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You were something special

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1.

You were something special
 

Kapitel 1
 

Ich beobachtete sie.

Heimlich, still und leise, aus dem Hintergrund heraus, konnte ich meine Augen einfach nicht mehr von ihr nehmen und egal wie oft ich mir selbst sagte, dass es nicht richtig von mir war, dass sie die falsche Person dafür war, konnte ich mich nicht aufhalten. Sie war wie eine Sucht wenn man sie erst einmal besser kannte, wenn man sie wie ich in seiner Nähe duldete, weil man doch eigentlich keine andere Wahl hatte als sie gewähren zu lassen.

Ich hatte ja sonst nichts.

Nichts, außer meinem Leben und meinem sterbenden Titel, der hier auf diesem Matschball eines Planeten eigentlich keinen Wert mehr hatte und an den ich mich trotz allem klammerte wie ein Ertrinkender. Aber er gehörte nun einmal zu mir wie meine Vergangenheit und ich hatte auch nicht vor ihn jemals abzulegen, egal wie viel Zeit bereits vergangen war, seitdem sich mein Planet in den Weiten des Universums aufgelöst hatte. Ich konnte ihn nicht aufgeben und ablegen, nur weil es eigentlich kein Volk mehr gab, über das ich hätte regieren können, weil kein Planet mehr dort war, den es galt zu verteidigen... er wurde mir in die Wiege gelegt und ich würde ihn behalten und mit Stolz tragen, solange ich am Leben sein würde.

Aber jetzt war ich hier.

Hatte nichts weiter als die Dinge, die ich noch am Körper trug und die ich, zu meinem Leidwesen, ihr zu verdanken hatte. Und ich musste mir selbst eingestehen, dass ich sie einfach nicht verstand, dass ich ihre Beweggründe nicht begreifen konnte.

Ich war nicht dumm, ganz im Gegenteil, auch wenn mir mein eigener Stolz manchmal im Weg stand, aber ich wusste auch genauso gut, dass sie es ebenfalls nicht war. Aber ich hatte ihre Angst auf Namek in ihren Augen sehen können, ich hatte ihr Zittern am ganzen Körper wahrnehmen können und begriff einfach nicht, was sich in der doch recht kurzen Zeit so sehr geändert hatte. Was sie dazu veranlasst hatte ihre Meinung zu ändern, sie völlig über den Haufen zu werfen und derart offen auf mich zuzugehen.

Mich in ihr Haus einzuladen, mich auf diesem beschissenen Planeten willkommen zu heißen und all die Angst, die sie mir zuvor entgegen gebracht hatte, zu vergessen.
 

Dabei war sie auch nur ein Mensch.

Ein kleiner schwacher Mensch, der genauso gut wie ich wusste, zu was ich in der Lage war und dass es manchmal nicht mehr als eine Bewegung, einen Wimpernschlag kosten würde um sie letztlich doch aus dem Leben zu wischen. Dass Kakarott nicht immer da sein konnte und diese Tat auch nicht verhindern konnte - sie wusste all diese Dinge und wusste auch, dass es zur Zeit niemanden geben würde, der mich aufhalten könnte, wenn ich meine Meinung doch ändern sollte.

Und doch stand sie mir so offen gegenüber, scheute keine Begegnung zwischen uns, keine Konfrontation und legte sich mit mir an, wenn sie der Meinung war es mir mitteilen zu müssen. Mir sagen zu müssen, dass mein Verhalten für sie nicht tragbar war.

Der Gedanke brachte mich dazu, halbseitig zu grinsen, bevor es sich in eine Art flüchtiges Lächeln wandelte und wieder verschwand, während ich die Arme vor der Brust verschränkte.

Sie schien meinen Blick zu spüren und drehte sich zu mir um, nur war ich nicht dumm genug mich auch offen zu zeigen, mich sehen zu lassen. Ich hielt mich aus gutem Grund im Hintergrund und wollte nicht, dass sie mich sah - womöglich noch falsche Schlüsse zog.

Es war nicht das, wonach es aussah.

Ich wollte nichts von ihr, ganz sicher nicht, denn eigentlich beobachtete ich sie nur um zu wissen mit wem ich es wirklich zu tun hatte. Observation war der erste Weg zum Sieg und ich musste immerhin wissen, wie ich sie nehmen sollte und konnte, wann es besser wäre ihr aus dem Weg zu gehen, weil ich noch immer nicht nachvollziehen konnte, was sie zu diesem Schritt bewegt hatte.
 

Was sie wirklich in mir sah um mich so zu behandeln.

Denn mitunter konnte es nicht nur der Gedanke daran sein, dass ich ebenfalls ein Saiyajin war und einer ihrer besten Freunde ebenfalls einer war. Es konnte nicht nur der Gedanke sein, dass ich kein zu Hause mehr hatte und nicht wusste wo ich hingehen sollte, was mich unweigerlich die Augen ein wenig verengen ließ, während ich ihre langsamen Schritte beobachtete.

Was musste es sein, um mir ihre Gastfreundschaft so selbstlos aufzuzwingen, wo sie doch eigentlich allen Grund dazu gehabt hätte mich rauszuschmeißen, mich zur Hölle zu wünschen. Dorthin, wo ich eigentlich zu der gegebenen Zeit wirklich gehörte. Sie hätte alles Recht mich wie Dreck zu behandeln, auch wenn es ihr wirklich nicht bekommen würde; sie müsste mich wie all die anderen wie den Ausgestoßenen behandeln, der ich am Ende ja auch wirklich war. Ohne eine Heimat, ohne die Basis, zu der ich zurückkehren konnte, auch wenn ich sie immer verabscheut hatte und ohne einen Grund wirklich hier zu bleiben, müsste sie mich nicht einmal ansehen.

Aber sie tat es.

Duldete mich nicht nur in ihrer Gegenwart, so wie ich es die ganze Zeit über tat, sondern lud mich förmlich immer und immer wieder dazu ein, auch wenn ich es eigentlich gar nicht wollte und auch nicht wirklich annahm.

Ich war nur hier, weil ich nichts anderes hatte.

Und meine Augen verfolgten ihre schmale, so zerbrechlich wirkende Form, während sie langsamen Schrittes zurück ins Haus ging, ihre Arbeit erledigt hatte. Die kleine Pause, die sie sich immer zur selben Zeit nahm, wie ich unweigerlich feststellen musste und erneut die Augenbrauen ein wenig mehr zusammenzog, während ich dasselbe mit meinen Armen tat. Ich hatte alles Recht sie zu beobachten und herauszufinden, ob hinter ihrer scheinbaren Freundlichkeit nicht vielleicht doch eine ganz andere Absicht stand, aber es widerte mich geradezu an, dass ich bereits so viel über sie herausgefunden hatte.

Feste Zeiten, in denen sie schlief und schließlich aufstand, als würde uns nicht der Weltuntergang bevorstehen. Zeiten, in denen sie eifrig und ohne weitere Hintergedanken an ihren Erfindungen bastelte, als würde nicht dieses böse Omen wie ein Schwert über uns hängen und drohen uns zu erdolchen. Feste Zeiten, in denen sie Pause machte, frische Luft genoss oder einfach nur einen Kaffee trank und verträumt in die Ferne starrte und ich begann es wirklich nicht mehr begreifen zu können.

Wie konnte man so sorglos sein?
 

Wie konnte man die herannahende Katastrophe nur auf eine solch leichte Schulter nehmen, dass es selbst mir einen Schauer der Unverständnis über den Rücken trieb, so dass ich meine Kiefer ein wenig fester zusammenpresste. Ich beobachtete sie um sie verstehen zu können, doch selbst in dieser kurzen Zeit war mir klar geworden, dass ich sie niemals würde verstehen können.

Dass sie nur ein Mensch war und gerade Menschen so handelten, dass ich es nicht nachvollziehen konnte. Und noch während sie im Haus verschwand, nicht ohne einen letzten kurzen Blick über ihre Schulter nach hinten zu werfen und nach mir zu suchen, weil sie den meinen Blick noch immer spüren konnte, schnaubte ich leise. Sie war unlogisch, handelte nicht nach den Gesetzen die ich kannte und doch sah ich mich außer Stande wirklich zu gehen, so wie ich es zu Anfang eigentlich vorgehabt hatte. Ich sah mich wirklich nicht in der Lage dazu dieses neue Leben, das mir unfreiwillig geschenkt wurde auch wirklich zu nutzen und begriff selbst nicht, was mich davon abhielt.

Was mich aufhielt zu gehen und mich hier festhielt.

Es wäre so einfach gewesen diesen Planeten wieder zu verlassen und auf der Suche nach Trümmern und Überlebenden durch das All zu streifen, aber ich tat es nicht. Ich hatte hier keine Bande geknüpft und hier gab es eigentlich nichts, was es wert gewesen wäre meinen Arsch dafür zu riskieren und doch hielt mich die Aussicht auf einen würdigen Kampf.

Selbst wenn es der Letzte sein würde, ich würde ihn annehmen und nicht davor weglaufen, weil ich es nicht anders verdient hatte. Mein Stolz verbot mir schlicht und einfach den Schwanz einzuziehen und mit dem Wissen zu gehen, wenn es doch das Einzige war, das ich jemals richtig konnte, das ich gelernt hatte.

Und doch... das war nicht der einzige Grund, der mich hielt und ich wusste es auch, selbst wenn ich nicht bestimmen konnte, was es sonst war und wenn ich versuchte mir selbst einzureden, dass es das war. Ich war hier und stand alleine auf eiserner Flur und doch schien ich nicht ganz alleine zu sein - aber war es nicht genau das, was ich nicht verstehen konnte.

Sie sollte Angst haben und sich nicht so sorglos in meiner Gegenwart bewegen.

Sie sollte mich und meine Macht fürchten und doch hatte sie diesen einen kleinen Kern des Verständnisses, diese eine seltsame Ader mir immer mit einem Lächeln zu begegnen, auch wenn ich es verabscheute und niemals erwiderte. Sie hatte die seltsame Gabe mich zu Dingen zu bewegen, die ich eigentlich gar nicht tun wollte und eines dieser Dinge war es, hier zu stehen und sie heimlich zu beobachten.

Einen Grund vorzuschieben, den ich mir selbst einredete.

~~~***~~~
 

Ein unterdrücktes Schluchzen, das eher wie ein Schniefen klang, riss ihn am Ende aus seinem Tagtraum und erschrocken zuckte er zusammen, versuchte den schweren Kloß in seinem Hals zu schlucken, wenngleich er sofort spürte, dass es einfach nicht möglich war. Und doch versuchte er es abermals, schloss die Finger, die sich um die Hand seiner Frau befanden ein wenig fester und schloss die Augen für einen Moment, nur um dabei zu spüren, dass sich sein Herz in seiner Brust krampfhaft bewegte. Jeder neue Schlag tat ein wenig mehr weh und pumpte nur mühsam neues Blut durch seine Adern... ein Umstand, der in diesem Augenblick schlicht und einfach falsch erschien, weil er nichts lieber tun würde als ihr einfach zu folgen, als nicht mehr hier zu sitzen und diesen innerlichen Schmerz zu spüren, den er einfach nicht aufhalten konnte.

Vegeta nahm einen zittrigen Atemzug und öffnete die Augen wieder, nur um in das friedlich ruhende Gesicht seiner Frau zu blicken und erneut gegen den Kloß in seinem Hals anzukämpfen, während ein weiteres Schluchzen die relative Stille des Zimmers zerschnitt.

Natürlich, sie hatten es gespürt.

Hatten gespürt, dass das Lebenslicht Bulmas nur noch ein Hauch seiner sonstigen Stärke gewesen war und kamen zu ihr, zu ihm, um ihn in diesem Moment zu begleiten, nur um am Ende genauso ratlos und einsam auf weiter Flur zu stehen, wie er sich gerade fühlte. Sie hatten gespürt, dass es sich dem Ende neigte und Vegeta war einmal; einmal in seinem Leben wirklich froh, dass es ein friedlicher Abschied war. Er hatte zu viele andere von ihnen gesehen, hatte zu viele Kämpfe um Leben und Tod miterlebt, als dieses Schicksal seiner eigenen Frau zu wünschen und doch konnte er es noch nicht begreifen.

Konnte es spüren und wollte es nicht akzeptieren, so dass sich seine klammen Finger ein weiteres Mal ein wenig fester um ihre Hand schlossen.
 

Seine Kehle war eine ausgedörrte Wüste, in der es keinen Tropfen Feuchtigkeit zu geben schien und der Knoten, der seinen Hals zuschnürte, wollte und wollte nicht weichen. Egal wie sehr er sich anstrengte ihn zu schlucken, es fühlte sich an, als wäre er aufgerissen und nicht fähig die nötige Feuchtigkeit zu produzieren, egal wie sehr er versuchte diesen Felsen in der Größe eines Landes zu beseitigen, um nicht mehr das Gefühl zu bekommen, er würde jeden Moment ersticken können, es ging einfach nicht.

Er blieb bestehen, genau wie das stille Schluchzen, das sich in regelmäßigen Abständen durch den Raum zog und die ruhige Atmosphäre zu betrügen schien. Die einsame Stille, die sich über diesen friedlichen Moment gezogen hatte und in den Herzen aller Anwesender bestehen bleiben würde. Ein einsamer Frieden, der mehr und mehr, mit jeder weiteren vergangenen Sekunde einen Schmerz mit sich brachte, der ihm die Eingeweide zerriss und ihn zerfetzte.

Seinen Geist in tiefe Dunkelheit stürzte, je mehr die Erkenntnis in seinen Verstand sickerte, dass dieses leichte, kaum sichtbare Lebenslicht erloschen war. Dass es einfach nicht mehr dort war und ihn dazu brachte einen weiteren zittrigen Atemzug zu nehmen, die Augen ein weiteres Mal zu schließen und den fruchtlosen Versuch eines Schluckens zu unternehmen, nur um erneut zu scheitern. Seine Zähne pressten sich aufeinander und für einen Augenblick bekam er das Gefühl nicht mehr genug Luft in seine Lungen pumpen zu können.

Sein Kopf schwamm und er öffnete die Augen ein weiteres Mal, nur um wieder in das so friedlich scheinende Gesicht seiner Frau zu blicken.
 

Seine Finger zuckten. Eine kleine und minimale Bewegung, die nichts im Vergleich zu seinem Inneren darstellen konnte, nicht einmal im Ansatz zeigen konnte, was er fühlte. Nein, er war kein Mann, der seine Gefühle offen in seinem Gesicht trug, aber selbst er war nicht fähig all den Schmerz, der sich in seinem Geist festsetzte zu verbergen, während ein weiteres schweres Schlucken seinen Erfolg nicht preisgeben wollte.

Sie sah aus, als würde sie nur schlafen.

Die einstmals türkisen Haare waren schon vor langer Zeit grau geworden und doch nahm es ihr in seinen Augen nicht die Schönheit. Die so glatte Haut, mit der er sie kennengelernt hatte, war tiefen Falten gewichen und doch kam er nicht umhin bei diesem seltsam anmutenden Gedanken seine Mundwinkel nach oben zucken zu lassen, während er sie einfach nur ansah. Während er das leise wimmernde Schluchzen seiner Tochter hören konnte, die dieser Frau vor ihm so verdammt ähnlich sah, dass es ihm einen Stich ins Herz versetzen würde, wenn er sie jetzt ansah.

Sein winziges Lächeln verschwand wieder, machte der Trauer Platz, die diesem Moment gebührte und die er einfach nicht aufhalten konnte. Wieder und wieder zuckten seine Finger und wurde der Griff um ihre nunmehr leblose Hand ein wenig fester, nur um sich Sekunden später wieder zu lösen und einem zittrigen Atemzug Platz zu machen. Das Wissen darum, dass sich dieses Lebenslicht in nichts aufgelöst hatte, machte die angespannte Situation nicht besser, das Wissen darum, dass sich seine Kinder im selben Raum aufhielten und ihn genauso sehr beobachteten, wie ihr Blick auch auf ihre Mutter gerichtet war, war kaum auszuhalten und doch rührte er sich nicht.

Sie nahmen Dinge an, die er nicht verstehen konnte.
 

Vielleicht nahmen sie einfach an, dass er das Ende dieses Lebens nicht auf die leichte Schulter nehmen würde und wenn er ehrlich mit sich selbst war, dann tat er das auch nicht. Wieder huschte ein kaum sichtbares Lächeln über seine Lippen und verschwand so schnell, wie es gekommen war, nur damit er ein weiteres Mal die Augen schließen konnte, dieses unsagbar schmerzliche Bild für wenige Sekunden ausblendete, damit es sich vor seinem inneren Auge manifestieren konnte.

Ihre blauen Augen, die so klar leuchteten wie der Ozean, würden ihn nie wieder ansehen.

Die Erkenntnis schmerzte so sehr wie die Tatsache, dass er es spüren konnte und für einen Augenblick schüttelte er den Kopf, weil er es nicht wahrhaben wollte. Weil er sich ganz tief in seinem Inneren wünschte, dass es nicht die Wahrheit war und seine Sinne ein wenig weiter ausstreckte, sie schärfte und darauf hoffte, dass sie sich geirrt hatten. Aber alles, was er finden konnte, war ein leerer Geist, eine große leere Blase, die sie in ihm hinterlassen hatte, als sie gegangen war und er konnte es nicht aufhalten, konnte nicht verhindern, dass sich der Kloß in seinem Hals so weit festigte, dass selbst sein nächster Atemzug abgehackt wurde.

Konnte das Brennen hinter seinen geschlossenen Lidern nicht verhindern und versuchte es zurück zu drücken, es an seinen Ursprung zu schieben, während sein Herz einen schmerzhaften Sprung machte und drohte stehen zu bleiben. Zitternde Finger schlossen sich abermals ein wenig fester und er presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, während sich das grausam klingende Schluchzen seiner Tochter durch den Raum zog und ebenso wie die die fürchterliche Realität in seinen Eingeweiden einnistete. Während er den Blick erneut auf das friedlich schlafende Gesicht seiner Frau richtete und dem Brennen keinen Einhalt mehr gebieten konnte, dem Zucken seiner Mundwinkel keinen Widerstand mehr leisten konnte.

Er hatte immer angenommen, dass er am Ende doch vor ihr gehen würde.
 

Aber er hatte sich getäuscht und musste ein weiteres Mal feststellen, wie viel Gefühl diese verdammte Erdenfrau wirklich in ihm geweckt hatte. Wie viel Liebe sie in ihm entstanden lassen hatte, die nun drohte ihn zu überfahren und die Luft zum Atmen zu nehmen. Er starrte sie an, bis sein Blick verschwamm und erst als er das nächste Mal blinzelte, spürte er die Tränen, die seinen Blick verschleierten und aus seinen Augen getreten waren, ohne dass er es bemerkt hatte, ohne dass er dem etwas entgegen zu setzen hatte und schluckte schwer.

Konnte dem Kloß keinen Widerstand mehr entgegen bringen und ließ ihn gewähren, ließ ihn an Größe gewinnen und schmerzend seine Kehle zuschnüren, seine Luftzufuhr abschneiden. Ließ es geschehen, während der Blick ein weiteres Mal verschwamm und ein Blinzeln die erste Träne aus seinem Auge beförderte, damit sie sein Gesicht nach unten laufen konnte.

Er ließ es geschehen, konnte weder die Kraft aufbringen um sie zu verfluchen, noch den Willen sie irgendwie wieder zu entfernen. Es war vorbei, es war wirklich vorbei und noch während seine Finger zuckten und er mit dem Gedanken spielte einfach aufzustehen und zu gehen, um nie wieder zu kehren, hallte das Schluchzen seiner Tochter erneut im Raum wider, legte sich in seine Ohren und setzte sich in seinem Geist fest, so dass er am Ende schlicht sitzen blieb und es ihnen nicht antun konnte. Es zerriss irgendwas in seinem Inneren, genau wie der elend reale Anblick genau vor ihm, so dass er nur wieder die Kiefer zusammenpressen konnte und sich ein zweites, tiefer klingendes Schluchzen durch die Stille zog.

Er schloss die Augen.
 

Nie wieder würde er ihr Lächeln sehen.

Dieses strahlende Lächeln, das ihn einst aus den Tiefen seiner selbst gezogen hatte und ihm zeigte, wie es sich anfühlte zu leben, und das nun nichts weiter als eine tiefe, leere Traurigkeit hinterließ. Ein Lächeln, das in seiner Seele dieses schwarze Loch hinterließ, genau wie die Tatsache, dass er ihr Licht nicht mehr spüren konnte, egal wie sehr er sich anstrengte, egal wie weit er versuchte seine Sinne zu strecken. Es kam nicht wieder und erneut schluckte er gegen die Tränen an, die sich schon lange ihren Weg aus seinen Augen gebahnt hatte, so dass ihm nichts weiter übrig blieb, als sich ein wenig in seinem Stuhl zurück zu lehnen.

Einen Stuhl, den er die letzten Stunden nicht ein einziges Mal, für keine einzige Sekunde verlassen hatte und gerade nun, jetzt wo die Tatsachen so kalt vor ihm serviert wurden, überkam ihn der so starke Drang aufzuspringen und zu gehen. Die Kälte hinter sich zu lassen und das tiefe, schmerzende Loch in seinem Inneren mit etwas zu füllen, von dem er selbst noch nicht wusste, was es sein sollte.

Vielleicht hatten seine Kinder ja doch Recht, vielleicht waren sie nur immer in seiner Nähe geblieben, hatten immer dieses eine wachsame Auge auf ihn, weil sie genau dies befürchteten und doch... doch blieb er einfach sitzen und versuchte dem einnehmenden Gedanken Einhalt zu gebieten, versuchte dem leeren Chaos einen Namen zu geben und dem Wahnsinn nicht nachzukommen. Einem Wahnsinn, den er nicht einmal beschreiben konnte und der am Ende doch nur als freudloses leises Lachen seine Lippen verließ, das so laut an den Wänden des kleinen Raumes widerhallte und selbst das Schluchzen seiner Tochter übertönte, eine unangenehme Stille erschuf. Erst dann, erst als er diesen Eindruck vollends in sich aufgenommen hatte, als er ihn annahm und sich vergewisserte, dass dieses furchtbare Geräusch nicht wiederkommen würde, lehnte er sich erneut nach vorne und öffnete die Augen.
 

Sah in dieses gelebte Gesicht, in dem keine Regung mehr zu finden war und schluckte.

Entwirrte die Finger einer Hand von den Ihren und führte sie langsam nach oben, um sie ein letztes Mal leicht über ihre aschfahle Haut zu fahren, sie zu spüren und die letzte Wärme in sich aufzunehmen, die noch in ihr zu finden war. Sie zitterten, wie ein lebloses Blatt im Wind zitterten seine Finger unaufhörlich und er spürte ihre Blicke auf sich wie er den Vulkan an Gefühlen in seinem Inneren wahrnehmen konnte.

Lächelte leise, so dass es gemeinsam mit den noch immer fließenden Tränen einen Anblick ergab, der eigentlich nicht zusammenpassen wollte, während er mit den Fingerkuppen sanft über ihre Lippen strich.

Wahrlich, er hatte immer gedacht vor ihr gehen zu müssen und diesen Schmerz nicht erleben zu müssen, ihn ihr zu überlassen, weil sie schon immer besser damit umgehen konnte. Weil sie Gefühle kannte und sie lebte, so wie sie ihn geliebt hatte und nun saß er hier und wusste nicht, was er machen sollte. Schwebte mit seinen Fingern nur Millimeter über ihrer Haut und ballte die Hand schließlich nur zu einer schwachen Faust, bevor er sie wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückführte und ihre Hand in die Seine nahm. Er wollte das hier niemals spüren, wusste von Anfang an, dass er es nicht so einfach überstehen würde und doch war er geblieben - all die lange Zeit über geblieben, die sie ihn brauchte, die sie ihn wahrnahm und selbst als ihr Geist langsam schwand und doch immer ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen thronte, in ihren glasiger werdenden Augen, war er geblieben.

Hatte den Schmerz mit jedem neuen Tag in sich aufgenommen und die Hoffnung gehegt, dass es nicht so enden würde. Nur dass eben jene Hoffnung zerschlagen auf dem Boden unter seinen Füßen lag und nie wieder kommen würde, so dass sich erneut seine Hand fester um die ihre schloss.
 

Er lehnte sich ein weiter nach vorne, beugte sich und schluckte.

Schüttelte den Kopf anhand der grausamen Ironie, das ihm sein eigenes Schicksal schon wieder bescherte und lächelte leicht. Nur ein kleines Zucken seiner Mundwinkel, das genauso schnell wieder verschwand, wie es gekommen war, während ihr Anblick erneut etwas in ihm sterben ließ. Sein Herz einen weiteren grausam schmerzenden Tanz aufführte und ihm mit jedem Schlag klarer sehen ließ, dass sie nicht mehr da war, während er weiter weilte und nicht wusste, was er mit diesem Wissen anfangen sollte.

Seine Tochter schluchzte erneut auf und für einen Augenblick riss er den Blick von seiner Frau und hob ihn, um sie anzusehen. Um den Schmerz in sich aufzunehmen und ihre Ähnlichkeit seinen Geist weiter zerreißen zu lassen, nur um den Blick wieder nach unten in das ausgezehrte Gesicht zu legen, tief durchzuatmen und es doch nicht zu schaffen. Er konnte dem Schmerz keinen Einhalt gebieten, konnte ihn nur in sich aufnehmen und das klaffende schwarze Loch in seinem Herzen, in seiner Seele betrachten.

Dort wo einst ihr Licht seinen Platz gefunden hatte.

Erst dann beugte er sich weiter nach unten und gab ihr einen letzten kleinen Kuss auf die Lippen, nahm die Tatsache in sich auf, dass viel zuviel Zeit vergangen sein musste, weil nicht mehr viel ihrer Wärme vorhanden war und es ihm selbst eine weitere Träne aus den Augen stahl, während er sich zurückzog. Nur ein Moment, es war nur ein winziger Moment, der im Lauf des Lebens eigentlich keine Bedeutung mehr hatte und doch bedeutete es alles für ihn. Riss ihm den Boden unter den Füßen davon und zerrte ein eigenes, seltsam klingendes Schluchzen aus seiner Kehle, während sich sein Brustkorb anfühlte, als wolle er bersten.

Nur ein Moment, ein so kleiner Augenblick, der ihm alles nahm.
 

Grausam alles mit sich riss, das er jemals besessen hatte und noch während das Geräusch langsam im Raum verebbte, legte sich die Hand seines Sohnes auf seine Schulter, schlossen sich seine Finger fester um die seiner Frau.

Als wolle er sie nicht gehen lassen, als würde diese einfache Tat ausreichen, um die Zeit zurück zu drehen und sie zu ihr zurückbringen. Aber er wusste, dass das nicht ging, er wusste, dass ihre Zeit endgültig abgelaufen war und auch jede noch so große Macht keine Chance hatte um sie ihm wieder zu bringen.

Er hätte vor ihr gehen sollen.

So müsste er dieses erbarmungslose Loch in seinem Herzen nicht spüren, diesen bestialischen Schmerz, der sich in ihm einnistete und jeden weiteren Atemzug zu einer wahren Qual, einer Folter reinsten Ausmaßes machte. Der sein Inneres langsam zerfetzte und nichts weiter übrig ließ als die Grundfunktionen, die dafür da waren, dass er ihr nicht einfach so folgen würde und er wusste, dass er das nicht konnte. Dass er sie wahrscheinlich nie wieder sehen würde, was den Schmerz in keiner Weise leichter zu ertragen machte, sondern nur ein weiteres gequältes Geräusch aus seiner Kehle zerrte, das er nicht aufhalten konnte.

Sein Leben war vorbei, genau wie das Leben, das vor ihm auf dem Bett lag und er ließ sich wieder nach unten sinken, so dass er seine Stirn auf die kalten Laken legen konnte, die Augen fest zusammengepresst, blieb ihm nichts weiter übrig als das nächste Schluchzen eisern zu bekämpfen, doch fehlte ihm die Kraft. Es zog sich abgehackt nach außen und erschuf ein Geräusch, dass sich selbst in seinen Ohren grausam anhörte - wie der heulende Ruf eines Wolfes in stiller kalter Nacht, der in den Schatten verschwand und widerhallte, während man die Angst und Panik alleine zu sein nicht mehr unterdrücken konnte.

Wie ein Wehklagen eines Geistes, der diese Dinge nicht verarbeiten konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Cullinaree
2016-01-08T18:48:34+00:00 08.01.2016 19:48
Wow ... das war einfach ... wow ...
Ich heule wie ein Schlosshund! Das ist so ergreifend, herzzerreißend und traurig ...
Ich liebe es!
Antwort von:  Schattenaugen
09.01.2016 17:07
Vielen Dank!
Hätte nicht erwartet, dazu noch etwas zu erhalten,
aber wenn es noch immer so ankommt, wie ich es gedacht und geplant habe,
dann ist deine Reaktion schon die richtige ^.~
lg
Von:  SaiyajinVeturi
2014-08-20T21:54:31+00:00 20.08.2014 23:54
sooooo traurig....ich hab 4 Taschentüscher verschnieft....(musste ich damit ich weiterlesen konnte, hab sonst vor lauter tränen die Buchstaben nich mehr gesehn!)
Großartig! Hab lange nich mehr so was schön trauriges gelesen....oder gar gespürt!
LG Veturi
Mach weiter so!


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