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Stille Augenblicke

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
~ März 2015 ~ Komplett anzeigen

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Die Stimme der Stimmen

Gerade komme ich aus dem kleinen Eckladen, wo ich das Geburtstagsgeschenk für Tilmann gekauft habe. Dafür bin ich extra in die Innenstadt gefahren. Vielleicht auch, um den Frühling zu begrüßen. Heute zeigt er sich von seiner besten Seite, lockt jedermann nach draußen und auch ich ertappe mich, wie ich eine andere Route einschlage als die zum Motorrad zurück. Die Eisdiele hat geöffnet, eine Kugel könnte ich mir gönnen. Als ich um die Ecke biege, überrasche ich ein Dutzend Spatzen, die sich auf Krümel gestürzt haben und nun eiligst davon flattern.
 

...take me into your loving arms...
 

Ja, die allererste Kugel Eis des Jahres. Erdbeere. Oder Schokolade? Aber irgendwie schleicht sich gerade wie auf Samtpfoten ein Lied in mein Ohr. Klopft an mein Herz. Macht mir eine Gänsehaut. Und ich will kein Eis mehr… nur noch die Quelle des Gesangs ausfindig machen.
 

…kiss me under the light of a thousand stars…
 

Das ist die Stimme der Stimmen. Eine Stimme, die mich vergessen lässt, dass ich Hunger habe, aufs Klo muss und mich inmitten der überfüllten Fußgängerzone der Stadt befinde. Und meine Parkzeit abläuft. Eine Stimme, die mich streichelt, küsst und auf Rosen nieder bettet, und mich weiter lauschen lassen will, mehr und mehr.

Mir fällt kein Mensch ein, der Thinking Out Loud noch gefühlsvoller singen könnte. Ich muss sehen, wer sich hinter dieser Stimme verbirgt!
 

…maybe we found love right where we are…
 

Wie ferngesteuert gehe ich auf die kleine Menschentraube zu, wo ein, zwei Leute sogar ihre Handys gezückt haben – und erblicke dich.

Vor deinen Füßen hast du ein Halstuch ausgebreitet, auf das jemand gerade einen Schein wirft. Du bist mittelgroß und schlank, trägst eine abgewetzte Jeans und ein Hemd in der Farbe von Erdbeereis, das sich von deiner dunklen Hautfarbe abhebt. Du hast die Augen geschlossen, während du die Arme ausbreitest, als wären sie die Lautsprecher in alle Richtungen, um mit deinem Lied jene zu erreichen, die du erreichen willst…

Ich schätze dich auf nicht älter als fünfundzwanzig und sehe dich in ein paar Jahren als den ohrenschmeichelnden Jazz-Sänger, der mit seiner Stimme die Charts und die Herzen der Frauen und Männer stürmen wird.
 

Ein Schwarm bunter Seifenblasen fliegt über deinen Kopf hinweg, als wären sie als Spezialeffekt inszeniert; ich entdecke aber nur ein kleines Kind auf den Schultern seines Vaters, der gerade vorbei geht. Und nebenbei fällt mir auf, dass die Leute ringsum weniger geworden sind, du mich dafür jetzt direkt ansiehst, während die letzten Worte deine Lippen verlassen.

Ich klatsche, und die anderen stimmen ein. Du zeigst ein strahlendes Lächeln. „Vielen Dank! Dankeschön!“

„Das war beeindruckend… Ich habe jetzt noch weiche Knie!“, lasse ich verlauten, als die anderen bereits gegangen sind und du zusammen packst.

Du fährst dir verlegen über deinen kurzgeschorenen Kopf. An deinem Hals mache ich ein winziges Tattoo aus, dass ich zu gerne aus der Nähe betrachten würde. „Danke. Das von dir zu hören, bedeutet mir sehr viel.“ Auf meinen verdutzten Gesichtsausdruck hin erklärst du: „Ich kenne dich, ich habe dich neulich im Einklang gesehen, mit deiner Band GITARRHÖ. Hardrock ist sonst nicht mein Ding, hat mir aber trotzdem gut gefallen.“

„Wie heißt du?“

„Léon.“

Und es ist dein alles andere als desinteressierter, fast schon gieriger Blick, der mich einmal von oben nach unten scannt und jedes Detail wahrnimmt. Er lässt mich fragen: „Darf ich dich auf einen Kaffee einladen, Léon? Oder ein Eis?“

Dein schöner Mund lächelt, aber noch viel mehr lächeln deine Augen, als du schüchtern nickst. Als ich den Kopf drehe, bemerke ich, dass der Himmel über uns orange und violett geworden ist.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  YumeKahoko
2015-11-09T18:32:36+00:00 09.11.2015 19:32
Oh wie schön! Er könnte es sein oder? Und ich liebe den Song!!!
Der für Sandro damit alle ihr Happy End haben.
Ich denke das halt weil er bei ihm so eine heftige Reaktion hatte wie bei keinem sonst bis her. Selbst bei Dominique nicht denke ich.
Also ich bleibe gespannt.

LG Yume-chan


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