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Schmerzliche Wahrheit

von

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Drei Wochen

„Es war seltsam, ich war irgendwie total außen vor und doch im Mittelpunkt. Total creepy. Keiner wusste was er sagen sollte und sie haben mich angestarrt. Ich hab mich gefühlt-“

Ab da schaltete Sasuke ab. Er hörte dieser Karin jetzt schon seit zehn Minuten zu und er war sich sicher, dass wenn er es auch nur eine weitere Minute täte, tief in ihm etwas sterben würde.
 

Es war Montag und anstatt in der Schule zu sitzen war er hier. Irgendwo im Keller des Jugendamtes, an einem Tisch mit vier anderen, den Gruppenleiter mitgezählt.

War die Bezeichnung überhaupt richtig? Gruppenleiter?

Und durfte sich etwas mit so wenig Teilnehmern wirklich Gruppentherapie nennen?

Aber vor allem: Hatte dieser Sasori wirklich die erforderliche Befugnis für das alles hier?
 

Der Schwarzhaarige war kein Mensch der andere Verurteilte, voreilige Schlüsse zog, oder jemanden anhand von Klischees bewertete – zugegeben, dass lag größtenteils daran, dass er seine Mitmenschen weitestgehend ignorierte – aber der Rothaarige war seltsam. Wirklich seltsam. Er wirkte mehr wie eine Puppe und das aufgesetzte Lächeln machte es nicht besser.

Nun gut, der Ältere war auch dazu gezwungen sich die Geschichte von Karin komplett anzuhören und dabei interessiert zu wirken. Trotzdem war der Typ ihm suspekt. Irgendwie wurde Sasuke das Gefühl nicht los, dass er ihn beobachtete. Vielleicht musste das aber auch so sein, immerhin sollte ihm hier ja geholfen werden.
 

Der Schwarzhaarige musste sich kurz zusammenreißen, um nicht aufzulachen. Karin hatte eine Zwangsneurose, immer wenn ihr etwas zu viel wurde, biss sie sich selbst in den Arm – und ihr wurde es oft zu viel. Suigetsu war, neben seiner Leidenschaft die Rothaarige auf die Palme zu bringen, ein Kleptomane. Allerdings bezog sich das wohl nur auf Messer und Schwerter. Und dann war da noch dieser Juugo. Die Ruhe in Person, die allerdings glaubte mit Tieren sprechen zu können. Er wagte es einfach mal zu bezweifeln, dass der Erfolg, den Tsunade sich hiervon für ihn erhoffte, ausbleiben würde.
 

„Sasuke?“
 

Gelangweilt wand er seinen Blick zurück zu Sasori.
 

„Möchtest du uns vielleicht heute etwas über dich erzählen?“

„Nein.“
 

Aus dem Augenwinkel konnte er das enttäuschte Gesicht von Karin, sowie das amüsierte Grinsen von Suigetsu erkennen. Wieso zur Hölle kam jemand auf die Idee sich freiwillig die Haare weiß zu färben? In seinen Augen sah das einfach nur lächerlich aus.
 

„Nach der ganzen Scheiße die Karin gerade gelabert hat, hätte ich auch keinen Bock mehr was zu sagen“, offenbarte der Hellhaarige.

„Wenigstens besteht mein Wortschatz aus mehr als dreißig Worten!“

„Und jedes zweite ist ichbezogen.“
 

Mit einem Ruck war die Rothaarige auf den Beinen und schlug energisch ihre Hand auf den Tisch. Das Geschirr darauf klapperte verdächtig.
 

„Nimm das sofort zurück, du minderbemittelter Arsch!“
 

Der Schrei hallte nach, nicht nur in seinen Ohren. Wahrscheinlich wurde gerade das ganze Gebäude unterhalten.
 

Zweimal die Woche würde er das alles über sich ergehen lassen müssen. Über welchen Zeitraum war ihm nicht gesagt worden, aber er hoffte inständig, dass es ein kurzer sein würde. Mittlerweile war der Uchiha schon drei Wochen von Zuhause weg. Drei Wochen, sechs Sitzungen und jedes Mal war es dasselbe.
 

„Was denn du Freak? Die Wahrheit?“
 

Genervt rollte der Schwarzhaarige mit den Augen und versuchte das Geschrei zu ignorieren.
 

„Jedes Mal das Gleiche mit den beiden.“

Aus dem Augenwinkel fokussierte er Juugo, der nach seiner Aussage mit einem leichten Lächeln den Kopf schüttelte. Also war der Lautstärkepegel hier tatsächlich nicht nur eine Phase, sondern Normalität. Kein Wunder, dass dieser Kindergarten im Keller statt fand. Wunderbar...
 

Es kam ihm wie eine weitere Ewigkeit vor, bis Sasori es endlich schaffte die beiden Streithähne zu zügeln und kurz darauf die Sitzung für beendet erklärte. Sasuke war einfach nur froh darüber, dass er wieder Abstand zu diesen Leuten nehmen konnte. Zwar dauerte die Pause nur bis Freitag, aber immerhin.
 

Ohne Umwege machte er sich auf den Weg zu seinem Zimmer. Es war noch immer seltsam diesen mehr als provisorisch eingerichtete Raum so zu nennen, aber es fühlte sich bei weitem weniger sonderbar an, wenn ein leise schnarchender, blonder Vollidiot dort lag.

So leise wie möglich schloss der Uchiha die Tür hinter sich und sah danach kurz auf die Uhr. Naruto musste direkt nach der Schule hier her gefahren sein und auf ihn gewartet haben. Dieser Idiot.

Er hoffte nur, dass der Uzumaki wenigstens Jiraiya Bescheid gesagt hatte.
 

Ohne groß darüber nachzudenken, griff er nach der dünnen Decke am Fußende des Bettes und breitete sie über dem Blonden aus. Er konnte das kleine Lächeln auf seinen Lippen nicht verhindern, als er das Buch auf dem Schreibtisch sah. Naruto hatte ihm etwas zu lesen mitgebracht. Der Stuhl gab ein knarrendes Geräusch von sich, als er sich, das breite Schriftstück fest in der Hand, darauf niederließ. Ein letztes Mal wanderte Sasukes Blick zum Blonden, ehe er den Einband aufschlug und anfing zu lesen.
 

~
 

Es war ruhig in dem kleinen Zimmer, nur ab und an erklang ein leises Rascheln, wenn der Schwarzhaarige die nächste Seite aufschlug. Mit jeder Zeile die er las, entspannte er sich mehr und jetzt, knapp nach der Hälfte des Krimis, war er vollkommen gelöst. Alles war nebensächlich, er war vollkommen in der Literatur versunken. Das erneute Rascheln von Papier und dann fing seine Haut an zu kribbeln. Er fühlte sich beobachtet. Die nächste Seite. Sasuke versuchte es einfach zu ignorieren, er wollte zumindest das Kapitel zu Ende lese.

Es blieb bei dem Versuch.
 

Resigniert merkte er sich die Seitenzahl, wunderte sich kurz darüber wie weit er schon gekommen war und drehte dann seinen Kopf ruckartig nach rechts.

„Hör' sofort auf mich anzustarren.“
 

Heftig zuckte der Blondschopf zusammen und ein leichter Rotschimmer legte sich auf dessen Wangen. Wenn es nicht den Effekt zerstören würde, hätte der Schwarzhaarige gelacht.
 

„Verdammt, ich hab fast 'nen Herzinfarkt gekriegt, Sas. Willst du das ich sterbe?“

„Es wäre nicht unbedingt ein Verlust für die Welt“, erwiderte er kühl.

„Bastard.“
 

Die Beleidigung wurde stark durch das breite Grinsen Narutos abgemildert.
 

„Du würdest mich vermissen. Weil ich toll bin. So toll, dass ich dir deine Hausaufgaben hinterher trage.“
 

Interessiert beobachtete er, wie Naruto sich aus der Decke kämpfte und umständlich zu seiner Tasche robbte. Kurz durchwühlte dieser die einzelnen Fächer, ehe er triumphierend eine Stapel Blätter in die Luft hob.
 

„Das sind die Aufgaben für die ganze Woche. Offiziell bist du noch immer krank.“

Verwundert zog der Uchiha eine Augenbraue hoch.

„Ich soll dir sagen, dass Tsunade mit dem Schulleiter geredet hat. Die beiden sind irgendwie verwand. Ich zitiere“, kurz räusperte sich der Blauäugige, „Ich hab nur gesagt, dass du bei mir bist. Kein Wort mehr.“
 

Ungeschickt erhob Naruto sich aus dem Bett.
 

„Es war ihr wichtig, dass du das weißt. Echt jetzt. Sie hatte einen total gruseligen Blick drauf und meinte, ich soll dir das genau so sagen. Und ich soll dir ausrichten, dass du immer zu ihr kommen kannst, wenn du soweit bist.“
 

Erleichtert atmete der Schwarzhaarige aus. Also hielt die Ältere tatsächlich ihr Versprechen. Nichts desto weniger fing es langsam an unrealistisch zu werden. Sasuke hatte niemals in der Schule gefehlt und nun war er schon in der dritten Woche krank.
 

„Sie ist eine von den Guten, ganz ehrlich“, riss Naruto ihn aus den Gedanken und fixierte ihn mit einem mehr als nur eindringlichen Blick. Aber so schnell wie dieser gekommen war, verschwand er auch wieder. Da war nur noch das typische, breite Grinsen des Uzumakis, mit dem dieser ihm nun die Aufgabenzettel auf den Schreibtisch legte.
 

„Du willst mit Mathe anfangen.“

„Will ich das?“, hakte er argwöhnisch nach.

„Oh, du bist ganz versessen darauf. Die ganzen Zahlen, Formeln und erst die Buchstaben. Sieh dir das nur an. Eine perfekte Symbiose der Mathematik. Makellos, ästhetisch und berührend. Eine wahre Schönheit!“

Mit einem dramatischen Handbewegung schloss Naruto seine heroisch angehauchte Rede ab.
 

„Nein.“

„Doch, guck nochmal genau-“

„Nein, du wirst nicht bei mir abschreiben.“

„Aber-“, setzte der Blauäugige an.

„Und weißt du überhaupt was eine Symbiose ist?“
 

Theatralisch griff Naruto sich an die Brust.

„Mah Sasuke, das tat weh.“

„Was? Die Tatsache, dass du nicht von mir abschreiben darfst, oder dein nicht ganz so weit vorgeschrittener Bildungsgrad? Wobei das eine das Andere nicht unbedingt ausschließt.“

„Wow“, ernsthaft überrascht riss der Ältere die Augen auf, „Ich hatte fast schon vergessen wie viel Arschigkeit du besitzt.“

„Arschigkeit?“, hakte der Schwarzhaarige nach, „Ein interessantes Substantiv.“

„Ach halt die Klappe, du Arsch!“
 

Sichtlich eingeschnappt und mit einem immer tiefer werdenden Rotton im Gesicht, verschränkte Naruto die Arme vor seiner Brust.
 

„Erklär' mir lieber was ich machen muss, wenn du mich schon nicht abschreiben lässt.“
 

~
 

Knappe zwei Stunden später war der größte Teil der Aufgaben geschafft und Sasuke gab der Bitte des Uzumakis nach, es für heute gut sein zu lassen.

„Mein Kopf platzt gleich.“

Mit einem lauten Seufzer massierte Naruto seine Schläfen und ließ sich rücklings aufs Bett fallen.
 

„Stell dich nicht so an, so schlimm war es gar nicht.“

„Du hast leicht reden“, hörbar schnaubte Naruto, „Musst du überhaupt nachdenken, bevor du die Aufgaben bearbeitest?“
 

Sasuke überging die Frage einfach.

„Zumindest hast du das mit der Kurvendiskussion jetzt besser verstanden. Das ist doch schon mal was.“
 

Ruckartig setzte Naruto sich wieder auf. Deutlich genervt fokussierte er den Schwarzhaarigen.
 

„Oh, auf jeden Fall, das ist super. Wie oft dachte ich mir schon 'Oh Naruto, jetzt eine schöne Kurvendiskussion zum runterkommen' und ich konnte nicht, weil ich die Formeln nicht drauf hatte. Danke Sasuke. Danke für diese Chance.“
 

Es fiel ihm schwer das aufkommende Schmunzeln zu unterdrücken.

„Ich würde es eher als Chance sehen, nicht durch die Prüfung zu fallen.“
 

Gepeinigt verzog der Blonde das Gesicht.

„Ich weiß. Wenn ich dieses Jahr nochmal durchfalle, zerreißt Jiraiya mich in der Luft.“
 

Schwer seufzte der Uzumaki auf, eher er Sasuke einen undefinierbaren Blick zu warf. Die Atmosphäre änderte sich, wurde irgendwie schwere und rückte die Entspannung zwischen ihnen immer mehr in den Hintergrund.
 

„Also“, setzte der Blauäugige an. Sasuke nahm sehr wohl wahr, wie der Chaot nervös mit seinen Fingern spielte.

„Du musst nicht...naja, wenn du nicht willst-, also...ich wollte fragen-“, stammelte Naruto, senkte immer wieder kurz den Blick und brach schlussendlich ganz ab, um sich mit den Händen übers Gesicht zu fahren.
 

Sasuke hatte kurz das Gefühl nicht atmen zu können, so intensiv breitete sich das Sentiment der Beklommenheit in seiner Brust aus. Er wusste was der Ältere ihn fragen wollte. Er wusste es einfach.

Ehrlich gesagt konnte er ihn auch verstehen. Wenn der Schwarzhaarige an seiner Stelle wäre, wenn das alles hier umgekehrt wäre...Sasuke verstand es. Außerdem war Naruto sein Freund. Er kannte ihn. Es war Naruto. Kein Fremder. Kein Teil irgendeiner idiotischen Gruppe – es war Naruto. Unbewusst biss er sich auf die Unterlippe. Immer und immer wieder, bis er es realisierte und sich selbst ermahnte es zu unterlassen. Besonders bei dem intensiven Blick, mit dem sein Gegenüber ihn musterte.
 

„Also“, setzte der Uzumaki erneut an und Sasuke versuchte durchzuatmen. Es war Naruto, er hatte ihn hier her gebracht, es wäre in Ordnung. Alles in Ordnung.
 

„Ich weiß nicht wie ich es sagen soll, naja...ich bin nicht gut in sowas.“
 

Es war in Ordnung. Weil es Naruto war. Es war okay. Immer wieder sagte er sich das selbst, versuchte sich damit zu beruhigen.
 

„Sasuke?“
 

Es war nicht okay.

Alles in ihm blockierte, verkrampfte sich. Unweigerlich begann er erneut seine Unterlippe zu malträtieren.
 

„Würdest du mit mir für die Prüfungen lernen?“
 

Das war nicht die Frage, die Naruto ihm eigentlich stellen wollte, dafür war das Lächeln des Uzumaki eine Spur zu sanft. Auch wenn Sasuke es hasste, dass man ihn in Watte packte, war er seinem Freund trotzdem dankbar. Sein Körper entspannte sich schlagartig und ohne darüber nachdenken zu müssen nickte er, während es zeitgleich an der Tür klopfte.
 

„Ja?“, rief Naruto.

Genervt sah der Uchiha ihn an, nicht lange genug um wirklich einschüchternd zu wirken, denn Tsunade öffnete die Tür.
 

„Pack deine Sachen, Sasuke. Wir fahren in 15 Minuten los.“
 

Überrumpelt, so fühlte er sich.

„Und wohin?“, stellte der Blondschopf die Frage, die sich auch ihm stellte.

„Ich habe eine Wohnung für Sasuke gefunden. In 15 Minuten am Haupteingang.“
 

Und dann wurde die Tür auch wieder von außen geschlossen.

In die eintretende Stille blinzelte der Schwarzhaarige ein paar Mal irritiert, ehe er kurz zusammenzuckte. Naruto war mit einem euphorischen Schrei aufgesprungen und fing an die wenigen, persönlichen Gegenstände im Raum zusammen zu suchen.
 

„Na los, du hast sie doch gehört. Hol' endlich deine Tasche.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2017-05-22T16:22:13+00:00 22.05.2017 18:22
Ich habe die ff gerade für mich entdeckt .
und ich muss sagen das sie einfach nur toll ist .
Von:  Scorbion1984
2017-04-27T16:35:04+00:00 27.04.2017 18:35
Tolles Kapitel ,dunkel habe ich die Geschichte noch in Erinnerung !
Muss mich am Wochenende wieder erst in diese Geschichte reinlesen ,schön ist es das Du weiter schreibst ,ich hoffe das es nicht bei diesem einen Kapitel bleibt !


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