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The Angel who kills

Azrael Chronicles
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Sprachkunde:

- -ssi: Andrede für "Herr"
Beispiel: Kim Choi Sung-ssi - Herr Kimm Choi Sung
- Noona: Anrede die ein jüngerer Mann für eine ältere Frau verwendet. Nur üblich unter Bekannten, Verwandten und Freunden. Komplett anzeigen

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Angel Murderer

Er fuhr sich durch die nassen Haare, während er sich im Spiegel betrachtete und den Worten seines Fahrers lauschte, der anscheinend draußen im Flur auf und ab lief, um ihn mit Fragen löchern zu können.

„Wie ist sie so?“

Seine Mundwinkel zuckten kurz und er warf einen Seitenblick zur Tür, bevor er sich noch einmal durch die Haare fuhr, um sie einigermaßen, trotz des nassen Zustands, in Ordnung zu bringen.

„Sie ist praktisch.“, antwortete er gewohnt ruhig und warf das blutige Verbandszeug in den Mülleimer, nachdem er die 'Arbeitskleidung' in der Wäschetonne entsorgt hatte.
 

Er bekam keine Antwort, was ihn allerdings nicht störte. Genau genommen hatte er auch keine Lust, sich über seine Freundin zu unterhalten, weshalb er sich eine Zigarette anzündete, ehe er das Bad verließ und direkt vor seinem Fahrer stand, der ihn mit zusammengezogenen Brauen und verschränkten Armen ansah.

„Macht sie deine Buchhaltung?“

Aufgrund dieser Frage hob er amüsiert eine Augenbraue und streckte eine Hand aus, was sein Gegenüber zusammen zucken, aber bewegungslos stehen bleiben ließ.

Er musste aufgrund dieser Reaktion lächeln, auch wenn es ein eher kühles und berechnendes Lächeln war. Diese Reaktionen war er von Leuten gewohnt, die wussten, wer er war. Innerhalb der Organisation war es auch kein großes Geheimnis, dass er tötete, ohne mit der Wimper zu zucken und auch im Nachhinein kein schlechtes Gewissen mit sich herum trug.

„Ich hab keine Buchhaltung.“, gab er im gewohnten Ton von sich, während er dem Anderen gegen die Stirn tippte und seinen Arm dann sinken ließ, bevor er sich an ihm vorbei schob und das Wohnzimmer betrat, wo er sich auf das weiße Ledersofa fallen ließ.

„Was ist an ihr dann praktisch?“

Sein Blick huschte kurz zu seinem Fahrer und seine Mundwinkel hoben sich erneut leicht, als er ein „Irgendwann kapierst du's.“, von sich gab.
 

Während der Andere in die Küche ging, um ihm einen Kaffee zu holen, ohne dass er danach verlangt hatte, folgten seine Augen seinen Bewegungen.

Er war es gewohnt allein zu sein und hatte die Gesellschaft von anderen Menschen auch nie sonderlich vermisst, denn allein schon die Vorstellung, dauernd jemanden um sich herum zu haben, behagte ihm nicht.

Dass er nun auf Yong Tae saß und keine wirklich ernst zu nehmende Möglichkeit hatte, diesen loszuwerden, außer ihn zu erschießen, ließ er eher über sich ergehen, als dass er sich wirklich darüber freute.

Gesellschaft war nichts für ihn, auch wenn Frau Kang, die Sekretärin, meinte, er sollte mal öfter unter Menschen gehen. Er selbst war der Meinung, dass er oft genug unter Menschen ging. Zwar diente dies lediglich dem Zweck der Informationsbeschaffung oder dem Ausführen von Missionen, für ihn war es jedoch dasselbe.
 

Er hörte wie der Andere in der Küche hantierte und lehnte sich zurück, während er an seiner Zigarette zog und hin und wieder einen Blick auf ihn erhaschte.

Der Junge war der Neffe des Bosses und neu im 'Unternehmen', wobei er bezweifelte, dass dessen Eltern, oder gar er selbst, gewusst hatten, was für ein 'Unternehmen' der Onkel so führte.

Yong Tae war ihm vor vier Wochen vom Boss selbst vor die Nase gesetzt worden, mit der Order, dass er diesen im Auge behalten sollte, bis dessen Vater die Schulden abbezahlt hatte, die er bei der Organisation angehäuft hatte.

Er selbst war der Meinung, dass jeder Andere sich besser geeignet hätte, auf ein zwanzigjähriges Balg aufzupassen, aber er hatte den Mund gehalten und stattdessen nur genickt.

Es war nicht so, dass er dem Boss nicht die Meinung sagen konnte, denn er gehörte neben dessen Sekretärin und dem Berater zu seinen engsten Vertrauten.

Dennoch hatte er aus einem Bauchgefühl heraus beschlossen, nichts dazu zu sagen und es stattdessen so hinzunehmen. Vorerst.
 

Seine Mundwinkel zuckten wieder und er konnte ein kaltes und doch amüsiertes Lächeln nicht unterdrücken, als er an das erste Zusammentreffen mit Yong Tae dachte, während er den Kopf in den Nacken legte und an die Decke sah.

Er war gerade von einem Auftrag zurück gekehrt und hatte das Büro des Bosses, wie jedes Mal, ohne jegliches Anklopfen betreten. Dem Jungen war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen, während er ihn angestarrt und er selbst sein übliches Pokerface zu Tage getragen hatte.

Aufgrund der Reaktion ging er davon aus, dass der Junge behütet und in geordneten Verhältnissen aufgewachsen war, und auch ansonsten nicht besonders viel mit der Organisation zu tun hatte, geschweige denn ahnte, wo er hier hin geraten war, und deswegen etwas verstört auf Leute reagierte, die von oben bis unten mit Blut bespritzt waren.

Der Boss zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern fragte ihn lediglich, ob die Mission beendet war, was er mit einem Nicken beantwortete.

Allerdings fand sogar er, dass der Boss dem Kleinen schonender hätte beibringen können, wer genau er war, was er tat und dass Yong Tae nun unter seiner Obhut stehen würde. Sollte sein Vater die Schulden nicht zu den monatlichen Fristen abbezahlen oder er versuchen zu fliehen oder die Organisation anderweitig in Schwierigkeiten zu bringen, würde er sterben.

Dass der Junge Angst vor ihm hatte war offensichtlich, auch wenn dieser versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. Andererseits sah er auch keine Notwendigkeit, ihm diese Angst zu nehmen.

Er war nun einmal gefährlich und er tötete. Ihm zu vertrauen wäre ein ziemlich großer Fehler, und das hatte er dem Jungen auch gesagt, als er so blutverschmiert ihm gegenüber im Büro gestanden hatte.
 

Als er Schritte hörte, sah er auf und beobachtete Yong Tae, der ihm eine Tasse mit Kaffee auf den Tisch stellte, bevor er sich ein Stück von ihm weg auf einen der weißen Ledersessel setzte und schwieg.

Er drückte seine Zigarette aus und nahm die Tasse in die Hand, bevor er an dem Kaffee nippte und den Jungen weiter beobachtete, was diesem offensichtlich unangenehm war.

„Geh nach Hause.“

Der Blick des Jungen hob sich, ehe er den Mund öffnete und er selbst die Augen leicht zusammen kniff, weshalb der Andere den Mund wieder schloss und nickte.

Yong Tae stand auf und verließ das Wohnzimmer und kurz darauf hörte er, wie die Tür ins Schloss fiel.

Es missfiel ihm, dass sich andere Leute außer er selbst in seiner Wohnung aufhielten. Die Wohnung war sein Rückzugsort und er wollte keine anderen Menschen darin haben, aber nach der Order vom Boss blieb ihm nichts anderes übrig und er hatte sich gefügt, auch wenn er darauf achtete, nicht zu viel Zeit mit Yong Tae in seiner Wohnung zu verbringen.

Zwar bezweifelte er, dass dieser es schaffen würde ihn zu verletzen, geschweige denn zu töten, aber wenn man Menschen Einblicke in seine Privatsphäre gewährte, wurde man angreifbar.
 

Sein Blick wanderte durch das Wohnzimmer und er lehnte sich wieder zurück. Um genau zu sein, gab es in dieser Wohnung eigentlich nichts wirklich persönliches, von seinem Kleiderschrank und den Waffen abgesehen.

Und der lächerlichen Kaffeetasse mit der Aufschrift 'Happy killing', die ihm Frau Kang irgendwann einmal zu Weihnachten geschenkt hatte.

Ansonsten war die Wohnung mit komplett weißen Möbeln ausgestattet und diversem Luxus wie einer hochmodernen Sicherheitsanlage, Fußbodenheizung, einem Whirlpool auf der Dachterrasse und einem begehbaren Kühlschrank. Persönlichkeit hatte diese Wohnung jedoch noch nicht einmal im Ansatz und er bedauerte es auch nicht.

Er kam hierher um zu essen, ab und zu zu schlafen, sich umzuziehen und frisch zu machen und um sich etwas zu entspannen. Für mehr brauchte er die Wohnung nicht.

Eigentlich hätte es jede Ein-Zimmer-Wohnung getan, aber das war nicht sein Stil, weshalb er sich diese Maisonette-Wohnung gekauft hatte.

Die Lage war günstigerweise am Rande des Partyviertels von Seoul und niemand fand es seltsam, wenn man tagsüber schlief und nachts wohin auch immer ging. Auch lautere Geräusche störten niemanden, zumal die Anonymität hier am größten war. Keiner kümmerte sich um den Anderen, und somit mischte sich auch niemand in Dinge ein, die ihn nichts angingen.

Die drei Nachbarn, die er besaß, waren nicht der Rede wert. Neben ihm wohnte ein Ehepaar um die achtzig, die schwerhörig waren, ihm aber angeboten hatten seine Pflanzen zu gießen, sollte er für längere Zeit nicht weg sein. Das war ja ganz nett, aber er hatte keine Pflanzen, weshalb er dankend abgelehnt hatte.

Das Pärchen über ihm war sowieso nie zu Hause und ständig auf Geschäftsreisen und der junge Buchautor in der hinteren Wohnung verließ seine Wohnung vielleicht einmal im Monat, und so sah er auch aus.

Alles in allem war hier niemand, um den er sich ernsthaft Sorgen hätte machen müssen, und selbst wenn, wäre das Problem schnell erledigt gewesen.
 

Sein Blick wanderte zur Uhr, während er wieder an seinem Kaffee nippte und er gab einen unerfreuten Laut von sich.

Eigentlich hatte er gar keine Lust, sich mit seiner Freundin zu treffen und ins Kino zu gehen. Auch ohne sie gefragt zu haben, wusste er, dass sie Karten für irgendeinen Romantikfilm kaufen und er sich alles andere als wohl fühlen würde.

Wäre er nicht er, hätte er die Beziehung schon längst als beendet abgestempelt und wäre stattdessen in irgendeiner Bar noch etwas trinken gegangen.
 

Er knallte die Tasse auf den Tisch, stand auf und ging in sein Schlafzimmer, um sich passende Schuhe zu seinem Outfit zu suchen, das aus einer schwarzen Jeans, einem grünen Shirt und einer schwarzen Jacke, die geschnitten war wie ein Jacket, bestand.

Sein Blick glitt über die Sammlung seiner Schuhe, bevor er kurzerhand weiße Sneakers heraus zog und damit in den Flur abrauschte, wo er seine Schuhe anzog und sich Geldbeutel und Schlüssel schnappte, ehe er die Wohnung verließ.

Er verließ das Haus und schob die Hände in die Jackentaschen, während er die Straßen entlang lief und hin und wieder aus reiner Gewohnheit die Menschen beobachtete, an denen er vorbei lief.

Vielleicht war es leichtsinnig, dass er ohne Waffen unterwegs war, aber in erster Linie hatte er keine Lust Mi Hae, seiner Freundin, erklären zu müssen, warum er Waffen mit sich herum trug.

Zumal seine Waffen keine gängigen Waffen, sondern Spezialanfertigungen waren, auf deren Lauf sein Markenzeichen eingraviert war. Und das zu erklären wäre um einiges schwieriger.
 

Seine Mundwinkel zuckten, als er sie schon von weitem vor dem Kino erkannte. Es lag noch nicht einmal daran, dass er sie in-und auswendig kannte, sondern lediglich an der Tatsache, dass Mi Hae eine Obsession für Kleidung in Neonfarben pflegte und sie von weitem deswegen schon leicht zu erkennen war. Zu seinem Leidwesen war diese Obsession nicht nur auf ihre Kleidung bezogen, sondern auch auf ihre Wohnungseinrichtung, weshalb er es nie besonders lange bei ihr aushielt, und es auch nicht wollte.
 

„Seung!“, rief sie erfreut, als sie ihn entdeckte und tippelte mit ihren hohen Absätzen auf ihn zu, bevor sie ihm um den Hals fiel und er sie aus Reflex an den Hüften festhielt, um einen Sturz ihrerseits zu vermeiden.

„Ich hab dich vermisst.“, flüsterte sie, während sie sich enger an ihn schmiegte und er seine Arme um sie legte und einen zustimmenden Laut von sich gab.

Nach einer Weile löste er sich behutsam von ihr und schob seine Hände wieder in die Jackentaschen, was seiner Freundin ein schiefes Lächeln entlockte.

„Wie war dein Tag?“

Während sie das Kino betraten und seine Befürchtungen bezüglich eines Liebesfilms sich bestätigten, erzählte er ihr von einem recht anstrengenden Tag in der Buchhaltung und dass ein paar Leute gefeuert wurden.

„Armer Schatz. Dein Chef will dich doch nicht auch feuern, oder?“

Auf seinem Gesicht breitete sich ein kleines Lächeln aus, während er Mi Hae ansah und den Kopf schüttelte.

„Für mich gibt es keinen Ersatz.“

Zwar mochte das überheblich klingen, aber er wusste dennoch, dass dem so war. Dafür war er zu lang in der Organisation, war zu gut und genoss zu viel Vertrauen, als dass man ihn so mir nichts dir nichts ersetzen konnte, im Gegensatz zu anderen, weniger bedeutenden Mitgliedern.
 

Sie ließen sich auf ihre Plätze sinken und er nahm ohne zu Murren das Popcorn entgegen, das Mi Hae besorgt hatte, während er wartete, dass diese ihre Jacke ausgezogen und ihre Tasche verstaut hatte, ehe er es ihr wieder reichte.

Der Film war genauso schlimm wie er befürchtet hatte, aber er ließ es zu, dass Mi Hae sich an seinen Arm klammerte und die Männer in dem Film verwünschte, die dumm, egoistisch und nur auf das eine aus waren, zumindest laut ihrer Aussage.

Es war nicht so, dass er bisher viele Freundinnen gehabt hatte, aber trotzdem hielt er Treue für Wunschdenken und eine Erfindung der Frauen, um ihrem Partner ein schlechtes Gewissen einzureden.

Zu seiner Erleichterung war er in diesem Kinosaal nicht der Einzige, der diesen Film notgedrungen über sich ergehen lassen musste, weshalb er es schweigend und mit stoischer Ruhe ertrug, aber so etwas wie Freude verspürte, als der Film zu Ende war und sie den Kinosaal verlassen konnten.
 

Draußen regte sich Mi Hae immer noch über die Männer aus dem Film auf und hakte sich bei ihm unter, während sie den Weg zu einer der unzähligen Bars einschlugen.

Er kommentierte ihre Argumente gegen Männer hin und wieder mit Lauten, die mit ganz viel Fantasie als Zustimmung zu deuten waren, während er sich darüber amüsierte.

Wenn Mi Hae wüsste, was er so beruflich tat, würde sie die Art Männer, die sie gerade auf das übelste verurteilte, mit offenen Armen empfangen, aber er sagte nichts dazu und betrat mit ihr das 'Blue'.

Warum diese Bar so hieß, obwohl absolut nichts blaues vorhanden war, weder innen noch außen, würde er nie verstehen, aber er vermutete, dass sich der Name auf den Zustand der Gäste ein paar Stunden später nach dem Eintreten bezog.
 

Sie suchten sich einen Platz in einer Ecke bei den großen Fenstern und legten ihre Jacken ab, ehe sie bei einem der jungen, und prinzipiell gutaussehenden Kellner, ihre Bestellung aufgaben.

Kaum war der junge Mann verschwunden, beugte sich Mi Hae verschwörerisch halb über den Tisch, was ihn dazu veranlasste, eine Augenbraue zu heben.

„Hast du heute die Nachrichten gesehen?“, fragte sie und er gab einen verneinenden Laut von sich, bevor er ein „Ich war arbeiten.“, hinten dran hängte.

Er stützte seine Arme locker auf dem Tisch ab und lehnte sich ebenfalls etwas vor, um sie besser verstehen zu können, während er darauf wartete, was sie ihm wieder zu erzählen hatte.

Mi Hae redete im Allgemeinen sehr viel und vor allem behandelte sie sehr viele Themen gleichzeitig, wie vermutlich jede Frau, was es ihm manchmal schwer machte, ihren Gedankengängen zu folgen, wenn er ihr nicht gerade seine gesamte Aufmerksamkeit schenkte.
 

„Heute wurden der Außenminister von Nordkorea, der Innenminister von Südkorea und dessen junge Verlobte erschossen.“

„Nein!“, kam es ungläubig über seine Lippen, während er eine Augenbraue hob.

„Doch! Und jetzt kommt die Härte!“

Natürlich wusste er, dass die genannten Personen erschossen worden waren, immerhin hatte er sie selbst erschossen, aber es fiel ihm nicht schwer, den Ahnungslosen und Überraschten zu spielen. Was jetzt jedoch 'die Härte' war, darauf war er tatsächlich etwas gespannt.

„Es ist sicher, dass es sich bei dem Täter um Azrael, den 'Engel-Mörder' handelt.“

„Sicher? Ich dachte, der wäre in der Versenkung verschwunden?!“
 

Er selbst amüsierte sich jedes Mal auf ein Neues über den Spitznamen, dem ihm die Presse vor einigen Jahren verpasst hatte.

'Engel-Mörder' hörte sich in seinen Ohren an, als würde er Engel oder unschuldige Menschen töten. Dabei bezog sich dieser Spitzname auf sein besonderes Merkmal, die rot-schwarz tätowierten Flügel, die von seinen Schulterblättern bis fast zu seinem Steißbein verliefen. Schuld daran, dass es Videomaterial davon gab, war eine zu früh hochgegangene Bombe, die sich einschaltende Sprinkleranlage, die Tatsache, dass er bei diesem Auftrag ein weißes Hemd getragen hatte und die Tatsache, dass die Überwachungskamera existierte.

Es war nicht gerade der beste Tag in seiner Laufbahn gewesen, aber auch nicht unbedingt der schlechteste, da von ihm nur Aufnahmen von hinten existierten. Zusammen mit seiner Abneigung oben ohne durch die Stadt zu laufen oder baden zu gehen, hätte es schlimmer kommen können.

Das Foto war am nächsten Tag und die darauffolgende Woche in jeder erdenklichen Zeitung und jedem Schmierblatt erschienen.

Allerdings war dies auch der Punkt, weshalb er jegliche sexuelle Annäherung von Mi Hae abwehrte, denn für die Flügel auf seinem Rücken gab es keine logische Erklärung.

Dass sie seinen Namen kannten, war auch nicht weiter gefährlich oder beunruhigend. Sie hatten lediglich ein Mitglied von Vortex erwischt und der Vogel hatte gesungen, allerdings nicht lange, da er sich aus Versehen im Gefängnis erhängt hatte. Und auch wenn dieser versehentliche Unfall nicht passiert wäre, hätte er nicht viel sagen können. Ein kleiner Fisch, der zwar wusste, dass ein Boss existierte und Aufträge zum Ausschalten von Personen meistens bei jemandem mit dem Codenamen 'Azrael' landeten, aber niemand, der mehr mit Vortex zu tun hatte oder sein Gesicht kannte.
 

„Du arbeitest zu viel. Das Weltgeschehen zieht ja förmlich an dir vorbei.“, kam es tadelnd von seiner Freundin und er lächelte entschuldigend.

„Azrael ist vor vier Wochen wieder aufgetaucht, nachdem schon jeder dachte, er wäre bei der Explosion damals in Hong Kong ums Leben gekommen.“

Er persönlich fand die Explosion damals nicht lustig und er hatte auch einiges abbekommen. Trotzdem hatte er es geschafft, unterzutauchen und auf Befehl des Bosses eine Weile die Füße still zu halten. Das war das langweiligste halbe Jahr seines Lebens.

„Die Experten sagen, es ist absolut sicher, dass Azrael diese Taten begangen hat, da sein Markenzeichen gefunden wurde. Das liegt der Öffentlichkeit nicht vor, also ist ein Trittbrettfahrer ausgeschlossen.“

Er gab einen Laut von sich und nickte, während er sich eine Zigarette anzündete und aus dem Augenwinkel den Kellner mit den Getränken herannahen sah.

Als der junge Mann die Getränke auf dem Tisch abgestellt hatte, lächelte er ihn an, was diesen sich hastig verbeugen und davon eilen und ihn die Augenbraue heben ließ.

„Hab ich was im Gesicht?“, fragte er rhetorisch und zog sein Glas näher zu sich.

„Man, man, man! Du kriegst es wirklich nicht mit, mein Hübscher.“

Er konnte solche Kosenamen von Natur aus nicht ausstehen, sagte aber nichts dazu, weil Mi Hae es eben nicht wusste, weshalb nur ein fragender Laut seine Kehle verließ.

„Was du für eine Wirkung auf Andere hast.“

Sein Blick wanderte zu ihr, während er an seinem Glas nippte und nebenbei eine Augenbraue hob, die seine Frage offensichtlich verständlich genug ausdrückte, da seine Freundin seufzte und mit einem Nicken auf die Bar im Allgemeinen deutete.
 


 

„Egal wo man mit dir hingeht, alle drehen sich nach dir um.“, hatte ihm Mi Hae erklärt, als er aus dem Augenwinkel die Bar und deren Gäste betrachtet hatte, die ihn immer wieder verstohlen ansahen.

Er konnte sich wage daran erinnern, dass sie das schon einmal so ähnlich zu ihm gesagt hatte, aber er hatte darauf nichts gegeben.

Natürlich waren ihm hin und wieder Blicke aufgefallen oder er hatte sie gespürt, aber solange keine Gefahr davon ausging, hatte er sich nicht mehr damit befasst.

In Zwischenmenschlichkeit hinkte er definitiv hinterher, aber das hatte ihn nie sonderlich gestört. Er verspürte nicht den Wunsch danach mit irgendjemandem etwas zu tun zu haben und war am liebsten allein, jedoch fragte er sich trotzdem, was Mi Hae damit meinte, dass ihm nicht bewusst wäre, was er für eine Wirkung auf andere Menschen hatte.

Ihm selbst war keine Wirkung bekannt, außer dass die Menschen starben, was sie jedoch nicht gemeint haben konnte, da sie ihn für einen braven Buchhalter mit dem seltenen Talent sich gut zu kleiden hielt.
 

Er stützte sich am Waschbecken ab, während er sich nach vorne lehnte um sich besser im Spiegel betrachten zu können und drehte seinen Kopf erst nach links, dann nach rechts, um sich von den Seiten zu betrachten, ehe er wieder die Stirn runzelte.

Für jemanden, der die meiste Zeit damit beschäftigt war Leute aufzuspüren, sie zu beschatten und stundenlang auf irgendwelchen Gebäuden hockte oder lag um auf eine passende Gelegenheit zu warten, war er erstaunlich blass.

Die kurzen, wasserstoffblond gefärbten Haare machten ihn noch eine Spur blasser, standen ihm aber gut. Vor der Explosion in Hong Kong waren seine Haare noch etwas länger und mittelbraun gefärbt gewesen, aber nachdem auch seine Haare unter der Explosion hatten leiden müssen, hatte eine kürzere Frisur her gemusst.

Durch seinen blassen und ebenmäßigen Teint wurden die dunkelbraunen Augen noch betont, die ihm im Spiegel kalt entgegen blickten, und die oft das Letzte waren, das seine Opfer gesehen hatten.

Sein Blick glitt nach unten zu seinem Hals und er fuhr mit den Fingern die Narbe nach, die sich links an seiner Halsschlagader befand, ehe sein Blick sich verdunkelte und er sich vom Spiegel abwandte.
 

Eigentlich konnte ihm sein Aussehen egal sein, da man als Auftragskiller nicht unbedingt blendend aussehen musste. Schaden konnte es jedoch auch nicht, wie er fand, denn sein Aussehen zusammen mit seinen schauspielerischen Fähigkeiten hatten ihn schon des öfteren die Tür zu einem Auftrag geöffnet.

Ihn störte selten etwas, und auch Verletzungen nahm er ohne zu murren hin, da dies einfach zu seinem Job gehörte, aber dennoch gab es Dinge, die ihn störten. Die Narbe an seinem Hals zum Beispiel, zusammen mit den Beiden, die schräg über seine Schulterblätter verliefen und sozusagen das Skelett, den oberen Teil, seiner Flügel bildeten.

Sie fühlten sich nicht direkt wulstig an, aber eben auch nicht glatt. Wenn er beim Duschen darüber strich, konnte er sofort spüren wo sie waren, ohne lange danach suchen zu müssen, und er hasste es.

Aufgrund dieser Narben hatte er sich überhaupt erst die Flügel auf seinem Rücken zuerst cutten und dann tätowieren lassen. Der Tätowierer musste dummerweise dran glauben, als der Zeitungsartikel mit dem Foto seiner Flügel erschien, denn ihm war das Risiko zu hoch, dass dieser sich trotz der ganzen Jahre noch an sein Gesicht erinnern konnte, da so ein Auftrag bestimmt im Gedächtnis blieb.
 

Sein Weg führte in die Küche, wo er einen Blick in den Kühlschrank warf, nur um festzustellen, dass dieser bis auf eine Tüte inzwischen verdorbener Milch, zwei Dosen Bier, ein Stück schlecht gewordenem Käse und einer Flasche Ketchup absolut leer war, weshalb er ihn mit einem unerfreuten Laut wieder zu schlug und sich an die Arbeitsplatte lehnte.

Er blickte sich in der Küche um, ehe seine Augen an der Pinnwand hängen blieben und er sich von der Arbeitsfläche abstieß, bevor er auf die Korktafel zuging und davor stehen blieb.

Fein säuberlich, in Reih und Glied, hingen Zettel von diversen Lieferservices und er konnte nicht umhin aufzulachen und den Kopf zu schütteln.

Wem er diese zwanghafte Ordnung an seiner Pinnwand, die er sowieso nie benutzte, zu verdanken hatte war offensichtlich, aber solange der Junge nicht anfing, seine Kleidung farblich und seine Waffen nach Größe zu sortieren, war es ihm gleichgültig.
 

Nachdem er sich etwas zu Essen bestellt hatte, setzte er sich auf sein Ledersofa und zündete sich eine Zigarette an, während er den Fernseher einschaltete und desinteressiert durch die Kanäle schaltete, auf der Suche nach irgendwas, das ihn wenigstens im Ansatz interessierte.

Bei den Nachrichten blieb er hängen und legte die Fernbedienung auf den Glastisch, der vor dem Sofa stand, ehe er sich zurück lehnte und einen Arm auf der Lehne ablegte.

Die Sprecherin berichtete von den Morden in Süd- und Nordkorea, die definitiv auf das Konto des 'Engel-Mörders' gingen, was ihn zu einem kühlen Lächeln veranlasste, während er erneut an seiner Zigarette zog.

Die Sprecherin gab weiter an einen Reporter vor Ort, der mit einem untersetzten, dicklichen und alten Mann neben sich im Bild erschien.
 

„Prof. Dr. Kim Choi Jung ist Professor des National Intelligence Service, kurz NIS, und leitet wissenschaftliche Ermittlungen im Fall des 'Engel Mörders'.

Kim Choi Jung-ssi, was ist der 'Engel-Mörder' für ein Mensch?“

„Ich bin Profiler, deswegen kann ich Ihnen zu seiner Persönlichkeit keinerlei Angaben machen.“

„Was können Sie uns dann zu dem Mörder sagen?“

„Beim 'Engel-Mörder' handelt es sich um eine sehr präzise Person.“

„Wie meinen Sie das?“

„Ich habe noch nie von jemandem gehört, der so genau sein Ziel aus großer Entfernung trifft. Nehmen wir den Fall vor 4 Jahren in Tokyo, bei dem der Botschafter von Nordkorea und sein gesamtes Sicherheitsteam getötet wurden. Alle wiesen Schüsse in den Hals auf.“

„Das ist schon außergewöhnlich, aber warum nennen Sie es präzise?“

„Ich habe mir die Obduktionsberichte der Opfer zukommen lassen, und alle Schüsse, jede einzelne Kugel, ging genau durch die Mitte der Halsschlagader. Einmal kann man das einen Zufall nennen, aber gleich achtmal hintereinander, das ist pure Präzision.“

„Ein geübter Schütze würde das doch bestimmt schaffen.“

„Nein. Wir haben Tests mit allen möglichen Schützen gemacht, sogar mit Scharfschützen des Geheimdienstes, aber keiner von ihnen hat auch nur aus fünf Metern Entfernung so genau getroffen. Wer auch immer diese Person ausgebildet hat, hat eine Waffe erschaffen.“

„Kim Choi Jung-ssi, wie meinen Sie das, 'eine Waffe erschaffen'?“

„In den drei Jahren die ich nun diesen Fall übernommen habe, bin ich zu folgendem Schluss gekommen. Diese Person ist nicht nur im Umgang mit Schusswaffen geübt, sondern auch im Umgang mit jeder anderen erdenklichen Waffe. Die Morde an der Yoep Familie vor zwei Jahren gehen ebenfalls auf das Konto dieser Person, wurden jedoch mit einem Katana und Kurzschwertern ausgeführt. Der Mord vor vier Wochen an Kangjun Dae Yong fand mit Pfeil und Bogen statt. Aber in allem steckt dieselbe Präzision.“

„Wollen Sie damit sagen, dieser Mörder ist ein All-round-Talent was Waffen anbelangt?“

„Nicht nur das, ich bin mir ziemlich sicher, dass er ebenso gut im Nahkampf ausgebildet wurde.“

„Hat die DNA-Analyse nichts ergeben?“

„Nach wie vor kann die DNA ein und derselben Person zugeordnet werden, über die weder wir, noch die internationale Datenbank, Informationen besitzen.“
 

Auf seinem Gesicht hatte sich während des Berichts ein spöttisches Grinsen breit gemacht, während er ein letztes Mal an seiner Zigarette zog und sie dann im Aschenbecher ausdrückte.

Diese Berichterstattung und die Panikmache amüsierten ihn.

Die Leute hatten Angst, dass er eines Nachts in ihrem Zimmer stehen und sie töten könnte. Zumindest hatte er so etwas ähnliches auf diversen Internetplattformen gelesen, als er sich in einem Anflug aus Langeweile selbst gegoogelt hatte.
 

Als es klingelte stand er auf und ging zur Tür, wo er durch den Spion nach draußen sah und dann die Türe für den Lieferanten öffnete.

Er nahm seine Bestellung entgegen und drückte dem Mann einige Geldscheine in die Hand, während er ein „Passt schon.“, von sich gab, als dieser ihm auf den Betrag heraus geben wollte, bevor er die Tür schloss und wieder ins Wohnzimmer ging.

Nachdem er sich Stäbchen aus der Küche geholt und die Abdeckung seines Essens entsorgt hatte, ließ er sich wieder auf das Sofa fallen, wo nach dem Wetter ein Hollywoodstreifen namens 'The Tournament' gesendet wurde.

Amüsiert hob er eine Augenbraue, als er feststellte, dass es in diesem Film um Auftragskiller ging und murrte kurz darauf, als sein Handy die Melodie 'Miss California' von Dante Thomas zum Besten gab, und er schluckte, bevor er über das Display wischte und den Anruf entgegen nahm.
 

„Kang-Noona, was kann ich für dich tun, mein Blümchen?“

„Alter Schmeichler!“, kam es gelacht am anderen Ende und seine Mundwinkel zuckten kurz.

Die 52-jähirge Sekretärin war so ziemlich die einzige Person, zu der er tatsächlich aufrichtig freundlich war, da sie ihm mit ihrer offenen Art und ihrer Furchtlosigkeit ihm gegenüber einfach imponierte.

„Der Tag!“

Er hob eine Augenbraue, während er sich erneut seinem Essen widmete und darauf herum kaute.

„Der alljährliche Hochzeitstag ist wieder da. Ich soll dir ausrichten, dass du ein Geschenk besorgen sollst. Das letzte ist offenbar ganz gut angekommen.“

Er schluckte seine Nudeln herunter und murrte ein „Das ist doch ein Witz!“, in sein Handy, als auch schon eine Verneinung kam und er aufstöhnte, bevor er ein „Gut!“, von sich gab und auflegte.

Wann es angefangen hatte, dass er für seinen Boss nicht nur Leute ausschaltete oder von der Bildfläche verschwinden ließ, sondern auch noch die Geschenke für Frau und Kinder kaufte, wusste er nicht mehr, sondern nahm es einfach so hin.
 

Nachdem er sich erneut Nudeln in den Mund geschoben hatte, griff er erneut zu seinem Handy und öffnete den Nachrichtendienst Whatsapp, in dem er eine Nachricht für Yong Tae eintippte und absendete.

'Morgen, 12 Uhr vorm Dongdaemun Shopping Complex. Pünktlich!'



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-01-06T08:15:11+00:00 06.01.2015 09:15
Von wegen Buchhalter.^^
Wenn seine Freundin wüsste wer er ist. Es hat mich selbst auch amüsiert, wie er darauf reagiert hat, als sie ihm von den Morden erzählt hat.


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