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Die Wölfe 5 ~Das Blut des Paten~

Teil V
von

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~Hinter Gittern~

Wie lange sitze ich eigentlich schon hier? Laut der Uhr an der Wand bereits drei Stunden, mir kommt es vor wie eine Ewigkeit. Ihr Taktik kenne ich bereits. Sie lassen mich absichtlich hier im Verhörraum warten, in der Hoffnung, dann leichteres Spiel mit mir zu haben, wenn sie plötzlich und unerwartet durch die Tür herein kommen und mich mit ihren Fragen und Beschuldigungen bestürmen. Ich seufze ergeben und schaue wieder auf die Uhr. Der Zeiger hat sich noch nicht bewegt. Es ist keine einzige, verdammte Minute vergangen. Wie ich es hasse zum Nichtstun verurteilt zu werden. Ich will diese Schweine suchen und zur Strecke bringen, die meiner Familie das angetan haben. Sie sollen bluten, für all ihre Taten. Doch anstatt mich in ein Gemetzel zu stürzen, sitze ich hier fest, mit Handschellen an diesen verdammten Tisch gefesselt. Hier gibt es nichts, als vier weiße Wände, diesen Tisch und zwei Stühle.
 

Ein Glück sind Judy und die Kinder an den Strand gefahren und waren nicht im Haus, sonst wären sie jetzt sicher auch tot. Hoffentlich sind die schlimmsten Spuren beseitigt, bis die drei nach Hause kommen. Der Vater tot, ich als Hauptverdächtiger im Gefängnis. Wie soll meine Frau den Schock nur verarbeiten, wo sie doch hoch schwanger ist. Und ich sitze hier fest und kann nichts tun, um die Sache aufzuklären. Ich kann nicht mal meinen Bruder anrufen, damit er sich um meine Familie kümmert.
 

Aarons Anblick geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Immer wieder taucht sein entsetzter Blick in meinen Gedanken auf, immer wieder sehe ich das Schwert, das ihm den Atem nahm. Wäre ich doch zu Hause gewesen. Hätte ich meinen Schwur, Michael zu töten, doch nur schon früher eingelöst. Die Nachricht auf dem Zettel gilt mir. Ich habe das perverse Spiel mit ihm, viel zu erfolgreich verdrängt und nun musste Aaron deswegen sterben. Selbst Jesters Blut klebt nun an meinen Händen. Ich betrachte meine befleckten Finger, die blutigen Ärmel, meine blutgetränkte Hose. Auch Scotch und Brandy mussten nur meinetwegen sterben. Ach verflucht! Ich raufe mir die Haare. Wenn ich doch wenigstens jemanden umlegen könnte.
 

Die Tür öffnet sich, zwei Beamte kommen herein. Wird auch Zeit!

Einer von ihnen ist der Asiat mit dem markanten Kinn. Er ist es auch, der mir eine Akte auf den Tisch knallt und sich zu mir setzt. Sein Kollege bleibt hinter mir stehen. Ich hasse das, der Raum ist groß genug, muss er sich ausgerechnet dort platzieren? Ich versuche mir meine Unruhe deswegen nicht anmerken zu lassen und den Kerl einfach zu ignorieren.

Das ist also meine Akte? Ziemlich dünn. Auf den ersten Blick nicht mehr als fünf oder sechs Blätter. Das hätte sich gar nicht gelohnt, sie von Jan stehlen zu lassen. Ich blättere ein wenig darin herum. Der letzte Eintrag ist von 1926. Da hat man mich beim Diebstahl eines Automobils erwischt. Nichts weiter als eine kleine Jugendsünde. Wie langweilig! Ich sehe fragen auf. Was soll ich jetzt damit?

"Nichts, in all den Jahren, nicht ein Eintrag. Nicht schlecht für den obersten Cleaner eines Syndikats. Du bist ein Profi, nicht wahr?" Danke für die Blumen, aber diese Psychospielchen kannst er sich sparen. Ich schaue gleichgültig zurück und entgegne streng und bestimmt: "Was gibt ihnen eigentlich das Recht mich zu duzen, Herr Komissar?" Der Mann in Uniform schaut verdutzt. Mit dieser Antwort hat er offensichtlich nicht gerechnet. Gut so, er brauch nicht denken, dass ich mich in seiner Gegenwart klein fühle. Ein Mindestmaß an Respekt fordere ich auch von ihm ein.

Er brauch einen Moment, bis er sich wieder fängt und das spöttische Grinsen von eben, in seinen Mundwinkeln zurückkehrt.

"Du hast deine Lage wohl noch nicht verstanden, was? Dir droht die Todesstrafe, ist dir das klar? Aus der Geschichte kommst du nicht mehr raus." Witzig, er droht einem Mörder mit Mord? Damit kommen mir meine Feinde seit Jahrzehnten und ich lebe noch immer. Die Akte klappe ich zu, drehe sie in seine Richtung und schiebe sie über den Tisch.

"Machen sie sich mal um mich keine Sorgen. Finden sie lieber den, der meinen Vater auf dem gewissen hat, bevor ich es tue."

"Vater? Ihr seid nicht blutsverwandt."

"Wie ich den Mann nenne, der mich groß gezogen hat, ist meine Sache."

"Arrogant und überheblich, wie immer. Begreifst du es noch immer nicht? Du hattest die Tatwaffe noch in der Hand!" Der Beamte hinter mir, beugt sich vor und wirft das Schwert auf den Tisch. Blut und Zettel kleben noch daran.

~Ich hasse es zu warten!~

Wieder diese verdammten Worte. Ich wende mich ab, doch meinen grimmigen Blick bekomme ich nicht sofort unter Kontrolle.

"Ist kein schöner Anblick, nicht wahr?" Glaubt er ernsthaft, das Blut an der Klinge ist es, das mich stört? Ich schweige.

"Was ist es für ein Gefühl, Menschen so kaltblütig abzuschlachten?" Als wenn ich der einzige kaltblütige Killer hier wäre. Der Scheißkerl hat drei meiner Männer auf dem Gewissen.

"Ich weiß es nicht, sagen sie's mir!" Stur und durchdringend sehe ich den Asiaten direkt in die Augen. Wir liefern uns ein stummes Gefecht, bis er schließlich den Blick senkt.

"Was war der Grund? Das Erbe? Das große Vermögen der Longhards?", will er auf einmal wissen. Glaubt er ernsthaft, dass ich Aaron deswegen umlegen würde? Ich schmunzle amüsiert.

"Ich bin selbst gut situiert." Aarons Vermögen ist mir egal, ich kann genau so gut von den Einnahmen des Midnights leben.

"Fakt ist, du erbst ein Vermögen und wirst Oberhaupt der Longhards!" Ich bin bereits Oberhaupt, du Idiot!

"Ist das alles, was ihr habt?"

"Du begreifst es wirklich nicht oder? Ich werde dir mal sagen, wie es war: Du und dein Kumpel, ihr seid in die Villa eingebrochen, habt den Butler erstochen und dann, den alten Mann in seinem Sessel. Das Blut der beiden klebt noch an euren Klamotten. Leugnen ist zwecklos. Wir haben die Tatwaffen mit euren Fingerabdrücken." Er deutet auf meine fleckigen Klamotten und meine Hände. Ich verschränke die Arme vor der Brust und lehne mich zurück. Mit finsterem Blick betrachte ich ihn abfällig.

"Was würden sie tun, wenn sie heim kommen und einen Verletzten finden? Die Polizei rufen und auf die Spurensicherung warten oder versuchen zu retten, was zu retten ist?"

"Ach jetzt seid ihr also die Guten?" Seine Frage ist mir keine Antwort wert.

"Warum machen sie sich nicht mal die Mühe, die Fakten zu betrachten? Vor der Villa liegen zwei erschossene Wachhunde. Meine Wachhunde, die mir aufs Wort gehorchen? Nennen sie mir einen Grund, warum ich es nötig hätte, die zu töten? Die Tür war aufgebrochen, aber ich habe einen Schlüssel, ich wohne dort, wozu sollte ich die Tür eintreten? Der Butler ist mein Angestellter, ich hätte ihm einfach frei geben können, um ihn loszuwerden. Und warum sollte ich überhaupt wegen des Erbes Morden? Ich habe uneingeschränkte Zugriffsrechte über alle Geschäftskonten. Seit einem Monat bin ich das Oberhaupt der Longhardfamilie, die Fabriken laufen bereits auf meinen Namen." Da muss er schon etwas anderes auf den Tisch legen. Der Beamte erhebt sich, er beugt sich vor und will etwas sagen, doch in diesem Moment öffnet sich die Tür. Ein dritter Polizist betritt den Raum. Schmächtige Schulter, ein stolze Gang, Schlitzaugen. Das erste Mal seit langem, freue ich mich Jan zu sehen. Er schaut sich im Raum um, wirft mir einen eben so flüchtigen Blick zu, wie ich ihm und richtet sich dann an seinen Vater.

"Wir haben eine neue Spur!", erklärt er. Ist das sein ernst, oder versucht er mich nur hier raus zu holen?

"Ich bin noch nicht fertig mit ihm!", mault der Kommisar.

"Du sollst aber die Ermittlung leiten!" Jans Vater ballt die Faust und schlägt sie hart auf die Tischplatte. Sein finsterer Blick durchbohrt mich, doch ich schaue unbeeindruckt zurück.

"Wir zwei sind noch nicht fertig!", bellt er. Ich zucke nur mit den Schultern. Wütend richtet er sich auf und verlässt den Raum. Als er durch die Tür geht, rufe ich ihm nach: "Bis zum nächsten Mal, vielleicht haben sie dann ja mehr zu bieten!" Ein Faustschlag knallt gegen die offene Tür.

"Zieh nicht immer so ne Show ab, du sitzt echt verdammt tief in der Scheiße", flüstert Jan mir zu, als er die Handschellen aufschließt. Ich grinse erst frech, dann freundlich und erleichtert.

"Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin dich zu sehen", entgegne ich leise. Jan verzieht keine Mine, dass wir miteinander zu tun haben, brauchen seine Kollegen nicht wissen. Grob zieht er mich am Arm hinauf und stößt mich dann in Richtung Tür.

"Vorwärts!", befiehlt er.

Gemeinsam mit seinem Kollege begleiten er mich zu den Zellen. Wir passieren die ersten ohne anzuhalten. Sie alle sind gut gefüllt. Nur zwei Gestalten kommen mir bekannt vor, sie gehören zu mir. Beide klauen Automobile für mich. Offensichtlich haben sie sich mal wieder erwischen lassen. Ich werfe ihnen einen forschenden Blick zu, sie schauen schuldbewusst zu Boden. Die anderen Gesichter sind mir unbekannt, ich beachte sie nicht weiter. Dafür betrachten sie mich von oben bis unten. Kein Wunder, meine ganze Kleidung ist blutverschmiert. Wenn ich mich wenigstens mal umziehen und duschen könnte, aber darauf werde ich warten müssen, bis eine endgültige Entscheidung über mein Schicksal gefällt wurde.
 

Jan schließt eine Tür für uns auf. Er wird mich also nicht in eine dieser überfüllten Zellen sperren? Wohin gehen wir? Die Beamten öffnen einen kleinen Raum. Noch eine Zelle? Das Zimmer ist kaum größer, als der Verhörraum. Es gibt eine Pritsche, ein Klo und ein Waschbecken, mehr nicht. Nur ein Insasse ist bereits hier. Er sitzt auf dem Boden neben der Pritsche, ein Bein angewinkelt das andere ausgestreckt, betrachtet er uns nur flüchtig und sieht dann wieder aus dem vergitterten Fenster. Seine Klamotten sind blutverschmiert, seine Haare kleben ihm strähnig im Gesicht.

„Die sollen doch nicht zusammen treffen!“, gibt Jans Kollege zu bedenken.

„Die anderen Zellen sind voll und was sollen sich die Beiden denn noch absprechen? Die Beweislast ist eindeutig.“ Jan gibt mir einen Stoß in den Rücken. Ich stolpere einen Schritt nach vorn, dann kracht die Tür nach mir ins Schloss. Stille legt sich, wie ein erdrückender Mantel um uns beide, als sich die Schritte der Beamten entfernen. Ob das wohl wirklich alles ist, was Jan für uns tun kann? Wir dürfen uns eine Zelle teilen? Ich seufze und gehe die wenigen Schritte bis zur Pritsche. Geschafft lasse ich mich darauf fallen und lehne mich an die kalte Wand. Jetzt, wo die Anspannung der letzten Stunden von mir abfällt, wird mir erst wirklich bewusst, was uns bevorsteht. Wenn wir verurteilt werden und davon ist auszugehen, droht uns tatsächlich die Todesstrafe. Mein restliches Leben und meinen Tod habe ich mir anders vorgestellt, als hinter Gittern zu sitzen und auf das unvermeidliche zu warten. Ich lege den Kopf zurück und schließe die Augen. Ein leiser Seufzer entflieht meinen Lippen.
 

Toni klopf etwas auf sein Bein, das metallische Klicken eines Sturmfeuerzeuges ist zu hören. Raucht er etwa? Wo hat er denn die Kippen her? Uns wurden doch alle Wertgegenstände abgenommen. Ich schaue zur Seite. Er zieht gerade tatsächlich an einem Glimmstängel.

„Wo hast du die her?“, will ich erstaunt wissen.

„Von Jan. Wenn es drauf ankommt, kann er doch ganz nützlich sein.“ Toni klappt das Feuerzeug zu und verstaut es in seiner Hosentasche, dann nimmt er einen tiefen Zug. Seine blutigen Finger zittern, ihm steckt das Erlebte ebenso in den Knochen, wie mir, aber er hat wenigstens seine Kippen, um sich zu beruhigen. Ich gäbe jetzt etwas, für ein großes Glas Scotch.

„Gib mir auch einen Zug!“, fordere ich. Verwirrt schaut er mich an.

„Du rauchst doch gar nicht.“

„Ich fang heute damit an, gib schon her!“ Er schmunzelt und reicht mir die Kippe. Ich nehme einen tiefen Zug. Der Qualm erfüllt meine Lunge, es kratzt und brennt entsetzlich. Das schmeckt ja scheußlich! Ich muss husten und würgen. Was findet er nur an dem Zeug?

Toni amüsiert sich köstlich, er lacht herzhaft und nimmt mir die Zigarette ab. Na wenigstens hat er seinen Spaß. Es tut gut ihn nach allem, so lachen zu hören.

„Wusste ich doch, dass das nichts für dich ist.“ Ich lächle gequält und muss noch immer husten. Doch als ich mich endlich wieder beruhigt habe, kehrt die ernste Stimmung zurück. Was soll nun werden?

„Ich wusste wir landen irgendwann mal hier!“, unterbricht er die Stille. Sein Blick geht starr an die gegenüberliegende Wand. Ich nicke. Scheiße nur, das es für etwas ist, dass wir nicht getan haben. Wieder Schweigen wir. Nur Tonis gierige Züge an der Kippe sind zu hören.
 

„Hast du Schiss?“, will er auf einmal wissen. Ich betrachte ihn fragend. Seine Finger zittern noch mehr als zuvor. Ich lehne mich wieder zurück und sehe an die Decke. Bisher habe ich noch nicht wirklich darüber nachgedacht.

„Eigentlich nicht“, entgegne ich wahrheitsgemäß. Sein smaragdgrünen Augen mustern mich ungläubig.

„Unser Aufenthalt bei den Drachen, war schlimmer.“ Ein flüchtiges Schmunzeln huscht ihm über die Lippen, als er sich erinnert. Toni lehnt sich ebenfalls zurück, er scheint sich zu entspannen. Wir haben wirklich schlimmeres hinter uns, als einen schnellen Tod auf dem elektrischen Stuhl oder am Galgen. Trotzdem tut es gut jetzt nicht allein zu sein. Jan ahnt sicher gar nicht, welch großen Gefallen er mir damit getan hat.

„Ich bin froh, dass du hier bist“, gestehe ich Toni. Egal was auch in den letzten Wochen vorgefallen ist, mit ihm an meiner Seite, ist selbst diese Hölle erträglich. Er lächelt. Ob es ihm wohl ebenso geht?



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