Zum Inhalt der Seite

Fotoalbum

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Fotoalbum

Die Seiten des Fotoalbums aufzuschlagen war für Ginny wie eine Reise in die Vergangenheit.

Sie musste unwillkürlich lächeln, als sie die Fotos aus ihrer Kindheit sah. Ein Haufen rothaariger Kinder, breit grinsend mit Zahnlücken, zerzausten Haaren und Dreck an den unmöglichsten Stellen. Ihre eigenen Kinder hatten in diesem Alter nicht anders ausgesehen. Jetzt besuchten sie alle drei, James Sirius, Albus Severus und Lily Luna, Hogwarts. Das Haus war leer ohne sie.

Ein leiser Seufzer entfuhr ihr.

Sie hob den Blick und schaute sich im Wohnzimmer um. Sie saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem bequemen, mehrfach geflickten Sofa. Die Kissen darauf lagen ausnahmsweise einmal ordentlich aufgereiht. Kein Spielzeug lag mehr herum, keine Bücher, keine einsamen Socken – wo auch immer die stets hergekommen waren. Es war leer. Lily hatte sogar ihre Katze Gertrud mitgenommen. Das getigerte Tier mit den Klappohren schlich jetzt auch nicht mehr herum.

Ginny schloss müde die Augen. Sie sollte wieder mehr arbeiten. Ja, vermutlich sollte sie das. Es kostete sie sonst noch ihren Verstand, zuviel Zeit in diesem leeren Haus zu verbringen.

Sie blickte wieder auf die Seiten, blätterte weiter und sah sich dabei zu, wie sie erwachsen wurde.

Ihr Schulabschluss. Ihr breites Strahlen wie sie Seite an Seite mit ihrer besten Freundin Cassie in die Kamera schaute. Bei Merlin, sie hatte Cassie schon viel zu lange nicht mehr gesprochen.

Cassie hatte Dean Thomas geheiratet und wenn sich Ginny nicht täuschte, hatte sie einen Job im Ministerium im Transportwesen. Ginny meinte sich zu erinnern, dass Cassie in der Abteilung für das Flohnetzwerk war, war sich aber nicht mehr sicher.

Danach kamen viele Zeitungsausschnitte von ihrer Karriere als Quidditchspielerin. Bei den Holyhead Harpies war sie nach nur anderthalb Jahren eine der Stammspielerinnen geworden und sie hatten den Ligapokal dreimal in ihrer aktiven Zeit gewonnen. Es war großartig gewesen.

Manchmal glaubte sie, dass das eine der besten Phasen ihrer Jugend gewesen war.

Unwillkürlich musste sie lächeln. Sie liebte das Fliegen auf dem Besen noch immer. Sie kam nur viel zu selten dazu.

Dann kamen ihre Hochzeitsfotos. Das war einer der glücklichsten Tage ihres Lebens gewesen. Sie schaute sich an, wie Harry und sie sich voller Liebe in die Augen sahen und um die Wette strahlten.

Eigentlich war die Hochzeit während ihrer Quidditchzeit gewesen, doch ihre Mum hatte die Fotos hier einfach thematisch sortiert. In dem Album waren sowieso nur die schönsten Hochzeitsfotos. Es gab noch zwei dicke Alben allein mit Fotos von Zeremonie und Feier.

Es war herrlich gewesen.

Ginny schloss die Augen und erinnerte sich an diesen Tag. Ihre Finger tasteten nach ihrem Ehering und drehten ihn langsam. Oh, bei Merlin hatte sie Harry geliebt. Doch was fühlte sie jetzt?

Die Schmetterlinge und das Bauchkribbeln waren irgendwann gegangen. Sie waren nun sechzehn Jahre verheiratet. Das war eine lange Zeit. Eine Beziehung veränderte sich schließlich im Laufe der Zeit. Sie veränderte sich auch durch die – von ihnen beiden innig geliebten – Kinder.

Was war nur in der Zeit passiert? Mit ihr, mit Harry, mit ihnen beiden?

Ginny schüttelte langsam den Kopf und blätterte weiter.

James kam zwei Jahre nach der Hochzeit auf die Welt. Da hatte sie ihre Quidditchkarriere bereits an den Nagel gehängt und war Reporterin für den Tagespropheten geworden. Quidditchreporterin natürlich. Ein weiteres Jahr später Albus und weil sie darauf bestanden hatte, dass sie wenigstens versuchen wollte, eine Tochter zu bekommen, weitere zwei Jahre später Lily. Unwillkürlich strahlte Ginny als sie auf den Bildern zusah, wie ihre Kinder von winzigen Babys zu störrischen Windelhopsern und wilden Kleinkindern wurden. Sie waren wundervoll, alle drei.

Die Familienfotos von verschiedenen Ausflügen, Geburtstagen und Weihnachtsfesten mochte sie. Sie strahlten so viel Herzlichkeit und Familie aus, ganz gleich, ob nur sie und Harry mit ihren Kindern oder der gesamte Weasley-Clan zu sehen waren.

Jetzt fühlte sie sich diesen Dingen manchmal fern. Aber sie fühlte sich in letzter Zeit auch oft von sich selbst entfernt.

Langsam schloss Ginny das Fotoalbum. Zuletzt waren die Fotos von Lilys erster Abfahrt nach Hogwarts gekommen. Hermione hatte sie gemacht. Im Gegenzug hatte Ginny versprochen, nächstes Jahr Hugos erste Abfahrt nach Hogwarts gewissenhaft zu dokumentieren.

Wenn sie sich jetzt Harry und sich ansah, dann fehlte der Zauber, den sie bei ihrer Hochzeit und auf den ganzen früheren Fotos besessen hatten.

Ginny seufzte leise. Dieses Fotoalbum war wie eine Reise in die Vergangenheit. Aber was änderte eine solche Reise schon an der Gegenwart?

Harry verbrachte die meiste Zeit mit der Arbeit als Auror und obwohl er seit kurzem neue Auroren ausbildete und eigentlich häufiger Zuhause sein sollte, war er es nicht. Er machte viel zu viele Überstunden. Sie redeten zu wenig miteinander. Oder wenn sie miteinander sprachen, waren sie beide genervt.

Sie stöhnte auf. Da war es kein Wunder, dass sie sich immer mehr fremd wurden. Und sie wusste, dass sie selbst frustriert war. Sie musste etwas ändern. Erst einmal an sich.

Quidditch.

Oh, bei Merlin, sie würde wieder Quidditch spielen. Jetzt gab es ja keine Kinder mehr, die sie daran hinderten. Nicht, dass sie gezwungen gewesen war ihre Quidditchkarriere für ihre Kinder aufzugeben. Sie hatte es ja gerne getan und hätte es nicht anders gewollt. Es wäre grauenvoll gewesen, so viel in der Entwicklung ihrer Kinder zu verpassen. Nein. Aber nun verbrachten sie die meiste Zeit des Jahres in Hogwarts. Sie hatte auf einmal wieder eine andere Menge an Zeit zur Verfügung. Mit 37 mochte sie zwar nicht mehr mit den ganzen jungen Quidditchspielern mithalten können, aber sie war immer noch gut. Sie würde wieder richtig gut werden. Und wenn sie eine Teilzeitmannschaft aufbaute.

Sie grinste breit. Oh ja, das gefiel ihr. Harry würde vielleicht auch mitmachen wollen. Vielleicht konnten sie ja jeder seine eigene Mannschaft aufbauen. Das würde vielleicht wieder etwas Pfeffer in ihre Beziehung bringen. Sie würde es ihm noch am Abend vorschlagen.

Und sie würde ihm sagen, dass sie mehr miteinander sprechen mussten. Dass sie keine Lust mehr darauf hatte, dass sie aneinander vorbeilebten. Es war doch schließlich einmal alles so großartig gewesen. Und sie war zuversichtlich, dass es das wieder sein würde.

Sie liebte Harry schließlich immer noch. Und er sie auch, da war sie sich sicher.

Ein zufriedenes Lächeln ob dieser neuen Pläne glitt über ihr Gesicht. Manchmal half eine Reise in die Vergangenheit offenbar doch.

Sie stand auf und stellte das Fotoalbum wieder weg. Jetzt würde sie als erstes ihren Besen entstauben und testen, ob er noch gut in Schuss war.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück