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Hilfsleistung I

Ein riesiger Schülerhaufen drängte sich vor der Tafel an denen die Gesamtpunktzahl der Prüfung aushing. Jonouchi versuchte, über die anderen hinweg zu sehen, doch er würde sich gedulden müssen. Nur langsam löste sich die Traube auf und er kam nahe genug heran, um seinen eigenen Namen entdecken zu können. 

„Geschafft“, entfuhr es dem Siegreichen als er die Zahl sah. 805 von 900 möglichen Punkten. 

Somit hatte er es unter die besten 15 des Abschlussjahres geschafft und seinem Studium stand nichts mehr im Weg. Selbst Kaiba musste doch davon beeindruckt sein, oder? Kurz sah er sich nach dem Pinkel, der die Liste mit 895 Punkten anführte, um und bemerkte, dass dieser nicht da war. 

„Nun, wen verwundert es“, sagte Yuugi und strahlte dann seinen besten Freund an. 

„Klasse Katsuya. Du hast dich wirklich selbst übertroffen.“ 

„Ja du aber auch. 815 Punkte, spitze.“ 

„Das war unser gemeinsames Lernen“, gab Anzu als Kommentar dazu und grinste sie schelmisch an. Sie belegte den vierten Platz auf der Liste, knapp gefolgt von Otogi und nur noch durch Bakura und einem Mädchen einer anderen Klasse geschlagen. 

„Das Kaiba nicht die volle Punktzahl erreicht hat verwundert mich doch etwas.“, meinte Honda, der mit seinen 809 Punkten zufrieden schien. Wie sollte er es auch nicht sein? Ihre Paukerei hatten sich bezahlt gemacht und sie tatsächlich alle unter die besten 15 gebracht. 

„Na, selbst der kann doch nicht alles können.“, entgegnete Jonouchi achselzuckend. 

„Aber bestimmt ärgert es ihn trotzdem“, spekulierte der Spielladenbesitzer und grinste. 

„Das könnten wir ja nachher überprüfen“, schlug Honda vor und sie beschlossen auf Grund ihrer hohen Punkte, sich mit einem ausgedehnten Ausflug in die Spielhalle zu belohnen. Danach verabschiedeten sie sich nur kurz voneinander, bevor sie vor dem Kaiba-Anwesen erneut zusammen fanden.

„Sie wünschen?“, erklang Rolands raue Stimme aus der Sprechanlage, was vermuten ließ, dass sein Chef zu Hause war. 

„Hallo Roland. Hier ist Muto Yuugi. Mokuba erwartet uns.“, sprach der Junge mit der ungewöhnlichen Stachelfrisur und es öffnete sich das Tor für sie. 

„Kommen sie herein.“ 

Sogleich folgten sie der Aufforderung und gingen das Stück Weg hinauf bis zum Eingang. Noch bevor sie die unterste Stufe betraten, öffnete ihnen Mokuba die Tür und strahlte sie an. Jonouchi überlegte worüber der Junge sich mehr freute. Über ihr Erscheinen oder die vielen Pizzakartons in ihren Armen? 

„Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Riecht das gut!“ 

Scheinbar war das Letztere zutreffender und der Blonde musste grinsen. Er selbst war nicht weniger der Leidenschaft des essens verfallen. 

„Dank Katsuya haben wir sie zum Mitarbeiterpreis bekommen“, erklärte Yuugi zwinkernd und gab Mokuba die gewünschte Salamipizza. 

„Wo ist dein Bruder, Mokuba? Dann bring ich ihm seine schnell hoch.“, schlug der pflichtbewusste Bote vor. 

„Lieber nicht. Er ist gerade in einer Videokonferenz. Wir stellen sie in unseren Ofen und halten sie warm, dann kann er sie nachher essen.“ 

Während er dies sagte, blickte Mokuba besorgt auf die Tür zum Konferenzraum. Er hoffte inständig, dass sein Bruder heute noch zum Essen kommen würde. 

„Weiß er, dass wir hier sind?“, fragte Yuugi und der Kleinere wurde verräterisch rot. 

„Ich wollte nicht riskieren, dass er etwas dagegen sagen könnte. Ihr wisst ja wie stur er ist.“ 

Zustimmendes Murren der anderen Anwesenden. Selbst Roland nickte beflissen und öffnete ihnen die Tür zum Esszimmer. 

„Lasst uns erstmal essen, bevor wir mit der Arbeit anfangen“, schlug Mokuba vor und deutete auf die gedeckte Tafel. Für sie alle standen Getränke, Obst und Eis als Nachtisch bereit. 

„Wow. Da kann man sich ja fast überfressen“, bemerkte Jonouchi und hielt sich nicht zurück die Androhung umzusetzen. 

Es ging mehr als lustig zu, als sie sich über ihre Pizzen hermachten und auch reichlich Obst, sowie massenhaft Eis danach verdrückten. Erst als die Tafel fast leergefegt war, gingen sie mit Mokuba in eines der Arbeitszimmer. 

„Ist das deines?“, fragte Bakura und sah sich hochachtungsvoll um. 

„Ja. Mein Bruder lässt sich zwar nicht oft helfen, aber wenn dann brauche ich ja einen Ort wo ich alles zum Helfen habe, oder?“ 

Er grinste und nahm mit ihnen an einem großen Tisch mit mehreren Stühlen Platz. Hier würde es sich wunderbar arbeiten lassen. Sie kramten ihre Hilfsmittel wie Notizblock und Stift hervor und begannen mit Mokuba Teilnehmernummern in ein entsprechendes System einzuordnen. Erst mussten alle Anmeldungen in einer Datenbank vereint werden, dann die Reihenfolge und Duelle festgelegt und danach die entsprechenden Antworten generiert werden, um sie den Teilnehmern zukommen zu lassen. Zum Glück half ihnen dabei das Programm welches Kaiba entwickelt hatte. Trotzdem mussten sie alle Briefe einzeln überprüfen, da sich keine Fehler einschleichen durften. Sie saßen einige Zeit daran und sanken dann erschöpft auf ihren Stühlen zurück. 

„Oh man. Und das hättest du alleine gemacht?“, fragte Honda und sah Mokuba bewundernd an. 

„Ja. Und weil ich es nicht rechtzeitig geschafft hätte, wäre mein Bruder noch mit dem Rest beschäftigt gewesen. So kommt er nachher hoffentlich zu etwas Schlaf, bevor er seinen Flug nimmt.“ 

„Fliegt er Morgen schon nach Frankreich?“, fragte Yuugi und sah den jüngeren erstaunt an. 

„Dann ist er zur Abschlussfeier gar nicht da?“ Mokuba schüttelte bedrückt den Kopf. 

„Er hat sich alles zuschicken lassen, damit er Morgen gleich los kann. Seto meint, er könne es nicht weiter aufschieben. Das muss alles noch erledigt werden, bevor die Endrunden beginnen.“ 

„Ich hab immer mehr Respekt vor deinem Bruder“, sagte Katsuya ehrfürchtig und sah wie seine Freunde ihm beipflichteten. 

„Wie lange ist er in Europa?“ 

„Drei Tage. Zumindest wenn alles glatt läuft. Ich hoffe er bringt mir was Leckeres mit.“ 

Über diesen einfachen Wunsch des Kaibas mussten sie grinsen, was durch ihre Erschöpfung zu einem Lachen anwuchs. Sie speicherten ihre Arbeit ab und sortierten die analogen Unterlagen ordentlich ein. Danach machten sie sich einen neuen Helfer-Termin aus und verabschiedeten sich von Mokuba. 

„Katsuya?“, fragte der Kleinste der Runde, „Kannst du meinem Bruder noch die Pizza bringen? Ich krieg bestimmt Ärger, wenn er sieht das ich welche bestellt habe und auf diesen kann ich gerne bis Morgen verzichten.“ 

Der Gefragte grinste kurz und nickte. 

„Kein Problem. Ihr könnt schon vorgehen, ich bin eh mit Motorrad da.“, erklärte er den Anderen, als diese an der Tür auf ihn warten wollten. 

Yuugi musterte ihn kurz und blickte dann zu Mokuba, der besorgt auf die Tür blickte hinter der Seto zu sein schien. Sie hatten den ganzen Abend nichts von ihm gehört. Ob er noch immer in Verhandlungen steckte? 

„In Ordnung. Wir sehen uns dann Morgen zur Abschlussfeier“, sagte er und verabschiedete sich von seinem besten Freund. Dieser ging kurz darauf in die Küche und holte die Pizza heraus. Er kontrollierte sie und sah dann zu Mokuba. 

„Soll ich ihn auch gleich ins Bett verfrachten?“, fragte er den besorgt dreinschauenden. 

„Wenn du das schaffst, bist du mein Held“, gab Mokuba resigniert von sich. 

„Ich erzähl ihm einfach, was wir Heute alles für ihn erledigt haben und das er als Gegenleistung schlafen gehen soll. Mal schauen ob danach mein Kopf noch dort sitzt, wo er hingehört.“ 

Der Kleinere sah ihn entsetzt an. 

„Das wollte ich ihm schonend beibringen.“ 

„Schon klar. Aber dann müsstest du noch jetzt mit ihm reden. Und so brauchst du keinen Ärger fürchten. Das mach ich schon.“ 

„Katsuya “, protestierte er, doch er war ihm dankbar. Er hatte sich noch keine passende Lösung einfallen lassen, wie er seinem Bruder das geheime Hilfskommando erklären sollte. Es widerstrebte ihm, den Blonden vorzuschicken, aber er musste zugeben, dass dieser mit der Wut seines Bruders wohl bestens umgehen könnte. 

„Danke“, gab er kleinlaut von sich. 

„Jetzt ab ins Bett mit dir. Du musst morgen in die Schule.“ 

Mokuba umarmte ihn kurz, schien aber doch etwas skeptisch gegenüber dem Plan. Sein Bruder konnte unter Schlafmangel sehr griesgrämig werden. 

„Gute Nacht“, wünschte der Jüngere und ließ Jonouchi den Gang zum Schafott antreten. Er hatte das Gefühl, als würde der Held sich gerade in die Höhle des Löwen wagen. In dem Fall vielleicht eher in die eines weißen Drachens mit eiskaltem Blick?

Vorsichtig klopfte der Blonde an und rügte sich sogleich selbst. Der Respekt von Mokuba für seinen Bruder hatte ihm doch etwas Angst eingeflößt. Einen schlafenden Drachen sollte man bekanntlich nicht wecken. Und wenn er ihm dann noch erzählte, dass der Kindergarten ihm Arbeit abgenommen hatte, von der sie nichts wissen sollten … oh das konnte gefährlich werden. 

Als keine Antwort kam öffnete er die Tür und spähte in das große Büro. Es brannte nur eine Lampe am Schreibtisch, der auf der gegenüberliegenden Seite vor dem Fenster stand. Durch dieses schien der Vollmond herein, der langsam von Wolken verdeckt wurden. Kurz kam Jonouchi der Gedanke, dass es heute vielleicht sogar schneien würde. Zumindest hatte der Wetterbericht etwas in der Art gesagt. Kaum war dieser Gedanke verflogen, fiel ihm auf, dass er noch gar nicht zusammengestaucht wurde, obwohl er soeben unaufgefordert die Höhle … das Büro betreten hatte. 

Verwundert sah er zum Chefsessel in dem Seto saß, den linken Arm über den Augen und komplett zurück gelehnt. Leise schlich er voran und stellte die Pizza auf einen freien Platz des Tisches ab. Viel gab es davon nicht. Neben dem Laptop, der unterdessen den Bildschirm ausgestellt hatte, lagen etliche wichtig wirkenden Dokumente. 

„Kaiba?“, sprach er den jungen Mann an, der sogleich den Arm sinken lies und ihn mit seinen blauen Augen ansah. Sofort bildete sich ein Kloß in Katsuyas Hals, den er schwer hinunterschluckte und der in seinem Magen ein seltsamen Krampfen auszulösen schien. 

Das war alles andere, als der kalte Blick, den er sonst von dem immer korrekten Chef der Kaiba Corporation kannte. Wenn er diesen beschreiben müsste, dann wohl mit dem Wort: Schlafzimmerblick. Es war nur ein kurzer Moment. Wahrscheinlich war er eingedöst und durch Katsuya erst aus diesem Dämmerzustand herausgerissen wurden. Er richtete sich sofort auf und ein forscher Blick musterte den Jüngeren von Kopf bis Fuß, bis er den Pizzakarton sah und einen Blick auf die Uhr warf. 

„Dein Bruder hat dir eine Pizza mitbestellt.“ 

„Soviel kann ich mir selbst zusammenreimen. Und auch das du nicht der Pizzabote bist. Weder deine Kleidung noch die Uhrzeit lassen darauf schließen.“, schlussfolgerte der Braunhaarige und fixierte ihn nun direkt. 

„Weshalb warst oder bist du hier?“ 

Katsuya ließ sich nicht einschüchtern sondern zog den USB-Stick hervor auf dem ihre gemeinsame Arbeit abgespeichert war. 

„Wir haben deinem Bruder unter die Arme gegriffen, weil er will das du endlich Zeit zum Schlafen hast.“ 

„Ihr? Etwa der gesamte Kindergarten? Und was habt ihr getan?“, fragte er und die Empörung wuchs in seiner Stimme, als er den Stick ergriff und an seinen Laptop anschloss. Er wartete die Antwort gar nicht erst ab und kontrollierte mit findigem Blick die darauf gespeicherten Dateien. 

„Wir sind kein Kindergarten. Wir sind deine Freunde, Mann. Und deshalb wollten wir dir und Mokuba auch helfen. Im Gegensatz zu dir, ist dein Bruder wenigstens in der Lage um Hilfe zu bitten.“ 

„Ich brauche keine Hilfe von Stümpern.“ 

„Du brauchst Schlaf und Essen.“ 

„Ich habe weder Hunger noch das dringende Verlangen ins Bett zu gehen.“ 

„Gut du kannst auch auf dem Sofa schlafen. Ich trag dich da gern hin.“ 

„Jonouchi! Verschwinde aus meinem Büro!“, erhob sich seine Stimme, die bis eben noch gelassen geklungen hatte. 

„Nicht bevor du die Pizza vor meinen Augen gegessen hast.“ 

Der Blonde öffnete den Karton und hielt sie ihm unter die Nase. 

„Oder soll ich sie dir rein würgen?“ 

Dafür kassierte er einen giftigen Blick, doch er bemerkte auch die Hände des anderen am Karton. Das sich ihre Finger leicht dabei streiften, war nicht zu vermeiden gewesen und es wunderte ihn doch etwas, das der Kloß aus seinem Magen sich plötzlich in ein Gewimmel aus Ameisen zu verwandeln schien. Schnell verschränkte er seine Arme vor der Brust und starrte den Imperator auffordernd an. 

„Dein Bruder macht sich Sorgen, also iss!“, forderte er ihn auf und sie lieferten sich ein Blickduell. 

Etwas erschrocken wich Katsuya zurück, als Seto sich plötzlich erhob und direkt an ihm vorbei in eine kleine Sitzecke mit gemütlichen Sofas ging. Er ließ sich darauf nieder und begann zu Essen. Auch wenn der Brünette es sich nicht anmerken lies, so erahnte Katsuya , dass ihm die Pizza mehr als gut tat. Er war sich fast sicher eine leises, zufriedenes Seufzen von ihm zu vernehmen. 

„Du siehst ich esse. Richte es meinem Bruder aus, während du gehst.“ 

„Ich geh noch nicht“, sagte er grinsend und erntete erneut einen dieser herrlichen Todesblicke. 

„Das hier ist kein Wunschkonzert, Straßenköter. Du hast meinen Worten folge zu leisten.“ 

„Ich bin kein Köter und keiner deiner Angestellten. Ich werde dafür Sorgen dass du schlafen gehst. In Europa kann immerhin keiner von uns darauf achten, dass du deiner Gesundheit den Vorrang gibst.“ 

Katsuya konnte förmlich sehen, wie es in dem anderen anfing zu brodeln und er kurz davor stand ihn achtkantig rauszuschmeißen. Doch statt sich wie erwartet zu erheben, blieb er sitzen, wand den Blick ab und schob sich ein weiteres Stück der scharfen Pizza in den Mund. Kaiba musste echt müde sein, wenn er so viel Widerstand duldete. Oder war es eher wegen seines Bruders? 

Das war gar nicht so abwegig und tatsächlich auch der ausschlaggebende Grund für den Firmenchef. Er wusste, dass sein Bruder sich große Sorgen um ihn machte. Dass er Katsuya und dessen Freunde um Hilfe gebeten hatte, zeigte wie ernst die Lage war. Zwar war seine Müdigkeit seit dem Auftauchen des Köters wie weggeblasen, doch sein Hunger um so größer. Bis eben war ihm gar nicht bewusst gewesen, dass er solchen Hunger hatte. Er schob sich den letzten Bissen in den Mund und spülte ihn mit Wasser aus einer Flasche herunter, die hier für Gäste bereitstand. Mit ausgeprägter Eleganz erhob er sich und drückte Katsuya den Pizzakarton in die Hand. 

„Verschwinde endlich. Du kannst meinem Bruder ausrichten das ich ins Bett gehen werde.“ 

„Brav.“, kam es schneller über Jonouchis Lippen als er sich der Konsequenzen eines solchen Wortes bewusst werden konnte. Ein fieses Grinsen zuckte über das Gesicht seines Gegenübers und dieser packte ihn am Kragen. 

„Ich denke 'brav' ist nicht das passende Wort hierfür.“, zischte er in eisiger Kälte, „Allerdings kann ich dir die Bedeutung des Wortes gerne beibringen, Köter. Wenn du 'brav' bist, gibt es Leckerlis, wenn nicht: Prügel.“ 

Katsuya war kurzzeitig erstarrt und musste schwer Schlucken. 

„Also raus und misch dich gefälligst nicht mehr ein.“ 

Als er losgelassen wurde, hatten sich seine Muskeln bereits wider entspannt und in seinem Kopf ratterte es auf Hochtouren. 

„Gut ich gehe 'brav' und dafür ...“ 

Er feikste kurz und kam dann dem Impuls nach, der sich eben in ihm angestaut hatte. Ein Leckerli von Kaiba, hm? Nur für eine hundertstel Sekunde berührte er dessen schmale Lippen mit den seinen und nahm dann schneller reiß aus, als er sich Gedanken über seine Handlung machen konnte. Er warf Mokuba nur ein flinkes: „Er machts“, zu, bevor er durch die Tür und bei seiner BMW war. Was hatte er sich nur dabei gedacht?, fragte er sich selbst und startete den Motor, zog seinen Helm auf und fuhr los. Das würde sicher Konsequenzen haben. Einem Drachen so nahe zu kommen, war alles andere als ungefährlich. 

Aber er hätte sich keine Sekunde länger zurückhalten können. Eigentlich hatte er sich schon ziemlich gut im Griff gehabt, da sein Wunsch eher in die Richtung gegangen war: Ich will den arroganten Arsch in sein Bett zwingen. Dass dieser dabei seine Klamotten verloren hätte, war Jonouchis Unterbewusstsein mehr als klar. Bis eben war er noch der Überzeugung gewesen, dass er die Streitereien mit seinem Konkurrenten vermissen würde. Jetzt wurde diese von seiner Vermutung ergänzt, dass ihm der attraktive Eisklotz fehlen würde. Über sich selbst lachend stellte er fest, dass seine Gedanken bis eben in eine ganz bestimmte Richtung gegangen waren. Zu gerne hätte er ihr Wortgefecht auf einer anderen, horizontalen Ebene fortgeführt. 

„Scheiße“, fluchte er als er sich den Helm abnahm und durch sein Haar strich. Er wollte sich gar nicht selbst belügen und daher sah er es als einfacher, zuzugeben dass er nichts lieber täte, als den Firmenchef ins Bett zu kriegen. Der Gedanke war nichts neues, aber er schien zum ersten Mal so präsent, dass er ihn zu einem Fehltritt verleitet hatte. Als er in seiner Wohnung ankam, entblätterte er sich und sprang unter die Dusche. Erst kalt und dann angenehm heiß, in der Hoffnung eine Lösung für das verursachte Problem zu finden. 

Reden? Sicher nicht. Vielleicht hatte Seto es nicht registriert? Unwahrscheinlich. Oder er hält es für einen Traum durch seine Übermüdung? Und Morgen verkündet er den Rücktritt aus seiner Firma. Am wahrscheinlichsten war, dass der Eisklotz sich gerade gründlich wusch und die Zähne putzte, um jeden Gedanken daran weg zu schrubben. Dabei würden ihm bestimmt die diabolischsten Ideen kommen, wie er es Katsuya heimzahlen konnte. Ein Kaiba der sich von einem Mann küssen lies? Von einem Kindergarten-Köter? 

Katsuya zuckte zusammen, als er sich selbst als einen solchen bezeichnete und lauschte der kleinen Bitterkeit in seinem Kopf: „Ein Mann der einen anderen küsst. Wenn er die unumstößlichen Schlüsse zieht, hab ich mehr als seinen Ekel zu erwarten.“ 

Er konnte sich zwar nicht vorstellen, dass Kaiba zu den intoleranten Menschen gehörte, die andere für ihre Sexualität verurteilten, aber er war immerhin nicht irgendwer. Und er hatte auch nicht irgendeinen Mann geküsst, sondern Kaiba höchstselbst. Als er sich dessen Blick vorstellte, mit dem er eine Kakerlake oder ähnliches bedachte, zog sich in Katsuya alles zusammen. Dieser Blick würde ihn mehr treffen als jeder der Todesblicke zusammengerechnet, die er je kassiert hatte. Zumindest war jetzt das Bild verschwunden, das ihn überhaupt in diese Situation getrieben hatte und hinterließ ein ungutes Gefühl und irgendwie den aufgestoßenen Geschmack von Pizza-Hawai.
 

Der eben noch wütende Kaiba, stand nun in seinen Grundfesten erschüttert da. Gerade redete er sich ein, dass Katsuya die Flucht ergriffen hatte, da seine Drohung Wirkung gezeigt hatte. Doch er wusste genau, dass es nicht seine Worte, sondern dessen Handlung gewesen war. Seine Worte hatten noch nie Eindruck auf den Köter gemacht. Um so verwirrender war die Reaktion die er darauf erreicht hatte. Er schloss kurz die Augen und spürte das ihm der Mund leicht offen stand, den er sogleich schloss. Mit dieser Tat kehrte die Fassung in ihn zurück und er machte sich auf den Weg in sein Schlafzimmer.

Nur am Rande nahm er wahr, das Mokuba gerade in sein eigenes zurück huschte. Nun gut, er konnte den Schlaf gebrauchen, für den sein Bruder die Zeit freigearbeitet hatte. Eigentlich freute es ihn schon, dass sie solche Hilfe bekommen hatten, aber es wurmte ihn viel mehr, als das er es je zugeben würde. 

Seto betrat sein Schlafgemach und ihm erschien das Bild des Blonden erneut vor Augen. Wie seine braunen Augen geleuchtet hatten und das Grinsen bei seinen letzten Worten. All das war binnen einer Sekunde von seinem Gesicht gewichen bevor er die Flucht ergriffen hatte. Wenn er es mit einem Wort beschreiben müsste: Panik. Es war pure Panik. Panik vor was? Oh, sicher vor der Reaktion des geweckten Drachens. Doch Seto war gar nicht in der Lage gewesen zu reagieren. Nicht wegen irgendeiner Übermüdung, sondern eher, weil er nie mit so etwas gerechnet hätte. Und somit wusste er gar nicht, wie er darauf reagieren sollte. 

Er lies sich auf sein Bett sinken und überlegte. Er verspürte weder den Drang zu schlafen, noch sich das leichte Prickeln von den Lippen zu wischen. Im Gegenteil. Er wünschte sich eher Katsuya festgehalten und mit ins Bett gezogen zu haben. Prompt saß er kerzengerade in seinem Bett und rang nach Atem. Für derlei Gedanken hatte er momentan keine Zeit, schon gar nicht wenn sie diesen Möchtegern-Duellanten betrafen. Dass er überhaupt auf eine solche Idee kam. Mit dem Blonden? Er mit dem Blonden? Nie und nimmer. Er erhob sich und ging ins angrenzende Bad um sich etwas Wasser ins Gesicht zu spritzen. Kaum das er dabei die Augen schloss, brannte sich ein Bild in seine Augenlider. Jonouchi der wütend aus dem Wasserbecken stieg, als er knapp gegen ihn verloren hatte. 

Seto öffnete die Augen und sah sein Spiegelbild an. Er hatte schon einigen Unsinn erlebt und begonnen zu glauben, aber das er in dieser Richtung etwas für den Jüngeren empfand, war das Absurdeste was ihm je in den Kopf gekommen war. Beruhigt ging er zurück in sein Bett, doch eine kleine Stimme erinnerte ihn: „Es ist nicht das erste Mal, dass du so über ihn denkst.“ 

Er verdrängte sie unter Vorwand in eine Ecke, wo all der private Kram lagerte für den er momentan keine Zeit hatte. Doch ein Grinsen konnte er nicht verhindern, als er erschöpft in die Kissen sank und fast augenblicklich einschlief.
 

Als Jonouchis Wecker seinen Dienst verrichtete, fühlt sich der Blondschopf alles andere, als ausgeruht. Sein Kopf dröhnte, seine Augen brannten und in seinen Ohren schien es zu summen. All zu erholsam war diese Nacht nicht gewesen. Immer wieder hatte ihn der angewiderte Blick von Kaiba aufgeweckt und ihm einen unangenehmen Schauder über den ganzen Körper gejagt. Sein Ziel, sich Respekt bei ihm zu erarbeiten, war damit wohl gescheitert. Das einzig Gute war, dass er Seto demnächst nicht mehr unter die Augen treten müsste. Dieser war bestimmt schon auf dem Weg nach Europa und er würde ihn frühstens beim Turnier wieder sehen. Sollte sich Mokuba nochmal eine Pizza bei ihm bestellen, würde er sie direkt an der Tür übergeben. 

Das war doch ein beruhigender Plan. Als er jedoch einen Blick auf sein Handy warf, ob der Akku geladen sei, verschlug es ihm sämtliche Hoffnung die er soeben zusammengekratzt hatte. 

'Wage das nie wieder!', stand in der SMS und ihm lief es eiskalt den Rücken herab. 

Vielleicht hatte er es damit ja überstanden? Ein schwerer Wermutstropfen ran seine Kehle hinab. Doch als er unten ankam, rührte er an der Oberfläche eines Sees, der viel mächtiger war. Mut und … das dringende Bedürfnis die Toilette auf zu suchen. 

Nachdem er aus dem Bad kam fasste er einen Entschluss. Scheinbar war es kein Ekel, mit dem Seto auf das Ganze reagierte. Dennoch war dessen Wut nicht unbedingt eine ungefährlichere Reaktion. Jonouchi Katsuya würde sich davon aber nicht unterkriegen lassen. Im Gegenteil. Er spürte den Drang, sich etwas einfallen zu lassen, dass in Gang gebrachte zu Ende zu führen. Wenn es kein Ekel war, ließ es doch eine gewisse Neigung vermuten. Vielleicht könnte er nicht unbedingt den Respekt des anderen für seine Duellfähigkeiten erlangen. Aber Katsuya hatte noch andere Fähigkeiten die er dem Meister der Drachen gerne zeigen würde. 

Innerlich ohrfeigte er sich für diesen Gedanken, der viel zu pubertär für sein Alter war. Jedoch gefiel es ihm viel zu sehr, einen positiven Ausgang seiner gestrigen Handlung herzusehnen, als das er die leichte Hoffnung in Bekümmerung umschlagen ließ. Er öffnete seinen Kleiderschrank, schnappte sich seine Schuluniform und zog sie ein letztes Mal an. Flink griff er sich einen Apfel und ging die Treppen hinunter, während er ihn verzehrte. 

In der Schule hätten sie eine letzte Stunde mit ihrer Klassenlehrerin, die ihnen ihre genauen Prüfungsergebnisse überreichte. Danach gäbe es in der Aula eine Abschlussfeier samt Zeugnisübergabe bei der alle Schüler anwesend waren. Fast alle. Seto war bereits ausgeplant und diese Behauptung bestätigte sich als Frau Sagamochi jedem einzeln die Punkteaufschlüsslung überreichte und unbeeindruckt an Kaibas leerem Platz vorbei ging. Etwas trübsinnig sah Katsuya auf den Platz des Jahrgangsbesten und dann auf den Zettel der ihm vor die Nase gehalten wurde. 

„Ich bin beeindruckt“, fügte seine Lehrerin ehrlich Lächelnd hinzu. „Ich wünsche dir viel Glück auf deinem weiteren Weg, Jonouchi.“ 

Er strahlte sie an und nahm das Blatt entgegen. 

„Danke“, sagte er stolz wie Oskar und sah sich die Auswertung an. Wie vermutet hatte er die größten Einbußen in Geschichte gehabt. Die anderen Punkte waren fast alle bei Englisch draufgegangen. Das Schreiben dieser Sprache lag ihm einfach nicht. 

„Tauschen wir?“, fragte Yuugi und hielt ihm seine eigene Auswertung hin. 

Er nickte gleich als Antwort und wechselte das Blatt mit ihm. Yuugi hatte fast überall ein paar Punkte eingebüßt. Es gab keinen großen Klotz und in Geschichte hatte er sogar die volle Punktzahl. 

„Klasse Mann“, lobte der Blonde ihn und bekam ebenfalls ein Lob zurück. 

Langsam löste sich die Sitzordnung auf und er studierte gemeinsam mit den anderen die Punkteverteilung. Als es klingelte, gingen sie in die Aula hinunter und nahmen dort ihre Plätze ein. Es folgte eine langatmige Rede des Direktors. Eine bewegende und etwas lustige von Honda als Jahrgangssprecher und ein kurzes Stück der Theater AG. Dann wurden sie einzeln nach vorne gerufen und mit der Übergabe des Zeugnisses beglückwünscht. Danach begaben sie sich nach draußen und Katsuya war erstaunt, als er nicht nur die Eltern der anderen, sondern auch seine Mutter und Schwester erblickte. Kaum, dass sie ihn erkannte, kam Shizuka auf ihn zugewuselt und beglückwünschte ihn mit einer stürmischen Umarmung.

„Zeig mal her. Wow das hab ich dir gar nicht zugetraut, Bruder.“

Er sah sie wütend aber auch belustigt an.

„Ich wusste nicht das ihr kommen wolltet“, sagte er und sah zu seiner Mutter, die würdevoll heran schritt.

„Gut gemacht“, lobte sie Katsuya und schenkte ihm ein Lächeln, bei welchem sie ihm die Hand reichte. Er ergriff sie und strahlte über das ganze Gesicht. Eigentlich konnte der Tag fast nicht mehr besser werden.

„Kommt ihr? Großvater hat für uns im Sakuya einen Raum reserviert.“, rief Yuugi zu ihm herüber und Katsuya sah ein, dass seine Worte gerade widerlegt wurden. Der Tag wurde noch besser. 

Yuugis Großvater hatte an sie alle gedacht, sodas sie gemeinsam und mit ihren Familien den gemeisterten Abschluss feiern konnten. Es ging lustig in dem japanischen Restaurant einher und als sie satt waren, zogen sie in eine Karaokebar um. Teilweise gaben sie trommelfellquälende Lieder zum Besten, doch alles in allem war es der beste Tag seit langem. 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lunata79
2014-10-06T18:27:38+00:00 06.10.2014 20:27
Der gehauchte Kuss von Katsuya war wirklich sehr waghalsig. Ich fands nur witzig, dass Seto mit ähnlichen Gefühlen geplagt wird, wie Katsuya.
Zudem bin ich überrascht, dass seine Mutter mit seiner Schwester aufgetaucht sind. Hasst ihn seine Mutter denn nicht mehr? Bin bisschen irritiert, weil ich nicht weiß, wie du famliären Umstände genau aussehen, weil die von FF zu FF variieren.
Freu mich schon aufs nächste Kapitel.

Lg
Lunata79


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