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Schmerzliche Wahrheit

von

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Shoppingtour und Mord

Heyho, ihr Lieben.

Ich weiß: Lang lang ist's her. Bitte steinigt mich nicht. >.<

Falls das hier wirklich noch jemand lesen sollte, so hoffe ich, dass die Länge zumindest etwas die lange Wartezeit entschädigt. Und natürlich, dass euch das Kapitel gefällt <3
 

*****************
 

Sasuke hatte schon vor einer Ewigkeit aufgehört sich zu fragen, welche Aussetzer sein Hirn gehabt haben musste. Ebenso wie er aufgehört hatte die nervigen Rempeleien zu zählen. Das hieß keineswegs, dass der Schwarzhaarige es akzeptierte. Vielmehr war es ein stilles Hineinfressen von Aggressionen. Nicht einfach nur Unbehagen oder Wut, Sasuke hatte wirklich das Bedürfnis jemanden zu schlagen. Vorzugsweise den blonden Vollidioten, der ihn tatsächlich dazu gebracht hatte, dieses gottverdammte Einkaufszentrum zu betreten. Es war nicht nur voll, es war überfüllt und sie wurden eher vorwärts geschoben, als dass sie wirklich gingen. Für Naruto mochte das okay sein, für ihn allerdings nicht. Die ganze Situation war unangenehm. Nicht nur das Gedränge, auch der Lautstärkepegel. Wieso ließen sich Leute freiwillig auf so etwas ein? Kurz verzog er genervt das Gesicht. Wieso ließ er sich auf so etwas ein?

Eigentlich war die Frage unnötig, denn der Grund befand sich direkt neben ihm. Wie ein kleines Kind bestaunte sein bester Freund im Vorbeigehen die Schaufenster. Wie der andere so begeistert sein konnte, war Sasuke ein Rätsel. Gedanklich machte er sich eine Notiz. Sollte Naruto noch einmal mit so einer Idee um die Ecke kommen, würde er ihm einfach vors Schienbein treten und weit weg gehen. Vielleicht, wenn sie noch länger in dieser Flut von Menschen waren, würde er das Schienbein auch gegen eine Region austauschen die mittiger lag. Und vielleicht, wenn ihn noch ein einziger dieser fremden Leute anrempelte, würde er diesen Tritt auf heute verschieben. Ein sehr zeitnahes heute sogar.
 

Resigniert atmete er aus. Am liebsten würde er seinem Unmut einfach Raum geben, aber das würde er nicht tun – denn so war er nicht. Besonders nicht in der Öffentlichkeit. Also fraß er es weiter in sich hinein. Mit jedem Schritt, mit jedem Rempler, atmete Sasuke etwas schwerer und versuchte sich unter Kontrolle zu halten.

„Sas?“

Kurz blinzelte er, als Naruto ihn aus seiner stillen Meditation riss. Sie waren stehen geblieben und erst jetzt bemerkte er, dass der Uzumaki sein Handgelenk locker umfasste. „Was?“, fragte er gereizt.

Abwehrend hob sein Nebenmann die freie Hand. „Ich komme in Frieden.“

Alles was Naruto daraufhin bekam war eine genervtes „Ts“, aber das ging kläglich in dem lauten Tumult unter. Dennoch schien der Blauäugige ihn verstanden zu haben, denn er drückte beschwichtigend Sasukes Handgelenk. Kurz darauf wurde der Uchiha auch schon in das Geschäft hinter ihnen gezogen. Sein Unmut stieg noch mehr. Sasuke wollte etwas sagen, etwas Gemeines, denn er hatte gerade wirklich keine Lust auf einen Einkaufsbummel. Genervt rollte er mit den Augen, wappnete sich innerlich schon für eine weitere, furchtbare Tortour, aber es kam ganz anders.
 

Das erste was ihm auffiel, war der vertraute Geruch und als er sich endlich die Mühe machte sich umzusehen, erkannte er Bücher. Jede Menge davon. Sofort entspannte er sich etwas, blendete sogar das selbstgefällige Grinsen des Blonden aus und befreite sich sanft aus dessen Griff.

„Tada!“, rief seine Begleitung euphorisch aus, „Wie versprochen, der Buchladen. Ich stehe zu meinem Wort, echt jetzt.“ Das ließ er unkommentiert, viel lieber Griff er nach einem der literarischen Werke und begann darin zu blättern. Es war schon viel zu lange her, dass er in einem Buchladen gestöbert hatte, generell irgendein Buch in den Händen gehalten hatte. Das hier war so vertraut für den Schwarzhaarigen wie atmen.

Vielleicht sollte er sich in den nächsten Tagen überwinden und versuchen in die Stadtbibliothek zu gehen. Die Stille, das unregelmäßige Rascheln von Papier – das hatte ihn schon immer beruhigt. Wahrscheinlich lag es an seiner Mutter. Noch genau erinnerte sich Sasuke daran, wie sie ihn manchmal, anstatt zum Klavierunterricht, einfach in die Bibliothek gefahren hatte. Sie waren stundenlang dortgeblieben, ohne dass einem von ihnen langweilig geworden war. Beide hatten sie dagesessen und gelesen. Manchmal sogar auf dem Boden, in einem abgelegenen Gang. Oft hatte seine Mutter ihm durch Haar gestrichen, während sie beide in Büchern versunken waren. Daran erinnerte sich Sasuke nur zu gut. Ebenso wie er sich daran erinnerte, als es vorbei war. Wie sie beide noch einem Moment im Auto sitzen blieben, mitten auf der breiten Auffahrt des viel zu großen Hauses. Jedes Mal hatte seine Mutter ihn angelächelt, ihren erhobenen Zeigefinger gegen ihre Lippen gelegt und ihm zugezwinkert. Das ist unser kleines Geheimnis, mein Schatz. Dein Vater muss davon nichts wissen und beim nächsten Mal versuchen wir Itachi mitzunehmen. Okay?“

Itachi war kein einziges Mal mit ihnen dort gewesen. Viel zu sehr war der Ältere damals von ihrem Vater eingespannt worden. Aber irgendwie glaubte er daran, dass Mikoto auch mit seinem Bruder ein Geheimnis gehabt hatte. So unterkühlt seine Meinung zu Itachi im Augenblick auch war, Sasuke hoffte inständig, dass der Ältere auch solche Momente gehabt hatte.
 

„Wow, du ignorierst mich? Echt jetzt?“, riss ihn die aufgebrachte Stimme des Uzumaki zurück in die Realität. Sasuke musste kurz blinzeln, um auch den letzten Rest seiner Erinnerung abzuschütteln. Widerwillig schielte er zu Naruto. Der Ältere hatte mittlerweile schon die Hände in die Seite gestützt und plusterte seine Wangen auf. Es war lächerlich. Sein bester Freund sah aus wie ein bockiges Kind, trotzdem konnte Sasuke sich ein kurzes Zucken der Mundwinkel nicht verkneifen.

„Wolltest du nicht einen dieser widerlich süßen Dinger?“, versuchte er das Thema zu wechseln und deutete nach draußen, direkt auf den Crêpe-Stand, der gegenüber aufgebaut war.

„Schon, aber ich will nicht allein dahin“, nörgelte der Ältere.

„Und ich will nicht in diesem Einkaufszentrum sein“, hielt der Schwarzhaarige dagegen.

„Aber das sind doch unsere Flitterwochen.“ Resigniert atmete er aus. Nicht zu fassen, dass Naruto noch immer dieses lächerliche Argument brachte. „Wenn du das hier noch ein einziges Mal so nennst, werde ich auf der Stelle gehen und dich richtig ignorieren.“

„Aber du hast mir Ramen gemacht“, versuchte der Uzumaki ihn zu überzeugen.

„Wir machen alle Fehler.“

Das schockierte Gesicht von Naruto gab ihn den Rest. Sasuke wollte es nicht, aber er musste einfach lachen. Es klang falsch in seinen Ohren und kratze etwas im Hals, aber aufhören konnte er nicht. Besonders nicht, als die Mine seines Gegenüber nun auch noch einen fassungslosen Ausdruck bekam. Es dauerte einen kleinen Moment, bevor Sasuke sich wieder unter Kontrolle hatte.
 

„Das solltest du öfter machen“, warf sein bester Freund nach diesem Ausbruch ein und Sasuke konnte nicht anders, als ihn fragend anzusehen. „Ich mag dein Lachen.“ Den sanften Ausdruck, den der Uzumaki dabei auf dem Gesicht trug, verunsicherte ihn. Sasuke konnte es nicht deuten, aber ehe er sich wirklich darüber den Kopf zerbrechen konnte, war der Ausdruck auch schon wieder verschwunden. „So wie die ganzen Mädels hier übrigens auch. Ich kann ihr Schmachten fast schon hören.“

„Idiot“, erwiderte der Schwarzhaarige lediglich und wurde daraufhin beinahe schon angestrahlt. „Ich weiß, aber ich bin dein Idiot. Auf ewig.“

„Drohst du mir gerade?“ Das helle Lachen, das der Chaot ihm darauf entgegenbrachte, zerschlug den letzten Rest seines Unmuts. Der Uchiha mochte das Einkaufszentrum noch immer nicht, aber jetzt gerade war es erstaunlich erträglich.
 

„Du willst wirklich nicht mitkommen?“, versuchte sein Kindheitsfreund noch einmal ihn zu überzeugen, aber Sasuke schüttelte mit dem Kopf. Es war erträglich, aber er musste es ja nicht direkt wieder ausreizen. Besonders weil sie wahrscheinlich ewig anstehen würden und warten war etwas, dass Sasuke noch mehr hasste als Menschenmassen.

„Okay“, gab sich der Blondschopf geschlagen. Es wurde still zwischen ihnen. Naruto ließ ihn stöbern, folgte ihm in den nächsten Gang und sagte kein einziges Wort, egal wie lange Sasuke sich auch umsah. Aber der Jüngere kannte seinen Freund. Er sah wie dieser mit jeder weiteren Minute unruhiger wurde, wie er, in dem Versuch es zu überspielen, seine Hände in die Taschen seiner Jeans vergrub. „Na los“, resignierte Sasuke deshalb, „Geh dir was zu essen kaufen, ich warte so lange hier.“

„Ach was, geht schon.“

„Tut es nicht. Du magst Buchläden nicht. Wahrscheinlich reißt du vor lauter Tollpatschigkeit gleich noch ein Regal um.“

„Sas“, warf der andere argwöhnisch ein, aber Sasuke erstickte diesen Ansatz direkt im Keim. „Geh schon. Ich komm klar.“ Er war 17 Jahre alt, verdammt nochmal. Er würde schon nicht sterben, wenn er mal für ein paar Minuten allein gelassen wurde. Dennoch musterte der Ältere ihn lange abschätzig, zögerte. „Ich meine das ernst, Naruto. Ich komme klar.“

„Okay“, gab der Angesprochene zögerlich nach, „Aber ich bin direkt gegenüber, wenn-“

„Naruto“, rief er dazwischen und schlug zur Untermalung das Buch in seinen Händen geräuschvoll zu, „Geh endlich, sonst prügle ich dich hier raus.“

„Tust du nicht, du liebst mich.“ Sasuke erkannte den Schalk und irgendwie, auf sehr angenehme Art und Weise wurde ihm warm. Ihm war sogar egal, dass dieses Gespräch von irgendjemanden wirklich ernst genommen werden könnte, dafür war dieser Moment gerade zu leicht. Eine einfache Blödelei zwischen Freunden. Trotzdem beendete er sie und erhob drohend die schwere Lektüre.

„Okay, okay! Ich bin ja schon weg“, lachte der Blondschopf mit leicht gehobenen Armen, ehe er sich langsam umdrehte und endlich den Ausgang ansteuerte. Sasuke beobachte ihn. Folgte jedem seiner Schritte mit den Augen und versuchte das ungute Gefühl in seiner Magengegend einfach auszublenden. Der Stand war direkt gegenüber. Es war okay. [style type="italic"]Es war okay[/style], auch wenn er ungewohnt lange brauchte, um seinen Blick vom Ausgang zu lösen.
 

Mit einem leichten Kopfschütteln, legte Sasuke das Buch zurück auf den Stapel der Auslage. Er ging weiter, tiefer in das Geschäft, bloß weg von der Tür und dem Bedürfnis den Blonden am Crêpe-Stand zu stalken. Vorbei an den Reiseführen, der englischsprachigen Literatur und den Kochbüchern. Immer wieder ließ er dabei seine Fingerspitzen über einzelne Buchrücken gleiten, zog ab und an eines heraus und blätterte darin. Er wollte noch nicht daran denken, dass er irgendwann wieder hier raus musste. Zurück in das dichte Gedränge und der penetranten Geräuschkulisse. Natürlich würde er es tun, immerhin mussten sie ja auch irgendwann wieder nach Hause. Offengestanden graute es ihm davor. Nicht vor den äußeren Einflüssen, sondern vor der Stille. Der Moment in dem Naruto vor ihm einschlief und Sasuke allein ließ. Allein mit seinen Gedanken, seinen Grübeleien, seinen Erinnerungen.

Vielleicht sollte der Uchiha nicht daran denken, nicht jetzt. Vielleicht sollte er seinen Fokus verlagern. Kleine Schritte die sich in der Gegenwart bewegten. Angefangen hiermit. Vielleicht musste Sasuke sich nur lange genug einreden, dass das hier eine gute Sache war? Immerhin war er endlich mal wieder draußen. Nicht einfach nur einkaufen und das sogar in Gesellschaft.

Irgendwie kam ihm Sasori in den Sinn. Es war schwachsinnig, dass er gerade jetzt an diesen verkorksten Psychologen dachte, aber irgendwie fragte Sasuke sich, was seine Meinung sein würde.

Verächtlich schnaubte er. So weit war es also schon gekommen, er wollte die Meinung von einem Quacksalber. Abgesehen davon, dass Sasuke den Rothaarigen mehr als nur inkompetent fand, der Ältere wusste nichts über ihn. Wie sollte dieser Pfuscher irgendeine qualifizierte Meinung haben? Lächerlich. Er brauchte Sasori nicht. Immerhin war Sasuke schon seit Anfang des Jahres nicht mehr da gewesen, hatte die Sitzungen einfach geschwänzt, weil er sie ebenfalls lächerlich fand. Er war seitdem wunderbar ohne den Rothaarigen ausgekommen. Trotzdem war da diese kleine Stimme in seinem Kopf, die ihn zuflüsterte, dass das nicht der Grund war. Er verweigerte die Sitzungen nicht, wegen der Inkompetenz des Psychologen. Das Problem war nicht Sasori und genau das war Problem. Denn wenn der Ältere es nicht war, wer dann? Sasuke selbst?

Zittrig atmete er aus. Er musste damit aufhören. Aber wenn er es tat, was war dann?

Er hatte schon einmal versucht es einfach beiseite zu schieben, mit dem Ergebnis, dass er Naruto eine verpasst hatte. Einfach so, ohne, dass der Schwarzhaarige es wirklich mitbekommen hatte. Eine Tatsache, die ihn auch jetzt noch beschäftigte. Er war kein Arzt, aber wenn er den Quellen aus dem Internet trauen konnte, dann hatte er wohl eine Panikattacke gehabt.

Er.

Ausgerechnet ein Uchiha.
 

Tief holte er Luft und stellte das Buch, nach dem er irgendwann wahllos gegriffen hatte, wieder zurück. Sasuke musste unbedingt damit aufhören, sich über so etwas Gedanken zu machen. Er sollte sich einen Dreck um die Werte und Idealvorstellungen des Familiennamens scheren. Er war gegangen. Sasuke war weggegangen, weil- Sein Gedanke brach ab. Nicht, weil es provozierte, sondern weil sich etwas anderes in den Vordergrund drängte. Ein Kribbeln in den Gliedern, das sich schnell zu einer unangenehmen Gänsehaut ausbreitete.
 

Sasuke fühlte sich beobachtet.
 

So unauffällig wie möglich sah er sich um, schlenderte dabei weiter die Bücherregale ab. Es waren einige Leute hier. Verschiedene Altersklassen, verschiedene Typen, aber er erkannte niemanden, der speziell ihn im Blick hatte. Der Schwarzhaarig wollte sich einreden, dass es nur ein Hirngespinst war, aber er konnte nicht. So sehr er es auch versuchte, die Gänsehaut und das ungute Gefühl blieben. Deshalb sah er sich weiter um, langsam. Griff ab und an nach einem Buch und blätterte darin, ohne wirklich die Worte zu greifen. Ganz egal wohin er ging, das Gefühl blieb, verfolgte ihm.

Sasuke wollte ruhig bleiben, das wollte er wirklich, aber er konnte nicht. Das erste was er bemerkte war das Zittern in seinen Händen. Danach seinen Herzschlag im Ohr. Das war genug, er wollte hier raus. Er musste hier raus.

So ruhig wie möglich steuerte er auf den Ausgang zu, bemerkte selbst, wie seine Schritte dabei immer schneller wurden. Der Uchiha ermahnte sich selbst. Wenn er jetzt einfach losstürmte, würde das noch viel mehr Aufsehen erregen. Also sah er nach draußen, suchte fast schon fieberhaft nach Naruto, der noch immer für diesen verdammten Crêpe anstehen müsste. Es dauerte einen kurzen Moment, aber dann endlich erkannte er das blonde Haar. Augenblicklich beruhigte er sich etwas und endlich konnte er sein Schritttempo wieder zügeln. Dennoch dauerte es nicht lange, bis er die Tür erreichte und kurz darauf wieder in das rege Treiben der Masse eintauchte.
 

Sasuke wich zur Seite aus, brachte Abstand zwischen sich und der breiten Glasfront. Erst als er sich an einem schmalen Streifen Mauerwerk anlehnte, erlaubte er sich tief durchzuatmen. Den Uzumaki ließ er dabei nicht einen Moment aus den Augen. Er gab ihm Sicherheit. Wenn Sasuke wirklich wollte, würde er nur rüber gehen müssen. Es waren nur ein paar Schritte, die sie voneinander trennten. Aber er wollte nicht. Fest biss der Uchiha sich auf die Unterlippe und verschränkte seine Arme. Fast schon gewaltsam presste er sich mit den Rücken gegen die Wand und verbat sich selbst jedwede Form der Überreaktion. Sasuke würde hier stehen bleiben und einfach auf seinen besten Freund warten, so wie ein ganz normaler Mensch und nicht wie irgendein kaputter Freak. Er musste sich nur weiter auf seine Atmung konzentrieren. Sich weiter davon überzeugen, dass es Einbildung gewesen war. Ein Hirngespinst, nichts weiter. Niemand hatte ihn beobachtet. Wieso auch? Ausgerechnet hier, lächerlich. Es war ein paranoider Schub gewesen, nichts weiter. Sein Kopf hatte ihm einen Streich gespielt. Nicht mehr und nicht weniger. Trotzdem kostete es ihn Überwindung seinen Blick zurück zum Eingang der Buchhandlung zu lenken. Der Schwarzhaarige sah nichts Besonderes, nur das übliche Gewusel von Kommenden und Gehenden. Dennoch brannte seine Gänsehaut geradezu schmerzhaft und jede Faser seines Körpers schien zum Zerreißen gespannt. Nachwehen, die seines Erachtens nach unnötig waren. Ihm würde nichts passieren. Erst recht nicht hier, inmitten von so vielen Menschen. Wiederholt atmete er tief durch und versuchte sich mit Logik weiterhin zu beruhigen.

Bis ihn etwas – jemand – am Arm berührte.
 

Heftig fuhr er zusammen, glaubte sogar seinen eigenen leisen Aufschrei zu hören. Wie verbrannt wich er einen großen Schritt zurück und fuhr zeitgleich mit dem Kopf herum. Jeder Muskel seines Körpers war zur Flucht bereit. Ein Reflex, der erst abklang, als zu ihm durchsickerte wer da eigentlich vor ihm stand.

Ein Kontrast aus Rot und Blau.

Sasori und Konan.
 

Er war wie erstarrt. Sasuke wollte Sasori nicht sehen, ihm nicht begegnen, besonders nicht mit so einer Reaktion wie gerade. Der Schwarzhaarige konnte beinahe schon spüren, wie dem Psychologen klar wurde, dass etwas nicht stimmte. Wahrscheinlich wurde er gerade von Kopf bis Fuß analysiert. Krampfhaft unterdrückte der er den Impuls nach Naruto zu sehen. Alles in ihm widerstrebte der Gedanke daran, dass der Blonde ein Teil hiervon werden würde. Was auch immer das hier gerade war.

„Na hoppla.“ Konan war die erste die das Wort ergriff. Heiter entschuldigte sie sich bei ihm, aber darauf konnte der Uchiha sich nicht konzentrieren. Viel zu intensiv lag der Blick des Rothaarigen auf ihm und Sasuke überkamen tatsächlich so etwas wie Schuldgefühle. Das war so...so...Sasuke fand einfach keine Worte dafür. Grotesk vielleicht, aber das erschien ihm zu kraftlos.
 

Sasori ist nicht das Problem. Immer wieder schoss ihm dieser Gedanke durch den Kopf und er machte ihn wütend. Natürlich war der Rothaarige das Problem. Allein schon, dass er ihn einfach nur anstarrte, ohne irgendetwas zu sagen. Nicht nur hier. Es war immer so gewesen. Jeder sah ihn ständig nur an, ohne etwas zu sagen. Keine Erklärungen, nur leere Worte und Lügen. Ja, darin waren sie alle ganz groß. Darauf konnte er getrost verzichten. Sasuke brauchte das nicht mehr – nein, er wollte das nicht mehr.

Verbissen erwiderte er den Blick des Älteren. Er würde nicht einknicken. Harsch sammelte er jedes Fragment von sich ein, was er finden konnte. Es war ihm egal wie falsch es sich anfühlte die kleinen Bruchstücke wieder zusammen zu setzten und das nach außen zu tragen, was ihm am sinnvollsten erschien. Gleichgültigkeit, Arroganz und der unterschwellige Hauch von Überlegenheit. Alles was er über Jahre hinweg in seiner Familie gelernt hatte. Es war egal, dass nichts davon echt war, in den seltensten Fällen war es das. Wichtig war nur, dass es die anderen einschüchterte und sie zum Rückzug zwang. Das hatte diese Attitüde immer getan und so sehr sich alles in ihm auch gegen diese Haltung sträubte, hielt Sasuke sie aufrecht. Die einzige die jedoch den Hauch einer Reaktion zeigte war Konan. Es war ein ungläubiges Auflachen und ein tonloses Gemurmel, welches er nicht richtig verstand. Das war aber auch nicht von belangen. Viel mehr wurmte es ihn, dass der Ältere keinerlei Reaktion zeigte. Sasori schien ganz und gar unbeeindruckt. „Ich habe dich in den letzten Sitzungen vermisst“, offenbarte er dem Schwarzhaarigen in neutralem Ton, „Auch die anderen haben angefangen sich zu sorgen.“

Sauke holte Luft, setzte gerade zu einer Erwiderung an, die mehr als verdeutlichen sollte, dass er den ganzen Schwachsinn nicht brauchte, dass er sehr wohl allein klarkam, aber jemand kam ihm zuvor.
 

„Wie bitte?“
 

Fast wäre er zusammengezuckt, aber nur fast. Es war ganz eindeutig Narutos Stimme und der Tonfall versetzte den Uchiha in Alarmbereitschaft. Er hätte gehen sollen, sich gar nicht erst so lange mit den beiden rumschlagen sollen. Dann wäre ihm das und das Kommende erspart geblieben. „Sitzungen wie in die Sitzungen, die dir Tsunade aufgebrummt hat?“ Genervt verdrehte der Schwarzhaarige bei der Frage die Augen, es war ein Impuls, den er einfach nicht unterdrücken konnte.
 

Das hier war nicht gut. Sasuke war sich sicher, dass er definitiv Kopfschmerzen bekommen würde, wenn er diese Situation nicht bald auflöste – und mit Auflösen meinte er gehen. Genervt drehte er sich also zu seinem besten Freund, der nun neben ihn stand. Die Süßspeise in dessen Hand wurde geflissentlich ignoriert, ein Umstand der gar nicht gut war. „Oh, gib mir nicht den Uchiha-Blick“, aus verengten Augen sah Naruto ihn an. Der andere war wütend, eindeutig.
 

„Ich denke es sind genau die Sitzungen“, warf Sasori ein und am liebsten hätte Sasuke ihm dafür den Crêpe ins Gesicht geschleudert. Das hier war schon schlimm genug, ohne dass der Psychologe sich einmischte. Besonders weil Naruto nun tatsächlich dem Ältesten ansah, ihm sogar die Hand reichte und sich verdammt nochmal mit dem Rothaarigen bekannt machte. Das war furchtbar, mehr als das. Der Schwarzhaarige hatte nie gewollt, dass Naruto ausgerechnet auf den Seelenklempner traf, schon gar nicht so. Eigentlich niemals. Denn das hier war nicht richtig. Sasori war ein Teil, denn Naruto nicht mitbekommen sollte. Ein abnormaler Teil der zwischen ihnen nichts zu suchen hatte. Sein Hals zog sich unangenehm zusammen. Sasuke wollte das hier nicht. Der Uzumaki war sein Freund, sein Stück Normalität. Keine dunklen Gedanken, nur Ruhe. Das würde er sich nicht kaputt machen lassen. Nicht so und schon gar nicht von dem rothaarigen Pfuscher. Er würde nicht zulassen, dass Naruto ein Teil davon werden würde. Nicht mehr als jetzt gerade. Es durfte einfach nicht mehr werden als dieses Vorstellen, aber ihm fiel einfach nichts ein, um diesen Moment aufzulösen. Kein bissiger Kommentar. Viel mehr hatte Sasuke das Gefühl, als würde ihm jemand die Kehle zuschnüren. Es war wie in einem schlechten Film, denn man einfach nicht ausschalten konnte. Dabei wollte der Uchiha genau das.
 

„Also Naruto, es wäre wirklich schön, wenn du Sasuke-„ Was auch immer es war, diese Worte rüttelten etwas im Schwarzhaarigen wach. „Nein.“, unterbrach er daher den Rothaarigen. Seine Stimme war viel zu laut, sorgte dafür, dass Naruto ihn überrascht ansah. „Naruto wird gar nichts und schon gar nicht für dich.“ Und dann tat er etwas, das gegen jedes seiner Verhaltensmuster sprach. Er packte den Blondschopf am Arm und zog ihn mit. Weg von Sasori. Weg von diesen Höllengemäuern. Einfach nur weg.
 

~
 

Sie redeten nicht miteinander. Weder auf der Rückfahrt, noch als sie wieder in der Wohnung ankamen. Die Stille war unangenehm, dennoch unterbrach er sie nicht. Nicht zuletzt, weil er einfach nicht gut in solchen Dingen war. Es war immer Narutos Stärke gewesen unangenehme Situationen aufzulösen. Situationen wie diese hier. Verübeln konnte der Schwarzhaarige es ihm jedoch nicht. Nicht nachdem was in dem Einkaufszentrum passiert war. Vielleicht sollte Sasuke sich entschuldigen? Für die Situation. Für sein Verhalten. Aber das konnte er nicht. Er schaffte es ja noch nicht einmal seinem Kindheitsfreund in die Augen zu sehen. Deshalb ließ er es lieber. Vielleicht, wenn er fest genug daran glaubte, würde sich das von allein wieder einrenken. Also tat er nichts gegen die Stille. Nicht am Nachmittag, nicht am Abend und auch nicht, als sie zu Bett gingen.

Es fühlte sich seltsam an neben Naruto zu liegen, nachdem sie sich Stundenlang angeschwiegen hatten. Allerdings war der Blondschopf nicht gegangen. Das war gut. Oder?
 

Es war dunkel. Nur ihr Atmen erfüllte das Schlafzimmer und zum ersten Mal fiel Sasuke auf, wie beruhigend die Wärme seines Kindheitsfreundes eigentlich war. Fest biss er sich auf die Unterlippe. Es musste gut sein zwischen ihnen. Es musste sich alles wieder einrenken, denn wenn er ehrlich war wollte er nicht, dass Naruto ging. Nicht jetzt und auch nicht in nächster Zeit.
 

„Reden wir darüber?“ Der Inhalt dieser Frage ließ ihn die Augen schließen. „Ich“, setzte er an, brach jedoch ab. Sasuke hatte keine Ahnung was er sagen sollte. Wie er es erklären sollte. Deshalb wurde es wieder still zwischen ihnen, obwohl der Uchiha das nicht wollte, ganz egal wie unangenehm das Gespräch wäre – und Naruto schien es zu merken, ihn zu verstehen. Das hatte der Blonde schon immer getan.

„Weißt du noch, als ich diesem Kabuto die Nase gebrochen habe?“ Irritiert blinzelte der Schwarzhaarige. Natürlich wusste er das noch. „Ja. Du bist fast von der Schule geflogen deswegen“, bestätigte er leise. Ein kurzes Schnauben von Naruto folgte. „Das war kurz nach dem Tod meiner Eltern. Ich war so wütend. Auf alles und jeden, aber weißt du auf wen ich am meisten wütend war?“ Es klang wie eine rhetorische Frage, trotzdem verneinte Sasuke.

„Auf den Schulpsychologen, mit dem ich reden sollte.“

Er wusste worauf das hier hinauslaufen würde, trotzdem schreckte Sasuke nicht zurück. „Und? Hast du trotzdem mit ihm geredet?“, hakte er nach.

„Nein.“ Nun war es an Sasuke zu Schnauben „Und weißt du warum?“

„Weil reden nichts besser macht“, antwortete er bitter.

„Nein“, warm schlossen sich die Finger Narutos um seine Hand und Sasuke ließ es zu, „Weil ich dich hatte. Ich hab mit dir geredet, weil ich nur mit dir reden konnte.“ Etwas in Sasuke schmolz, ließ ihn die Augen schließen und tief durchatmen. „Und nach jedem Mal war ich ein kleines Stück weniger wütend. Ich sage nicht, dass es einfach ist, oder dass es sich für einen selbst super richtig anfühlt, aber-“, Naruto brach ab und atmete einmal tief durch, ehe er sich vollends zu ihm umdrehte, „Es geht dir nicht gut und reden hilft.“

„Ich rede mit dir“, verteidigte Sasuke sich dünn, während er konzentriert an die Decke starrte. Viel zu deutlich spürte er den Blick aus den blauen Augen auf sich ruhen.

„Nicht so und das weißt du, Sas.“

„Ich rede mit dir“, wiederholte er sich.

„Okay, dann rede mit mir. Was ist passiert, bevor wir zu Tsunade gefahren sind?“ Er musste schlucken, als er spürte wie Naruto mit seinem Daumen sanft über seinen Handrücken strich. Es war eine Form der Nähe, die ihn erstaunlicherweise schon immer beruhigt hatte. Naruto schien instinktiv zu wissen wie er mit dem Schwarzhaarigen umgehen musste, wie er es schaffte seine Abwehr zu zerschmettern. Da war kein bissiger Kommentar auf Sasukes Lippen, kein Impuls zur Flucht. Naruto hatte recht. Der Blonde hatte immer mit ihm geredet, über alles. Er war immer ehrlich gewesen und Sasuke hatte es mit gleichem Vertrauen vergolten. Immer. Bis jetzt.

Wie Blei lag seine Zunge im Mund, seine Lippen fühlten sich an wie zugeklebt. Es ging nicht. Ganz egal wie sehr Sasuke es sich wünschte.

„Ich kann nicht“, brachte er mühsam hervor.

Noch immer strich der warme Daumen Narutos über seine Haut, beruhigte ihn weiterhin. „Das ist okay, Sas.“ Kaum merklich schüttelte er mit dem Kopf. „Es fühlt sich aber nicht okay an.“
 

Sanft verstärkte sich der Druck um seine Hand. Nur für einen kurzen, tröstenden Moment voller Verständnis. Es war Sasuke egal wie kitschig die ganze Situation gerade war. Sie fühlte sich…gut an.
 

„Rede mit Sasori, auch wenn dein Sturkopf dagegen ist. Was hast du schon zu verlieren?“ Ein sanftes Schmunzelt zupfte an Sasukes Mundwinkeln. „Und das von jemanden, der selbst nicht mit so nem Pfuscher geredet hat.“

„Tja“, erwiderte sein Nebenmann mit einem deutlichen Schmunzeln in der Stimme, „Ich würde dir ja meinen Beistand von damals empfehlen, aber der ist gerade auf unbestimmte Zeit im Urlaub.“

Sasukes Abwehr sank bei diesem Worten noch mehr.

„Ich mag Sasori nicht, er ist seltsam“, offenbarte er seinem besten Freund.

„Dann ist es auch nicht schlimm.“ Irritiert zog der Schwarzhaarige die Stirn in Falten und drehte seinen Kopf etwas, um Naruto ansehen zu können. „Wenn du ihn umbringst“, erwiderte der Blonde trocken. „Ich schwöre feierlich, dass ich dir dann auch helfe die Leiche zu entsorgen. Wir müssten noch nen alten Teppich im Keller haben. Da können wir den Toten dann drin einwickeln.“ Die Miene des Uzumaki blieb bei dieser Aussage so ernst, dass Sasuke einfach nicht anders konnte als tonlos aufzulachen. „Du bist so ein Idiot, Naruto.“ Das breite Grinsen, das ihm daraufhin entgegengebracht wurde, war geradezu blendend in der schummrigen Dunkelheit des Zimmers. „Aber ich bin dein Idiot.“
 

Sasuke musste Lächeln. Es war eine warme Geste, das konnte er geradezu spüren, aber es war ihm egal. Tief atmete er ein. Registrierte den beruhigenden Duft des Blonden und ließ sich ein Stück weit darin fallen. „Okay“, resignierte er und sah, wie das breite Lächeln des Blonden zufrieden abflaute, „Ich werde auch versuchen es aussehen zu lassen wie einen Unfall“, schob er mit ein.

„Zu gütig“, antwortete Naruto mit einem schelmischen Funkeln in den Augen und er konnte nicht anders, als drauf einzusteigen.

„Aber falls das auffliegt, werde ich dir die ganze Schuld in die Schuhe schieben.“

Amüsiert hob Naruto die Augenbrauen. „Wir wissen beide, dass du das nicht tun würdest.“

„Doch“, widersprach er, „Denn im Gegensatz zu dir, sehe ich wirklich zu gut aus fürs Gefängnis.“
 

Das Lachen, welches der Blonde daraufhin ausstieß, war hell. Keine Abneigung, keine Wut, nur ehrliches Vergnügen. „Du bist so ein Miststück, Sas. Aber weißt du was? Du bist mein Miststück.“

Und auch wenn Sasuke daraufhin genervt mit den Augen rollte, verriet ihm das warme Prickeln in seinem Körper, dass er damit sehr gut leben konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Scorbion1984
2020-09-11T19:45:01+00:00 11.09.2020 21:45
So jetzt habe ich nochmal alle Kapitel gelesen ,wusste doch nicht mehr so richtig worum es hier geht .
Also ist Itachi immer noch nicht aufgetaucht bei ihm ,aber weiss er was Sasuke von seinem Vater erdulden musste ,seit seinem Weggang ?
Irgendwie hat Fugako aber auch einen ganz schönen Knall ,den sollten sie mal einliefern und den Schlüssel wegschmeißen.


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