brand hätten stecken können. Sie mussten damit aufhören. Jetzt. Heute war nicht der Tag dafür, dies war nicht der Ort dafür. Kurz zuckten Joeys Finger, wollten Kaiba berühren und er streckte die in seine hinteren Hosentaschen um das zu verhindern, als die Schulglocke sie zurück ins Gebäude rief.
Viel zu schnell trat Kaiba einen Schritt zurück und Kälte griff erneut von seinen Augen und Joeys Körper Besitz.
„Wir klären das ein andermal, Hund!“ Damit drehte Kaiba sich auf dem Absatz herum und schritt zurück in Richtung Lehranstalt. Hatte Joey da gerade wirklich einen rauchigen Unterton aus seiner Stimme gehört?
„Ich freu mich schon drauf, Kaiba“, rief er zurück und schwang dabei halb grinsend seine Faust in der Luft.
„Um was ging es diesmal?“, Tristan der mittlerweile zu Joey aufgeschlossen hatte gähnte. Die Kälte ließ ihn sich den Winterschlaf wünschen.
„Ach, das übliche. Jede Menge Hundevergleiche und er ist der Größte. Ich könnt‘ kotzen.“
Trotz Kälte nahm Joey ungewöhnlich gut gelaunt am Rest des Unterrichts teil.