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Zwischenwelten

Ereri
von

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Untertöne

+++
 

Obwohl sie erst am Morgen von ihrem Undercover-Einsatz im Club zurückgekehrt waren, fühlte es sich an als seien Tage seitdem vergangen.
 

Eine bleierne Müdigkeit hatte von Erens Gliedern Besitz ergriffen, doch sein Geist war hellwach, beinahe aufgeregt.
 

Und diese Aufregung bekam sein derzeitiger Mitbewohner zu spüren, ob er wollte oder nicht.
 

„Ich verstehe einfach nicht, warum die anderen sich so bescheuert mit dem Duzen anstellen“, ratterte Eren herunter, während er an der Theke saß und Levi beim Kochen beobachtete, „Ich meine, du hast es uns angeboten und im Einsatz verstehe ich die Distanz ja, aber sie scheinen es einfach nicht zu fressen. Klar, manche haben kein Problem damit, aber viele mischen oft Titel mit Du, den Namen mit Sie... Dass das ihnen nicht zu anstrengend ist.“
 

Levi schmeckte seinen Eintopf ab und würzte ihn seelenruhig nach.
 

Eren nahm diese Passivität nicht krumm, allerdings wäre es ihm lieber gewesen, wenn Levi mit ihm redete, anstatt ihn zu ignorieren.
 

„Nervt dich dieser Wirrwarr nicht?“ Eine Frage sollte zumindest irgendeine Reaktion provozieren.
 

Tatsächlich richteten sich Levis Augen kurz auf ihn, ehe er sich wieder dem Zerkleinern von Paprika widmete.
 

„Nein.“
 

Wow. Soviel dazu.

Eren musste sich ein aufgebrachtes Schnaufen verkneifen.
 

„Wusstest du eigentlich, dass Marco mal eine Silbermedaille im Schwimmen bei den Olympischen Spielen gewonnen hat?“
 

„Ja.“
 

„Woher? Ich dachte, du liest keine Akten?“
 

„Hanji.“
 

Allmählich entfachte Erens Ehrgeiz.

„Hast du dich eigentlich je für bestimmte Sportarten interessiert und Sendungen darüber gesehen?“
 

„Nein.“
 

„Warum nicht?“
 

„Uninteressant.“
 

„Hast du eigentlich eine Lieblingssportart?“
 

„Nein.“
 

„Hast du deine maximale Wortzahl für heute schon erreicht?“
 

Kurz hielt Levi inne.

„Ja“, meinte er genauso leidenschaftslos und gab die Paprika in den Topf.
 

Diesmal hielt Eren sein mürrisches Schnaufen nicht zurück und wurde weiterhin mit Nichtbeachtung gestraft.
 

„Wie geht es eigentlich Hanji und Mike? Hast du mit ihnen gesprochen?“
 

„Nein, weiß nicht.“

Immerhin drei Worte. Es ging bergauf.
 

„Was hat Erwin erzählt?“
 

„Nichts besonderes.“

Und schon ging's wieder bergab.
 

„Da wir morgen frei haben, meinten die Jungs, dass wir tagsüber ein wenig in die Stadt gehen könnten. Reiner ist auf Brautschau. Mehr oder weniger.“
 

„In der Stadt ist tote Hose“, wandte Levi ihm zum ersten Mal an diesem Abend seine volle Aufmerksamkeit zu. Eren jubilierte innerlich.
 

„Mag sein. Was bleibt aber schon großartig anderes zu tun? Ohne Arbeit sitzen wir bloß dumm rum und den ganzen Tag trainieren ist auch doof.“
 

„Sehr versierte Ausdrucksweise.“
 

„Stimmt aber“, schmollte Eren absichtlich wie ein Kind, um Levi zu triezen.
 

„Viel Glück.“
 

Irritiert runzelte Eren die Stirn.

„Wobei?“
 

„Bei der Brautschau.“
 

Tief durchatmend stützte Eren den Ellenbogen auf den Tresen und seinen Kopf in die Hand.

„Annie meinte, Reiner solle lieber ein Bordell besuchen.“
 

„Ein zeitloses Gewerbe.“
 

„Und hier dachte ich, dass du etwas mehr dazu zu sagen hättest“, sagte Eren ruhig und musterte Levi gemächlich.
 

Dessen Reaktion folgte prompt mit unerwarteter Wachheit.

„Warum sollte ich?“
 

„Solltest du als Vorgesetzter nicht auch ein Stück Moralapostel sein?“
 

Amüsement blitzte durch Levis sturmgraue Augen.

„Wenn es eure Form und euer Verhalten betrifft, nicht eure Vorlieben.“
 

„Sind Bordellbesuche bloße Vorlieben? Haben sie keine unerwünschte Wirkung nach außen? Betrifft es nicht unser Verhalten?“ Neugierig hob Eren den Kopf und faltete seine Hände auf der Theke, bemüht sein Interesse an Levis Reaktion auf dieses Thema nicht zu sehr zu zeigen und einzuordnen.
 

„Wenn du eine religiöse Echauffiertheit erwartest, muss ich dich enttäuschen. Prostitution ist so alt wie die menschliche Zivilisation und ich kann nichts schlimmes daran finden, solange es Regeln gibt, die die Beteiligten schützen“, erklärte Levi, während er das Gemüse im Topf umrührte und die Kartoffeln vom Herd nahm, „Natürlich kommen Bordellbesuche von gesellschaftlichen Leitfiguren nicht gut an, sodass Diskretion ratsam wäre, aber ich muss zugeben, dass ich nicht der richtige Ansprechpartner dafür bin. Mir war die öffentliche Meinung immer scheißegal. Die Ergebnisse müssen stimmen, nicht das Bild davon.“
 

„Manchmal kann man aber keine Ergebnisse mehr erzielen, wenn es einem aufgrund des Bildes der öffentlichen Meinung unmöglich gemacht wird.“
 

Er musste dabei an den Innensenator von Hamburg denken, der während Erens Ausbildungszeit eine Beziehung mit einer 15 Jahre jüngeren Frau unterhielt. Der Altersunterschied war nichts außergewöhnliches. Ihr zartes Alter von knapp 17 Jahren schon. Es war absolut legal und ein Jahr später hätte die Presse wohl höchstens die Nase gerümpft.
 

Aber zu diesem Zeitpunkt war das Mädchen nun mal 17 und weshalb sollte so ein blutjunges Ding etwas an dem damaligen, nicht sonderlich gut aussehenden 32-Jährigen finden?
 

Die Presse machte einen Skandal daraus.

Zerstörte den Ruf des Mannes und dessen Beziehung.

Zwang ihn zum Rücktritt.

Ruinierte seine gesellschaftliche Stellung.

Hamburg verlor den besten Innensenator seit 30 Jahren und der Bundesstaat einen seiner engagiertesten, intelligentesten Politiker und gewann dafür einen Alkoholkranken mehr.
 

Alles nur wegen einem Lebensjahr.

Ohne rechtliche Grundlage.

Nur aus moralischer Empörung?
 

Das war einer der Momente in Erens Leben gewesen, der ihm die Manipulierbarkeit der sogenannten öffentlichen Meinung vor Augen geführt hatte.

Und die Erkenntnis, dass Grundrechte zuweilen missbraucht werden konnten, ohne eine Konsequenz fürchten zu müssen.

Ein äußerst desillusionierender Moment.
 

„Das stimmt“, räumte Levi ein, „Deswegen bin ich für solche Sachen der falsche Ansprechpartner. Ich bin es gewohnt mit dem Kopf durch Wände zu brettern und die Klappe aufzureißen, wenn mir was nicht passt.“
 

„Ist es mit diesem Wissen nicht ziemlich uneinsichtig, gerade diese Situation nicht vermeiden zu wollen?“
 

„Wer hat je behauptet ich sei einsichtig?“, stellte Levi die Gegenfrage.
 

„Auch wieder wahr“, lächelte Eren und beobachtete, wie Levi ihn kurz musterte, ehe er sich wieder dem Essen zuwandte.
 

Angenehmes Schweigen breitete sich aus, während Eren Levi beim Tisch decken zusah. Es gab Weinwickel in Tomaten-Paprika-Sauce und dazu Salzkartoffeln. Eine Kombination, die Eren so nicht kannte, aber lecker roch und aussah.
 

„Ich glaube sowieso nicht, dass Reiner die Eier hätte in ein Bordell zu marschieren“, sinnierte Eren, „Dafür ist er wohl zu gut erzogen.“
 

„Was hat das mit Erziehung zu tun? Guter noch dazu?“, verlangte Levi mit scharfem Blick von ihm zu wissen, während er ihm einen vollen Teller vor die Nase schob.
 

„Danke“, lächelte Eren und nahm hungrig das Besteck zur Hand, wartete aber bis Levi saß, bevor er einen mit Hackfleisch und Reis gefüllten Weinwickel aufschnitt.

„Na ja, die meisten Menschen werden mit bestimmten Wertvorstellungen erzogen, die ihr Verhalten ein Leben lang bestimmen und so wie ich Reiner kennengelernt habe, gehört bei ihm dazu, dass er die Frauen lieber erobert, als für Sex zu bezahlen.“
 

Endlich nahm Eren einen Bissen und seufzte wohlwollend.

„Das ist fantastisch!“, brachte er mit vollem Mund heraus.
 

Levi sah ihn scheltend an.

„Soviel zu guter Erziehung.“
 

„'Tschuldigung“, sagte Eren und beging den selben Fauxpas gleich nochmal, bevor er herunterschluckte und verlegen grinste, „Danke für das leckere Essen!“
 

„Hn“, machte Levi und schluckte runter, bevor er den Mund aufmachte, „Bitte. Aber nochmal zurück zum Thema...“
 

Erfreut begann Eren zu strahlen, ob Levis Interesse das Gespräch aufrecht zu erhalten.
 

„Was macht für dich eine gute Erziehung aus? Warum findest du, dass Reiner diesbezüglich gut erzogen ist?“
 

„Hm, schwierig“, überlegte Eren mit gerunzelter Stirn, „Ich würde ja sagen, es sei sozial adäquat oder ehrbarer, aber beides sind sehr schwammige Begriffe. Wie du sagtest, Prostitution ist ein Bestandteil der Zivilisation und es gibt viele verschiedene Auffassungen davon, wie sich eine Frau in der Gesellschaft benehmen soll und wie Männer mit ihnen umzugehen haben - je nachdem wo man lebt.“
 

„Also ist gut, was man kennt?“
 

„Es wird wohl darauf hinauslaufen. Obwohl zu bedenken ist, dass sich dieser Begriff ebenfalls mit der Zeit verändert. Vor 200 Jahren war eine Gleichbehandlung der Homosexuellen noch undenkbar und heute schert sich keiner mehr drum, wer was mit wem macht oder lebt. Und siehe da, die Gesellschaft ist nicht deswegen untergegangen. Es war trotzdem noch eine Ein-Kind-Politik nötig, um der Überpopulation entgegenzuwirken und der Anteil an nicht heterosexuellen Partnerschaften hält sich in Europa seit gut 60 Jahren bei 5 bis 8%. Es ist also schwer zu sagen, was gut bedeutet.“
 

Levi summte zustimmend.

„Es kommt wohl immer darauf an, wie sehr man sich selbst von den Wertvorstellungen der Gesellschaft eingeschränkt fühlt.“
 

Zustimmend nickte Eren, während er auf einem großen Stück Weinwickel herumkaute.

Soviel Selbstbeherrschung besaß er noch, um nicht ein drittes Mal den gleichen Fehler zu machen.
 

Sie genossen den Rest der Mahlzeit schweigend.

Erst als Levi abräumte und Eren für ihn die Geschirrspülmaschine einräumte, fing er wieder an zu reden.
 

„Wie war das eigentlich während des Krieges in Asien? War es da üblich, dass die Soldaten ins Bordell gingen?“
 

Ein erheitertes Blitzen erhellte kurz Levis Augen, ehe er wenig angetan meinte:

„Soldaten führen sich in fremden Ländern oft auf wie ungezogene Kinder im Spielzeugladen. Je länger sie dort sind und keiner ihnen auf die Finger klopft, desto ungestümer und besitzergreifender werden sie. Natürlich sind viele ins Bordell gegangen, haben Strip-Clubs besucht und sich in Varietés besoffen.“
 

„Du nicht?“, fragte Eren forsch und direkt. Er hoffte, dass seine Augen die Botschaft richtig übermittelten und Levi verstand, dass er bloß neugierig war und nicht über ihn urteilen wollte oder würde.
 

Die Botschaft schien anzukommen, dennoch zögerte Levi sichtlich.

„Als Soldat habe ich solche Orte gemieden und mich lieber mit Leuten abgegeben, die ohne diese Ablenkungen zurecht kamen.“
 

Eren erkannte, dass das Thema seltsam heikel für Levi zu sein schien. Dennoch fasste er sich ein Herz und fragte weiter.

„Und als Nicht-Soldat?“
 

Levis Augen verhärteten sich.
 

„Du hast gesagt, ich könne alles fragen“, erklärte Eren schnell und hob beschwichtigend die Hände. Er wollte auf gar keinen Fall, dass ihm Levi böse wurde oder sich wieder zurückzog.
 

„Kannst du. Aber ich muss nicht auf alles antworten“, erwiderte er ruhig, seine sturmgrauen Augen wieder weicher, freundlich gar.
 

„Klar“, bestätigte Eren mit gewisser Verlegenheit, die ihm heiß werden ließ, „Ich will dich nicht bedrängen.“
 

„Ich weiß.“ Als Eren das leichte Lächeln auf Levis Lippen sah, wurde ihm schlagartig noch wärmer.
 

Verlegen rieb er sich einmal über die Nase und blickte auf die Theke.
 

„Ich gehe vor ins Bad“, erklärte Levi und ging davon.
 

Auf gewisse Weise war Eren froh für den kurzen Moment der Privatsphäre. Erschöpft barg er das Gesicht in den Händen und schalt sich einen kindischen Dummkopf. Er fand sich zu alt für diese komische Unsicherheit, die seinen Verstand benebelte.
 

*~*
 

Obwohl die Müdigkeit an seinem Geist zerrte, konnte er nicht abschalten.
 

Die heutigen Gespräche waren zehrend gewesen. Erwin gab sich zwar Mühe, aber Berge versetzen konnte er beim besten Willen nicht. Levi musste sich selbst helfen, was sich für ihn als schwierig erwies.
 

Wie er Eren vorhin verraten hatte, neigte er auch dazu mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.

Natürlich konnte er taktisch vorgehen und Leute manipulieren.

Er verließ sich jedoch auf seine Kraft und seinen starken Willen, wenn alle Taktik versagte.
 

Dass der Körper eine Waffe war, hatte er früh lernen müssen.
 

Es wäre gelogen gewesen zu behaupten, dass er Erwins Vorliebe für die Politik und ihre Intrigen nicht verstehen konnte. Erwin war ein manipulatives Miststück, das es liebte Grenzen zu erforschen. Intellektueller oder psychischer Natur.
 

Das machte ihn gefährlich und interessant.
 

Dennoch war Levi beileibe kein Politiker.

Für diese Sesselfurzer hatte er einfach keine Geduld.
 

Deswegen war Levi zwar ein begnadeter Soldat und guter Lehrer, aber die Karriereleiter konnte er damit nur begrenzt hochklettern.

Ihm fehlte der nötige Pathos, um Klinken zu putzen und Schleim zu scheißen.
 

Er hatte mit Erwin, der seine mangelnde Bereitschaft sich mit Speichellecken und unnötiger Bürokratie zu befassen kannte, abgesprochen, dass der das übernahm.

Natürlich konnte Erwin nichts für dieses Terror-Chaos und hatte aus legitimen Gründen zu wenig Zeit, um Levi den Weg freizumachen, trotzdem fuchste es ihn.
 

Er musste sich selbst durch den Behördenzuständigkeits-ich-bin-ja-so-wichtig-Wahn schlagen.

Zu oft hatte er sich im Zuge dessen bereits schmerzhaft auf die Zunge gebissen. Glück nur, dass diese arroganten Arschlöcher nicht in persona dastanden, als sie telefonierten, ansonsten hätte heute manch einer Zahnfee spielen können.
 

Natürlich wollte Levi nicht sämtliche Aufgaben delegieren und sie damit der eigenen Handlungsfähigkeit berauben.

Natürlich wusste er um eben jene Gefahr.
 

Doch wie man es drehte und wendete, sie hatten zu wenig Personal, um alles selbst machen zu können.

Sie waren mit ihm 17 Leute.

Irgendwann war bei ihnen die Belastbarkeitsgrenze erreicht.

Levi sah nicht dabei zu wie sich seine Kameraden um den Verstand arbeiteten.
 

Er brauchte sie für Einsätze.

Um die Terroristen aus ihren Nestern zu jagen und festzunehmen.

Egal wo sie dafür hin- und welche Mittel sie anwenden mussten.

Dafür gab es die ESE.
 

Und nach wie vor konnte ihn jeder gern haben, der ihn mit großkotzigen Sprüchen an die GSG9 verwies.

Die GSG9 war zu einer Staatspolizei degeneriert und gar nicht mehr in der Lage das Übel an der Wurzel zu packen.

Stattdessen schnitten sie ihm ständig Stumpf und Blätter ab, übersahen wie sich das Wurzelwerk dabei kräftigte und verzweigte. Immer weiter bis daraus neue Pflanzen zeitgleich an verschiedenen Orten empor sprossen und sich eine Bekämpfung dadurch noch schwieriger und umfangreicher gestaltete.
 

Das Problem wurde nicht gelöst, nur klein geredet.
 

Die Quittung kostete viele Leben.
 

Die GSG9 konnte ihn mal.
 

Levis Leute waren viel umfangreicher ausgebildet und er wusste genau, was sie konnten und wie sie einzusetzen waren. Das machte sie ungleich effektiver.

Und sobald sie etwas brauchbares herausfanden, würde sich das ganze Training auszahlen.
 

Er konnte es kaum erwarten.
 

Abrupt landete eine Hand direkt vor Levis Gesicht und er zog missmutig die Augenbrauen zusammen.
 

Eren drehte sich im Schlaf um.
 

Anders als bei Hanji fühlte er einen inneren Widerstand Eren einfach rabiat wegzuschieben. Zumindest nicht solange er ihn nicht berührte oder sonst wie zu sehr bedrängte.

Die Empfindung, ab wann er sich bedrängt fühlte, hatte sich ärgerlicherweise ebenso verschoben wie seine Antipathie für Körperkontakt. Plötzlich wurde es zu einem bewussten Vorgang Eren nicht anzufassen, sei es bei einem Gespräch am Oberarm oder nun im Schlaf eine Haarsträhne.
 

Levi hatte dieses Gefühl in seinem Leben erst einmal kennengelernt und wusste nicht wie er damit umgehen sollte. Damals wurde ihm die Entscheidung abgenommen. Er musste es nicht aussitzen.

Jene Situation unterschied sich jedoch von der heutigen. Zwar nicht so grundlegend wie Levi sich das wünschte - im Grunde kaum - aber er hatte kein Interesse an diesem Verliebtsein.
 

Es kotzte ihn an.

Er hatte Angst davor. Dieser Kontrollverlust machte ihm Angst.
 

Dennoch oder gerade deswegen starrte er nun in Erens schlafendes Gesicht wie ein Reh ins Scheinwerferlicht eines heranrasenden Fahrzeugs.
 

Ihre Gesichter trennte eine Unterarmlänge und das war eigentlich viel zu nah. Er hörte ihn leise atmen, bildete sich ein jeden Atemzug am Kinn zu spüren und konnte viel zu viele Details in dem dunklen Zimmer erkennen, das nur vom Bad aus wegen der grellen Straßenbeleuchtung wie von Mondschein ein wenig beleuchtet wurde. Das Licht genügte, um lächerlich lange Wimpern zu sehen, eine gut geformte Nase, schöne Lippen...
 

Obwohl Eren ein wirklich gutes Los bei der Genvergabe gezogen hatte, war es schwerlich sein Aussehen, das in Levi diese vermaledeiten Gefühle heraufbeschworen hatte.

Schöne Menschen gab es zuhauf.

Sogar in ihrem Team hatte keiner ein hässliches Gesicht, auch wenn man über Schönheit und Attraktivität streiten konnte. Aus möglichst objektiver Sicht waren alle durchschnittlich bis sehr gut aussehend.

Aussehen war für Levi nicht bedeutsam. Er betrachtete schöne Menschen wie alles, was er als schön empfand. Es entlockte ihm kein tieferes Gefühl als das Bild von einem Sonnenuntergang. Ganz nett. Erfreulich.
 

Die meisten Menschen reagierten da vollkommen anders, aber Levi kam gut genug mit sich selbst zurecht, um seine innere Einstellung aufgrund dessen nicht zu hinterfragen.
 

Hinterfragen, warum ausgerechnet Eren es ihm so angetan hatte, wollte er jedenfalls nicht.
 

Selbst wenn er es gekonnt hätte, wollte er die Antwort gar nicht finden.
 

Es konnte ihm egal sein, was Eren von Erwin und Hanji unterschied.

Es war egal.

Er würde ohnehin nichts tun.
 

Levi konnte Eren nur weiterhin ansehen und hoffen, dass sein Gehirn zu träge für weitere Gedanken wurde und er einschlief. Der nächste Tag würde genug Aufgaben bereit halten, die ihn verdrängen lassen würden, was sich immer tiefer in sein Bewusstsein eingrub.
 

***
 

Er nahm seine Umgebung wahr, noch ehe er vollends aufwachte. Er spürte, wie sich die Matratze leicht bewegte, als Eren aufstand, um im Bad zu verschwinden.
 

Er ignorierte es. Sein Körper fühlte sich wie ein Mehlsack an, er wollte sich keinen Millimeter rühren. Langsam wurde er zu alt für diesen Scheiß. Eine Stunde Schlaf reichte ihm einfach nicht mehr.

Das war einer dieser Momente, der ihm verdeutlichte, dass sein Körper nicht mehr jeden Spaß mitmachen wollte. Wo früher locker drei Stunden Schlaf gereicht hatten, um ihn fit zu halten, genügten nun kaum fünf Stunden.
 

Glücklicherweise war die Medizin weit genug fortgeschritten, um zumindest seine Gelenke und Knochen wiederherstellen zu können, sollten sie ihm in ca. zehn Jahren seine ganzen Stunts nachtragen.
 

Eren werkelte in der Küche herum, als sich Levi schließlich aufraffte.
 

Das Bad war angenehm warm und sauber. Anscheinend hatte Eren nach dem Lüften so viel Umsicht besessen die Heizung aufzudrehen. Etwas zog in seinem Bauch wie eine Saite am Cello.

Schnaubend stieg er in die Dusche und drehte sie auf kalt. Das Zittern lenkte seinen Körper ab und die Kälte betäubte seine Gedanken lange genug, um sich zu waschen und anschließend das Bad zu putzen und sich anzuziehen.
 

„Ich habe Kaiserschmarrn mit heißen Pflaumen gemacht“, begrüßte ihn Eren strahlend, als er die Wohnküche betrat. Wenigstens einer von ihnen schien gut geschlafen zu haben.
 

„Ist das nicht eher ein Dessert?“ Levi gab sich Mühe nicht zu unwirsch zu klingen und möglichst gelassen zu wirken. Er brauchte Eren nicht mit seiner schlechten Laune anzustecken.
 

„Eigentlich schon, aber ich wollte irgendwas vernünftiges zum Frühstück machen und Pfannkuchen hatten wir erst“, erklärte Eren mit selbstzufriedener Ausstrahlung.
 

„Wenn du Süßspeisen als was vernünftiges ansiehst, sollte ich dich wohl zurück zu Hanji schicken. Du hast in der Ernährungskunde anscheinend gepennt.“
 

„Das nicht, aber einmal am Tag kann man sich was semigesundes gönnen.“
 

„Ein schöner Euphemismus für ungesund.“
 

„Es ist in Maßen nicht ungesund. Alle Nahrungsmittel sind in Maßen okay.“
 

„Na gut, das lass ich durchgehen.“ Mit einem inneren Seufzen setzte sich Levi an die Theke und kommentierte Erens triumphierendes Grinsen mit einer hochgezogenen Augenbraue.
 

Zugegeben, der Kaiserschmarrn roch köstlich und er hatte bisher noch keinen gegessen. Zwar hatte ihn die Mensa im Ausbildungskomplex öfter angeboten, aber er hätte das Zeug höchstens kurz vorm Verhungern in Erwägung gezogen anzurühren.
 

Eren servierte ihm den Kaiserschmarrn auch in ansehnlicherer Weise als das Küchenteam der Mensa, die alles einfach auf den Teller geklatscht hatte, sodass der Teig die Soße aufsaugte und alles traurig vor sich hin triefte.
 

„Das ist das erste Mal, dass ich sowas esse“, meinte er, als er die Gabel zur Hand nahm.
 

Eren setzte sich ihm gegenüber und grinste ihn breit und schelmisch an. Levi ahnte Böses.

„Ich freue mich, dass du mit mir ein paar Erste Male erleben kannst.“
 

„Das ist mit Sicherheit das erste Mal, dass jemand für so etwas keinen Arschtritt kriegt.“
 

„Sag’ ich doch“, zwinkerte ihm Eren schmunzelnd zu und sprang glucksend auf, als Levi sich anspannte und die linke Hand auf die Theke stützte, als würde er ihn am Schlafittchen packen wollen.
 

Levi tat ganz gelassen so, als hätte er sich bloß nach vorne beugen wollen, um an die Teekanne zu kommen und bedachte Eren mit einem gekonnt irritierten Blick, der seine Zurechnungsfähigkeit in Frage stellte.
 

Wie ein übermütiges Fohlen tänzelte Eren misstrauisch in der Küche herum, fluchtbereit, argwöhnisch und unentwegt lachend.
 

„Ich hab alles falsch gemacht“, seufzte Levi und probierte von dem Kaiserschmarrn. Natürlich schmeckte er fantastisch.
 

Als er entspannt zu essen begann, traute sich Eren zögerlich zurück an die Theke und aß glucksend und immer wieder zu ihm rüberblickend endlich seinen Teller leer.
 

„Ich hatte für eine Sekunde vergessen, dass du zwölf bist.“ Levi klang, als sei er fertig mit der Welt.
 

„Nicht jeder, der ein wenig herumalbert, ist ein Kind“, verteidigte sich Eren mit sachlicher Stimme, die genauso gut einem Lehrer hätte gehören können.
 

„Ich sage nicht, dass du ein Kind bist. Du verhältst dich nur wie eins. Und sich in die Küche zu flüchten, die auf drei Seiten geschlossen ist, ist nicht sonderlich durchdacht.“
 

„Nur weil ich mich im ersten Moment zurückziehe, heißt das nicht, dass ich auf der Flucht bin“, gab Eren keck zurück.
 

Herausfordernd neigte er den Kopf ein wenig.

„Ach so? Du meintest also dich mir gegenüber behaupten zu können?“
 

„Wenn du das so sagst, dann eher nicht unterzugehen.“ Eren verzog theatralisch die Lippen als hätte er eine Vase zerbrochen und steckte sich schmunzelnd ein Stück Pflaume in den Mund.
 

„Feigling.“
 

„Lebenserhaltungsmaßnahme.“
 

„Wäre es nicht klüger, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen?“
 

Eren blickte mit ernstem Gesicht zu ihm.

„Denk noch einmal über diesen Satz nach.“
 

„Ach ja, ich vergaß. Du und klug schließen einander aus.“
 

Eren schmunzelte vielsagend.

„Zumindest in Bezug auf dich.“
 

„Nein, das gilt nicht. Da gibt es keine Einschränkungen“, winkte Levi sogleich ab.
 

„Meine Mutter hat immer gesagt: So viele Menschen du kennst, so viel mal bist du Mensch.“
 

„Deine Mutter konnte kein Deutsch, oder?“
 

„Ihre Eltern waren Deutsche. Mein Vater war vor Generationen türkischstämmig, aber von dem hab ich das nicht. Ich weiß nicht, warum das Sprichwort so abgekratzt formuliert ist.“ Nachdenklich zog Eren die Stirn kraus.
 

„Ich kenne ein ähnliches Sprichwort mit Sprachen: Je mehr Sprachen du beherrscht, desto öfter bist du Mensch.“ Das hatte eine Soldatin zu ihm gesagt, als sie durch Nordkorea gezogen waren.
 

Eren zuckte mit den Schultern.

„Das klingt besser. Und es ist beides wahr.“
 

„Du verhältst dich also bei jedem Menschen anders? Ist das nicht ein wenig heuchlerisch?“
 

„Natürlich sollte man seinem Charakter immer treu bleiben, aber mit jedem Menschen interagiert man anders. Worte, Taten, Gefühle. Es ist jedesmal einzigartig.“
 

„Ich scheiß auch nicht zweimal dieselbe Scheiße aus, bleibt trotzdem Scheiße.“
 

„Welch schöne Metapher fürs Leben“, erwiderte Eren nüchtern, nachdem er bemüht seinen Bissen heruntergeschluckt hatte, „Aber es geht eher darum, dass man sich mit jedem Menschen ganz neu entdeckt.“
 

„Das wäre erbarmungswürdig.“
 

Allmählich verlor Eren die Geduld mit ihm.

„Du weißt ganz genau was ich meine! Man verhält sich nunmal mit jedem Menschen ein wenig anders und lernt sich im Zweifel selbst ein wenig besser kennen.“
 

„Schon klar. Du verhältst dich mit mir wie zwölf. Ich hab’s verstanden.“ Levis Mundwinkel zuckten verräterisch.
 

„Haha“, wenig amüsiert rümpfte Eren die Nase, „Du willst gar nicht wissen, wie ich mit zwölf gewesen bin.“
 

„Wie warst du denn? Stürmisch und streitlustig?“, versuchte Levi sein Glück.
 

Eren grinste.

„Meistens grün und blau.“
 

„Ich hoffe doch, dass die anderen genauso aussahen.“
 

„Vielleicht mit etwas mehr rot.“
 

Levi spitzte angeekelt den Mund.

„Widerlich.“
 

Eren zuckte mit einer Schulter.

„Hast du dich als Junge nicht geprügelt?“
 

„Doch, natürlich. Ich bin in Bangkok aufgewachsen.“ Nach Levis Meinung erklärte das alles.
 

Für Eren natürlich nicht.

„Und da prügelt man sich mehr als an anderen Orten?“
 

„Wahrscheinlich nicht. Es interessiert nur keinen Schwanz, ob du totgeschlagen wirst oder nicht.“
 

„Das klingt heftiger als die 0815-Kinderschlägerei.“
 

Ach was.

„In Bangkok wird man selten als Kind geboren.“
 

„Als was dann?“
 

„Als kleiner Erwachsener. Ab fünf Jahren weißt du dort bereits wie der Hase läuft“, führte Levi geduldig weiter aus.
 

„Das ist traurig.“
 

„Es ist den Umständen geschuldet. Die Stadt ist verarmt. Vor 100 Jahren war es bestimmt schöner.“
 

„Ja. Die Kriege haben ziemlich viel verändert. Stell’ dir vor wie die Welt wäre, hätten sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht zu den Vereinigten Staaten Europas verbunden!“
 

„Das war nach dem 3. Weltkrieg die einzig logische Vorgehensweise. Alleine hätten sich die Staaten nicht erholt, geschweige denn so eine aufstrebende Wirtschaftsmacht werden können.“
 

Eren nickte und goss ihnen beiden Tee in die Tasse.

„Dafür sind die Anrainerstaaten zugrunde gegangen.“
 

„Es hat sie ja keiner gezwungen so miserable politische Entscheidungen zu treffen“, war Levis lapidare Antwort auf diesen Umstand.
 

„Natürlich nicht, aber es interessiert Europa auch nicht, ob ihre Handlungen die afrikanischen Länder fördert oder ob sie weiterhin heruntergewirtschaftet werden. Hauptsache man kann - um nur ein Beispiel zu nennen - die eigenen Produkte in den Markt drücken und heimische Anbieter verdrängen. Hilfe zur Selbsthilfe sieht anders aus.“
 

„Du kannst ihnen aber auch keine Veränderungen von außen aufdrängen. Das müssen sie selbst bewerkstelligen. Aber solange die Verantwortlichen die Hand aufhalten und das Volk die Situation duldet, gibt es keine Verbesserung, wie wir das verstehen.“
 

„Also sollen wir die Korruption zu unserem Vorteil nutzen und über Elend und Armut hinwegsehen?“, Eren zog die Augenbrauen missbilligend zusammen, „Außerdem hat das Volk keine andere Wahl als die momentane Situation zu dulden.“
 

„Das Volk hat immer die Wahl. Jeder einzelne Mensch hat die Wahl. Dass damit auch Risiken und Opfer verbunden sind, nimmt ihnen nicht diese Wahlmöglichkeit. Das ist das schwere Los der Freiheit. Man muss abwägen und Entscheidungen treffen und kann dabei alles und sein Leben verlieren. Ob es das Wert ist, muss jeder Mensch, jedes Volk für sich entscheiden“, stellte Levi seinen Standpunkt dar, „Und nein, Korruption gilt es zu bekämpfen und wenn einem die Politik nicht gefällt, dann sollte man seine Vertreter mit Verstand und Umsicht wählen oder sich verdammt nochmal selbst politisch engagieren. Veränderungen kommen nicht durch Zuschauen und Lästern zustande.“
 

Schweigend wie ein beeindruckter Goldfisch starrte Eren ihn an.

„Wow. Ich wusste gar nicht, dass du so leidenschaftlich bei politischen Themen werden kannst.“
 

Levi verschränkte die Arme vor der Brust.

„Vielleicht erlebe nicht nur ich hier ein paar Erste Male.“
 

„Ich finde, du hast Recht. Es ist wohl ein Spagat zwischen moralischer Verpflichtung zur Hilfeleistung und gesundem Abstand zur Gewährung eigener Entfaltung. So wie es jedenfalls seit nunmehr fast 30 Jahren läuft, kann es nicht bleiben. Dieses verlogen halbherzige Eingreifen und Aufrühren hat die afrikanischen Staaten destabilisiert und radikale Gruppierungen gefördert.“
 

„Das stimmt natürlich, trotzdem ist der Ursprung der momentan größten Gefahr nicht im Ausland zu suchen.“
 

„Glaubst du, dass die Terroristen etablierte Bürger Europas sind?“
 

„Die Drahtzieher vermutlich schon. Es verlangt viel Insiderwissen und gute Verbindungen, um so einen Anschlag vorzubereiten und durchzuführen. Wahrscheinlich wurden wir jahrelang infiltriert.“
 

„Hoffentlich haben wir ein paar der Maulwürfe erwischt“, seufzte Eren, „Diese Abhöraktion ist immerhin umfangreich genug.“
 

„Sollte man meinen.“
 

Ein Piepsen lenkte ihre Aufmerksamkeit auf Erens Hose, der sein Mobiltelefon daraus hervorzog.

„Armin schreibt gerade, dass wir in-“, Eren zog die Augenbrauen zusammen, „einer guten halben Stunde in die Stadt gehen wollen.“

Dann lächelte er ihn wieder an: „Kommst du mit?“
 

„Auf Brautschau?“ Levis Ton klang nicht nur zweifelnd, er sah ihn auch so an.
 

Eren rollte mit den Augen.

„Ich bezweifle, dass es auf sowas hinausläuft, wenn auch Historia, Ymir und Annie dabei sind. Es wird wohl eher ein kleiner Ausflug, um mal raus zu kommen.“
 

„Ich bleibe hier. Ich habe noch ein paar Dinge zu klären“, schmetterte Levi den Vorschlag ab.
 

„Und das kann keine drei Stunden warten?“
 

Levi beantwortete die Frage mit einem vernichtenden Blick, der jedem normal denkenden Menschen eine Gänsehaut beschert, zumindest das Maul gestopft hätte. Nicht so Eren.
 

Mit einem herausfordernden Grinsen erhob sich Eren, wobei er beide Hände flach auf der Theke abstützte.

„Ich glaube, du kneifst.“
 

Der Moment der verdatterten Sprachlosigkeit verflog nicht schnell genug, um Eren einen Arschtritt zu verpassen, ehe der sich seinen schmutzigen Teller schützend vor die Brust hielt. Das Besteck fiel dabei klirrend zu Boden, was die angespannte Stille parodierte.
 

„Wisch den Boden, bevor du gehst“, meinte Levi nüchtern, ehe er sich erhob.
 

„Hat es dir geschmeckt?“, fragte Eren noch schnell, ehe er außer Sicht war.
 

„Sehr“, erwiderte er ehrlich, „Daran könnte ich mich gewöhnen.“
 

Er spürte beinahe körperlich wie Erens Lippen sich zu einem triumphierenden Grinsen auseinander zogen.
 

*~*
 

Sie trafen sich nicht wie Kriminelle im Hinterzimmer der allerletzten Spelunke, sondern leger im Golfklub. Sie saßen zu acht im gut besuchten Edel-Restaurant und redeten und scherzten wie alte Freunde. Keiner nahm Notiz von ihnen oder ihren Gesprächen. Sie verschmolzen wie ein Octopus mit der Umgebung.
 

„Wie erwartet sind die Menschen in die Trotzphase gekommen und wollen mit ihrer „Jetzt-erst-recht“-Einstellung zeigen, dass sie sich nicht einschüchtern lassen.“

Er wechselte das Thema von der Beschaffenheit der Golfplätze im Sommer zu dem Grund ihres Treffens mit einer unerhörten Leichtigkeit.
 

„Du vergisst die Ausschreitungen.“
 

„Welche Ausschreitungen? Die paar Molotowcocktails, die in fremdenfeindlicher oder anarchistischer Gesinnung gegen die paar Scheiben geflogen sind, machen aus Kretins keine Aufständischen. Die Mehrheit ist erstarrt oder macht weiter wie bisher.“
 

„Das sollten wir auch.“
 

„Ich finde es ein wenig früh. Je langsamer die Veränderung, desto beständiger wird sie am Ende sein.“ Einer von ihnen musste ja die Stimme der Vernunft sein.
 

„Ich gebe dir recht, mein Teurer. Wir wollen die Federn doch nicht zu sehr aufwuscheln, bevor das Hühnchen serviert wird.“
 

„Bevor du das Huhn servieren kannst, musst du ihm erst den Kopf abschlagen und es rupfen.“
 

„Und kochen nicht vergessen!“
 

„Ich will es eher gegrillt.“
 

„Unabhängig von den Präferenzen bezüglich der Zubereitung, sollten wir uns zuvorderst auf ein Huhn einigen.“
 

„Die Metapher ist ziemlich beschissen.“
 

„Wir haben doch bereits besprochen, dass als nächstes Ratten in den Häusern Unruhe stiften sollen.“
 

„Du kannst das mit den Tiermetaphern einfach nicht, huh?“
 

„Wieso denn?! Ist doch verständlich!“
 

„Ratten schickt man nicht in Häuser. Man hebt ein Rattennest aus und das wollen wir bestimmt nicht.“
 

„Interessant. Gut zu wissen, dass du dich selbst als Ratte siehst.“
 

„Sehr lustig.“
 

„Wir werden an dem ursprünglichen Plan auch weiterhin festhalten. Die Art und Weise ist es, die ich noch einmal besprechen möchte.“
 

„Dann stell’ dich vor ´nen Spiegel. Wir haben das Thema bereits durch.“
 

„Das war bevor der Drachentöter auf der Bildfläche erschienen ist.“
 

„Oh mein Gott! Kauf dir ´ne Windel. Wen interessiert der kleine Scheißer schon?“
 

„Mich zum Beispiel. Es gilt Rechnungen zu begleichen.“
 

„Fuck me sideways!“
 

„So wie ich das sehe, kommen wir nicht um ihn herum. Falls er in den letzten Jahren nicht nachgelassen hat.“
 

„Menschen wie diese bleiben gefährlich. Genauso wie ein Löwe im Zoo gefährlich bleibt.“
 

„Kommt drauf an für wen. Ich mache mir keine Gedanken um den. Das ist ein Nebenschauplatz.“
 

„Die Chinesen haben die Jägertruppen damals unterschätzt, taktische Fehler begangen. Das sollte uns nicht aus purer Nachlässigkeit passieren.“
 

„Zurück zum Thema: Wir werden mit der nächsten Phase in zwei Tagen beginnen.“
 

„Und das sagst du einfach so?“
 

„Schau in deinen Kalender. Das war der ursprüngliche Plan.“
 

„Was gibt es zur Vorgehensweise noch zu besprechen? Ich dachte das hätten wir bereits geklärt.“
 

„Wir haben die Orte und Mittel, aber noch keine zeitlichen Abstände.“
 

„Ich dachte gleichzeitig und dann im Primzahltakt.“
 

„Schön, dass du denkst, aber wie gerade vorhin gesagt-“
 

„Ja ja, schon gut. Beständige Veränderung. Wie stellt ihr euch das vor?“
 

„Es müssen noch mehr Nadelstiche sein.“
 

„Wenn ich richtig verstehe, was du meinst, dann brauchen wir mehr Personal.“
 

„Wir haben noch ein paar gute Leute in der Hinterhand.“
 

„Dort sollten sie auch bleiben.“
 

„Also importieren?“
 

„Wozu haben wir denn die ganzen Trainingscamps.“
 

„Es wird nicht leicht über die Grenze zu kommen.“
 

„Wir sollten unsere lieben Kollegen aus dem Norden mit dieser Aufgabe betrauen. Wozu hat man denn so ein Netzwerk.“
 

„Argh!“
 

„Was denn?“
 

„Das sind solche Wichser.“
 

„Mag sein, aber nützlich.“
 

„Ja, die Jungs wissen, wo sie nach Personal suchen müssen.“
 

„Arrogante Hackfressen.“
 

„Sie erledigen ihren Job. Sympathien sind zweitrangig.“
 

„Hmhm - ich freu mich schon. Das wird ein Spaß.“
 

„Auf wieviel sollen wir aufstocken?“
 

„Ich dachte auf mein Alter.“
 

„150 ist ein wenig viel, findest du nicht?“
 

„Ich lach’ mich tot.“
 

„Allzu lang dürft’ das ja nich’ dauern.“
 

„Ich bin damit einverstanden. Ihr auch?“
 

„Jaja.“
 

„Passt.“
 

„Okaydokay.“
 

„Und den Drachentöter lassen wir derweil laufen?“
 

„Ich bin neugierig, was er tun wird.“
 

„Die Neugier ist der Katze tot.“
 

„Nicht wirklich.“
 

„Dann ist es beschlossen.“
 

„Wer will noch Champagner?“
 

„Tu’ mir das Gesöff wech.“
 

„Wieso? Ist doch lecker?“
 

„Wech’ damit!“
 

„Ich bin im Kindergarten gelandet.“
 

„Hey! Bringen Sie bitte noch eine Flasche!“
 

„Sitzen schon genug da, ne?“
 

„Schnauze! - Eh, nein, nicht Sie! Danke!“
 

Der Tisch brach in Gelächter aus und begann über die neuesten europäischen Sportwagenmodelle zu diskutieren.
 

*~*
 

Reiner wusste schon als kleiner Junge, dass er einmal Polizist werden würde.

Es war sozusagen vorprogrammiert. Seine ganze Familie ging mehr oder weniger Berufen in diesem Feld nach.

Seine Eltern arbeiteten immer noch als Erste Polizeihauptkommissare und seine sämtlichen Onkels, Tanten und Cousins und Cousinen waren entweder Polizisten, Anwälte, Rechtspfleger oder Forensiker. Nur seine Oma mütterlicherseits war eine Ausnahme: Sie hatte den Opa als studentische Bedienung in einem Donut-Shop kennengelernt und war Steuerberaterin geworden.
 

Man könnte meinen, dass es von ihm erwartet wurde sich für dieselben Berufe zu interessieren. Natürlich war das so, aber er fühlte sich nie sonderlich dazu gezwungen sich denselben Beruf auszusuchen. Wenn die Umgebung für etwas Leidenschaft aufbrachte, dann sprang der Funke über und man konnte sich selbst dafür begeistern.
 

Also war alles paletti in der Familie, was seine Berufswahl anbetraf. Alle hatten sich gefreut, dass er einer der besten seines Jahrgangs wurde und nach vielen Mühen zur SEK gekommen war.
 

Weniger begeistert waren sie von der Ausbildung bei der ESE.
 

Das kannte man schließlich nicht. Es war nicht alt und bewährt, sondern unausgereift und nicht anerkannt. Ein gewisses Prestige war seiner Familie genauso wichtig wie harte Arbeit und Ehrgeiz. Umso schlimmer war es für seine Eltern, dass ihr einziger Sohn nicht darauf hinarbeitete seine Karriere auf konventionelle Weise voran zu bringen, sondern einen Abbieger zu etwas völlig „abstrusen“ machte.
 

So schwer ihn die enttäuschten, verständnislosen Blicke seiner Familie trafen, er war stolz auf seinen gewählten Weg. Er musste stolz sein, weil er von herausragenden Menschen auf diesem Weg begleitet wurde.
 

Am liebsten würde Reiner seinen Eltern die gesamte Truppe vorstellen. Wenn das ihre Meinung nicht zu ändern vermochte, dann konnte das so schnell gar nichts.
 

Reiner mochte jeden Einzelnen seiner Kameraden, wenn zugegebenermaßen auch mit ein paar Abstufungen.
 

Berthold kannte er bereits von seiner SEK-Zeit, wenn auch mehr vom Sehen her, da sie verschiedenen Abteilungen angehört hatten. Die flüchtige Bekanntschaft war jedoch genug gewesen, um eine erste Freundschaft zueinander aufzubauen und mittlerweile würde Reiner ihn als seinen besten Freund bezeichnen.
 

Freunde waren rar. Umso fester musste man sie halten, wenn man einem derart zeitintensiven Beruf nachging. Vermutlich war deshalb seine ganze Familie beruflich so verknüpft. Außerhalb der Arbeit lernte man selten jemanden kennen, hatte geschweige denn die Zeit dazu Freundschaften gehörig zu pflegen.
 

Mittlerweile konnte er eigentlich von all seinen Kameraden behaupten mit ihnen befreundet zu sein. Klar, mit Ymir war nicht gut Kirschen essen. Die Frau war schlicht grob in jedweder Hinsicht.

Er konnte nicht begreifen, was Historia an ihr fand.

Historia war ein Engel. Ein Engel, der sich auf Lucifer höchstpersönlich eingelassen hatte. So empfand es zumindest Reiner, der sich eingestehen konnte, in Historia verliebt gewesen zu sein.
 

Aber der Zug war abgefahren und mit seiner Ex-Freundin hatte er nun auch abgeschlossen. Es wurde Zeit für eine neue Partnerschaft. Anders als so mancher Kamerad brauchte er jemanden mit dem die Aussicht auf eine Familie bestand. Er wollte innerhalb der nächsten zehn Jahre heiraten und Kinder zeugen. Sonst würde ihm etwas fehlen und er auf lange Sicht unglücklich werden.
 

Natürlich fand er keine Freundin, wenn er mit zwölf lauten, jugendhaften Chaoten im Schlepptau durch die Straßen einer gemarterten Stadt schlenderte.
 

Paris hatte sich gut einen Monat nach den Anschlägen etwas erholt. Die Leute weigerten sich ihr Leben großartig umzustellen. Ein gewisser Beigeschmack der Unsicherheit haftete dem Alltag an, aber soweit es ging, blieb es möglichst ungezwungen.
 

Die Bevölkerung war stark und vor allem stur. Sie wollten sich nicht von Terroristen das Leben diktieren lassen.
 

Für die meisten war es schlimm genug, dass eine Sperrstunde existierte und öffentliche Versammlungen untersagt waren. Doch so lange dieser oberflächliche Unmut nicht in allzu großen Revolten mündete, konnte sich kein Polizist beschweren.
 

Wenn nicht einmal die streikerprobten Franzosen sich erhoben, würde es vorerst relativ ruhig in der Bevölkerung bleiben. Diesbezüglich fungierten die Franzosen mit ihrem Temperament immer als genauestes Stimmungsbarometer in Europa.
 

„Hey! Spinnst du?!“ Sashas Gekreische ließ Reiner sich umdrehen.
 

Anscheinend hatte Connie ihr eine Marone stibitzt. Ein wahrlich mutiges Unterfangen bei Sasha, die mehr Lebensmittel verschlang als ein Schwein, jedes Stück verteidigte wie eine Löwin und eine Figur hatte, die Tarzan das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen würde.
 

„Leute“, seufzte Mylius genervt, „Könnt ihr euch einmal aufführen, als seien wir nicht in der dritten Klasse und auf Klassenfahrt.“
 

Die ohnehin rhetorische Frage wurde mit einem verständnislosen Blick quittiert und ignoriert. Interessanter waren die letzten fünf Maronen in dem Papiertütchen, um die eine lautstarke Diskussion und ein bedenkliches Handgemenge entbrannte.
 

Sasha und Connie waren das pure Klischee. Die Parodie des Klischees. In fast jeder Gruppe musste es einen Clown geben; sie hatten zwei.
 

Glücklicherweise waren beide ungemein talentiert und effizient in ihrem Beruf und eine amüsante Bereicherung für ihre ansonsten recht schmucklose Truppe.
 

Historia war zwar sehr schön, abgesehen davon waren keine wirklichen Charaktere dabei. Das hieß freilich nicht, dass es langweilig war. Dafür gab es zu viele Reibereien, allein schon zwischen ihren Gruppenführern.
 

Glücklicherweise kamen Jean und Eren mittlerweile besser miteinander aus und funktionierten im Einsatz recht harmonisch. Nicht nur Reiner war der Meinung, dass die beiden Streithähne einfach mehr an ihrer Kommunikation arbeiten mussten, um sich gut zu verstehen.
 

Vermutlich brauchte man auch die Volldeppen in jeder Gruppe.
 

„Wenn die Museen und Galerien geschlossen sind, gibt es hier nicht mehr wirklich was zu tun“, gähnte Thomas neben ihm.
 

„Wir könnten gut essen“, schlug Reiner vor.
 

„Vielleicht etwas später“, antwortete Thomas, „Ich habe noch keinen Hunger. Wie sieht’s mit euch aus?“
 

Die Angesprochenen hinter ihm schüttelten den Kopf, während Sasha und Connie immer noch stritten.
 

„Ich bin gespannt, ob wir ins Moulin Rouge kommen.“ Historias Augen glänzten vor Vorfreude.
 

„Zum Essen oder Trinken, aber Shows laufen erst ab 23:00 Uhr oder so“, rationalisierte Jean ihre Freude sofort und kassierte einen bösen Blick von Ymir, während Historia unschuldig zu ihm aufsah.
 

„Das wäre auch in Ordnung. Ich denke nicht, dass momentan überhaupt Shows angeboten werden“, lächelte sie.
 

„Wenn sich die Situation beruhigt hat, könnten wir tatsächlich mal eine Show ansehen“, sinnierte Armin, „Jetzt ist es schade, dass wir das immer vor uns hergeschoben haben.“
 

„Oh, Armin!“, triezte Jean, „Ich wusste gar nicht, dass du auch lebendige Kunstwerke anschaust.“
 

„Ich bin blond, kein Engel“, konterte Armin, „Und natürlich kann ich mich für gute Shows begeistern.“
 

„Ich vergesse immer, dass du keine Jungfrau mehr bist. So nerdig wie du bist, verwechsle ich dich immer mit einem Asexuellen.“
 

„Was hast du denn eingeworfen, Kirschstein“, motzte Eren prompt.
 

„Das war jetzt gar nicht beleidigend, stereotyp oder unpassend“, tadelte Marco seinen besten Freund, der empört dreinschaute.
 

„Das war doch gar nicht ernst gemeint! Regt euch ab; ihr habt ja gar keinen Humor.“
 

„Diesen sicherlich nicht“, kommentierte Reiner, während Ymir sich einmischte: „Du hast keinen Sinn für Humor.“
 

„Dein Humor wirkt auf andere zuweilen harsch“, versuchte es Marco etwas diplomatischer, aber seine verständnislose Belustigung war zu offensichtlich.
 

Beleidigt verschränkte Jean die Arme vor der Brust und schob die Unterlippe leicht vor.

„Ihr könnt mich mal und es war nicht böse gemeint. Tut mir leid, Armin.“
 

Der winkte ab.

„Schon gut. Ich kenne dich mittlerweile ja etwas“, zwinkerte er ihm zu und entspannte damit die gesamte Situation.
 

„Es ist offen!“, rief Thomas.
 

„Perfekt, ich kann einen Kaffee echt gut gebrauchen“, lächelte Historia.
 

„Ist das nicht Sairams Truppe?“, bemerkte Eren und nickte zum Eingang des Varietés.
 

„Ja, sind sie“, bestätigte Annie und löste eine Welle des Unmuts bei ihnen aus.
 

Sairam war ein Polizist der GSG9, ein Mitbewohner sozusagen, und führte eine Gruppe von 13 an. Alle sehr versiert und fleißig, aber ebenso großkotzig, arrogant und gehässig.
 

„Sollen wir uns das wirklich antun?“, sprach Mylius wenig begeistert die Frage aus, die ihnen allen durch den Kopf geschossen war.
 

„Wir lassen uns von denen doch nicht diktieren, wie unsere Freizeit auszusehen hat!“, kam es gewohnt stur-leidenschaftlich von Eren, was Jean mit den Augen rollen ließ.
 

„Vielleicht sind nicht alle wie du auf Krawall aus und wollen die Handvoll freien Stunden in Frieden verbringen.“
 

„Wer redet denn von Krawall? Ich rede davon, dass uns diese Arschlöcher am Buckel runter rutschen können“, engagierte sich Eren und ging dabei glücklicherweise nicht direkt verbal auf Jean los, wie er es früher immer ohne Umschweife getan hatte.
 

„Wenn du noch ein wenig lauter sprichst, machen die das bestimmt auch“, ermahnte Armin seinen besten Freund mit ruhigem Tonfall, was Eren etwas verlegen blinzeln ließ.
 

„Ich will jetzt einen Kaffee“, verlautbarte Annie und ging schnurstracks auf das Moulin Rouge zu, das tagsüber nicht sonderlich eindrucksvoll aussah.
 

Brav folgten sie ihr.
 

*~*
 

„Wenn nicht nur ich meinen Job machen würde, hätten wir bestimmt schon bessere Ergebnisse erzielt“, schimpfte einer der IT-Jungs, was Levi in vollkommener Ignoranz ausblendete.
 

Für ihn waren das nicht mehr als Spatzen, die auf der Straße herumhüpften und hier und da einmal zwitscherten.
 

Die Anspannung und die Diskussionen um ihn herum perlten an ihm ab, als er durch die Gesprächsaufnahmen blätterte und einiges selbst abhörte.

Sie hatten bereits eine Unmenge an Informationen gesammelt und da Levi verboten hatte eine computergesteuerte Vorauswahl zu treffen, bei der einige Gespräche bei bestimmten Worthäufungen übersprungen wurden, um sich beispielsweise die manuelle Aussortierung von Klogängen oder Geschlechtsverkehr-Sequenzen zu ersparen, galt es unzählige elektronische Dokumente durchzulesen und zu analysieren.
 

Eine Sisyphusarbeit für die meisten Analytiker und IT’ler, die sich manches Mal zu sehr auf ihre technischen Hilfsmittel verließen.
 

Levi las schnell. Er hatte eine Begabung darin Informationen schnell aufzunehmen und zu verwerten. Obwohl er niemals an Hanjis Auffassungsgabe oder Erwins Scharfsinn heranreichen konnte, schien es für die Spatzenhirne hier auszureichen; zumindest wenn es nach dem Wert seines Erkenntnisgewinns ging.
 

Er konnte bereits sieben Personen als Verdächtige ausschließen und hatte bei zweien interessante Verbindungen zu radikaleren Gruppen festgestellt. Der entscheidende Hinweis fehlte zwar noch, aber es waren Spuren, Anhaltspunkte, denen man nachgehen konnte.
 

Wenn man sich mit seinem momentanen Schicksal abfand, konnte man ziemlich viel in der Zeit, die andere lieber zum Jammern, Ärgern oder Motzen nutzten, erreichen.
 

Levi wollte endlich vorankommen. Er brannte auf ihren ersten Einsatz als ESE. Sie würden unter Beweis stellen, dass sie ihre Daseinsberechtigung hatten.
 

*~*
 

„Na, wenn das nicht unsere geschätzten ESEL sind!“, begrüßte sie einer der arroganten Dumpfbacken mit dreckigem Grinsen, als er ihre Frauen mit den Augen auszog.
 

Manchmal mochte Jean am liebsten aus der Haut fahren, wenn er sah, was für Minderbemittelte seinen vormaligen Traumjob ausübten.
 

Die Aufnahmebedingungen für die GSG9 hatten es in sich und dann stand so ein Vollhorst da, gaffte Frauen auf Brüste und Arsch und labberte den letzten Stuss.
 

Die Aufnahmeprüfer mussten besoffen gewesen oder bestochen worden sein.
 

„Warum sagt ihr denn nichts? Hat es euch die Sprache verschlagen?“, stichelte ein Anderer und lachte wie ein pubertierender Teenager.
 

Wieder ein Anderer stellte sich vor Annie, versperrte den Eingang ins Moulin Rouge.

„Oh, da will jemand wichtig aussehen.“
 

„Die haben wohl nichts mehr zu sagen“, grinste Dumpfbacke Eins, „Bei diesen Karrierechancen würde’s mir auch die Sprache verschlagen.“
 

Annies Augen blitzten auf.

Jeans Magen zog sich nervös zusammen.
 

Scheiße!
 

Dieser Ausdruck in ihren Augen versprach Schmerzen - für Dumpfbacke - und jede Menge Ärger für sie.
 

Doch bevor Annie einen Muskel zur Gewalt bereit rührte, schob sich Armin vor sie.
 

„Na, wen haben wir denn da? Hat Mami dir die Haare geschnitten?“, spöttelte Dumpfbacke.
 

Armin blieb ungerührt und - verdammt noch mal - Armin durchbohrte das Arschloch mit seinem Blick wie eine Mörderpuppe aus einem Horrorstreifen. Was hatte der denn gefrühstückt?
 

Dumpfbacke konnte auch nichts mit der Situation anfangen und grinste Armin dumm an.

„Was willst du, Bubi? Hast du dich verlaufen?“
 

Armin schwieg beharrlich und starrte Dumpfbacke weiterhin an.
 

Als Jean den Blick kurz abwandte, sah er, dass Historia Tickets für sie gelöst hatte.

Wenn keine Shows liefen, waren die zwar kostenlos, aber ohne wurden sie nicht in den Bereich mit dem Café gelassen. Die Betreiber wollten aus Sicherheitsgründen stets die Anzahl der Besucher wissen.
 

„Kommt Leute“, meinte Reiner und trat hinter Annie und Armin. Er wirkte wie ein Schrank vor den beiden Kleineren und erweckte bei der Dumpfbacke gewissen Respekt. Zumindest wenn man nach der plötzlich aufrechteren Haltung urteilte.
 

„Wo haben sie eigentlich euch Arier aufgegabelt?“, wollte Vollhorst wissen.
 

Jean wunderte sich einen Moment über den Begriff, ehe ihm auffiel, dass Annie, Armin und Reiner blond und blauäugig waren. Ihm wurde das erst jetzt bewusst, aber er hatte sich bisher auch nie drum geschert.
 

„Du hast doch überhaupt keine Ahnung“, zischte es überraschenderweise scharf aus Sashas Mund, „Du solltest nicht Worte in den Mund nehmen, von denen du nichts verstehst.“
 

Vollhorst aka. Wichser hob arrogant grinsend die Hände, als wolle er die Situation beschwichtigen.

„Oh ha, wer hat dir denn den Slip verdreht.“
 

„Lasst uns reingehen“, ergrifft Jean nun endgültig erbost das Wort, „Die sind es nicht wert.“
 

„Was reißt du deine lange Fresse auf, Bürschchen“, erzürnte sich Wichser, während sich die anderen Dumpfbacken hinter ihn stellten.
 

Jean verdrehte die Augen und warf einen Blick zu Eren, der seltsam still war. Normalerweise waren solche Arschlöcher gefundenes Fressen für ihn.

Als er in Erens Gesicht sah, hielt Jean überrascht inne.

Erens grüne Augen leuchteten schier vor Abscheu und Wut, doch sonst stand er vollkommen regungslos da.
 

Eren beherrschte sich.
 

Man durfte das nicht falsch verstehen. Egal was für Streits sie hatten, Jean wusste um Erens Qualifikationen als Polizist und Gruppenführer und dazu gehörte selbstverständlich seine Professionalität und Selbstbeherrschung in Konfliktsituationen.
 

Aber das hier war anders. Das hier war Freizeit. Das waren gewissermaßen Kollegen. Das waren riesengroße Arschlöcher, die sie ständig schikanierten - mal schlimmer, mal dümmer.
 

Jean löge, wenn er behaupten würde, er könne nicht ganz genau die Worte auf seiner Zunge brennen spüren, die Eren gerade runterschluckte. Doch Eren war zu ehrlich und leidenschaftlich, um seine Meinung in solchen Situationen in deeskalierende Worte zu hüllen. Es war für ihn beeindruckend genug, dass er sie sich verbiss, obwohl jeder von ihnen Eren angefeuert hätte, wäre er auf die Wichser losgegangen.
 

Man solle nicht behaupten, ein alter Köter lerne keine neuen Tricks.
 

„Auf geht’s!“, lächelte Historia und reichte jedem von ihnen ein Ticket, während Reiner Annie und Armin leicht Richtung Eingang bugsierte.
 

Die restlichen Schmähungen waren ein Rauschen in Jeans Ohren.
 

„Wow, hier wimmelt es vor Polizisten“, stellte Marco fest, „Ich wusste nicht, dass wir hier in ein Nest laufen würden.“
 

Das Café war gemütlich und groß und überall erkannten sie Gesichter aus ihrer Kantine oder Einsätzen wieder. Es war fast skurril.
 

„Immerhin ist Sairam nicht mit dabei. Der hätte mir noch gefehlt“, ergänzte Jean, während sie auf einen leeren Tisch mit Polstermöbeln drum herum zugingen.
 

„Ein Kaffee und ich bin raus“, stöhnte Connie.
 

„Ja“, nickte Sasha grimmig, „Ich habe auch keine Lust auf diese Leute.“
 

„Das sind unsere Kollegen. Das wisst ihr schon, oder?“, hakte Thomas mit hochgezogener Augenbraue nach.
 

„Deswegen muss ich keine Lust auf sie haben“, erwiderte Sasha ungewohnt abgeklärt.
 

Diese Typen schienen ihr ja mal richtig über die Leber gelaufen zu sein. Vielleicht reagierte sie so sensibel, weil sie diesen ganzen Nazi-Abschaum im Club hatte ertragen müssen.

Anders konnte Jean sich ihr Verhalten nicht erklären. Sasha war sonst immer irgendwie… heiter.
 

Sie bildeten sich nicht bloß ein beäugt zu werden. Sie wurden offen gemustert und es wurde wenig unauffällig über sie getuschelt.
 

Dennoch tranken sie stoisch ihre Getränke, zahlten und gingen nach einer Dreiviertelstunde wieder.
 

„Das war ja mal für’n Arsch“, beschwerte sich Reiner mit zornig gerunzelter Stirn.
 

„Lass uns am besten zu Fuß zurücklaufen“, schlug Eren vor.
 

Jean blinzelte erstaunt.

„Weißt du wie weit das ist?“
 

Eren legte den Kopf ein wenig schief, den Hals herausfordernd gereckt.

„Du bist doch ein guter Läufer.“
 

Jean atmete tief durch und schnaubte.

„Das ist wenigstens ein schöner Spaziergang…“
 

„Na dann, auf geht’s!“, trieb sie Mylius an, „Ich möchte es bis 17:00 Uhr schaffen.“
 

„Hast du eine Verabredung?“, scherzte Connie.
 

Mylius zuckte milde lächelnd mit den Schultern.

„Meine Ma’ würde sich freuen, wenn ein junger Mann sie als Dating-Material ansehen würde.“
 

„Ist sie alleinstehend?“, fragte Historia neugierig.
 

„Nein“, lachte Mylius, „Aber sie schaut gerne junge Männer an.“
 

„Und andersherum“, schmunzelte Thomas.
 

„Du kennst sie?“, fragte Connie.
 

„Ja, ich hatte einmal das Vergnügen. Eine sehr nette, lustige Frau.“
 

„Sie ist Künstlerin“, führte Mylius weiter aus, „Und bedient fast alle Klischees. Sie hat sich Thomas mal an den Hals geworfen, als er mich im Urlaub besucht hat, um zu testen wie er reagiert. Das macht sie bei allen Gästen.“
 

„Ja, du hättest mich damals echt vorwarnen können!“, warf ihm Thomas echauffiert mit großen Augen vor, doch Mylius lachte bloß.
 

„Gut zu wissen.“ Jean zuckte mit den Schultern und sah zu Marco, der ebenfalls mit den Schultern zuckte und lächelte.
 

Jean war froh, dass Marcos Familie unkomplizierte, bodenständige Leute waren, die er jederzeit besuchen durfte.
 

Ein guter Ersatz für seine eigene, verkorkste Familie.
 

„Stopp!“
 

Prompt blieben alle alarmiert stehen und folgten Erens Blick, der ein Geschäft zu ihrer linken beäugte.
 

„Zur Hölle, Jäger?“
 

Eren sah kurz durch ihre Runde.

„Ich geh da schnell mal rein, wartet bitte kurz, ja? Armin?“
 

Damit zog Eren ab über die Straße, brav gefolgt von Armin, der ihnen kurz einen ahnungslosen Blick und bedröppeltes Lächeln zuwarf.
 

Als Eren nach fünf Minuten noch nicht wieder da war, verlor Jean allmählich die Geduld.

„Was treibt der da drin? Herr Gott nochmal!“
 

„Vermutlich lässt er sich beraten“, meinte Marco und begutachtete geduldig das Firmenschild.
 

„Das sind Tees, keine Raketen.“
 

„Schon, aber da kann man auch viel falsch machen.“
 

„Ich werde nie verstehen, wie man Tee nicht nur als Mittel zum Zweck sehen kann“, meinte Annie und kassierte ein Augenrollen von Reiner.
 

„Das kann ja nur ein Coffeejunkie wie du sagen.“
 

Leichtes Amüsement blitzte durch Annies Augen.

„Ich steh’ dazu.“
 

„Endlich“, murrte Jean, als er Eren und Armin aus dem Laden treten sah.
 

„Hast du, was du wolltest?“, erkundigte sich Marco freundlich, was Eren strahlen ließ.
 

„Ich hoffe es. Die Kommunikation war etwas schwierig. Der Verkäufer hat irgendeinen fiesen Dialekt gesprochen.“
 

„So lange er dir keine toten Insekten mitgegeben hat, wird es schon passen“, kommentierte Jean wenig hilfreich und brachte damit zumindest Connie zum Lachen.
 

„Es sah zumindest gut aus und roch lecker“, grinste Eren und schien zufrieden mit sich.
 

So ein Penner.
 

Gemächlich liefen sie den ganzen Weg von Montmartre bis zur ehemaligen L’École Militaire zurück und schalteten zur Abwechslung mal ab.
 

*~*
 

Levi las die Passage mehrmals durch, doch das Gefühl blieb.
 

Dr. Joachim Pritz:

Die Ladung wird am 02. Februar verschifft.

Alles andere wäre inakzeptabel. Ich habe nicht so viel Zeit und Geld für nichts investiert.

Was heißt da, ich werde nicht dafür bluten müssen?

Sparen Sie sich Ihre hochtrabenden Floskeln. Es ist mir scheißegal. Geschäft ist Geschäft.

Ich erwarte Ihre Bezahlung diesmal pünktlich. Das ist kein Scherz für mich.

Ist mir egal, wer Sie sind. Machen Sie Ihren verdammten Job - ich halte mich an unsere Abmachungen.
 

Tamara Pritz:

Bist du endlich fertig mit telefonieren?
 

Dr. Joachim Pritz:

Das versteht sich von selbst.

Gut.

Sie wissen, wie Sie mich erreichen.

Ja.
 

Tamara Pritz:

Wer war das? Wir waren verabredet, Papa.
 

Dr. Joachim Pritz:

Geschäft, Goldlöckchen. Manche Kundschaft kapiert nicht, wie der Hase läuft.
 

Tamara Pritz:

Ist schnurz. Lass uns endlich gehen. Mama wartet schon.
 

Levi war der Einzige, der sich selbst die verworfenen Texte durchlas und konnte nicht umhin sich für seine Hartnäckigkeit zu beglückwünschen.
 

„Oi! Ich dachte, es wäre klar gewesen, dass wir alle Gespräche, in denen Worte wie Blut vorkommen, überprüfen müssen.“
 

Einer der IT’ler wandte sich ihm mit müden Augen und unmotiviert heruntergezogenen Mundwinkeln zu.

„Tun wir auch.“
 

„Und warum wurde das hier aussortiert?“ Er hielt dem Kerl sein Tablet vor die Nase.
 

Der IT’ler überflog die Passage und zeigte sie seinem Nebenmann.

„Du hast doch die Gespräche von Pritz sortiert.“
 

Der Kollege grunzte zustimmend und las das Gespräch nochmal durch.

„Ja, das war uninteressant. Pritz ist Bauunternehmer und verschifft regelmäßig Baustoffe von Hamburg aus in alle Welt. Am 02. Februar geht’s nach Dover.“
 

„Wieder so ein Wohlstandsnazi“, gab ein anderer seinen Senf dazu, während er auf seinen Bildschirm starrte.
 

Levi wurde sein Tablet zurückgereicht.

„Ich möchte, dass alle Dokumente mit den genannten Schlüsselwörtern mir zugespielt werden“, wiederholte Levi den Befehl nochmals und starrte dem Typen in die trägen Augen.
 

Es war offensichtlich, dass sie ihn für bekloppt hielten und nur die Fresse hielten, weil sich herumgesprochen hatte, dass Levi ein „Kriegsheld“ war.
 

Im Moment sollte es ihm recht sein. Hauptsache die Idioten taten endlich, was er ihnen aufgetragen hatte. Typisch Wohlstandskinder.
 

*~*
 

Eren hörte die Apartmenttür und lugte von der Küche aus zu Levi, der sich die Schuhe auszog.
 

„Hallo!“, begrüßte ihn Eren lächelnd und bekam einen kurzen Blick zur Erwiderung, ehe Levi ins Schlafzimmer und wohl ins Bad verschwand, um sich die Hände zu waschen.
 

Levi neigte es mit Hygiene und Sauberkeit zu übertreiben. Händewaschen war ja gut und sinnvoll, aber er betrieb das mit chirurgischer Präzision und viel zu oft, als dass das der Haut gut tun konnte.
 

Mit einem unterdrückten Gähnen machte sich Eren daran die Soße abzuschmecken und würzte noch einmal nach.
 

„Du kommst gerade richtig“, sagte Eren laut, als er das Schließen der Schlafzimmertüre hörte, „Das Essen ist in fünf Minuten fertig.“
 

Da bog Levi auch schon um die Ecke, wobei er sich die Ärmel seines dunkelgrauen Hemdes hochkrempelte und ging um den Tresen herum in die Küche.
 

Verwundert schaute Eren auf Levi herunter, der ihn blank ansah.

„Brauchst du was?“
 

„Du stehst im Weg.“
 

Eren zog belustigt eine Augenbraue hoch.

„Und ich soll jetzt verschreckt auf die Seite springen?“
 

Levi bedeutete ihm mit einer wegwerfenden Handbewegung sich zu verpissen, doch Eren betrachtete ihn nur weiterhin amüsiert.
 

Bis ihm ein widerlicher Schmerz durch den Fuß schoss und er schmerzerfüllt aufschrie und wegsprang.
 

„Ahhh! Spinnst du?! Herr Gott nochmal, Levi! Bist du noch ganz dicht?!“
 

„Stell’ dich nicht so an“, entgegnete Levi ruhig in trockenem Tonfall und kam nun zu dem Hängeschrank, in dem sich die Trinkgläser befanden.
 

„Ich stell’ mich an?“, regte sich Eren auf und rieb seinen linken Fuß an seinem rechten Oberschenkel, „Du bist mir volle Kante auf die Zehen gelatscht! Hast du Stahlsocken an oder was?!“
 

„Soll ich den Notarzt rufen?“
 

„Boah, ich schwöre, wenn du nicht mein Vorgesetzter wärest, würde ich dir eine reinhauen“, knirschte Eren erbost mit den Zähnen.
 

„Ach so?“, unheilvoll blitzte es durch Levis Augen, doch seine Mundwinkel verrieten leichte Belustigung, „Mach’ doch. Aber beschwer’ dich dann nicht über verbogene Körperteile.“
 

Eren schnaubte arrogant.

„Wer sagt, dass nicht du derjenige sein wirst, der mit verbogenen Körperteilen liegen bleibt? Du weißt, ich bin gut.“ Ihre extracurricularen Kampftrainingseinheiten waren zwar schon etwas länger her, aber Eren hatte sich wahrlich nicht schlecht angestellt.
 

Nun zogen sich Levis Mundwinkel zu einem überlegenen Schmunzeln auseinander.

„Du bist nicht schlecht, nein, aber du hast keine Chance gegen mich. Du willst mich nicht am eigenen Leib erleben, wenn ich nicht zu Trainingszwecken kämpfe.“
 

„Ach, du meinst zum Beispiel das eine Mal, wo du mir die Schulter ausgerenkt hast.“
 

„Und das war keine Absicht“, betonte Levi, „Willst du etwa mehr davon?“
 

„Nur wenn du mich danach wieder verarztest“, scherzte Eren mit gesenkter Stimme, die Levis Augen aufblitzen ließ. Leider konnte er nicht in den stürmischen Augen lesen. Levi war trotz allem zu reserviert.
 

„Also hast du eingesehen, dass du dich lieber nicht mit mir anlegst.“
 

„Soweit würde ich nicht gehen“, erklärte Eren, „Wenn du das nochmal machst, kommt es postwendend zurück; egal, ob ich danach verprügelt werde. Das wäre es mir wert.“
 

„Also wenn ich mal einen Grund brauche, dich grün und blau zu schlagen oder mich einfach nur abreagieren will, trete ich dir auf den Fuß, um dich zu provozieren.“
 

„Irgendwann“, versprach Eren lachend, „Irgendwann werde ich dich besiegen.“
 

„Ja, wenn ich 90 bin und du mit 80 noch fit genug bist, hast du vielleicht eine Chance.“
 

Eren schnaubte und grinste.

„Haha. Wäre ja schön, wenn wir dann noch befreundet sind, aber solange will ich nicht warten.“
 

„Hm“, machte Levi und schien auf einmal sehr nachdenklich.
 

Das Piepen der Herduhr lenkte Erens Aufmerksamkeit wieder zu dem Kochtopf, der fröhlich vor sich hin köchelte.
 

Levi erwachte aus seiner Starre und goss Leitungswasser in sein „erobertes“ Trinkglas.

„Was machst du denn?“
 

„Einen griechischen Schmortopf mit Rindfleisch und Reisnudeln“, erklärte Eren, „Das habe ich euch schon mal gekocht.“ Als er im Ausbildungslager von Hanji zum Kochen verdonnert worden war.
 

„Wo hast du das Rindfleisch her?“
 

Die Kantine bot nur zweimal die Woche ein Fleischgericht an und zur Zeit gab es wegen der LKW-Kontrollen nur eingefrorene Ware.
 

„Wir sind an einem Metzger vorbeigekommen, der zufälligerweise frische Ware hatte. Ich konnte mir das Fleisch selbst aussuchen.“
 

„Es riecht jedenfalls sehr gut“, lobte Levi, was Eren zufrieden lächeln ließ.
 

„Du kannst gerne den Tisch decken, wenn du möchtest. Wo du doch so sehr an die Schränke willst.“
 

„Wenn du lieb gebeten hättest, hätte ich es vielleicht gemacht“, erwiderte Levi mit gezückter Augenbraue und setzte sich demonstrativ tatenlos an den Tresen und süffelte aus seinem Glas.
 

„Und wie war dein Tag so?“, fragte Eren mit ironischem Unterton.
 

„Ich habe Aufnahmen gehört und Protokolle durchgelesen und war in fünf Stunden effektiver als die Idioten in drei Tagen“, meinte Levi leicht genervt bei dem Gedanke an die Kollegen.
 

„Du hast also gearbeitet, es uns aber verboten?“, wiederholte Eren nicht sonderlich angetan.
 

„Das ist der Unterschied zwischen Bauer und König.“
 

„Ich verstehe gerade, dass du der Bauer bist, der ackert und wir die Könige, die dabei zusehen.“
 

Levi schmunzelte.

„Zum Einen steht und fällt die ESE mit mir, zum Anderen muss ich mich auf euch verlassen können und das geht ersichtlich nicht, wenn ihr alle auf dem Zahnfleisch angekrochen kommt.“
 

„Das gilt aber auch im Umkehrschluss: Wir müssen uns auch auf dich verlassen können und dafür muss es auch für dich Auszeiten geben“, argumentierte Eren dagegen.
 

„Die hab ich, sonst wären es mehr als fünf Stunden geworden.“
 

„Okay.“ Eren ließ es gut sein. Levi würde schon wissen, wie viel er sich zumuten konnte.
 

Sie verfielen in ein müdes Schweigen, als Eren den Tisch deckte und das Gericht servierte.
 

„Schmeckt gut“, bestätigte Levi, nachdem er probiert hatte.
 

„Freut mich“, lächelte Eren und genoss das zarte Rindfleisch. Das war wirklich ganz hervorragende Qualität.
 

„Hast du diese ganzen Gerichte aus Kochbüchern oder hast du auch welche von deinen Eltern gelernt?“, fragte Levi unerwartet, was Eren aufsehen ließ.
 

„Hm, überlegen. Ich kenne ein paar Süßspeisen von meiner Mutter und schlichte Gerichte mit Bulgur, Couscous oder Maismehl. Ach ja, und ich weiß von Mikasas Eltern, wie man eine ganze Ziege auf dem Spieß überm Feuer zubereitet“, grinste Eren und erinnerte sich noch gut an das große Geburtstagsfest von seinem Vater, der von den Ackermanns eine lebendige Ziege geschenkt bekommen hatte. Seine Mutter war nicht sonderlich begeistert davon gewesen, dass ihr Mann das Tier selbst schlachten musste, bevor es ausgenommen, enthäutet und aufgespießt wurde.
 

„Ziege haben wir auch gegessen“, Levi dachte kurz nach, „Eigentlich generell alles, was man über einem Feuer wenden kann.“
 

„Also Hunde, Katzen,… Menschen“, zählte Eren amüsiert auf.
 

„Vielleicht doch nicht alles“, schränkte Levi seine Aussage schmunzelnd wieder ein.
 

„Aber das klingt eher nach dem, was Soldaten essen würden und nicht du mit deiner Familie.“
 

„Ja, das war auch so“, stellte Levi klar, „Wir haben zeitweise alles gegessen, was wir bekommen konnten und nicht aus einer Konserve, einem Beutel oder in Pillenform daherkam.“
 

„Dabei sind diese Ernährungspillen echt praktisch.“ Die hatten schon die ein oder anderen Leben gerettet.
 

Levi spitzte verekelt die Lippen.

„Wir reden nochmal darüber, wenn du das Zeug drei Wochen hintereinander eingeworfen hast.“
 

Eren nickte verständnisvoll, ehe er neugierig nachhakte.

„Was war das seltsamste, was ihr gegessen habt?“
 

„Du stellst Fragen“, Levi sah nach oben, „Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern. Es gab einige richtig widerliche Mahlzeiten und damit meine ich nicht Heuschrecken oder Skorpione. Ich denke, ich habe es ziemlich verdrängt.“
 

„Wir haben mal Affenhirn gegessen, als wir in so einer Provinz in Zentralafrika waren. Das war…unaussprechlich.“ Allein bei dem Gedanken daran wurde Eren übel.
 

Levi betrachtete ihn angewidert.

„Ist das nicht illegal?“
 

„Sag’ das den Eingeborenen.“
 

„Wie seid ihr denn zu sowas gekommen? Unwissentlich?“
 

„Ja. Meine Eltern haben ja in vielen verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet und sind so in manches Eck geschleppt worden. Wir haben es erst im Nachhinein erfahren.“
 

„Und alles aufgegessen?“, fragte Levi mit der Faszination des Grauens.
 

„Meine Eltern schon, weil sie es erst später erfahren haben. Sie dachten wohl, es sei sowas wie Leber. Ich habe mich nach den ersten Bissen geweigert - unhöflich hin oder her.“
 

„Ärzte, die Hirn für Leber halten“, resümierte Levi, „Wie beruhigend.“
 

Eren lachte auf.

„Zu ihrer Verteidigung: Es war kleingeschnitten und hatte wohl die richtige Konsistenz für Leber. Als Arzt kocht man immerhin selten die inneren Organe seiner Patienten.“
 

„Wäre wünschenswert.“
 

„Isst du eigentlich Innereien?“
 

„Nicht, wenn ich eine Wahl habe.“
 

„Gut, sowas koche ich nämlich nicht. Mir schmeckt’s nicht.“
 

„Wenn wir schon beim Thema sind“, meinte Levi, als er fertig gegessen hatte, „Ich würde morgen eine Gemüse-Reispfanne machen.“
 

„Gern“, seufzte Eren tief, „Wie soll ich mich nach den drei Wochen je wieder mit dem Kantinenfraß abfinden?“
 

„Du kannst dir ja selbst kochen.“
 

„Ehhh“, machte Eren wenig begeistert und stand auf, um die Teller wegzuräumen.
 

„Beschwer’ dich nicht, wenn du zu faul bist.“
 

Eren zuckte mit den Schultern.

„Es macht nicht so viel Spaß, wenn ich nur für Armin kochen muss.“
 

„Du kannst ja für die ganze Einheit kochen“, schlug Levi schmunzelnd vor.
 

„Ja, genau. Hab ja sonst nix zu tun.“
 

„Immer nur am Meckern.“
 

„Eigentlich war es ja als Kompliment gemeint“, erklärte Eren, während er die kleine Spülmaschine einräumte.
 

„Gut zu wissen“, erwiderte Levi trocken und erhob sich, um sein Glas nachzufüllen.
 

„Ach, da fällt mir ein…“ Eren beendete den Satz nicht, als er die Spülmaschine anwarf und ins Wohnzimmer zu seinem Rucksack lief.
 

Er holte das Päckchen aus der Stofftasche, die er neben seinen Habseligkeiten abgestellt hatte und ging wieder zurück zu Levi, der ihn neugierig beobachtete.
 

„Hier, das ist für dich“, lächelte er und hielt Levi das Päckchen hin.
 

Levi sah es überrascht an, dann ihn und stellte das Glas aus der Hand.
 

„Was ist das?“, wollte er wissen und schien ehrlich verblüfft, als er das Päckchen nahm und es in den Händen drehte, „Tee?“
 

Eren nickte lächelnd.

„Bio-Earl Grey aus China. Wir sind an so einem gut sortierten Teeladen vorbeigekommen. Ich hoffe, er ist gut. Roch und sah zumindest gut aus, soweit ich das einschätzen kann.“
 

„Warum?“ Levi war so herrlich perplex, dass Erens Lippen sich zu einem strahlenden Lächeln formten.
 

„Ich könnte natürlich sagen aus Dankbarkeit, dass du mich bei dir wohnen und sogar in deinem Bett schlafen lässt, um mich vor der grauenhaften Couch zu bewahren“, schmunzelte Eren, „Aber um ehrlich zu sein, habe ich einfach an dich denken müssen, als ich den Laden gesehen habe und wollte dir eine Freude machen.“
 

Levi starrte ihn an, blinzelte dann auf den Tee hinab.

„Danke.“
 

„Gern.“ Langsam schien sich Levis unbeholfene Verlegenheit auf ihn zu übertragen, zumindest spürte Eren, wie seine Wangen warm wurden und kribbelten.
 

Als Levi wieder in seine Augen sah, konnte Eren nicht anders als zu strahlen und dabei auszublenden, wie ihm unter Levis musterndem Blick heiß wurde.
 

„Ähm“, machte Eren nicht sonderlich intelligent, „Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich vor ins Bad gehen.“
 

„Klar“, erwiderte Levi ihn immer noch genau betrachtend, ehe Belustigung durch seine Augen blitzte, „Du willst ja bloß, dass ich das Bad am Ende putzen muss und nicht du.“
 

„Erwischt!“, lachte Eren nervös auf und wirbelte herum, um sich zügig ins Bad und aus der leicht seltsamen Situation zu retten.

Oder eher sie beide.
 

Vielleicht war es etwas daneben seinem Vorgesetzten was zu schenken?

Nein, beschloss Eren, das war genau richtig gewesen.
 

Er ertappte sich selbst dabei, wie er unentwegt vor sich hin lächelte.
 

*~*
 

Wenn es so weiter ging, verlor Levi seinen Verstand.
 

Da nahm er extra ein angenehm langes Bad, um Eren nicht mehr wach antreffen zu müssen und dann sowas.
 

Aufgebracht schnaubte er, überlegte fieberhaft, wie er mit der Situation am besten umgehen sollte.
 

Er lag mit dem Rücken zu Eren. Half nur nichts, denn der Kerl hatte sich im Schlaf auf Levis Betthälfte gedreht und atmete ihm nun quasi in den Nacken. Levi drängte sich so nah an die Wand, dass er sie beinahe mit der Nasenspitze berührte, konnte aber nicht weiter fliehen.
 

Dementsprechend konnte er entweder das Bett verlassen oder Eren wegschubsen. Normalerweise hätte es für ihn keine Alternative gegeben. Natürlich wäre es Wegschubsen gewesen.
 

Normal war für ihn diese Situation allerdings herzlich wenig.
 

Er wollte sich nicht umdrehen.

Er wollte Eren nicht ins Gesicht sehen.

Schon gar nicht wollte er ihn aufwecken.
 

Es war der Punkt erreicht, an dem sich Levi selbst nicht mehr vertraute.
 

Trotzdem fasste er sich und drehte sich Millimeter für Millimeter um. Ganz langsam, behutsam.

Und starrte direkt in Erens schlafendes Gesicht, das eine Handbreit vor seinem ruhte.
 

Ein kribbelnd heißer Schauder durchfuhr ihn von der Haarwurzel bis in die Zehenspitzen und ihm brach der Schweiß aus. Der angenehm kühle Raum erschien ihm plötzlich stickig, seine Klamotten klebrig an seiner Haut und die Decke wie ein schweres Fangnetz.
 

Empfindungen loderten in ihm auf, über die er sich bloß wundern konnte.
 

Er hatte vergessen, was es hieß zu begehren. Jemanden zu begehren.

Wie verzehrend dieses Gefühl sein konnte, wie allumfassend und erbarmungslos.
 

Es kostete ihn viel zu viel Selbstbeherrschung einfach nichts zu tun. Liegen zu bleiben, regungslos, nur guckend.
 

Warum musste Eren ihm auch Tee schenken?

Gut riechenden Tee mit qualitativ hochwertig aussehenden Blättern - Levi hatte die Packung geöffnet und nachgesehen.

Warum musste Eren ihn mit jeder Geste, jedem freundlichen Wort immer mürber machen?
 

Er wollte das nicht.

Er konnte es nicht.
 

Es war lächerlich ironisch, dass er sich ausgerechnet in die einzige Person verliebte, die es seit Kriegsende geschafft hatte sich mit ihm anzufreunden.

Levi verliebte sich so unsagbar schwer und dann musste es wirklich ein zehn Jahre jüngerer Mann sein?
 

Wütend mit sich selbst zog Levi die Augenbrauen zusammen und nutzte den Zorn um seine Hände an Erens Schultern zu legen und ihn langsam wegzuschieben.
 

Bis auf ein leises Seufzen reagierte Eren nicht und ließ sich wie ein Mehlsack auf die andere Betthälfte drücken.
 

Levi wollte gerade seine Hände zurückziehen, als Eren sich plötzlich im Schlaf schwungvoll auf die andere Seite drehte. Ein lautes Rumsen und schmerzerfülltes Stöhnen waren das nächste was Levi vernahm. Er hatte nur verblüfft dabei zusehen können, wie Eren sich über die Bettkante gedreht hatte. Ups.
 

„Ah, verdammt“, stöhnte Eren und Levi hob seinen Oberkörper, um über die Kante sehen zu können.
 

Eren stützte sich mit einem Ellenbogen am Boden ab und rieb sich mit der anderen Hand fluchend über sein Stirnbein.
 

„Alles okay?“
 

Die Frage ließ Eren schlaftrunken blinzeln und zu ihm hochsehen. Ein Murren war alles, was zwischen seinen Lippen hervorkam. Kein vorwurfsvoller Blick, nur das müde Leid eines aufgeweckten Kindes.
 

Mit einem weiteren Blinzeln setzte sich Eren auf und begann sich langsam und unglaublich umständlich aus seiner Bettdecke zu entwirren, dass es Levi Überwindung kostete sie ihm nicht aus Ungeduld selbst vom Leib zu ziehen.
 

Um sich den Anblick zu ersparen, legte sich Levi wieder hin und starrte an die Decke.

Er wandte den Blick auch nicht ab, als er spürte, dass sich Eren wieder ins Bett legte und das Bettzeug richtete.
 

Erst als er wieder ruhig dalag, richtete er das Wort an Levi.

„Das nächste Mal bitte nicht rausschmeißen.“
 

Prompt drehte er den Kopf in Erens Richtung.

„Das warst du selber. Ich habe dich nur zurück auf deine Seite geschoben und du hast dich auf einmal über die Kante gedreht.“
 

„Ach so“, Verständnis spiegelte sich in den nun dunklen Augen wider, „Warum hast du mich nicht aufgeweckt?“
 

„Weil ich nicht wollte.“
 

„Hab ich dich sehr bedrängt?“
 

„Ja.“
 

„Tut mir leid“, entschuldigte sich Eren mit müder Verlegenheit, „Es ist wirklich kein Problem, wenn du mich wachrüttelst. Von mir aus zieh' mir an den Haaren. Vielleicht sickert es dann wenigstens in mein Bewusstsein, wo ich zu liegen bleiben habe.“
 

„Hm“, machte Levi und drehte Eren wieder den Rücken zu.
 

Es dauerte nicht lange bis er Erens regelmäßigen Atem hörte und döste selbst allmählich ein.
 

Als er wieder aufwachte, spürte er Erens Kopf zwischen seinen Schulterblättern ruhen und begriff mit einem innerlichen Seufzen und schwer schlagendem Herzen, dass er die restliche Zeit bis zur Wasserrohrreparatur so nicht vernünftig denkend überstehen würde.
 

Ziemlich genervt von Gott und der Welt setzte sich Levi vorsichtig auf und starrte Erens schlafendes Profil böse an. Er war zu nett zu ihm, wenn er sich wohl genug fühlte ihm so Nahe zu kommen. Vielleicht musste er rabiater mit ihm umgehen.
 

Also entschloss er sich - wie Eren das ja auch sagte - ihm an den Haaren zu ziehen und grob aufzuwecken.
 

Entschlossen fuhr er mit seinen Fingern in Erens Haare, drauf und dran an den schön langen Strähnen zu ziehen, als ihn unerwartet die Kraft verließ.
 

Wie ein blauäugiges Katzenjunges verlor er sämtliche Konzentration und fixierte sich gebannt auf das Interessanteste, das seine Aufmerksamkeit vollkommen einfing.
 

Weich.
 

Seine Hand entspannte sich, ließ von Erens Strähnen ab, doch seine Finger verharrten.
 

Mit irrationaler Faszination zwirbelte er eine Strähne zwischen den Fingern. Erens Haar war weich, gepflegt und gerade lang genug, um sich darin festkrallen zu können.
 

Levi stockte, als erneut eine Welle aus Sehnsucht über ihm zusammenbrach.
 

Das Bedürfnis Eren zu umarmen, ihn fest an sich zu spüren, die Hände in seinen Haaren zu vergraben wurde beinahe übermächtig.
 

Diese Nacht war wirklich besonders schlimm.
 

Und Eren hatte keine Ahnung.
 

Bedauern erfüllte ihn schneller als er damit umgehen konnte und er seufzte tief.

Er ließ von Erens Haaren ab und packte seine Schulter, schüttelte ihn, bis Eren murrend die Augen aufschlug.
 

„Wha?“, begann er zu protestieren, doch als ihm ihre Position und Levis missbilligender Blick bewusst wurde, brach er ab und beeilte sich wieder auf die andere Bettseite zu robben, „'Tschuldigung.“
 

„Hmhm“, summte Levi tadelnd, „Das muss aufhören.“
 

„Ich mache das ja nicht mit Absicht“, verteidigte sich Eren mit schmollendem Unterton.
 

„Ist mir egal. Es stört mich.“
 

„Soll ich wieder auf die Couch zurück?“
 

Diese Frage brachte Levi kurzzeitig aus dem Konzept. Klar, er konnte sich einen Großteil dieses Theaters sparen, wenn er Eren verdammt nochmal auf Abstand brachte.

Aber irgendwie…
 

Es hatten zuvor doch auch schon alle Versuche fehlgeschlagen, Eren von sich fern zu halten.

Warum sollte er ihn aus seinem Bett werfen, nur weil Levi zu sensibel auf seine Nähe reagierte?

Hanji war auf ihm gelegen, bevor er sie auf die andere Betthälfte komplimentiert hatte und Eren berührte ihn kaum.

Es wäre ungerecht.
 

Also versuchte er es anders.

„Wie wär’s, wenn du dir bewusst machst, dass du dich ständig an deinen Vorgesetzten kuschelst. Das ist peinlich.“
 

„Mir ist das nicht peinlich. Ich habe halt keine Berührungsangst, wenn mir jemand vertraut ist“, erklärte Eren mit zusammengezogenen Augenbrauen, „Es tut mir leid, dass es dich stört. Aber ich kann das im Schlaf nicht steuern.“
 

„Wie kann ich dir nur so vertraut sein? Bist du immer so anhänglich?“ Levi hatte die Fragen bereits ausgesprochen, ehe ihm klar wurde, dass er die Antwort auf keinen Fall hören wollte.
 

Amüsement blitzte durch Erens Augen.

„Na ja, ich hätte auch nicht geglaubt, dass ich mich mit einem Vorgesetzten befreunden könnte. Normalerweise bin ich für die ein rotes Tuch. Aber aus irgendeinem Grund war ich’s dir nicht nur wert, dass du mich förderst, sondern auch, dass du mit mir redest und mich anscheinend genug magst, um mit mir über Gott und die Welt zu diskutieren“, strahlte Eren, „Das macht mich sehr glücklich und haben bisher nur eine Handvoll Menschen getan; darunter Mikasa und Armin. Und beide mussten sich meine Anhänglichkeit gefallen lassen, wenn sie mit mir im Bett schliefen. Ich denke, wenn du mich regelmäßig verprügelst, schaltet mein Hirn wieder um und versucht dich zu meiden.“
 

„Tse.“ Schwungvoll drehte sich Levi um und ignorierte Erens leises Lachen. Er konnte ihn wirklich nur rausschmeißen oder schlagen. Beides erschien ihm vergleichbar unangebracht, wie einen frierenden Welpen vor die Tür in den Regen zu setzen.
 

Eren war verflucht entwaffnend mit seinen expressiven Augen und kitschigen Worten. Es war zum Kotzen.
 

Er konnte nur hoffen, dass Eren zu gutgläubig war, um zu erkennen, dass er Levi zu manipulieren vermochte.
 

*~*
 

Eren wachte auf, als Levi aufstand. Allerdings marschierte er nicht in die Trainingsräume wie Levi, sondern blieb bis 07:00 Uhr liegen, ehe er sich duschte - das ständige Abtrocknen und Putzen der Duschkabine ging ihm gehörig auf den Senkel, da konnte man sich das Duschen glatt abgewöhnen - und Galettes zubereitete. Er machte bloß zwei für jeden, aber das reichte zum Frühstück allemal.
 

Levi kam eine Viertelstunde vor ihrer Besprechung vom Training zurück, sodass Eren die Galettes wie Wraps rollte, um sie schneller essen zu können.
 

„Levi! Komm’ bitte Frühstücken!“, rief er von der Küche aus und sah sich prompt einem missbilligendem Blick gegenüber.
 

„Du bist ja schnell“, scherzte Eren, der Levis Laune richtigerweise eher in der unteren Skala des Stimmungsbarometers einordnete, „Ich habe Galettes gemacht. Das sind-“
 

„Ich weiß, was das ist“, unterbrach ihn Levi mit harter Stimme, „Du musst nicht jeden Morgen kochen, geschweige denn so üppige Gerichte.“
 

Eren ließ sich nicht ins Bockshorn jagen.

„Zugegebenermaßen sind hier bloß Eier, Tomaten, Käse und Spinat drin. Es ist also nicht zu heftig.“
 

„Hm.“ Levi betrachtete ihn skeptisch, doch Eren konnte in seinen Augen lesen, dass es ihm eigentlich nicht ums Essen ging.
 

Levi war wegen ihm mies drauf. Er hatte ein Problem mit ihm als Person und Eren brauchte nicht viel Fantasie, um zu erraten weshalb. Er musste wirklich zusehen, dass er Levi in der Nacht nicht mehr bedrängte oder so anständig sein sich selbst aus dem Bett zu werfen und wieder auf der Couch zu schlafen. Levi war eindeutig zu gutmütig, um es selbst zu tun.
 

Sie aßen schweigend und machten sich zügig für die Besprechung fertig.
 

Um Punkt 08:00 Uhr öffnete Levi die Tür zum Besprechungsraum, in dem bereits alle saßen und warteten.
 

Eren beeilte sich schnell neben Armin auf seinen Platz zu huschen und kassierte von Jean gegenüber eine gezückte Augenbraue und arroganten Blick.

War klar, dass sich die Pferdefresse wieder das Maul darüber zerreißen wollte, dass er auf den letzten Drücker kam und womöglich wollte er ihm auch noch vorwerfen, Levi aufgehalten zu haben.
 

Eren schnaubte und erwiderte Jeans Blick mit einem hitzigen.
 

„Guten Morgen“, begrüßte sie Levi und verlinkte sein Tablet mit dem Projektor, „Diese Woche werden wir uns um die Vorbereitung eines Einsatzes am 02. Februar und die Auswertungen der Überwachungsprotokolle kümmern.“
 

Levi blickte jeden Sitzenden kurz an.

„Historia und Hannah werden mir bei der Auswertung behilflich sein, während sich das Präzisionsschützenkommando heute einschießen geht und Jean und Eren mit ihren Gruppen Cardiotraining machen bis sie umfallen und das meine ich wortwörtlich. Fragen?“
 

„Kann ich mich bei der Auswertung nicht nützlicher machen?“, wollte Armin wissen und fing sich einen gelangweilten Blick ein.
 

„Wenn es so wäre, hätte ich dich mir zugeteilt.“ Damit war für Levi das Thema erledigt.
 

Aber Armin war noch nicht ganz fertig.

„Was hat es mit dem Einsatz am 02. Februar auf sich?“
 

„Es geht dabei um einen Schiffstransport von Baumaterialen, den ich überprüfen will. Genaueres später.“
 

„Wann sollen wir uns zur Abschlussbesprechung treffen?“, meldete sich Jean zu Wort.
 

„Um 14:00 Uhr zum Mittagessen in der Kantine und um 19:00 Uhr wieder hier.“
 

Sie nickten und wurden entlassen.
 

*~*
 

„Ich verhungere“, seufzte Armin in der Umkleide, als er und Eren sich für das Mittagessen nach der Dusche anzogen.
 

Sie waren die Letzten, da sie mit ihren Laufzeiten in Verzug geraten waren, nachdem Sairams Leute wieder Ärger gemacht und sie bei ihrem Training gestört hatten. Sie zogen diese Typen anscheinend an wie ein Magnet. Glücklicherweise waren alle gelassen geblieben und hatten das Mobbing ignoriert.
 

„Ich auch“, murrte Eren, „Ich hoffe, Levi nimmt es mit dem Mittagessen nicht zu genau.“
 

„Die anderen werden schon sagen, dass es nicht unsere Schuld ist“, meinte Armin, bevor ihm etwas anderes einfiel, „Wie läuft das Zusammenleben mit dem Chef eigentlich? Du erzählst gar nichts.“
 

Gewöhnlich überhäufte Eren ihn mit Erzählungen über alles, was ihm durch den Kopf ging, als sei Armin sein lebendiges Tagebuch. Für viele mochte das anstrengend klingen, doch Armin störte das in keiner Weise. Es machte ihn glücklich einen Menschen zu haben, dem er so nah stand und dem er ohne Einschränkungen vertrauen konnte. Eren war sein einziger wahrer Freund.
 

Umso seltsamer war es, dass Eren keinen Ton über Levi sagte, seit sie gezwungenermaßen zusammenwohnten.
 

„Gut, gut. Wir schlagen uns nicht die Köpfe ein. Aber diese Putzerei nervt. Er ist ein Sauberkeitsfanatiker“, lachte Eren und schüttelte den Kopf.
 

„Und wie schläft es sich auf der Couch? Hast du dich daran gewöhnt?“ Eren hatte ihm immerhin lautstark vorgejammert, wie schrecklich das Teil war.
 

„Ach, auf der muss ich Gott sei Dank nicht mehr schlafen“, erklärte Eren ihm mit großen Augen, die Erstaunen verrieten, dass er vergessen hatte Armin davon zu erzählen.
 

„Und wo dann?“, fragte Armin nach und bemerkte verwundert, wie Erens Grinsen noch breiter wurde.
 

„Im Bett.“
 

„Rivaille hat zwei Betten? Ich dachte-“
 

„Nein, nein“, unterbrach er ihn, „Ich darf mit in Levis Bett schlafen. Es ist locker groß genug für Zwei.“
 

„Was?“ Armin starrte Eren perplex an. Innerlich ziemlich überrascht von dieser Entwicklung.
 

Eren schien seine Verwunderung peinlich zu sein.

„Das ist keine große Sache. Hanji hat damals auch bei ihm geschlafen und wie gesagt, die Couch ist scheiße und das Bett groß.“
 

„Warum hast du dir keine Isomatte oder ein Feldbett besorgt“, fragte Armin verständnislos, „Davon haben wir genug im Ausrüstungsbunker.“
 

Blinzelnd sah Eren auf ihn hinab, deutlich zum ersten Mal daran denkend, dass es Alternativen zum Bett des Vorgesetzten gab.

„Oh.“
 

Schmunzelnd schüttelte Armin den Kopf.

„Du hast echt keine Berührungsängste. Schläfst einfach so mit deinem Vorgesetzten im selben Bett.“
 

„Was ist so schlimm daran?“, begann Eren sich angegriffen zu fühlen.
 

„Nicht schlimm“, erläuterte Armin schnell und grinste, „Nur ungewöhnlich und so typisch du, dass es weh tut.“
 

„Häh?“
 

„Eren“, schnaubte Armin geduldig, „Die meisten Menschen würden sich unwohl fühlen mit im Bett ihres Chefs zu schlafen.“
 

Eren legte den Kopf leicht schief.

„Levi hat sich auch schon gewundert, aber ich sehe ihn als Freund. Also warum sollte ich deswegen ein Theater machen? Das Bett ist echt bequem.“
 

„Moment“, hakte Armin nochmal ein, „Worüber genau hat sich Rivaille gewundert?“

Er hatte so eine Ahnung, aber er musste es hören, bevor er es glauben konnte oder wollte.
 

„Na ja“, fing Eren an und besaß tatsächlich die Dreistigkeit zu erröten, „Du weißt ja, dass ich zuweilen recht, uhm, distanzlos sein kann.“
 

„Distanzlos“, wiederholte Armin ungläubig und musste sich das Bild von einem sehr anhänglichen, ahnungslos schlafenden Eren vorstellen, der halb auf einem ziemlich angepissten Levi lag, der die Messer wetzte.
 

Armin sah in Erens bedröppeltes Gesicht und brach glatt in Gelächter aus.
 

Natürlich plusterte Eren sich sofort auf.

„Freut mich, wenn ich zu deiner Belustigung diene, aber du bewertest das mal wieder völlig falsch.“
 

„Ach ja?“, lachte Armin, „Wie bewerte ich es denn?“
 

„Ich weiß nicht, aber du machst da eine viel kompliziertere Sache draus als sie ist“, betonte Eren angesäuert, „Levi ist Soldat und hat bestimmt schon mit vielen Kameraden das Lager geteilt und… Warum lachst du schon wieder?“
 

Armin musste sich bei Erens Formulierung beinah die Lachtränen wegwischen und tief Luft holen.
 

„Bitte sag’ das sonst keinem, sonst machst du dich zum Gespött“, legte Armin seinem herrlich ahnungslosen Freund ans Herz, „Und es mag sein, dass du Recht hast und sich Rivaille nichts dabei denkt - ganz sicher sogar - aber trotz freundschaftlichem Umgang darfst du nicht vergessen, dass er dir nicht ebenbürtig ist. Er ist und bleibt dein Vorgesetzter und es gibt Grenzen, die du nicht überschreiten darfst, egal welche das sein mögen. Ansonsten bringst du dich und vor allem ihn noch in eine unangenehme Situation, die sich negativ auf eure freundschaftliche Beziehung auswirkt.“

Und am Ende womöglich noch auf die ganze Einheit und das konnte gefährlich werden.
 

Das Wort „Freundschaft“ kam Armin nicht über die Lippen.

Aus irgendeinem Grund hörte es sich falsch an. Doch Armin erklärte es mit ihrem beruflichen Verhältnis und der Tatsache, dass sowohl Levi als auch Eren Menschen waren, die schwer echtes Vertrauen zu anderen aufbauten.
 

Überrascht sah Armin, wie Eren bei seinen Worten innerlich zusammensackte und die Schultern hängen ließ.
 

„Ich weiß.“
 

Natürlich wusste er es, wieso also spiegelte sich so viel enttäuschte Ernüchterung in seinen Augen wider?
 

„Schau doch nicht so“, versuchte Armin ihn wieder aufzumuntern, „Von ein wenig mehr Professionalität ändert sich doch nichts an eurem Verhältnis.“
 

„Soll ich also besser wieder auf die Couch zurück?“, fragte Eren etwas ratlos und eindeutig unwillig.
 

„Ich denke, du weißt am besten, wann du zu viel von Rivaille verlangst.“
 

Verständnis blitzte durch Erens Augen. Er wusste es also ganz genau.
 

„Was hat er eigentlich zum Tee gesagt?“, wechselte Armin das Thema.
 

Erens Gesicht hellte sich auf.

„Er hat sich wahnsinnig gefreut“, strahlte Eren, „Aber er konnte es nicht richtig zeigen. Er war völlig verblüfft und sprachlos.“
 

„Echt?“ Armin blinzelte verwundert.
 

„Ja, er stand etwas hilflos da und wusste nicht, womit er das verdient hatte. Es hat mich sehr an die Geschichten deiner Oma erinnert, in denen sie immer davon gesprochen hat wie verschämt ich als Kind gewesen bin, wenn ich ein Geschenk von ihnen bekommen habe.“
 

Armin erinnerte sich. Auch er hatte noch ein Bild im Kopf, wie der sonst stürmische Eren sich plötzlich zierte und mit rot glühenden Wangen vor seiner Oma herumtänzelte, die ihm zum Geburtstag ein kleines Päckchen mit zwei Pullovern hinhielt.
 

„Aber dann ist das Geschenk gelungen?“, fragte er unnötigerweise.
 

Eren nickte ihm bloß zu und sah dabei so glücklich aus, dass Armin kurz stockte.

Eren strahlte oft, gerade Armin war gut und gern der Adressat von Erens Freude und trotzdem irritierte ihn etwas an diesem Bild.
 

„Schön“, lächelte Armin, während er Eren von der Seite musterte, der weiterhin vor sich hin lächelte.
 

Es mussten seine Augen sein, fiel Armin auf. Seine Augen waren anders. Der Ausdruck in ihnen.
 

Diese Entdeckung spornte Armins Ehrgeiz an, dem Grund dafür auf die Spur zu kommen. Obwohl es gefühlt vermutlich nicht sehr schwer werden würde ihn herauszufinden.
 

„Ich glaube jetzt müssen wir uns ernsthaft beeilen“, stellte Armin erschrocken fest, als er zufällig mit dem Blick über die nächste Wanduhr streifte.
 

„Fuck!“, fluchte Eren erschrocken und sie liefen los wie ungezogene Schulkinder, die zu spät zum Unterricht kamen.
 

*~*
 

„Das klingt ehrlich gesagt nicht sonderlich vielversprechend.“
 

Levi wandte sich Jean zu, der von der Anweisung am 02. Februar einen Einsatz aufgrund spärlicher Hinweise durchzuführen sichtlich wenig hielt.
 

„Seht es als Trainingseinsatz, wenn euch mein Bauchgefühl nicht überzeugt“, entgegnete Levi kühl.
 

„Und es gibt bisher keine konkreteren Informationen?“, wollte Annie wissen.
 

„Nichts für einen Einsatz.“
 

Ein tiefes Durchatmen ging durch den Raum. Sie schienen es alle zu fressen.
 

„Morgen läuft genauso wie heute, nur ohne Besprechung um 08:00 Uhr. Stattdessen wieder Mittagessen und Abendbesprechung um 18:00 Uhr. Gute Nacht.“
 

„Ja, Sir“, erwiderten sie brav einstimmig und schoben ihre Stühle zurück.
 

Schnurstracks ging Levi voraus in ihr Wohngebäude, zückte auf dem Weg sein Mobiltelefon und wählte Erwins Nummer.
 

Wieder das eigentümliche Klingeln, das eine sichere Leitung signalisierte, ehe die müde Stimme ertönte.

„Levi, was kann ich für dich tun.“

Es war keine Frage. Eine Frage wäre unnötig gewesen.
 

„Am 02. Februar werden wir einen Schiffstransport untersuchen. Ich will dein formelles „Okay“ dafür“. Immerhin war Erwin der Leiter der ESE. Levi führte die Einheit bloß.
 

„Untersuchen?“ Erwins Stimme verriet deutlich seine Verwunderung.
 

„Ich bin der Einzige, der eine Untersuchung in Betracht zieht.“
 

„Natürlich kriegst du mein Einverständnis“, erklärte Erwin, bevor er nachhakte, „Aber was glaubst du zu finden oder weißt du es selbst nicht?“
 

Levi zögerte einen Moment zu lang.
 

„Gleich. Halt mich auf dem Laufenden.“
 

„Danke, Erwin.“
 

„Pass auf dich auf.“ Damit legte er auf.
 

Tief durchatmend schloss Levi einen Moment die Augen.
 

Er hatte sich immer gut auf sein Bauchgefühl verlassen können.

Schlimmstenfalls fanden sie nichts und hatten eben einen weiteren Einsatz geübt.
 

Scheiß drauf, wenn die anderen Polizeieinheiten dann darauf herumreiten würden. So viel Größe und Selbstbewusstsein musste Levi eben aufbringen.
 

„Tch.“ Trotzdem schnaubte er wütend, als er die Tür aufsperrte.
 

Eren schloss gerade zu ihm auf, als er durch die Tür ging.
 

„Alles in Ordnung?“, fragte er noch bevor sich Levi die Schuhe ganz ausziehen konnte.
 

„Alles prima“, grollte Levi und wunderte sich im selben Atemzug über seinen Kontrollverlust.
 

„Wenn du dich auskotzen möchtest, tu es einfach.“
 

Levi hob ruckartig den Kopf und starrte Eren direkt in die ruhigen, entschlossenen Augen und Levi wurde jäh bewusst, wie sehr er mit Eren über seinen ganzen Frust reden wollte. Sich einfach abreagieren wollte. Sinnlos toben, um wieder runterzukommen.
 

Hin- und hergerissen hielt Levi Erens geduldigen Blick, dachte fieberhaft nach, was er sich erlauben konnte.
 

Er schnaubte und befahl: „Du. Ich. Schwimmbad. Sofort.“
 

Mit diesen Worten zog er sich seine Schuhe wieder an und stürmte zum Trainingsraum.

Als Leiter einer Einheit hatte er dort einen eigenen Spind mit Trainingsklamotten und Badeutensilien.
 

Er benahm sich zugegeben etwas manisch, als er sich in Rekordgeschwindigkeit duschte und in Windeseile ins Wasser sprang und bahnen schwamm, als hinge sein Leben davon ab.
 

Er war eindeutig übermüdet, überarbeitet und unausgeglichen wie sau.

Und dumm. So dumm, dass er Eren mit hineinzog.
 

Er bemerkte Erens Anwesenheit erst, als er ebenfalls ins Wasser sprang und sich warm schwamm.

Levi ignorierte ihn, bis er bemerkte, dass Eren am Ende der Bahn auf ihn zu warten schien.
 

Also hielt er inne und sah in ruhige, seegrüne Augen.

„Wettschwimmen über zehn Bahnen?“
 

Levi nickte bloß und drehte sich zum Beckenrand, um sich hinaus- und auf den Startblock zu hieven.
 

Sie nahmen ihre Positionen ein und zählten gleichzeitig von drei abwärts.

Sie hatten das schon so oft gemacht. Ihr Timing war perfekt.
 

***
 

Sie japsten beide nach Luft und lehnten am Beckenrand, als sie sich von ihrem kleinen Wettkampf erholten. Levi hatte mit einer halben Bahn Vorsprung gewonnen. Nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass Eren den ganzen Tag nichts anderes getan hatte als zu trainieren.

Vermutlich hielt er sich gerade so noch über Wasser und es war Levis Schuld, dass er einen seiner Gruppenführer aus purer Eigensucht um seine Erholung brachte.
 

„Tch.“
 

„Levi.“
 

Es war ein Automatismus, der ihn, obgleich widerstrebend, zu Eren sehen ließ.

Ein Wimpernschlag und Levis innere Mauer bröckelte.
 

„Ich bin Soldat. Ich musste viele schwierige Entscheidungen treffen und mit den Konsequenzen leben. Ich musste Menschen töten und dabei zusehen, wie andere getötet wurden. Ich habe verdammt viel Scheiße fressen müssen und jetzt bin ich hier, umringt von einem Haufen eingenässter Rotzlöffel, deren größtes Problem die nächste Fotze ist, die sie ficken, das nächste Auto, das sie kaufen, das nächste Diplom, die nächste Medaille, der schiefe Zinken des Kollegen oder irgendwelcher anderer trivialer Scheiß, der so so unglaublich unwichtig ist. Kleingeistige, versnobte… es gibt kein adäquates Schimpfwort für diese Menschen.“

Seine Stimme nahm eine zunehmend verzweifelte Note an.

„Sie sind so verdammt hilflos! Wie kann man so hilflos sein?! Und dann besitzen sie die Impertinenz mich zu belächeln, zu verarschen und sich hinter meinem Rücken die Mäuler zu zerreißen wie die feigen Waschweiber, die sie sind. Von denen hätte kein Einziger eine Woche in China überlebt.“
 

Kaum hatte Levi seiner Wut Luft gemacht, überkam ihn Scham, ob seines Kontrollverlusts.
 

Er würdigte Eren stur keines Blickes und stemmte sich aus dem Wasser.
 

„Levi. Levi, warte!“
 

Er hielt kurz inne.

„Tut mir leid, dass du dir das anhören musstest.“
 

Mit diesen Worten ging er zügig zu den Umkleiden. Ihm war übel und er wollte nur weg.
 

Wohin?
 

Er wusste es nicht.
 

Er trocknete sich dürftig ab und zog sich an, ehe Eren ihm nachsteigen konnte.
 

Er hätte seine scheiß Fresse halten sollen. Er musste ein Anführer sein. Kein kläffender Köter, der sich gehen ließ.
 

Für was?
 

Für was?
 

Im Appartement angekommen ging er sofort ins Schlafzimmer, zog sich um und warf sich ins Bett. Dabei wickelte er sich so fest in die Bettdecke ein als könne er mit ihr die Löcher in seiner inneren Mauer stopfen. Er fühlte sich auf einmal so einsam. So unsagbar einsam.
 

Er zog die Knie fast bis zu seiner Brust und kniff die Augen fest zusammen. Doch er konnte nicht verhindern, dass all diese Gefühle aus ihm herausquollen wie vergiftetes Blut. Er war blutbesudelt. Er suhlte sich im Blut all derer, die er getötet hatte, vermischte es mit seinem Eigenen.
 

Ein See aus rot.
 

Seine Gedanken waren so laut und tosend, dass er zutiefst erschrak, sich seine Augen gefühlt öffneten wie ein Paukenschlag.
 

Plötzlich war es still.
 

Ein Arm lag um ihn. Über dem ganzen Deckenwirrwarr. Der Ellenbogen ruhte auf seiner Taille, die Hand auf seiner Schulter.
 

Er konnte sich nicht bewegen.
 

„Ich verstehe dich“, flüsterte Eren direkt hinter Levis Kopf, „Es ist okay. Es ist okay so zu fühlen.“
 

Du verstehst gar nichts, schrie es in Levi, doch er verkrampfte sich nur noch mehr, blieb stumm.
 

Obwohl Eren seine Abneigung nicht übersehen konnte, ließ er nicht von ihm ab. Oh nein, er machte es schlimmer. Stürzte Levi in eine Mischung aus Abscheu und dem verzweifelten Wunsch sich seine Haut abzupellen und zu fliehen.
 

Wohin?
 

Die Perspektivlosigkeit ließ ihn verharren, als Eren seine andere Hand trotz Decke zwischen Hüfte und Rippen unter Levi durchwand und sich umständlich mit den Fingern in dem Stoff festkrallte.
 

Eren drückte seine Stirn in Levis Nacken und atmete tief durch.

„Du bist nicht allein.“
 

Nicht allein.
 

Du bist nicht allein.
 

Er war wie ein Bach. Er zerfloss. In diesem einen winzigen Augenblick konnte er sich nicht gedemütigt fühlen. Nicht schwach.
 

Er kauerte sich ein wenig mehr zusammen. Diesmal nicht aus Verzweiflung. Er war nicht allein. In diesem Moment war er nicht allein.
 

Er spürte, wie Eren kurz den Druck seiner Hände an Schulter und Taille verstärkte, hörte ihn leise seufzen.
 

„Soviel zu Grenzen“, wisperte Eren und atmete tief durch.
 

Ein aufgeregtes Kribbeln überzog Levis gesamten Körper.
 

Oh, die Grenzen verwischten. Sie verwischten viel zu sehr.
 

Und er schien nicht der Einzige zu sein.
 

*~*
 

Sein Bewusstsein löste sich Faser für Faser aus dem schwarz strahlenden Nichts des Schlafes und die erste greifbare Empfindung war ein unbeschreibliches Wohlgefühl.
 

Er atmete tief ein, ein schauderndes Gefühl im Bauch, als er leise ausatmete. Dieses Gefühl war elektrisierend in einer angenehm paralysierenden Weise, die ihn angetan verweilen ließ.
 

Es dauerte einige Sekunden bis sein Verstand sämtliche Sinneseindrücke verarbeitete.
 

Den bekannten Geruch.
 

Seine Körperhaltung.
 

Erinnerungen an den Abend zuvor.
 

Eren war schlagartig wach.
 

Er lag direkt hinter Levi, den Kopf zwischen seinen Schulterblättern ruhend und ihn in einer losen Umarmung haltend. Seine rechte Hand war von Levis Schulter hinab auf Brustbeinhöhe gerutscht, was trotz des Bettdeckenchaos, in das Levi sich gewickelt hatte, viel zu vertraut war.
 

Das fiel bestimmt nicht in die Kategorie der Dinge, die Armin im Sinn hatte, als sie über Grenzen im Umgang mit ihrem Vorgesetzten gesprochen hatten.
 

Doch als sich der erste Schreck gelegt hatte, realisierte Eren, dass Levi noch schlief. Er hatte sich im Schlaf ebensowenig von ihm wegbewegt und diese Unverschämtheit kommentarlos geduldet…
 

Diese Situation versetzte Eren in einen Gefühlstaumel, der ihm den Atem stocken und das Herz aufgeregt flattern ließ. Diese überwältigenden Empfindungen machten ihm Angst.
 

Er zuckte heftig zusammen als der Wecker klingelte. Eine kurze Melodie, die sich alle fünf Minuten ohne Zutun wiederholen würde.
 

Levi wachte mit einem tiefen Atemzug auf.
 

Eren spürte überdeutlich wie sich Levis Körper beinahe sofort anspannte, sobald sein Bewusstsein ihre Lage verarbeitete.
 

In einem kurzen Moment vermessener Zuneigung ertappte sich Eren dabei nicht loslassen zu wollen. Umso entschlossener zog er seine Arme sachte zurück, setzte sich fast bedächtig auf und bemühte sich darum nicht den Eindruck zu vermitteln irgendwie fliehen zu wollen.
 

Levi sollte spüren, dass er nicht alle Probleme ganz allein mit sich ausmachen musste und nicht den Eindruck gewinnen, dass Eren nicht schnell genug von ihm wegkommen konnte.
 

„Ich geh’ vor ins Bad, wenn’s okay ist“, flüsterte Eren mit vom Schlaf belegter Stimme.
 

„Hm“, murrte Levi, was so viel wie „Ja“ in Levinisch bedeutete.
 

Eren war über jede Reaktion froh. Er betete inständig, dass Levi sich nicht wieder vor ihm zurückzog. Irgendwie musste Eren dafür sorgen, dass es nicht unangenehm zwischen ihnen wurde.
 

Gemächlich schob er sich aus dem Bett und tapste ins Bad, ab unter die Dusche.
 

Erst als er unter dem warmen Wasserstrahl stand, nahm er sich ganz bewusst die Zeit über das Ziehen in seiner Brust nachzudenken.
 

Eigentlich war es mehr als ein Ziehen und nicht sonderlich unbekannt. Bisher hatte Eren allerdings nicht auf sich gehört, alles verdrängt und rationalisiert.
 

Auch jetzt wollte er es nicht wirklich wahrhaben, dass sich die Bewunderung für Levi mit etwas anderem vermischt haben könnte. Das hätte er doch merken müssen?
 

Eren hatte wiederum herzlich wenig Erfahrung in solchen Dingen.
 

Er hatte eine einzige Freundin und sonst nur wahrlich oberflächlich Erfahrungen gesammelt. Es hatte ihn nie sonderlich gereizt auf die Balz zu gehen und nie gefehlt. Nur sein Umfeld hatte ihn oft zu verunsichern gewusst, sodass er sich früher des öfteren gefragt hatte, ob etwas an ihm falsch wäre. Dieses Gefühl hatte sich nach seiner ersten Freundin verflüchtigt und war durch die Arbeit nicht wieder aufgekommen.
 

Er hatte nie den Eindruck, dass ihm etwas fehlte. Sicherlich half es, dass Armin seit kurz vor Beginn der ESE-Ausbildung wieder Single geworden war und durch die Abschottung der Ausbildung nicht großartig Pärchen vor seiner Nase herumgetanzt waren.

Oder vielleicht lag es auch nur daran, dass ihn einfach niemand interessiert hatte. Er hatte seine Aufgabe, er brannte für seine Arbeit und nicht nur aus Rachelust - das war ein bloßer Bonus.
 

Was brauchte er die Liebe? Er kannte sie nicht. Er war davon überzeugt niemals verliebt gewesen zu sein.
 

Warum zweifelte er nun gerade in diesem Moment an sich?

Weil er Levi trösten wollte? Das war lächerlich.

Er neigte von Haus aus zu viel Körperkontakt, wenn er jemanden mochte.

Das brauchte ihn nicht verwundern. Warum war er es also jetzt?
 

Ungehalten schnaufte Eren und schaltete schwungvoll die Dusche aus, als ob der Wasserhahn etwas für seine Verwirrung könnte.
 

Betrog er sich selbst?
 

Warum sollte er das tun?
 

Wieso fühlte er sich auf einmal so verletzlich?
 

Sollte er Armin um Rat fragen?

Irgendwie widerstrebte es ihm.
 

Vielleicht wurde er gaga.
 

Auf jeden Fall musste er seinen Arsch langsam aus der Dusche schwingen, was ihn zum nächsten - oder gleichbleibenden, wer wusste das schon - Problem führte.
 

Wie sollte Eren sich nun verhalten?
 

Er konnte Levis Wut nachvollziehen und sie war durchaus berechtigt.
 

Er konnte vermutlich nicht einmal erahnen, wie sich jemand fühlte, der einen Weltkrieg durchlebt, dabei eine monumentale Rolle gespielt hatte und nun mit einem vollkommen träge gewordenen Sicherheitsapparat im Genick zusehen musste Europa vor hochspezialisierten Terroristen zu schützen.
 

Eren konnte wahrscheinlich nicht mehr tun, als weiterhin sein Bestes zu geben und zu hoffen, dass er Levi nebenbei genug Freund sein konnte, um ihm auch den seelischen Halt zu geben, den er offensichtlich brauchte und vor allem verdiente.
 

Er musste Levi dazu kriegen, dass er genug Vertrauen in ihn fasste, um sich bei ihm ohne schlechtes Gewissen auszukotzen und zuzulassen, dass er von ihm aufgebaut wurde.
 

Levi war nicht perfekt. Und das war vollkommen in Ordnung.
 

Allmählich routiniert wischte Eren die Dusche trocken, ehe er sich anzog und die Haare föhnte. Er hatte im Badschrank ein Fach bekommen, wo er seine Kleidung und Waschutensilien aufbewahren durfte, sodass er nicht mehr splitterfasernackt - Handtücher waren seiner Meinung nach immerhin bloß zum Abtrocknen, nicht zum Bedecken gedacht - durch die Wohnung streifen musste.
 

Wie er erwartet hatte befand sich Levi nicht mehr im Schlafzimmer. Leider gab das Eren genug Zeit auf dem Weg zur Wohnzimmertür nervös zu werden. Richtig nervös. Mit trockenem Mund, klopfendem Herzen und schwitzigen Händen. Das ganze idiotische Programm.
 

Er atmete einmal tief durch, schalt sich einen Deppen und öffnete die Tür.
 

Levi war in der Küche. Es roch nach Essen.
 

Er stand mit dem Rücken zu ihm, doch Eren sah an der Art, wie sich die Schulterblätter unter dem T-Shirt abzeichneten, dass er ihn gehört hatte und vollkommen angespannt war.
 

Verdammt nochmal, er wollte Levi helfen und ihn nicht noch mehr belasten.
 

„Du kochst Reis zum Frühstück?“, fragte Eren mit neugieriger Stimme, „Und ich dachte, ich wäre der Einzige, der es mit dem Frühstück übertreibt.“
 

Eren setzte sich bemüht selbstbewusst an die Theke und beobachtete Levi mit einem Lächeln, als er sich mit kaum merklichem Zögern umdrehte.
 

„Das ist nicht übertrieben“, erwiderte Levi ruhig, doch Eren spürte geradezu wie sehr er sich um eine gleichgültige Ausstrahlung bemühte, „Reis und Gemüse wird in Thailand typischerweise zum Frühstück gegessen. Auch wenn das jetzt nur improvisiert ist, weil mir ein paar Gewürze fehlen.“
 

Eren begann ehrlich zu strahlen.

„Oh, wie cool! Dann kann ich mal was Essen, was du von Zuhause kennst!“
 

Levi schien von seinem freudigen Ausbruch verblüfft genug zu sein, um für einen Moment jegliche Anspannung zu vergessen.

„Nicht wirklich. Es ist nicht ganz korrekt zubereitet. Außerdem kann man da nicht von Zuhause sprechen, nur weil es landestypisch ist.“
 

„Aber du bist doch dort geboren?“, hakte Eren mit ungebrochenem Enthusiasmus nach.
 

„Ja. Und?“ Levi betrachtete ihn, als sei er schwer von Begriff.
 

„Dann hast du doch was gemacht, dass du von Zuhause kennst“, beharrte Eren allmählich irritiert.
 

„Du verstehst nicht“, Levis Augen schimmerten ein wenig amüsiert, „Ich störe mich an dem Wort „Zuhause“.“
 

Eren blinzelte verstehend.

„Ach so, ich gehe mit dem Wort immer sehr großzügig um. Für mich ist „Zuhause“ etwas, das es an vielen Orten gibt. Eigentlich überall, wo ich eine Verbindung zu hab. Na ja, eine etwas tiefere Verbindung vielleicht. Momentan sind das Berlin, Hamburg, Paris, Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo, weil wir da ganze drei Jahre verbracht haben und noch München.“
 

„Du fühlst dich also da wohl, wo du gerade bist oder länger warst“, fasste Levi zusammen, „Wie heißt es so schön: Wer überall Zuhause ist, ist nirgends daheim.“
 

„Für mich ist Heimat dort, wo mir wichtige Menschen leben oder Orte, die besondere Erinnerungen bereithalten. Ich verbinde es nicht mit Sesshaftigkeit.“
 

Levi stellte eine Schüssel mit Reis und Gemüse vor seine Nase und setzte sich ihm gegenüber an die Theke.

„Hm, ich denke, ich sehe es auch so.“
 

Eren seufzte genießerisch, als er von dem Gemüse probierte.

„Das ist echt lecker.“
 

„Hm.“
 

Eren sah kauend von seiner Schüssel auf und Levi an, der gerade ebenfalls auf seine Schüssel hinabsah. Er schien Erens Blick jedoch zu bemerken und erwiderte ihn, wobei der Ausdruck in den sturmgrauen Augen mit jeder Sekunde zurückhaltender, verschlossener wurde.
 

Lächelnd legte Eren den Kopf schief und schnaufte dann grinsend.

„Wir immer mit unseren tiefgründigen Gesprächen in aller Herrgottsfrühe.“
 

Levis Augen blitzten kurz belustigt auf.

„Es ist kurz vor halb acht. Das ist nicht mehr sonderlich früh.“
 

„Alles vor halb 9 ist saufrüh“, grinste Eren kopfschüttelnd, „Armin wäre stolz zu wissen, dass ich zu dieser Uhrzeit mehr als ein „Kaffee!“ maulen kann.“
 

„Oh.“ Levi blinzelte und sah auf seine Armbanduhr.
 

„Was?“
 

„Ich habe völlig vergessen einen Tee aufzusetzen. Oder sonst irgendwas.“ Dieser Umstand schien Levi irgendwie aus dem Konzept zu bringen.
 

„Das macht ja nix“, lächelte Eren mild, „Aber wenn du mal den Tee, den ich dir geschenkt habe, trinkst, dann sag’ mir Bescheid, ob er dir schmeckt.“
 

„Ich denke morgen daran.“
 

Eren lächelte ihn kurz an, ehe er sich wieder auf das Frühstück konzentrierte.

„Hättest du eigentlich Lust in den nächsten Tagen mal etwas thailändisches zu kochen oder so?“
 

Levi betrachtete ihn kurz.

„Meinetwegen. Ich muss allerdings Rezepte nachschlagen.“
 

„Klasse!“, strahlte Eren, „Dann lerne ich auch neue Rezepte.“
 

Levi hob, ob des Enthusiasmus kurz eine Augenbraue hoch, schwieg jedoch.
 

Eren fand, dass sie die angespannte Situation bisher gut umschifft hatten und atmete tief durch.

„Kann ich noch einen Nachschlag haben?“
 

„Hm“, summte Levi und streckte ihm die Hand hin, damit Eren ihm die Schüssel übergab, ehe er aufstand und beide Schüsseln nochmals füllte.
 

Sie aßen schweigend zu Ende. Es war kein unangenehmes Schweigen und dafür war Eren sehr dankbar.
 

„Kannst du bitte aufräumen? Ich muss noch ins Bad“, bat Levi ihn und stand auf, als Eren mit einem „Klar“ nickte.
 

Es war Eren ein Rätsel, wie Levi es schaffte sich innerhalb von sieben Minuten fertig zu machen und dabei ein blitzeblankes Bad zu hinterlassen. Jedenfalls war Eren kaum mit Aufräumen fertig, als Levi aus dem Schlafzimmer kam.
 

Er erkannte an seiner Körperhaltung, dass sich Levi wieder mehr stresste als zuvor.

Ob es an der bevorstehenden Arbeit oder an der gestrigen Nacht lag, konnte Eren nur erraten.
 

„Levi?“
 

Levi sah abwartend zu ihm. Er schien sich in diesem Augenblick nicht sonderlich wohl in seiner Haut zu fühlen.
 

„Was würdest du machen, wenn ich Sairam oder einen seiner Vollidioten verprügle?“
 

Für eine Sekunde starrte Levi ihn verständnislos an, dann floss geradezu jegliche Anspannung aus ihm heraus. Er verlagerte sein Gewicht auf eine Seite und verschränkte die Arme mit einem Schmunzeln auf den Lippen vor der Brust.

„Ich würde dir raten es nicht selbst du machen, sondern einen deiner Leute vorzuschicken.“
 

„Warum sollte ich mich drücken?“ Eren blinzelte irritiert.
 

„Du bist Gruppenführer, Eren. Es wirft ein schlechtes Licht auf mich, wenn du Kollegen den Arsch aufreißt.“
 

„Aber ansonsten würde es dir nichts ausmachen?“, grinste er belustigt.
 

„Offiziell verbiete ich mir so ein Verhalten“, betonte Levi knochentrocken.
 

„Und inoffiziell?“, hakte Eren wissend nach.
 

Levis Mundwinkel zuckten verräterisch und seine Augen blitzten schalkhaft auf.

„Inoffiziell bekommst du die Erlaubnis Arschtritte in Auftrag zu geben.“
 

Vorfreudig lachte Eren auf.

„Oh, ich will Shadis’ Gesicht sehen!“
 

„Ich auch“, schmunzelte Levi, warnte ihn jedoch, „Aber Shadis wird es durchschauen. Sei also umsichtig.“
 

Eren grinste ihn frech an.

„Warum klingt das so, als hätte er mit dir solche Aktionen schon mitgemacht?“
 

Levi zuckte nonchalant mit den Schultern und drehte sich um.

„Keine Ahnung.“
 

Eren lachte und folgte Levis Beispiel und zog sich seine Schuhe an. Es war kurz vor acht und ein langer Tag würde vor ihnen liegen.
 

Obwohl es unpassend sein mochte, rempelte Eren Levi freundschaftlich mit der Schulter an und begegnete seinem scharfen Blick mit amüsierten Augen.
 

Das war seine Art ihm einen guten Tag zu wünschen.
 

Levis genervt zuckende Augenbraue und sein Schweigen deuteten darauf hin, dass er es verstand.
 

*~*
 

Sasha beobachtete skeptisch wie eine Gruppe Polizisten in den Fitnessraum schlenderte. Es waren einige dabei, mit denen sie bisher kein Wort gewechselt hatten. Leute, an denen man einfach vorbei lebte. Leider war auch Sairam mit drei seiner Kollegen aus der Einheit dabei.
 

Sairam war ein gutaussehender junger Mann mit schwarzen Haaren und schönen Augen. Er war ein talentierter Judoka und arbeitete fleißig. Er war es gewohnt sich zu behaupten und zu führen.
 

Sasha konnte diese Eigenschaften schätzen. Sie verstand auch durchaus, dass er ihre Einheit nicht schätzte, immerhin hatten sie, trotz der mitgemachten Einsätze mit der GSG9 vor ihrer offiziellen Gründung, noch nicht beweisen können, dass sie sich als eine selbstständige Einheit neben der GSG9 lohnten.
 

Alle Akzeptanz endete für Sasha jedoch in dem Moment, in dem Sairam seine Abneigung offen zur Schau trug und seine Leute nicht von Gehässigkeiten und Belästigungen aller Art abhielt.

Es spielte keine Rolle, dass Sairam selbst sie nicht aktiv beschimpfte.

Als Anführer mit dem Anspruch auch Anführer zu sein, war er vollumfänglich für die Handlungen seiner Leute verantwortlich. Sei es aufgrund ihres Dienstverhältnisses, der Befehlskette oder freundschaftlicher Verbundenheit.
 

Diese erbärmlichen Versuche etwas an ihrer Rangfolge durch Mobbing zu ändern, machte Sasha nur wütend. Richtig, ehrlich wütend. Sie war kein Alphatier, bei aller Liebe nicht. Sie war dafür viel zu wenig daran interessiert zu führen. Ein Mitläufer war sie jedoch genauso wenig. Das hatte sich spätestens mit dem Ende ihrer ersten Beziehung herausgestellt.
 

Dementsprechend angriffslustig war sie, als Sairams Leute sofort herablassend pfiffen, als sie die Anwesenheit der ESE bemerkten. Umgehend gingen die Schmähungen los, die die unbeteiligten Polizisten mit gerunzelter Stirn und tatenlosem Unverständnis abtaten.
 

Es war demütigend sich das gefallen zu lassen.
 

Ein Blick in die Gesichter ihrer Kameraden verriet ihr, dass sie ebenso mit sich kämpfen mussten die Ruhe zu bewahren. Gestern erst waren sie zu dem stillschweigenden Einvernehmen gelangt alle dummen Sprüche zu ignorieren. Also atmete Sasha tief durch und blickte stur geradeaus.
 

Es wurde eine Geduldsprobe.
 

Sairam selber strafte sie bloß mit angewiderten Blicken, doch seine Leute schienen es darauf anzulegen eine Reaktion aus ihnen herauszukitzeln. Sie gaben ihnen verächtliche Namen, stellten sich zu ihren Geräten und kommentierten ihr Training. Sie benahmen sich verabscheuenswürdig.
 

Zunehmend zittrig vor unterdrückter Wut wandte sie den Blick zu ihrer Rechten, suchte nach Mylius, doch er war nicht mehr da. Vermutlich war er gerade auf dem Klo. Also suchte sie nach Eren und Jean. Beide waren gerade auf dem Rudergerät zugange, deutlich angepisst, wenn man nach den Zornesfalten zwischen Erens Augenbrauen und Jeans Stirn ging.
 

Ihr Blick traf den von Eren und er hielt inne. Er bemerkte sofort ihren Verdruss, schlang ein Handtuch um seinen Nacken und stand auf. Sasha war froh über seine Aufmerksamkeit; er war wiederum einer ihrer Gruppenführer und es war seine Pflicht scharfsinnig zu sein.
 

Jean sah Eren irritiert nach, reagierte jedoch sofort, als er Erens Handzeichen bemerkte, das ihn dazu aufforderte ihm zu folgen. Wenn sie nicht ihre Reviere absteckten, funktionierten die Beiden sehr gut miteinander.
 

Eren wandte sich an Connie, der gerade Gewichte stemmte und schien etwas mit ihm und Jean zu besprechen. Connies kurzem Aufstrahlen zufolge war es ein Plan, um Sairams Leute mundtot zu machen.
 

Das Gespräch war kurz und Eren ging mit Jean wieder zu den Rudergeräten, während Connie auf das Laufband neben Sasha trat.
 

Ein kurzer Seitenblick genügte, um ihr mitzuteilen, dass sie etwas planten.
 

Als Sasha nach zwanzig weiteren Minuten eine kurze Pause einlegte, tat Connie es ihr gleich und flüsterte ihr in einem unbeobachteten Moment zu.
 

„Wir dürfen ihnen die Fresse polieren, aber es muss spontan aussehen.“
 

Sasha erstarrte in ihrer Bewegung nach ihrer Trinkflasche zu greifen, riss sich dann jedoch schnell zusammen und versteckte ihr aufkommendes Grinsen hinterm Flaschenhals.
 

Oh, spontan konnte sie. Für diese Versager brauchte es keinen großen Plan, um sie zu ihren Gunsten zu provozieren.
 

Sie verlor keine Zeit und begab sich zur Flachbank. Eine Frau, die Gewichte hob, war ein zu verlockendes Ziel für Sairams Leute. Es dauerte auch keine drei Minuten, bevor sie gesehen und ihr Training kommentiert wurde.
 

„Schaut euch an, was das Mannsweib versucht zu stemmen!“
 

„Tu dir nicht weh, Püppi!“
 

Einer der Männer kam sogar an sie heran, starrte sie mit einem dreckigen Grinsen von oben herab an.
 

„Mit dir würden mir ganz andere Dinge einfallen“, dann beugte er sich zu ihr herab und raunte ihr mit widerlich heißem Atem laut ins Gesicht, damit es ja alle hörten, „Wann hattest du das letzte Mal einen richtigen Schwanz zwischen deinen Beinen, huh?“
 

Seine Kumpels lachten wie immer, wenn sie so derbe Sprüche von der Palette ließen. Doch diesmal ignorierten sie sie nicht.
 

„Hey! Was fällt dir ein so mit Sasha zu reden!“, begehrte Connie auf und kam drohend zu dem Sprücheklopfer, der den um fast zwei Köpfe kleineren Mann mit spöttischer Verachtung betrachtete.
 

„Hat Daddy vergessen seinen Schwanz rauszuziehen, als er deine Mutter rangenommen hat?“
 

„Entschuldige dich bei Sasha“, beharrte Connie mit gefassten, kalten Augen. Er plante bereits den Angriff und ließ sich nicht mehr provozieren.
 

Ein anderer der Kerle pfiff, während sein Nebenmann lachte.

„Oh, da will wohl einer die Corpsmatratze beschützen!“
 

Sasha legte die Hantel ab und setzte sich auf, während Connie die Typen mit seinem Blick durchbohrte.
 

„Lass es bleiben, Connie“, ermahnte ihn Eren präventiv.
 

„Ja, Connylein, lass es bleiben“, äffte einer nach, während der obszöne Kerl neben Sasha sich zu ihr beugte.
 

„Den fickst du also? Merkst du mit deiner ausgeleierten Fotze eigentlich was bei dem Wurm?“
 

Connie sprang dem Kerl in einer Geschwindigkeit in die Seite, die den Kerl auf den Boden krachen ließ, während seine zwei Kollegen ihre Augen dümmlich aufrissen.
 

Der Schockmoment war jedoch zu kurz, um sie zu fassen zu kriegen. Die kampferprobten Polizisten wichen Connies Schwinger geschickt aus und stürzten sich zu Zweit auf ihn.
 

„Lasst ihn in Ruhe!“, brüllte Sasha, als sie von der Flachbank aufstand und in das Gerangel eingriff.
 

Mit antrainierter Präzision schlug sie dem Kerl, der Connie festhielt, in den Solarplexus, sodass er sich keuchend krümmte. Adrenalin durchflutete sie wie ein ohrenbetäubender Rausch.
 

Mit ihr hatte dieser Schwachkopf nicht gerechnet und das sollte beiden ziemlich leid tun.
 

Connie befreite sich und fiel mit dem Hintern zu Boden, während der noch unverletzte Kerl versuchte Sasha an ihrem Oberteil zu packen.

„Verfluchte Bitch!“
 

Sie duckte sich rechtzeitig, packte die auf sie zukommende Faust, nutze das Momentum der Schlagrichtung zu ihrem Vorteil und brachte den Kerl mit einem kräftigen Zug aus dem Gleichgewicht und trieb sein Gesicht damit in ihre andere Faust. Ein ekelhaft dumpf knackendes Geräusch und Stöhnen ließ Sasha zufrieden von ihm ablassen. Der Mann stürzte zu Boden und hielt sich mit beiden Händen die stark blutende Nase.
 

Der Solarplexus-Kerl hatte sich soweit erholt und schlug nach ihrem Kopf, was Sasha mit böse funkelnden Augen zur Kenntnis nahm und die Scheu davor verlieren ließ bestimmte Aktionen außen vor zu lassen.
 

Geschickt trat sie in der Enge zwischen den Trainingsgeräten zur Seite und schlug dem Kerl mit der Handkante schnell und exakt seitlich an den Hals. Der Mann sackte schneller bewusstlos zu Boden, als er den Angriff spüren konnte.
 

Indessen hatte sich der obszöne Kerl hinter ihr aufgebaut und schlang seine Arme schmerzhaft fest um ihren Oberkörper, fixierte so ihre Arme. Doch er hatte keine Ahnung, dass Sasha gerade diese Aktion unzählige Male mit ihrem General-Leutnant durchexerziert hatte und nichts mehr von der ursprünglichen Befremdung übrig geblieben war.
 

Ohne einen Augenblick zu zögern, ließ sich Sasha fallen und hakte ihre Fußgelenke in den Kniekehlen des Mannes ein, der sie immer noch eisern festhielt. Sie brachte ihn aus dem Gleichgewicht, es reichte jedoch nicht, um ihn zu Sturz zu bringen. Trotzdem ließ er mit einem Arm von ihr ab, um sich an einer der Flachbänke abzustützen, und das reichte Sasha, um sich aus seinem Griff zu wenden und sich im Fall umzudrehen und mit einem Bein auszuschlagen, ehe sie mit dem Rücken auf dem Boden aufkam. Sie trat ihm mit der Schuhspitze direkt in die Hoden und damit war die Sache erledigt.
 

Einer bewusstlos, einer jaulend auf dem Boden und der andere blutend zwei Meter vor ihr stehend, aber trotz mörderischem Ausdruck in seinen Augen rührte er sich keinen Millimeter, als Sasha seinen Blick suchte.
 

Erst jetzt drang durch das Geräusch ihres Atems und dem Rauschen ihres Blutes das aufgeregte Gebrülle ihrer Kameraden und Sairams.
 

Irritiert wandte sie ihren Blick zu dem schwarzhaarigen, halbnackten Mann, der anscheinend gerade aus der Sauna gekommen war und von Reiner, Thomas und Jean festgehalten wurde, wobei letzterer auf ihn einredete sich herauszuhalten.
 

Sowie sie bemerkten, dass Sasha fertig war, verstummte der Streit und Sairam riss sich los, verharrte jedoch an Ort und Stelle.

„Das wird ein Nachspiel haben!“, versprach Sairam erzürnt und deutete mit drohendem Finger auf Sasha.
 

„Ich schlage vor wir gehen jetzt alle zu Shadis und Rivaille. Klären das Ganze ein für alle mal“, grollte Jean und warf Eren einen Blick zu, der das abnickte.
 

„Sairam“, begann Eren mit ungewohnt monotoner Stimmlage und Augen ruhig wie ein Bergsee, „Nimm' deine Leute und zieht euch um. Wir warten auf euch am Ausgang. Sasha, Connie, Mylius, und Jean kommen mit mir. Und du“ Eren zeigte auf einen der unbeteiligten Polizisten, der das Spektakel beobachtet hatte. Sie kannten ihn aus einem der Einsätze, die sie begleitet hatten. Er führte eine der anderen Einheiten an, „Bitte bezeuge die Ereignisse als objektiver Zuschauer.“
 

Der Mann, Boris Feulner, zuckte mit den Schultern und nickte unverbindlich.
 

Sasha war sehr gespannt auf Erens Plan und hoffte, dass er Levis Verhalten gut genug einschätzen konnte und es keine nennenswerten Konsequenzen für einen ihrer Einheit geben würde. Nun ja, immerhin stand Eren ihrem Vorgesetzten faszinierend nah, wohnte zur Zeit mit ihm zusammen und schien gut genug mit ihm auszukommen.
 

Sasha vertraute auf Erens Urteil.
 

*~*
 

Eren war ziemlich von sich überzeugt, trotzdem wurde ihm ein wenig unwohl, als Keith Shadis dicht gefolgt von Levi eine halbe Stunde später in den sterilen Besprechungsraum der GSG9-Einheit von Flagon Turret trat, welcher als direkter Vorgesetzter von Sairam und noch drei Einheiten ebenfalls anwesend sein musste.
 

Flagon war ein sehr strenger, konservativer Mann mit blonden Haaren und so etwas wie einem Ziegenbärtchen am Kinn. Mit ihm war schlecht Kirschen essen, aber er schien zumindest wert auf die Einhaltung der Befehlskette zu legen. Zumindest blockte er jeden Versuch Sairams ab die Situation zu erklären, bevor Shadis und Levi eintrafen.
 

Shadis durchbohrte alle Anwesenden mit seinen analytischen honigfarbenen Augen, sichtlich wenig davon begeistert sich mit einer Auseinandersetzung zwischen Elitepolizisten befassen zu müssen.
 

Levis Blick fiel ungerührt auf die blutige Nase eines der Männer und die anderen beiden blassen, etwas gebückt stehenden Polizisten, ehe er seine eigene Einheit musterte und einen kurzen Moment an Erens Augen hängen blieb.
 

In den sturmgrauen Augen fand sich nicht die geringste Emotion, Levi verströmte mit jeder Pore geduldslose Langweile. Eren konnte nicht umhin kurz erstaunt zu blinzeln.
 

Levi wusste ganz genau, was vor sich ging und dennoch reagierte er mit so viel Leidenschaft wie ein Stein. Zwar war seine Ausdruckslosigkeit nicht neu, Eren konnte jedoch nicht vermeiden eine gewisse Sorge zu verspüren, ob dieser Plan auch tatsächlich aufging.
 

Vielleicht trug Levi ihm doch noch sein distanzloses Verhalten der gestrigen Nacht nach und hatte sich mit dem räumlichen Abstand über den Vormittag hinweg dazu entschieden ihm eine Lektion zu erteilen - oder ihn wieder wegzustoßen.
 

Dieser Gedanke verunsicherte Eren plötzlich zutiefst.

Nicht wegen den disziplinarischen Konsequenzen der Prügelei, sondern den unmittelbar persönlichen. In diesem unpassenden Moment wurde Eren einmal mehr bewusst, wie sehr er sein Gefühlsleben von Levis Verhalten abhängig machte.
 

„Flagon“, begehrte Shadis eine Erklärung über diese unschöne Zusammenkunft.
 

„Im Fitnessraum kam es vor etwa einer Dreiviertelstunde zum Eklat zwischen diesen Mitgliedern von Sairams Einheit und diesen beiden hier.“ Er zeigte auf Connie und Sasha, die ungerührt mit geradem Rücken und im Rücken verschränkten Armen zwischen Eren und Mylius standen.
 

Shadis wandte seinen Blick zu Sasha und Connie, die beide etwas gestresst die Lippen aufeinander pressten und mit großen Augen stur geradeaus starrten. Eren fand Shadis auch auf gewisse Weise einschüchternd, trotzdem empfand er nur sture Beharrlichkeit im Angesicht des hageren Mannes.
 

„Wer ist für diese Zwei verantwortlich?“, verlangte Shadis zu wissen.
 

„Ich, Sir“, meldete sich Mylius zu Wort, „Sasha Braus untersteht meinem Kommando als Gruppenführer des Präzisionsschützenkommandos.“
 

„Connie Springer untersteht mir als Gruppenführer des zweiten Zugriffskommandos, Sir“, erklärte Eren ruhig.
 

Shadis nickte.

„Was machen dann Boris Feulner und Sie hier?“, sprach er Jean an, der neben Boris bei Mylius stand.
 

„Mylius war zur Zeit des Streits abwesend und ich war als Gruppenführer des ersten Zugriffskommandos Zeuge der Auseinandersetzung“, erläuterte Jean sachlich, doch seine Augen verrieten leidenschaftliche Abscheu, „Boris Feulner ist als unbeteiligter Zeuge anwesend.“
 

„So, so“, sinnierte Shadis, „Dann erzähle mir kurz und prägnant, was sich zugetragen hat, Boris.“
 

Boris reckte das Kinn und betrachtete die Beteiligten, über die er sprach mit leidenschaftslosen Augen.

„Fast die gesamte ESE befand sich mit Leuten meiner und anderer Einheiten zum Training im Fitnessraum, als Sairam mit seinen Leuten eintraf. Diese Drei hier begannen sofort derb und herablassend über die ESE-Einheit zu sprechen und richteten ihre beleidigenden Worte auch an einzelne Personen.

„Die ESE-Leute ignorierten die Beschimpfungen zuerst komplett, bis diese Frau, Sasha, ihr Training an der Flachbank fortsetzte. Dieser hier, Herold, hat sich über Sasha gebeugt und sie gut verständlich - selbst für mich fünf Geräte weiter - mit sehr derben sexistischen Kommentaren beleidigt, sodass diesmal ihr Kollege einschritt und eine Entschuldigung forderte.

„Zwar versuchte Jäger seinen Mann verbal zurückzupfeifen, aber die Beleidigungen ihm und Sasha gegenüber ließen ihn die Worte seines Führers ignorieren und Herold attackieren, woraufhin Matt und Miguel eingriffen, den Mann packten und Matt ihm in den Bauch schlug. Das hat Sasha animiert ihrem Kollegen zu helfen, Miguel in den Solarplexus zu schlagen und Matt, nachdem er sie angegriffen hat, die Nase zu brechen. Als Miguel nach ihr schlug, setzte sie ihn mit einem Handkantenschlag außer Gefecht und Herold, der sie von hinten gepackt hat, versetzte sie einen effektiven Tiefschlag.

„Sairam selbst befand sich am Anfang der Auseinandersetzung in der Sauna und wurde von Kirschstein und zwei weiteren ESE-Leuten an einem Eingreifen gehindert. So habe ich die Ereignisse wahrgenommen.“
 

Shadis nickte.

„Sairam.“
 

„Ich wollte mich nicht an der Schlägerei beteiligen, sondern sie verhindern“, verteidigte er sich angepisst.
 

„So wie du verhindert hast, dass deine Leute die unseren unentwegt mobben?“, grollte Jean bitterböse, wurde jedoch von Shadis gehobener Hand zur Räson gerufen.
 

„Sasha Braus, verstehe ich richtig, dass Sie alle drei Männer niedergestreckt haben, um ihren Kollegen zu schützen?“
 

„Connie braucht keinen Schutz, er wäre auch selbst mit denen fertig geworden“, brachte Sasha zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
 

Shadis Mundwinkel zuckten verwundert.

„Warum haben Sie sich dann eingemischt? Wissen Sie denn nicht, dass körperliche Auseinandersetzungen außerhalb einer Kampftrainingseinheit untersagt sind?“
 

„Dieser Mann, Herold, hat mich als Mannsweib und Corpsmatratze bezeichnet, mich gefragt, wann ich das letzte Mal einen Schwanz zwischen den Beinen hatte, sich selbst dafür angeboten und Connie übel beleidigt, als er dieses Gerede unterbinden wollte. Als Herold“, sie spukte den Namen aus wie das schlimmste Gift, „dann gesagt hat, ob ich meine ausgeleierte Fotze von seinem Wurm ficken lasse, ist Connie endgültig der Geduldsfaden geplatzt und ich war selbst verletzt und wütend und konnte nicht dabei zusehen, wie mein Kamerad für meine Ehre allein einsteht.“
 

Sashas unverblümte Worte ließ sie alle, selbst Shadis und Levi verdutzt dreinschauen.

Die nachfolgende Stille im Raum ließ Sasha das Blut in den Kopf schießen und so rot werden, dass Eren ihr die Hand bekräftigend auf die Schulter legte.
 

Diese Bewegung erregte Shadis Aufmerksamkeit und ließ sich zu ihm wenden, doch Eren ließ nicht von Sasha ab, die sich unter seiner Berührung etwas beruhigte.
 

„Eren Jäger, Sie haben also versucht ihren Mann davon abzuhalten Frau Braus gegen die Beleidigungen in Schutz zu nehmen“, es war keine Frage, doch Eren nickte dennoch, „Warum?“
 

„Seit wir in Paris eingetroffen sind, werden wir gemobbt, Sir“, begann Eren wohl wissend, dass das die einzige Chance war seinen Standpunkt endgültig darzustellen, „Mit Mobben meine ich keine Sticheleien und Scherze unter die Gürtellinie, sondern unmissverständliche, herabwürdigende, verletzende, moralisch verwerfliche Diffamierungen auf dem Niveau dessen, was Sasha gerade rezitiert hat. Besonders beharrlich sind fünf Leute aus Sairams Einheit, die ihr Führer kein einziges Mal ermahnt hat. Selbst hat Sairam zwar keine direkten Beleidigungen ausgesprochen, doch seine Untätigkeit hat die Situation in keiner Weise entschärft.

„Um Eskalationen zu vermeiden haben wir uns als Einheit geeinigt die Schmähungen zu ignorieren und auszusitzen. Das ist es, was ich auch heute wollte. Ich wollte eine Eskalation in dieser Form vermeiden. Ich wollte wenigstens unsere Professionalität bewahren. Doch nun sind wir hier und ich kann nicht genug zum Ausdruck bringen wie unhaltbar ich das Verhalten einiger Kollegen uns gegenüber finde. Ich empfinde es als peinlich hier zu stehen und Petzen zu müssen, aber so kann es nicht weitergehen. Selbst wenn der ESE sämtlicher Nutzen abgesprochen wird, wir haben einen Job zu erledigen und für jeden GSG9-Polizisten sollte es dringlichere Aufgaben geben, als Kollegen einer anderen Einheit zu diffamieren.“
 

Eren hielt Shadis Blick eisern bis zum letzten Satz, den er an Flagon richtete. Natürlich hätte er auch Sairam ansehen können, doch als Vorgesetzter sollte sich Flagon für das Betragen seiner Leute schämen. So schämen, dass er etwas unternahm, um sich dieses Schamgefühl zu ersparen.
 

Erst dann richtete Eren seinen Blick wieder auf Shadis, der ihn mit einer Mischung verstehender Akzeptanz und Skepsis betrachtete. Vermutlich hatte Eren etwas zu dick aufgetragen, war zu pathetisch geworden, aber verdammt nochmal, es war wirklich kein Zustand mehr und Shadis war nun gezwungen etwas zu unternehmen.
 

„Was sagen Sie, Levi?“, wandte sich Shadis plötzlich an ihren bisher völlig unbeteiligten Vorgesetzten.
 

„Gut, dass ich nicht anwesend war, sonst gäbe es mehr zu beklagen als eine gebrochene Nase oder geprellte Eier“, erwiderte Levi mit angewiderter Stimme, verschränkten Armen und erschreckend gleichgültigem Blick auf Sairam und seine Leute, die bei der kalten Musterung unwillkürlich zuckten und nervös herumnestelten.
 

Shadis warf den Kopf hoch und begann dröhnend zu lachen. Es war keine direkt beruhigende Reaktion, doch Eren entspannte sich und nahm seine Hand von Sashas Schulter.
 

„Ihr habt es gehört, Männer. Wenn etwas derartiges noch einmal vorkommt, dürfen sich die Beteiligten mit General-Leutnant Rivaille allein auseinandersetzen“, scherzte Shadis, was Levi ein abfälliges „Tch“ entlockte.
 

Dann wurde Shadis wieder ernst.

„Hat noch jemand etwas zu den Ereignissen hervorzubringen?“
 

Als keiner reagierte, fuhr Shadis fort.

„Die Ereignisse, wie vorgetragen, sind sehr bedenklich. Ich verurteile dieses unwürdige Verhalten auf das Schärfste. Sairam und seine gesamte Einheit werden für zwei Wochen von ihren Aufgaben entbunden und dem Reinigungs- und Küchendienst zugeteilt. Wären es andere Zeiten würde ich euch Vier suspendieren“, betonte Shadis scharf, „Flagon, ich mache dich dafür verantwortlich Sorge zu tragen, dass sämtliche Diffamierungen unterbleiben. Ich kann an der ESE-Einheit keine Verhaltensmängel erkennen, aber verlange, dass ich bei weiteren Diffamierungen genannter Art unverzüglich unterrichtet werde. Es ist in der Tat peinlich, dass Staatspolizisten in diesen schwierigen Zeiten keine sinnvollere Beschäftigung wissen, als sich unnötigerweise zu streiten wie Grundschüler. Sollte es nochmals zu so einer Eskalation kommen“, damit wandte er sich an Sairam und seine drei Männer, „werden die Sanktionen von dauerhafter Natur sein.“
 

Sairam und seine Männer nickten zerknirscht und Flagon strafte sie zusätzlich mit einem vernichtenden Blick.
 

„In Ordnung. Zurück an die Arbeit. Wir haben genug Zeit mit diesem Kindergarten verbracht“, beendete Shadis das Gespräch und drehte sich zum Gehen. Ohne einen weiteren Blick auf sie schnaubte Levi und folgte dem hageren Mann.
 

Als auch die anderen den Raum verließen, seufzten Eren und seine Kameraden erleichtert auf.

Das war ein Erfolg auf ganzer Linie.
 

„Es hat echt gut getan zu sehen, wie du diesen Wichsern den Arsch aufgerissen hast“, grinste Jean und klopfte Sasha anerkennend auf die Schulter, was sie tief durchatmen und triumphierend grinsen ließ.
 

„Die werden es sich nun zweimal überlegen, ob sie uns blöd anmachen“, stimmte sie Jean zu und Connie lachte.
 

„Hast du gesehen wie fertig die waren?! Geschieht diesen Arschlöchern recht!“
 

„Und ich hab nichts gesehen“, jammerte Mylius.
 

„Ach“, Jean klopfte ihm tröstend auf die Schulter, „Vielleicht hat es ja jemand gefilmt.“
 

„Das wär cool“, erstrahlte Mylius.
 

Eren beobachtete das fröhliche hin und her noch ein wenig, ehe er in die Hände klatschte.

„So Leute, ich denke wir müssen jetzt weitermachen, sonst reißt uns der Boss doch noch den Arsch auf.“
 

„Als wenn dir das was ausmachen würde“, grinste Jean ihn schalkhaft an.
 

Erens Hirn schaltete in dem Moment jedoch ab.

„Was?“
 

„Na, du stehst doch drauf, wenn du dich mit dem Boss prügeln kannst, du selbstmörderischer Bastard“, stichelte Jean weiter, sichtlich eine aufbrausende Erwiderung erhoffend.
 

Er wurde jedoch enttäuscht. Eren atmete bloß tief durch, seltsam beruhigt, und schüttelte mit dem Kopf.

„Auf geht's! Jetzt hauen wir erst recht rein. Wir haben noch eine Stunde bis zum Mittagessen.“
 

Gut gelaunt, aber ruhig ab Verlassen des Besprechungsraums, gingen sie zurück zum Fitnessraum, wo sie unter den inquisitorischen Blicken von ihren Kameraden in die Sauna komplimentiert wurden, wo sie unter sich waren und frei von dem Gespräch erzählen konnten.
 

Es war von da an ein sehr friedlicher, heiterer Trainingstag.
 

***
 

Levi hatte sich vor dem Mittagessen gedrückt und die Abendbesprechung ausfallen lassen. Stattdessen hatte er Historia und Hannah vorgeschickt, um Ihnen zu erklären, dass er arbeitete und am nächsten Morgen um 8:00 Uhr eine Besprechung stattfinden würde.

Beide Frauen hatten ihnen versichert, dass Levi in die Spionagedokumente vertieft war und ohne Unterbrechung arbeiten wollte.
 

Vermutlich hielt Eren zu viel von sich, wenn er mit dem Gedanken spielte, ob Levi sie nicht bewusst zumindest auch wegen der Aktion von heute Mittag mied und er Eren einfach nicht sehen wollte. Ihn mied.
 

Wenn er ernsthaft über Levis Einverständnis in der Früh nachdachte, musste Eren einsehen, dass er sich keine Sorgen wegen der Abreibung Sairams machen musste. Levi hatte dem Vorschlag amüsiert positiv gegenübergestanden, ihm erlaubt auf den Streit mit den Polizisten einzugehen.
 

Also blieb nur noch die Möglichkeit, dass Levi tatsächlich einen Schwung Arbeit hinter sich bringen wollte oder Eren mied. Vielleicht auch beides gleichzeitig. Und nein, Eren nahm sich unter Umständen zu wichtig, doch paranoid war er nicht. Levi hatte ihm immerhin schonmal lang genug die kalte Schulter gezeigt und darüber schien er einfach nicht hinweg zu kommen.
 

Vielleicht war er doch paranoid.
 

Jedenfalls war er an diesem Abend ziemlich nervös, als er zu Levis Appartement lief und zögerlich mit dem Ersatzschlüssel aufsperrte.
 

Der Geruch von gebratenen Nudeln und Gemüse schlug ihm entgegen.
 

„Du bist schon da?“, brachte Eren überrascht heraus und starrte Levi an wie ein Reh das Scheinwerferlicht.
 

„Ich wohne hier“, erwiderte Levi trocken von der Theke aus ohne von seinem Tablet aufzusehen, auf dem er herum tippte.
 

Blinzelnd versuchte sich Eren zu beruhigen. Levi reagierte auf ihn, also war alles okay.
 

Auf einmal durchflutete Eren ein unerwarteter Schwall Entschlossenheit.

Scheiß egal, ob Levi ihn ignorierte oder nicht, Eren würde einfach dafür sorgen, dass er nicht ignoriert werden konnte!
 

Der Mann schätzte doch Ehrlichkeit, also würde Eren ihn mit seiner ehrlichen Schnauze schon knacken. Mehr als eine Tracht Prügel konnte er nicht kassieren und verdammt, Levi sollte es nur versuchen. Ganz ohne blaue Flecken würde er auch nicht davonkommen.
 

Er glaubte nicht, dass er Konsequenzen für seinen Job zu fürchten hatte. Eren wollte Levi schließlich nichts Böses und das musste Levi bewusst sein.
 

Mit neuem Selbstbewusstsein zog sich Eren die Schuhe aus und ging ins Schlafzimmer, um sich seine Schlafhose und ein frisches, schlicht schiefergraues langärmeliges Shirt anzuziehen. Er hatte nach dem Training geduscht, also bestand keine Notwendigkeit Levis Dusche putzen zu müssen.
 

Als Eren zurück ins Wohnzimmer ging, stand Levi gerade mit dem Rücken zu ihm und hob den Wok vom Feuer. Das Tablet lag auf der Theke und soweit Eren erkannte, zeigte es irgendwelche Textauszüge an.
 

„An was arbeitest du? Immer noch Abhörprotokolle?“
 

Levi warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu, bevor er sich darauf konzentrierte die Nudeln ohne zu spritzen in ihre Teller zu füllen.

„Ja. Die anderen Polizisten sind nutzlos und verstehen einfach nicht auf was es mir ankommt. Ich muss alles kontrollieren.“
 

„Und Historia und Hannah?“
 

„Wie durch ein Wunder haben sie sofort begriffen, worum es mir geht. Erwin scheint tatsächlich die einzigen Polizisten mit Hirn für die ESE-Ausbildung aufgetrieben zu haben“, spuckte Levi den letzten Satz verächtlich aus.
 

Er hatte eindeutig die Schnauze voll und Eren versuchte einzuordnen, ob Levi sich mit diesen Worten endlich öffnete, auskotzte oder das Thema bloß ihren gewöhnlichen Gesprächen über unfähige Kollegen zuzuordnen war.
 

Nein, wurde Eren bewusst, Levi versuchte nur angestrengt normale Konversation zu betreiben. Er war und blieb innerlich zusammengeschnürt.
 

Eren sah es in Levis spiegelnden Augen. Es war derselbe steinige Ausdruck von heute Mittag.
 

Wie eine Puppe servierte er ihm die gebratenen Nudeln mit Gemüse und sie setzten sich zum Essen, nachdem Levi das Tablet zur Seite gelegt hatte.
 

„Das riecht wieder mal ganz fantastisch! Danke fürs Kochen“, lächelte Eren und nahm das Besteck zur Hand.
 

„Erst probieren. Ich habe das noch nie gekocht“, warnte ihn Levi mit gelangweilter Stimme.
 

Eren wickelte gekonnt Nudeln auf seine Gabel und seufzte unwillkürlich auf, als der Geschmack verschiedener Gewürze auf seiner Zunge explodierte. Verdammt, Levi konnte kochen. Selbst dieses einfache Gericht war eine Wonne nach dem objektiv nicht schlechtem Kantinenessen.
 

Als er seine Augen wieder öffnete, begegnete er sturmgrauen Augen, die ihn mit einem seltsamen Ausdruck betrachteten. Es war eine Mischung aus zurückhaltender Vorsicht, neugieriger Faszination und unterschwelliger Belustigung. Aus irgendeinem Grund ließ dieser Anblick Erens Wangen heiß werden.
 

Er musste unbedingt die Kurve kratzen.

„Das ist der reinste Food Porn“, grinste Eren schelmisch und leckte sich über die Lippen. Es war eine unbewusste Handlung, doch das verunsicherte Blitzen in Levis Augen ließ Eren innehalten.
 

Hatte er gerade richtig gesehen und Levi wurde von Erens Reaktion auf sein Essen tatsächlich verlegen?
 

Das musste Eren unbedingt weiter austesten.
 

Er verpasste den Moment jedoch, zu schnell fasste sich Levi wieder, verdeckte jegliche Emotionen mit müder Belustigung.
 

„Wenn du von meinem Essen kommst, werde ich nie wieder für dich kochen.“
 

„Wäre doch ein großes Kompliment“, ging Eren darauf ein und grinste frech.
 

„Widerlich.“ Levi spitzte angeekelt die Lippen.
 

„Erzähl' mir von deiner Abneigung gegenüber Orgasmen. Betrifft das nur Orgasmen Dritter oder auch deine eigenen? Welches Trauma könnte sich bloß dahinter verstecken?“ Eren imitierte bewusst übertrieben Hanjis Stimme und Intonation, hoffte, dass Levi ihn für diese Impertinenz nicht bestrafte. Aber hey, es hatte sich angeboten auf diesen Zug aufzuspringen.
 

Levi bedachte ihn mit einem Blick, der deutlich seine Geistestätigkeit in Frage stellte, ansonsten schwieg er jedoch und aß unbeeindruckt weiter.
 

Eren war nicht von dem Mangel an Reaktion enttäuscht. Im Gegenteil. Er war froh, dass Levi gelassen blieb und seine Idiotie hinnahm.
 

Gut gelaunt widmete sich Eren wieder der köstlichen Mahlzeit und grinste vor sich hin wie der Idiot, der er war.
 

Als er fertig war, suchte er erneut das Gespräch.

„Wie fandest du eigentlich die Aktion von heute Mittag?“
 

Erens neugierige Worte schienen Levi aus seinen Gedanken zu reißen. Etwas irritiert schaute er zu ihm, ehe die Frage in sein Bewusstsein zu sickern schien.
 

So emotionslos die sturmgrauen Augen am Mittag waren, so sehr trieften sie nun vor schadenfrohem Amüsement.

„Gelungen. Diese Wichser hatten es verdient von Sasha eine auf die Fresse zu kriegen. War das so geplant?“
 

Eren blühte bei Levis Interesse regelrecht auf.

„Sasha hatte etwas hilfesuchend zu uns geschaut, da habe ich Jean und Connie gesagt, dass wir denen eine Abreibung verpassen dürfen. Das hat Connie Sasha mitgeteilt und dann hat es auch nicht mehr lange gedauert, bis sich die Gelegenheit ergeben hat. Den Rest der Geschichte kennst du ja. Wir haben echt perfekt zusammengearbeitet. Da konnte selbst Shadis nichts mehr sagen.“
 

„Du hast Sasha also nicht absichtlich ausgewählt, sondern es hat sich so ergeben?“
 

Levi stellte die Frage neutral, dennoch legte Eren mit gerunzelter Stirn den Kopf schief, etwas verunsichert, was die „richtige“ Antwort wäre. Es gab sie nicht. Nur eine Ehrliche.
 

„Hm, sagen wir so, ich wollte, dass jemand aktiv wird, dem man eher eine Opferrolle zugestehen würde. Von den Frauen kamen da nur Mina, Historia und Sasha in Betracht und bei den Männern Thomas, Franz, Connie und Armin. Zwar wäre Berthold auch friedfertig genug, aber seine Körpergröße ist nicht hilfreich. Idealerweise hätten Mina oder Armin die Typen vermöbelt, aber so hat das auch gepasst. Ich bin froh, dass es Sasha im Endeffekt war, die diesen chauvinistischen Arschlöchern das Maul gestopft hat.“
 

Levi nickte.

„Es ist nur bedauerlich, dass sie nicht gleich die ganze Einheit auseinandergenommen hat.“
 

„Deine Reaktion war herrlich“, schmunzelte Eren, „Hat Shadis noch etwas zu dir gesagt?“
 

„Er sagte soviel wie: „Wenigstens was gelernt, der Kindergarten.“ Ich denke nicht, dass er glaubt, dass das Spiel abgekartet war. Obwohl du etwas zu hochtrabend geworden bist.“
 

„Ich weiß.“ Eren senkte zerknirscht das Haupt.
 

Levi stand auf und nahm die Teller.

„Möchtest du Ingwer-Kräutertee?“
 

„Gerne“, lächelte Eren, „Kann ich dir mit den Dokumenten helfen?“
 

„Nein, ich habe davon nicht mehr viel zu erledigen. Genieß den Feierabend. Morgen wird es anstrengend.“
 

Diebische Neugier überkam Eren, ließ ihn schalkhaft zu Levi hochschielen.

„Was hast du denn morgen mit uns vor?“
 

„Das wirst du schon sehen.“
 

„Och, warum denn so geheimnisvoll?“, schmollte Eren.
 

„Weil ich es kann“, erwiderte Levi mit einem belustigten Aufblitzen in den Augen.
 

Mit einem tiefen Seufzer erhob sich Eren.
 

„Dann geh' ich ins Bett“, dann fügte er kurzentschlossen schelmisch hinzu, „Gute Nacht, Schatz!“
 

Albern schoss er durch das Wohnzimmer und machte schnell die Schlafzimmertür zu. Natürlich war er heiß darauf zu wissen, wie Levi reagiert hatte, aber dafür fehlte ihm im Moment der Mut.
 

Also begann er sich mit übersprudelnder Fröhlichkeit im Bad fertig zu machen und legte sich ins Bett. Davon, Ruhe zu finden, war er jedoch meilenweit entfernt.
 

Je länger er in der Stille des dunklen Schlafzimmers lag, desto bewusster wurde ihm sein dämliches Verhalten und desto mehr schämte er sich.
 

Gute Nacht, Schatz!
 

Was hatte er sich nur dabei gedacht? Nichts, anscheinend.

Es war wohl eine Übersprungreaktion, weil ihn die Nervosität bei dem Gedanken an das geteilte Bett überkommen hatte.
 

Nun lag er da also und seine Probleme hatten sich noch nicht in Luft aufgelöst. Er würde im Schlaf vermutlich wieder unbewusst an Levi heranrücken und er wollte nicht herausfinden, wann dem der Geduldsfaden riss. Eren griff zu sehr in seine Privatsphäre ein, überspannte den Bogen. Es war bereits jetzt ein Wunder, dass er noch nicht gebrochen war.
 

Unzufrieden schnaufend drehte sich Eren auf den Rücken und starrte in die Dunkelheit. Schwarzviolette Punkte tanzten vor seinen Augen umher, als ihm eine Idee kam.
 

*~*
 

Eine gute Stunde später hatte er endlich alle noch ausstehenden Dokumente durchgelesen. Der Erkenntnisgewinn hielt sich in Grenzen.
 

Die Leute, die sie abhörten, waren zwar größtenteils Arschlöcher, aber sie brachten ihre Ermittlungen nicht weiter.
 

Der ein oder andere beging Viagrastraftaten wie Betrug, aber bis auf ein paar Fälle organisierter Drogenkriminalität war noch keinem Verdächtigen etwas nachzuweisen. Keine Hinweise auf Waffen- oder Menschenhandel. Nichts. Es war frustrierend.
 

Levi konnte sich nur an sein Bauchgefühl klammern und hoffen, dass der Einsatz in ein paar Tagen nicht völlig umsonst sein würde.
 

Seufzend legte er sein Tablet beiseite und schaltete alle Lichter aus, ehe er zum Schlafzimmer tapste. Alles war dunkel, also schien Eren bereits zu schlafen.
 

Er ging ins Bad und machte sich fertig, ehe er das Fenster kippte und die Badtür offen ließ, sodass ein wenig Licht von den Straßenlaternen ins Schlafzimmer schien.
 

Kurz bevor er auf das Bett kroch, fiel ihm auf, dass etwas nicht stimmte.

Irritiert kniff er die Augen zusammen, als könne er so besser den Fehler im Bild erkennen.
 

Nach einem kurzen Moment begriff er, dass Eren sich mit seinem Bettzeug auf Levis Seite an die Wand gelegt hatte. Er hatte einfach die Seiten getauscht und das ging Levi gegen den Strich. Es war als nähme man ihm das Essen auf halbem Weg zum Mund weg. Es war ein unverschämter Eingriff in seine Privatsphäre.
 

Trotzdem schob sich Levi ins Bett und blieb auf der „falschen“ Seite liegen. Er hatte keine Lust auf etwaige Diskussionen. Er konnte Eren morgen zur Rede stellen.
 

Etwas erschauderte in ihm, als er spürte wie sich Eren umdrehte und tief durchatmete.
 

Er wollte es nicht, dennoch drehte Levi sich auf die andere Seite, begegnete dunklen halbgeschlossenen Augen.
 

„Warum schläfst du noch nicht?“ Soviel zu Zurechtweisungen. Levi wollte sich am liebsten selbst zusammenknüllen und wegschmeißen.
 

„Hmm“, seufzte Eren, „Ich war zu aufgedreht zum Schlafen.“
 

„Warum hast du die Plätze getauscht?“
 

„Ich dachte, dass ich dich vielleicht weniger bedränge, wenn ich an der Wand schlafe“, erklärte Eren und lächelte dann, „Dann kann ich mich an die Wand kuscheln.“
 

„Wenn du mich rausdrängst, tret' ich dir in den Arsch“, versprach Levi ernst.
 

Eren grinste schief.

„Diese Drohung verliert allmählich an Wirkung.“
 

„Ich kann dich jederzeit gerne daran erinnern, wie viel Spaß ein Arschtritt von mir macht“, drohte Levi halbherzig.
 

„Danke, ich versuche ohne auszukommen“, zwinkerte Eren ihm frech zu.
 

Levi atmete tief durch.

„Hast du überhaupt noch ein Quäntchen Respekt vor mir?“
 

Es war eine rein rhetorische Frage, kein bisschen ernst gemeint. Umso weniger hatte Levi mit einer ernst gemeinten Reaktion von Eren gerechnet, der die Augenbrauen zusammenzog und die Augen nun gänzlich öffnete.
 

„Es gibt wohl nichts, was du tun könntest, was mir den Respekt vor dir nehmen könnte.“
 

Die leise gesprochenen Worte waren so ehrlich und inbrünstig, dass Levi ganz warm wurde und sein schnell schlagendes Herz schwer.
 

„Idiot.“
 

„Es tut mir leid, wenn ich dir mit meinem Verhalten einen anderen Eindruck gegeben habe- Autsch!“
 

Jammernd kauerte sich Eren zusammen und rieb über sein Schienbein, das mit Levis Fuß Bekanntschaft gemacht hatte.

„Verdammt nochmal, warst du im letzten Leben ein Pferd?“
 

„Hör' auf dich für Scheiß zu entschuldigen. Es gibt nichts zu entschuldigen. Ich weiß, dass du mich respektierst“, etwas dunkler fügte Levi hinzu, „Andernfalls würde ich dich schon den nötigen Respekt lehren.“
 

Gespielt beleidigt legte sich Eren wieder ausgestreckt seitlich hin, wickelte sich in die Decke und vergrub sich darunter, sodass nur noch sein Gesicht herausschaute. Vorwurfsvoll und mit schmollenden Lippen starrte er Levi an.
 

„Du bist so ein Kind.“
 

Postwendend streckte Eren ihm die Zunge heraus, unterstrich seine Aussage. Es brachte Levi zum Schmunzeln.
 

Erens Mimik entspannte sich, er lächelte und Levi musste sich daran erinnern weiter zu atmen.
 

Verdammt hatte es ihn erwischt. Wie konnte sein Körper bloß so stark auf diesen jungen Mann anspringen? Gehirnwindung verrutscht, vermutlich.
 

„Was denkst du?“
 

Das ich dich am liebsten... Levi brach den Gedanken ab, als er spürte, wie aufgeregte Hitze in seinen Unterbauch floss. Sich vorzustellen, wie er Eren packte und sich auf ihn legte, reichte schon, um ihn zu erregen, auch ohne noch genauere Handlungen in seinem Kopf durchzuspielen.
 

In diesem Moment war Levi über die Dunkelheit froh. So selten er auch errötete, diese Vorstellung ließ seine Wangen kribbeln.
 

Er musste sich zur Ordnung rufen.

Denken, Levi, denken.

Eren hatte ihn etwas gefragt und seinen neugierigen Augen nach zu urteilen, vertuschte er sein Gedankenchaos nicht sonderlich gekonnt. Es würde gerade noch fehlen, dass Eren herausfand, dass sein Vorgesetzter ihm am liebsten an die Wäsche gehen wollte. Während sie im selben Bett schliefen. Unangenehmer konnte es kaum werden.
 

„Ich frage mich gerade, ob du immer deine Finger nicht von deinen Freunden lassen kannst.“
 

Wo kam denn dieser hirnverbrannte Satz her?

Egal. Eren reagierte herrlich verschämt darauf.

Peinlich berührt senkte er den Kopf und rieb sich über die Nase.
 

Zumindest hatte sich Levi nicht auf so offensichtliche Weise verraten.
 

„Ich hatte bisher nur zwei gute Freunde und die sind mein Getouche gewöhnt.“
 

„Armin und Mikasa?“
 

Eren nickte.
 

„Es ist mir nie aufgefallen, dass du Armin ständig anfasst.“
 

„Fasse ich dich etwa ständig an?“
 

„Gefühlt schon.“
 

„Ha ha. Du kannst Armin ja fragen.“
 

„Richtig. Bei der nächsten Besprechung: Nächster Tagesordnungspunkt: Armin, wie oft langt Eren eigentlich dich an?“
 

Eren lachte leise.

„Er würde das schon richtig einordnen.“
 

Levi schnaubte bei der Vorstellung.
 

„Früher war ich völlig anders. Ich habe es nicht ausstehen können, wenn man mich angefasst hat. Meine Mutter konnte höchstens mal durch meine Haare wuscheln, ansonsten war es schwierig mit mir. Im Nachhinein denke ich, dass ich meinen Eltern gegenüber auf diese Weise trotzig reagiert habe. Ich war ständig beleidigt und eifersüchtig, weil ihnen ihre Arbeit immer das wichtigste auf der Welt schien.“
 

Nachdenklich zog Eren die Augenbrauen zusammen.
 

„Klingt plausibel.“
 

„Hm hm“, summte Eren zustimmend, „Ich hatte auch nie Freunde. Ich habe mich ständig nur gerauft, weil ich auf meiner Meinung beharrt habe und nicht mit den anderen Jungs mitgelaufen bin. Mein Vater sagte immer, ich solle nicht so stur und unflexibel auf andere Kinder reagieren, aber wenn ich jemanden nicht mochte, wollte ich auch keine Kompromisse eingehen.“
 

„Wenn ich daran zurückdenke, wie du dich am ersten Trainingstag verhalten hast, liegen Welten dazwischen.“
 

Belustigt zuckten Erens Mundwinkel, während er verlegen blinzelte.

„Ich war zugegebenermaßen etwas verschreckt von deiner unkonventionellen Art.“
 

„Dank meiner unkonventionellen Art bin ich in deinen sturen Schädel vorgedrungen und habe dir was beibringen können“, bemerkte Levi tonlos, innerlich amüsiert.
 

„Dafür bin ich auch sehr dankbar“, lächelte Eren ehrlich. Selbst im Dämmerlicht konnte man das Strahlen seiner Augen erahnen. Es war ein fesselnder Anblick.
 

„Wann bist du dann so anhänglich geworden?“, lenkte Levi von sich ab. Sein Puls raste, aber dieser Zustand wurde zunehmend zur Sucht.
 

Eren ging problemlos darauf ein.

„Ich hab mich mit Mikasa angefreundet, als ihre Eltern mich unterrichtet haben. Nachdem ihre Eltern ermordet worden waren und sie zu uns gekommen ist, hat sich unsere Freundschaft in ein geschwisterliches Verhältnis gewandelt. Als dann meine Eltern auch ermordet worden sind, ist das Verhältnis entsprechend innig geworden.“
 

„Die Kinder des Todes.“
 

Eren verharrte mit offenem Mund. Ob von der Erzählung oder Levis geschmacklosen Äußerung konnte man nicht sagen. Levis leises Lachen machte den Fauxpas nicht gerade ungeschehen.
 

Er fasste sich mit einem empörten Blinzeln.

„Das war… echt… Auf jeden Fall hat sich dann diese Anhänglichkeit gegenüber Menschen entwickelt, denen ich emotional nahestehe. Was ich im Schlaf mache, kann ich trotzdem nicht beeinflussen.“
 

„Du stehst mir also emotional nahe?“, schaufelte Levi munter sein eigenes Grab, „Wie soll ich denn das verstehen?“
 

Zunehmend geduldslos schnaubte Eren.

„Wie ich es gesagt habe.“
 

„Was verstehst du darunter? Und warum ich, wenn es sonst nur Armin und Mikasa sind?“
 

„Warum magst du jemanden? Warum findet man jemanden unsympathisch? Warum verliebt man sich?“, begehrte Eren entnervt auf.
 

„Dafür gibt es eine ganze Palette an Gründen. Biochemischer und psychologischer Natur“, zeigte Levi ihm auf und fand ein untypisches Vergnügen daran Eren um den Verstand zu bringen.

Vermutlich seine unwillkürliche Rache für das Gefühlschaos, das er ihm bescherte.
 

Eren betrachtete ihn mit aufgebrachter Unentschlossenheit. Von der Wut blieb nur ein schnaubendes Knurren übrig.

„Was du machst, nennt man fishing for compliments.“
 

Levi musste zugeben, der Konter war gelungen.
 

„Ich bin nur neugierig“, Levi ließ sich zu einem Zwinkern hinreißen und brachte Eren prompt aus dem Konzept, „Außerdem lässt du dich herrlich schön ärgern.“
 

Eren seufzte tief.

„Das Kompliment kann ich zuweilen zurückgeben“, auf einmal grinste Eren ihn gewinnend an, beinahe verführerisch, wenn seine durchscheinende Überschwänglichkeit nicht gewesen wäre, und zwinkerte ihm ebenfalls zu.
 

Levi sah mit eiserner Miene zurück.
 

Erens Grinsen hielt dem nicht lange stand und er sah seufzend runter.

„Was hast du eigentlich für eine Auffassung von Körperkontakt? Ich meine, wie viel ist für dich in Ordnung und ab wann wird es zu viel?“
 

„Gut, dass Polizisten nicht viel reden müssen. Deine Rhetorik ist scheiße.“
 

„Ich lerne nur von den Besten“, erwiderte Eren unbeeindruckt und wartete sichtlich auf eine Antwort.
 

Der Bumerang kam stets zurück.

Es war okay.
 

„Es kommt immer darauf an“, begann Levi ernüchtert, „Es ist sehr personenabhängig. Im Grunde mag ich es nicht angefasst zu werden. Die meisten Menschen sind schmutzig.“
 

„Schmutzig“, wiederholte Eren als sei es ein Wort aus einer unbekannten Sprache, „Du hast kein Problem mit einem Eingriff in deine körperliche Nahsphäre, sondern mit der mangelnden Hygiene, die sowas mit sich bringen kann?“
 

„Ich hab überhaupt kein Problem, sondern derjenige, der sich ohne Erlaubnis an mich heranmacht“, stellte Levi klar und erntete ein belustigtes Schnaufen, „Ich mag Körperkontakt allgemein nicht sonderlich.“
 

„Weil es schmutzig ist oder warum? Und überhaupt, woher kommt dieses Sauberkeitsempfinden bei dir?“
 

„Ich bin in keiner sehr sauberen Gegend aufgewachsen und habe früh gelernt, dass Krankheit und Schmutz oft Hand in Hand gehen.“
 

„Und was hat das mit deiner Auffassung von Körperkontakt zu tun?“
 

„Einiges“, erwiderte Levi mit zunehmender Zurückhaltung. Der innere Widerwille bei dem Thema schlug sich allmählich durch, „Es gibt natürlich auch andere Gründe, aber ich möchte nicht darüber reden.“
 

Levi beglückwünschte sich dafür, dass er seinen Unwillen über das Thema weitergehend zu sprechen, mitgeteilt hatte, statt gleich die Schotten dicht zu machen und Eren im Regen stehen zu lassen.
 

„Wie alt warst du eigentlich, als du deine Jungfräulichkeit verloren hast?“
 

Es war ein Automatismus.
 

Eren stöhnte unterdrückt auf, als Levi ihm mit der Hand einen groben, aber keineswegs schmerzhaften Kinnhaken von unten her verpasste. Es war eigentlich mehr ein rabiates hochdrücken des Kinns als ein Kinnhaken.
 

Levi ließ so schnell von Eren ab, wie er ihn mit dieser Aktion überrumpelt hatte.
 

Noch bevor Eren sich grunzend beschweren konnte, starrte Levi ihn in Grund und Boden.

„Was zum Teufel?“
 

Eren rieb sich indigniert übers Kinn.

„Kinder des Todes, ja? Und du „beschwerst“ dich, weil ich eine persönliche Frage stelle?“
 

Levis Augen verengten sich zu schlitzen. Er war weder wütend noch peinlich berührt. Es war ja nicht einmal unbedingt seine Absicht gewesen so zu reagieren. Es war ein eingeübter Abwehrmechanismus.
 

„Mein Humor mag zuweilen zweifelhaft sein.“
 

Eren schnaubte spöttisch.
 

Levi ließ sich davon nicht irritieren.

„Ich war jünger als du - was kein großes Kunststück ist - aber mehr wirst du darüber auch nicht erfahren. Generell mag ich, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, nicht sonderlich gerne über so intime Dinge sprechen.“
 

„Wann fängt bei dir Intimität an? Denn ganz generell scheinst du kein Problem zu haben über sowas zu reden.“
 

„Ich will nicht mit dir über mein Sex- und Liebesleben reden. Generell mit niemanden. Gott weiß wie oft Hanji schon versucht hat, was aus mir raus zu kitzeln.“
 

Erneut schnaubte Eren. Diesmal unleugbar belustigt.
 

„Was du von dir preisgibst ist deine Sache“, fuhr Levi unbeirrt weiter.
 

Eren starrte ihn ohne mit der Wimper zu zucken an.
 

Mit der Zeit irritierte ihn das.

„Was?“
 

Endlich wandte Eren seufzend den Blick ab, nur um im nächsten Moment wieder seinen Blickkontakt zu suchen und leicht zu lächeln.

„Ich wollte dich nicht in Bedrängnis bringen, nur ärgern.“
 

„Warum? Ich dachte, du hättest Bedenken mich zu vertreiben, wenn du zu sehr bohrst?“, fragte Levi ihn mit ehrlicher Neugier.
 

„Ich habe beschlossen darauf zu vertrauen, dass unsere Freundschaft auf Gegenseitigkeit beruht.“
 

Eine schlichte Wahrheit. Doch ausgesprochen…

„Einfach so?“ Levi hoffte, dass er nur in seinen Ohren so atemlos klang.
 

„Ich bin ein impulsiver Mensch“, lächelte Eren mit verlegen zusammengekniffenen Augen.
 

Levi atmete tief durch und schloss die Augen.

„Wie sind wir wieder hier gelandet.“
 

Er hörte Eren leise Lachen und das Rascheln seiner Decke.
 

Das aufgeregte Flattern in seiner Brust ermüdete seinen Geist zunehmend.
 

„Levi.“
 

„Hm?“, summte er erschöpft.
 

„Danke.“
 

Verwunderung ließ ihn seine Augen aufschlagen.

„Wofür?“
 

Der Ausdruck in Erens Augen ließ ihn vergessen zu atmen. Seine Augen schimmerten sanft und geheimnisvoll. Er konnte in ihnen Gefühle erkennen, war jedoch nicht imstande sie zu deuten.
 

„Dass du bist wie du bist. Dass du mir so viel beigebracht hast. Dass du die Geduld hast dich mit mir auch außerhalb der Arbeitszeiten zu befassen“, dann fügte Eren murmelnd hinzu, „Okay, momentan hast du nicht die große Wahl, aber-“

Eren schnaufte überrascht auf.
 

Levi wuschelte ihm freundschaftlich durchs Haar. Ein Lächeln zog seine Lippen auseinander, als Eren seine Augen wieder aufschlug und ihn verdutzt ansah.
 

„Balg.“
 

„Häh?“ Eren betrachtete ihn mit großen Augen, als könne er nicht begreifen, was gerade geschah.
 

Levi zog seine Hand bedächtig zurück, immer noch lächelnd.

„Jetzt schlaf. Morgen wird anstrengend.“
 

Eren fasste sich und schmollte prompt.

„Was so anstrengend wird, rückst du immer noch nicht raus, oder?“
 

„Natürlich nicht“, schmunzelte Levi und drehte sich um.
 

Er hörte Eren theatralisch seufzen.
 

Und nach einer Pause.
 

„Gute Nacht, Levi.“
 

„Raa-dtree sàwàt, Eren.“
 

*~*
 

Als Eren am nächsten Morgen aufwachte war Levi bereits aufgestanden.

Ein Blick auf den Wecker verriet, dass er noch drei Minuten liegen bleiben konnte. Darauf verzichtete er und schob sich verschlafen aus dem Bett und trottete ins Bad.
 

Nach Klo, kühler Dusche und dem nervigen Putzen, zog er sich einen dunkelblauen Pulli und graue Jeans an.
 

Er hörte Levi in der Küche. Die Geräusche waren seltsam familiär. Er gewöhnte sich zusehends an die Anwesenheit des anderen.
 

„Guten Morgen“, grüßte Eren Levis Rücken freundlich, „Eigentlich bin ich heute mit Frühstück machen dran.“
 

„Ich weiß, aber ich war schon wach“, erwiderte Levi und drehte sich mit der Teekanne in der Hand um. Seine Körperhaltung wirkte zurückhaltend, während ihn seine Augen aufmerksam musterten.
 

„Hab ich was im Gesicht?“, fragte Eren frech nach und deutete auf sich.
 

Levis Mimik blieb steinern.

„Nein. Wo sollte ich denn sonst hinsehen?“
 

Eren winkte ab und setzte sich gemütlich an den Tresen.

„Schon gut. Was gibt es denn zu essen?“
 

„Milchreis mit Bananen und Ahornsirup.“
 

„Auch ein interessantes Frühstück.“
 

„Ich hatte Lust drauf“, meinte Levi lapidar und schenkte Eren eine Tasse Tee ein, ehe er zwei Schüsseln zur Hand nahm und den Milchreis servierte.
 

„Wow, vielen Dank“, lächelte Eren, was abgenickt wurde.
 

Natürlich schmeckte sogar das gut, obwohl Eren Milchreis als Kind nicht hatte ausstehen können.

Das glibberige Zeug im Waisenhaus konnte auch schwerlich mit Levis Kochkunst mithalten.
 

Er schielte zu Levi herüber, der auf diese verdrehte Art seine Teetasse hielt und mit genießerisch geschlossenen Augen trank.
 

„Ist das der Tee von mir?“
 

„Hm hm“, summte Levi, „Du hast dich gut beraten lassen.“
 

Eren lachte erleichtert und probierte selber. Er mochte schwarzen Tee, allerdings konnte er keine großen Unterschiede herausschmecken.
 

„Und? Was machen wir heute?“
 

Levi senkte die Teetasse soweit, dass Eren ein unheilvolles Lächeln in den sturmgrauen Augen erkennen konnte.

„Zu meiner Belustigung beitragen.“
 

***
 

Sie fanden sich schneller in Kampfsportkleidung in einer der gut ausgerüsteten Hallen zum Selbstverteidigungstraining wider, als ihnen lieb war.
 

Levi war besonders guter Laune. So gut, dass ihnen allen etwas ungut wurde.
 

„Bevor wir in den Einsatz gehen, möchte ich unsere Selbstverteidigungstechnicken auffrischen“, hatte er nach der kurzen Besprechung in der Früh verlautbart, was so viel hieß wie: „Ich will euer Blut sehen.“
 

Alle vorangegangen Trainings mit Levi waren sehr lehrreich gewesen, aber im direkten Vergleich versagten sie kläglich. Er war zu schnell, zu wendig, zu gemein.
 

Dass mit dem „Blut sehen“ war keine Übertreibung.
 

Levi stellte sich in die Mitte des auf den Trainingsmatten aufgezeichneten Kreises. Sie hielten sich nicht an die Linien, aber es war ein guter Ausgangspunkt und sie versuchten Überschreitungen so gut es ging zu vermeiden.
 

Alle außer Hannah - sie hatte sich einen Gymnastikball zum Sitzen geschnappt - knieten am Rand auf den Matten und keiner sah wirklich erpicht darauf aus hier zu sein.
 

„Wer möchte anfangen?“, fragte Levi teilnahmslos in die Runde, doch seine Augen verrieten sein Amüsement.
 

„Ich.“
 

Alle Blicke richteten sich auf die todesmutige Person. Im nächsten Moment ging ein Seufzen durch ihre Reihe, abgelöst von neugieriger Spannung.
 

Annie schritt in den Kreis, stellte sich Levi mit stoischem Gesichtsausdruck entgegen.
 

Levi nickte und zog Handschellen aus seinem Oberteil.

„Beendet ist der Kampf, wenn du es schaffst mir diese anzulegen und mich zehn Sekunden am Boden zu fixieren.“
 

Er warf Annie die Handschellen zu, die sie einsatzbereit in der linken Hand hielt, während sie die Fäuste hob und sich kampfbereit hinstellte.
 

Levi verlor keine Zeit.
 

Er stürmte auf sie zu, Annie schlug nach ihm, doch Levi wich geschickt aus, stellte ihr ein Bein und schwang seine Faust nach ihrem Solarplexus.
 

Annie sprang rechtzeitig davon, parierte seinen Schlag, aber Levi gewährte ihr keine Verschnaufpause. Er drang immerzu auf sie ein, zwang Annie stets zur Verteidigung.
 

Wenigstens war Annie schnell. Trotzdem konnte sie sich nur vor ihm schützen und hoffen, dass er vor ihr müde wurde. Leider ließ es Levi nicht darauf ankommen.
 

Geschickt entriss er Annie die Handschellen, was ihr eine Gelegenheit zum Angriff gab.

Ein Fehler.

Im nächsten Moment lag eine Handschelle um ihr Handgelenk und Levi zog mit einem Sprung zurück an ihr, brachte Annie lang genug aus dem Gleichgewicht, um sich in ihren Rücken zu drehen.
 

Mit mehr Glück als Können packte er ihr anderes Handgelenk, schellte es an und stieß Annie mit roher Gewalt zu Boden.
 

Schwer atmend saß er auf Annies Oberschenkeln und hielt bis zum Ablauf der Zeit ihre Hände in ihr Kreuz gedrückt. Sie lag bäuchlings auf dem Boden und versuchte sich gar nicht mehr zu wehren.
 

Früher gab sie nicht so schnell auf, was zu farbenprächtigen Prellungen und blutige Nasen auf beiden Seiten geführt hatte. Und demselben Ergebnis.

Annie schien sich das nun ersparen zu wollen.
 

Levi ließ sie laufen.

„Du musst versuchen den ersten Angriff zu vollführen, wenn du gegen mich kämpfst.“

Das sagte er ihr jedes Mal.
 

„Wenn ich meinen Gegner nicht kenne, würde ich ihn erst einschätzen wollen“, erwiderte Annie ebenso wie jedes Mal.
 

Levi ging nicht weiter darauf ein und nickte zu den Handschellen in ihrer Hand.

„Such dir jemanden aus, der als nächstes drankommen soll.“
 

Annie warf die Handschellen in Reiners Schoß.

„Viel Spaß.“
 

Der stöhnte bloß, ehe er sich entschlossen Levi entgegenstellte.
 

Reiner war verdammt kräftig, konnte mit Levis Geschwindigkeit allerdings nicht mithalten. Zudem war Reiner im Kampf mit Bekannten ungewollt etwas gutmütiger als es sinnvoll war. Er lag ziemlich schnell am Boden.
 

Sasha war eine größere Herausforderung. Sie war stur, wendig und sich nicht zu schade für unkonventionelle Vorgehensweisen. Levi vergalt die geprellten Eier mit einer blutigen Nase, aber immerhin waren alle Knochen ganz geblieben.
 

Der Rest wurde ziemlich zügig abgefertigt. Bedauerlicherweise waren die meisten nur halbherzig dabei, weil es um nichts ging. Sie waren nicht mehr in der Ausbildung, wo sie jederzeit fliegen konnten. Sie standen vor einem Einsatz und wollten sich nicht verletzen.
 

Zum Ende hin wurde es ziemlich lächerlich.
 

Armin ließ sich beinahe widerstandslos festnehmen, obwohl er sich ziemlich hartnäckig wehren konnte, wenn er denn nur wollte.
 

„Du sollst doch nicht Jungfrau in Nöten spielen“, zog Eren seinen Freund mit theatralisch enttäuschter Stimme auf.
 

„Mach es besser“, kam es angesäuert zurück, sowie Armin ihm die Handschellen auf den Schoß schmiss.
 

Eren lachte und sah vorfreudig zu Levi, der scheinbar unbeteiligt auf ihn wartete.
 

„Jetzt, wo wir den Boss müde gemacht haben, ist das ja wohl kein großes Kunststück“, grinste Connie und zuckte überheblich mit den Schultern.
 

„Ja du hast den Boss wohl kaum müde gemacht“, lachte Reiner schallend und klopfte mit seiner Pranke auf Connies Schulter, sodass der kleinere Mann fast umgeschmissen wurde.
 

Eren grinste selbstsicher, als er sich das Gewand richtete.

„Versucht euch eure Unfähigkeit nur schön zu reden.“
 

„Große Klappe, Jäger“, provozierte ihn Jean, „Das letzte Mal wurde dir auch der Arsch versohlt.“
 

Eren zuckte gleichgültig mit den Schultern.
 

„Spart euer Imponiergehabe für den Affenstall auf“, grollte Levi, ehe Eren etwas erwidern konnte, „Beweg dich, Jäger!“
 

Ohne weitere Umschweife trat Eren in den Kreis, atmete tief durch.

Er würde es Levi nicht so leicht machen, schwor er sich, er konnte ihn bezwingen.
 

Eren steckte sich die Handschellen in den Gürtel, um beide Hände frei zu haben. Für ihn hatte es Priorität Levi überhaupt erst einmal zu packen. Wie er ihm die Handschellen anlegen konnte, fragte er sich später.
 

Levi beobachtete ihn mit Argusaugen, blieb jedoch entspannt stehen als hätte er alle Zeit der Welt.
 

Abwarten nützte Eren herzlich wenig, dementsprechend abrupt stürzte er sich auf Levi der prompt abtauchte. Das hatte Eren erwartet. Schnell wirbelte er herum und trat Levi gegen den Oberschenkel. Das brachte ihn zwar weder zum Taumeln noch verursachte es störende Schmerzen, es verzögerte Levis Manöver allerdings gerade lange genug, um Eren Gelegenheit zum Ausweichen und nächsten Angriff zu geben.
 

Eren drehte sich in Levis Rücken, schlug jedoch nicht sofort nach ihm. Er wartete auf die Millisekunde, die Levi brauchte, um zu realisieren, was er vorhatte.

Sowie Levi sich mit erhobener Faust umdrehte, sprang Eren auf ihn zu und schubste ihn mit voller Wucht gegen die Brust nach hinten.
 

Geschickt fing Levi den Stoß ab, indem er sich nach hinten fallen ließ und abrollte.
 

Das war der Moment, in dem Eren die Handschellen nahm, vorpreschte und Levi grob mit der Schulter rammte, um die Handschelle um sein linkes Handgelenk zu legen.
 

Sowie der Verschluss zuschnappte, schlug ihm Levi in den Solarplexus und stieß Eren von sich. Geistesgegenwärtig hielt Eren die Handschelle fest, doch in einer weniger durchdachten Aktion ließ er den anderen Verschluss um sein eigenes rechtes Handgelenk schnappen.
 

Nun hingen Eren und Levi aneinander, was letzterer mit einem genervten Schnauben zur Kenntnis nahm, als er von Eren durch den Stoß mitgezogen wurde.
 

Eren ließ sich keine Zeit, um sich von dem Schlag in den Solarplexus zu erholen oder darüber zu ärgern, dass er schon wieder intuitiv gehandelt und sich in Teufelsküche gebracht hatte.
 

Nach Luft japsend taxierte er Levi, der ihn zunehmend angepisst anstarrte.
 

Es war eine interessante Situation.
 

Eren musste es gelingen dem nächsten Angriff standzuhalten, sonst ging ihm der Arsch auf Grundeis und es würde schwer werden das Blatt zu wenden, wenn Levi ihn erstmal zu fassen bekam. Zumindest konnte er ihm die Handschellen nicht mehr wegnehmen...
 

Der Angriff kam plötzlich. Eren duckte sich unter Levis Schlag weg und drehte sich in seinen Rücken, nutzte ihre Verbindung durch die Handschellen, um Levi unter Kontrolle zu bringen.
 

Es gelang ihm Levi von hinten zu umgreifen, die linke Hand mittels Handschelle in dessen Rücken zu fixieren und seinen rechten Arm fest an seinen Körper zu pressen.
 

Für einen Atemzug erstarrte Levi in seiner unnachgiebigen Umarmung, die ihn den Boden unter den Füßen verlieren ließ. Hätten Erens Ohren nicht vor Anstrengung gerauscht, wäre ihm das überraschte, ungläubige Schnaufen ihrer Kameraden aufgefallen, ob der kurzen Überlegenheit.
 

Er konnte spüren, wie Levi das Erstaunen über seine eigene Lage überwand, sich die Rückenmuskeln, die sich gegen Erens Brust pressten, zum Zerreißen anspannten.
 

Merde, fluchte Eren innerlich, als Levi seine Beine um Erens schlang, die Füße in seine Kniekehlen drückte und ihn aus dem Gleichgewicht brachte.
 

Er stürzte mit Levi zusammen zu Boden. Ein normaler Mensch hätte versucht sich abzufangen, aber Eren war stur. Er plumpste mit einem schmerzerfüllten Keuchen mit der linken Schulter wie ein Mehlsack auf die Matten, Levi immer noch fest im Griff, der sich versuchte herauszuwinden.
 

Dummerweise spielte die Schwerkraft Levi in dieser Position in die Hände und es gelang ihm Eren mit dem Hinterkopf ans Kinn zu stoßen, sodass sich seine Umklammerung gerade lang genug lockerte, um es Levi zu ermöglichen sich zu befreien.
 

Zwar versuchte sich Eren schnell wieder aufzurichten, Levi versuchte aber gar nicht erst aufzustehen, sondern warf sich regelrecht wie eine Mischung aus Wrestler und Judoka auf ihn und versuchte ihn ebenfalls mithilfe der Handschellen zu fixieren.
 

Eren drehte sich geschickt unter Levi davon, doch verdammt, er war zu langsam. Levi wusste ganz genau wie er sein Körpergewicht sinnvoll einsetzen konnte und schaffte es den auf dem Bauch liegenden Eren festzuhalten.
 

Verblüfft fand sich Eren hilflos röchelnd unter Levi wieder, der direkt unterhalb seines Arsches auf seinen Oberschenkeln saß, beide Beine um Erens gehakt. Ärgerlicher war, dass es Levi gelungen war Erens rechten Arm mittels der Handschelle so um seinen eigenen Hals zu ziehen, dass er sich nur unter Schmerzen rühren konnte und gleichzeitig sein linkes Handgelenk zu umfassen, das Levi sich schön passend auf Erens Rücken gezogen hatte.

Kurzum: Eren lag verpackt wie ein schwitzendes Paket auf der Matte.
 

„Und was machst du jetzt?“, fragte Levi ihn mit schwerem Atem und griff in seine Haare, um seinen Kopf grob hochzureißen. Dadurch wurde Erens Rücken schmerzhaft durchgebogen, abgesehen davon, dass seine Kopfhaut brannte.
 

Eren wusste, dass Levi dazu neigte seinen Verdruss auf sehr eindrückliche Art auszudrücken, immerhin hatte er es oft genug am eigenen Leib erfahren dürfen.
 

Es machte Eren nur nicht minder wütend.
 

„Was machst du?“, grollte er erstickt und wurde prompt noch stärker verbogen, bis Eren kaum noch Luft bekam. Das Rauschen in seinen Ohren wurde unerträglich laut.
 

„Ähm? Stopp?“
 

Der zögerliche Vorschlag von Hannah stieß auf taube Ohren, doch kurz darauf bemerkte Eren Armin neben ihnen stehen. Levi wohl auch, denn seine Haare wurden losgelassen und er bekam plötzlich wieder Luft. Er musste husten, als er gierig nach Luft schnappte.
 

Verdammt, payback’s a bitch.
 

„Ihr könnt so nicht gewinnen“, sprach Armin sie mit erhobenen Händen an, als stünde er vor zwei angriffsbereiten Raubtieren - lag bestimmt nicht so fern, „Ohne dem anderen Handschellen anlegen zu können, kann keiner gewinnen. Ihr solltet es als Unentschieden werten.“
 

Unentschieden? Von we-
 

„My ass“, spuckte Levi aus, „Hätte ich es ernst gemeint, läge das Balg mit gebrochenem Genick hier.“
 

Bevor Armin etwas darauf erwidern konnte, grollte Eren: „Runter von mir!“
 

Levi ließ es zu, dass Eren sich aus dem nun lockeren Griff löste und erhob sich dankbarer Weise von seinen Beinen, sodass Eren sich mit dem Oberkörper hochstemmen und aufstehen konnte.
 

*~*
 

Eren wirbelte herum und durchbohrte ihn mit einem zornigen Blick.
 

Levi hatte diesen Ausdruck nicht oft in den seegrünen Augen gesehen und nie gegen sich gerichtet. Jetzt konnte er nachvollziehen, warum Eren von anderen als gefährlich empfunden werden konnte. Ihm selbst stellten sich bei diesem Anblick die Nackenhaare in gespannter Erwartung auf.
 

In diesem Moment erinnerte Eren ihn an einen Puma. Schnell, kräftig und unterschätzt von jedem, der sie nur von Bildern oder aus Geschichten kannte.
 

„Es ist noch nicht vorbei“, knurrte Eren gefährlich, jede Faser in seinem Körper angespannt, „Solange ich bei Bewusstsein oder nicht gefesselt bin, geht es weiter.“
 

Levi betrachtete ihn abschätzend. Er konnte nicht leugnen, dass sich Erens Kampfwille auf ihn übertrug, er geradezu kribbelnde Vorfreude auf eine weitere Runde empfand.

„Masochistisch?“
 

„Glaubst du, du bist der Einzige, der sich hier zurückgenommen hat?“, verlangte Eren provokativ zu wissen und reckte den Hals wie ein wütender Stier.
 

„Tch“, schnaubte Levi, „Mal sehen, ob du mehr kannst als Sprüche klopfen.“

Levi hörte selber wie seine Stimme mit jedem Wort härter und dunkler klang.

Er musste sich zusammenreißen.

Er durfte Eren nicht verletzen. Das würde nur ihren Einsatz gefährden und das konnte Levi dann selbst ausbaden und darauf hatte er keine Lust.
 

Aber irgendwann würde er diesem Bengel schon die Leviten lesen.
 

Wenig einfallsreich stürmte Eren auf ihn zu, als wolle er ihn erwürgen. Flink wich Levi aus, duckte sich seitlich links raus. Und wurde von Erens Körper begraben.
 

Es war lächerlich.
 

Levi fühlte sich wie ein Käfer auf dem Rücken. Eine ganze Ladung Mist auf sich.
 

Eren hatte sein Ausweichmanöver vorhergesehen und ihre Verbindung dazu genutzt, an der Kette zu ziehen, um sein Momentum etwas umzuleiten und Levi zu blockieren, sodass Eren in seine Seite geprallt ist und sie zu Boden geworfen hat.
 

Nicht unbedingt dumm. Aber ein Tölpel hätte das noch eleganter gelöst.
 

Bevor Levi sich befreien konnte, saß Eren schon auf seiner Hüfte, klemmte ihn zwischen seinen Beinen ein wie ein Schraubstock das Brett. Levi wurde schmerzlich bewusst, wie kräftig Erens Oberschenkel waren.
 

Als Eren keine Sekunde später die Hände um Levis Hals legte - wohl um zu veranschaulichen, dass er am längeren Hebel saß - verpasste er dem dreisten Balg mit der freien Hand einen saftigen Kinnhaken, der seine Zähne laut aufeinanderschlagen ließ.
 

Eren grunzte schmerzerfüllt und war lange genug abgelenkt, um sich aus seiner Umklammerung winden zu können.
 

Sowie Levi wieder auf den Beinen stand, versuchte Eren sie unter ihm wegzufegen.

Oh, wenn er nur könnte wie er wollte.
 

Levi sprang nach hinten und zog Eren erbarmungslos an der Kette mit sich. Natürlich wollte sich der Bengel nicht herumschleifen lassen und griff ihn erneut direkt an. Kraftvoll sprang Levi zurück, drehte sich und nutzte das Drehmoment, um Eren aus dem Gleichgewicht zu bringen.
 

Obwohl sich Eren in bewundernswerter Geschwindigkeit fing, gelang es Levi nah an ihn heranzutreten und mit beiden Handkanten an seinen Hals zu schlagen.
 

Die seegrünen Augen sahen ihn nicht überrascht an, bevor sie in seinen Augenhöhlen verschwanden und Eren bewusstlos zusammenbrach.
 

Levi fing ihn auf und legte ihn bäuchlings auf dem Boden ab, kramte nach dem Schlüssel, entriegelte seine Schelle und zog Erens Hände auf dessen Rücken. Das Klicken des Schlosses klang unnatürlich laut in der totenstille Halle.
 

Als Levi genervt aufschaute, blickte er in große Augen und offene Münder. Gut, Annie beobachtete ihn neugierig und Ymir grinste gehässig, aber der Rest machte sich zum Affen.
 

Armin fasste sich und zeigte auf Erens leblose Gestalt, die Levi immer noch mit einem Knie im Kreuz fixierte.

„Lebt er noch?“
 

Just in diesem Moment stöhnte Eren auf und begann sich zu regen.
 

Levi ließ von ihm ab. Ein seltenes Gefühl des Triumphes erfüllte seine Brust.
 

Sogleich kam Armin heran und drehte Eren auf die Seite.

„Hey, alles o.k.?“
 

So fest hatte Levi wirklich nicht zugeschlagen. Es war nur kurz. Er würde so eine gefährliche Technik nicht unpräzise einsetzen. Natürlich war er okay.
 

Eren schlug blinzelnd die Augen auf, bemerkte seine fixierten Handgelenke und erstarrte.
 

Sein Blick schweifte zu Armin, dann zur Seite und fand ihn sofort.
 

Wenn Levi geglaubt hatte, er fände Trotz in den seegrünen Augen, wurde er enttäuscht.
 

Eren funkelte ihn feurig an, ein Versprechen in den entschlossenen Augen.
 

Es ließ Levi die Härchen im Nacken und auf den Armen hochstehen.
 

„Na, Prinzessin! Gut geschlafen“, pöbelte Jean, was ihren Blickkontakt unterbrach und Eren wütend zu seinem Lieblingsrivalen sehen ließ.
 

Ein guter Moment für Levi sich zusammenzureißen und das Training abzuschließen.

Jegliches Gepöbel verstummte, als Levi die Stimme erhob.
 

„Alle außer Annie, Sasha und Eren werden heute noch drei Stunden ins Fitnessstudio gehen und eine Stunde schwimmen. Danach habt ihr frei.“
 

„Und wir haben gleich frei?“, fragte Sasha verdattert.
 

Levi nickte und betrachtete die anderen vielsagend. Sie schienen unter seinem Blick zu schrumpfen.

Gut so.
 

***
 

Als Levi aus dem Bad kam, fand er Eren in Trainingsklamotten mit dem Handy in der Hand auf dem Bett sitzend vor.
 

„Schwing deinen dreckigen Arsch von den Laken. Hast du eine Ahnung wie dreckig der Boden ist, auf dem du dich herumgewälzt hast?“
 

Eren sah mit großen Augen auf, gestikulierte ausladend, als er antwortete:

„Es ist egal wo ich mich in dieser Wohnung aufhalte. Selbst den Boden würde ich schmutzig machen, wenn ich mich darauf setze.“
 

„Du kannst stehen.“
 

„Eine halbe Stunde lang?“
 

„Wenn du auch mal die Waschmaschine einräumen und die Fließen putzen würdest, hätte ich nicht so lange gebraucht.“
 

Aufgebracht warf Eren die Hände hoch, den Mund weit zu einer Entgegnung aufgerissen, als ein Scheppern sie beide erst irritiert zur Decke und dann zum Boden sehen ließ, wo Erens Handy gerade über das Parkett neben Levi schlitterte.
 

„Ah, scheiße!“, fluchte Eren laut und raufte sich die Haare, während Levi die Augen verdrehte.
 

„Idiot.“ Er bückte sich nach dem Handy und begutachtete es. Immerhin war es nicht beschädigt. Die Teile hielten zwar eine Menge aus, aber man konnte Erens Handy ansehen, das es mehr als nur ein paar Jahre auf dem Buckel hatte. Die Seiten waren völlig zerkratzt und der Lack an den Ecken abgewetzt.
 

Eine große Hand fischte es aus seinen neugierigen Fingern.
 

Unvermittelt griff Levi nach Erens Unterarm. Nur am Rande hörte er Erens Atem stocken, konzentrierte sich zu sehr auf die aufgeschürfte Haut am Handgelenk.
 

„Du bist ziemlich empfindlich“, stellte Levi überrascht fest und fuhr mit dem Zeigefinger neben der von der Handschelle malträtierten Stelle entlang.
 

Sachte entzog ihm Eren seine Hand und Levi erstarrte.
 

Dennoch sahen seine Augen hoch als unterläge er einem Zwang Erens Reaktion zu erforschen.
 

Er lächelte.

„Danke.“
 

„Hn“, Levi nickte knapp und trat an Eren vorbei, „Häng die Wäsche auf, wenn du fertig bist.“
 

Er hörte Erens Schnauben.

„Ja ja.“
 

„Wie war das?“
 

„Sir! Yes, Sir!“, rief Eren und sperrte sich geschwind im Bad ein, ehe Levi sich umdrehte, um ihm einen Arschtritt zu verpassen.
 

*~*
 

Vielleicht sollte es ihm zu denken geben, dass er eben keinen Gedanken daran verschwendete, wie Levi ihn bewusstlos geschlagen hatte und ihn wegen Banalitäten anpflaumte. Das einzige Bild vor seinem inneren Auge war ein ungewöhnlich jung aussehender Mann, der mit sanften Fingern über die Spuren der Handschelle strich und wie ertappt er angesehen worden war, als Eren seine Hand zurückzog.
 

Warum hatte er seine Hand zurückziehen müssen?
 

Eren hatte sich in diesem Moment geschämt. Trotz seiner Wildheit und Raufereien war seine Haut immer besonders empfindlich gewesen. Was war es für ein Theater gewesen ihn an eng anliegende Kleidung zu gewöhnen, als er in das Waisenhaus in Deutschland gebracht worden war. Die rauen Materialien und Nähte hatten seine Beine, Schultern und den Kragenbereich wundgerieben.

Er war deswegen oft gehänselt worden und die verständnislosen Blicke und das Kopfschütteln der Erzieherinnen taten ihr übriges.
 

Die alte, dämliche Scham für etwas, das er nicht beeinflussen konnte, hatte ihn in diesem Moment ergriffen. Er wollte nicht vor Levi wie eine zerbrechliche Puppe wirken.
 

Er hätte sein Gehirn einschalten sollen.

Obwohl…
 

Hirn, wo bist du? Jemand Zuhause?
 

Die Tatsache, dass ihn Levis Reaktion so zappelig und ruhelos werden ließ, sollte ihn innehalten lassen, doch stattdessen fetzte er durchs Bad, erledigte alles - natürlich - und konnte es kaum erwarten herauszufinden, ob er Levi noch auf andere Art dazu brachte ihn so anzusehen.
 

Sein Herz klopfte aufgeregt, als er aus dem Schlafzimmer kam.
 

Levi saß ganz unspektakulär an der Küchentheke und tippte auf seinem Tablet herum.
 

Mit wenig Selbsterhaltungstrieb und bemüht leger schlenderte Eren um die Theke herum und trat hinter Levi, um ihm über die Schulter zu schauen.

„Was machst du?“
 

Levi sah ihn aus den Augenwinkeln an und Gott, wenn Blicke töten könnten wäre Eren auf der Stelle zu Stein erstarrt. Es wirkte.
 

Als Eren einen Schritt zurückgetreten war, erklärte Levi:

„Ich plane den Einsatz.“
 

„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Eren enthusiastisch.
 

Levi schien kurz zu überlegen, ob er sarkastisch oder sachlich antworten wollte.

„Ja, morgen. Wir werden den Plan in der Früh mit Jean und Mylius durchgehen, bevor wir die ganze Einheit einbinden.“
 

Etwas schmollend seufzte Eren.

„Und vorher kann ich nichts machen?“
 

„Doch“, meinte Levi ernst und Eren begann sich schon zu freuen, „Mir von der Pelle rücken zum Beispiel.“
 

„Argh!“ Theatralisch warf Eren die Hände hoch und zog sich in die Küche zurück.

„Dann koche ich eben etwas“, schmollte er.
 

„Aber leise, sonst schmeiß ich dich raus.“
 

Eren streckte ihm die Zunge raus. Vermutlich zu seinem Glück hatte es Levi nicht mehr gesehen.
 

Schweigend schnitt Eren das Gemüse und erhaschte immer wieder einen Blick auf Levi, der hochkonzentriert auf sein Tablet starrte, beiden Augenbrauen genervt zusammengezogen.
 

Mal sehen, wie lange er mich komplett ausblenden kann, dachte sich Eren und schmunzelte still vor sich hin.
 

Tatsächlich nahm Levi erst Notiz von ihm, als der Essengeruch zu ihm durchdrang.
 

„Was kochst du?“
 

Bewusst mit seiner Antwort zögernd, um nicht zu wirken, als hätte er seit einer halben Stunde genau auf diese Frage gewartet, wusch Eren erst das Schneidebrett fertig ab, ehe sich lächelnd zu Levi umdrehte.
 

Er verbuchte es als Sieg, dass Levi derweil nicht weggeschaut hatte.
 

„Hähnchen an Moambe.“
 

Levis Blick forderte ihn zu einer weiteren Erklärung auf.
 

„Ein Gericht aus Kinshasa. Wir haben es dort jede Woche gegessen. Allerdings habe ich keine Palmnüsse gekriegt, Palmnut Cream muss genügen.“
 

„Hm“, machte Levi und konzentrierte sich wieder auf sein Tablet.
 

Echt jetzt?
 

„Riecht es wenigstens gut?“, murrte Eren.
 

„Mhm“, summte Levi zustimmend.
 

Eren schnaubte leise und bewachte das Essen.
 

Erst als er begann den Tisch zu decken legte Levi sein Tablet weg.
 

„Stellen wir uns jetzt gegenseitig die Küchen unserer Heimatländer vor?“
 

„Warum nicht?“ Eren zuckte mit den Schultern und konnte nicht umhin Levi fragend, ob seines angestrengten Tonfalls, anzublicken.
 

Levi schien es zu bemerken und griff nach dem Besteck, dass Eren provisorisch in die Tischmitte gelegt hatte, um es feinsäuberlich neben ihre Teller zu legen.

Wäre der Gedanke nicht beinahe absurd, würde Eren annehmen, dass Levi ihm mit dieser Handlung ausweichen wollte.
 

„Ich hoffe, dass es dir schmeckt. Wie gesagt, es ist nicht originalgetreu und ohne afrikanische Luft schmeckt es sowieso ganz anders.“
 

Levi sah ihn so abrupt an, dass Eren erstarrte. Dann bildete sich ein leichtes Lächeln auf Levis Lippen.
 

„Ich weiß genau was du meinst.“
 

***
 

Eren erinnerte sich nicht mehr daran, wann Levi in jener Nacht ins Bett kam oder ob überhaupt.

Auf jeden Fall stand das Frühstück am nächsten Morgen bereits auf dem Tisch und sie verbrachten den restlichen Tag im Besprechungsraum und tüftelten mit der ganzen Einheit rege an einem adäquaten Einsatzplan, bis sie keinen vernünftigen Gedanken mehr formulieren konnten.
 

In dieser Nacht schlief Eren nicht ein. Zum einen wirbelte der Einsatzplan mit allen möglichen und unmöglichen Eventualitäten in seinem Kopf herum, zum anderen kam er nicht zur Ruhe, solange er nicht wusste, warum Levi auch um Mitternacht noch wach war.
 

Schlaftrunken und unzufrieden schälte sich Eren stöhnend aus der Decke und wälzte sich elegant wie ein Walross am Strand aus dem Bett.
 

Als er die Schlafzimmertüre leise öffnete, fand er Levi immer noch an der Küchentheke sitzend und auf sein Tablet starrend vor.
 

Ein Gähnen unterdrückend, öffnete Eren die Tür vollends und schlurfte gemächlich zur Küche, um sich etwas zu trinken zu holen.
 

Natürlich hatte ihn Levi sofort bemerkt und beobachtete ihn fragend.

„Was ist los?“
 

„Durst.“
 

„Warum trinkst du nicht im Bad wie sonst immer?“
 

Eren schnaubte und wandte ihm fahrig sein Gesicht zu.

„Sonst beschwerst du dich, wenn ich mich „wie ein unzivilisiertes Balg“ an den Wasserhahn hänge.“
 

„Ah, du merkst dir den Tadel also doch“, stellte Levi mit trockenem Amüsement fest, „Dann hörst du absichtlich nicht auf mich.“
 

Er legte den Kopf schief und tat so als müsse er angestrengt nachdenken.

„Das kommt drauf an.“
 

„Darauf, ob dich gerade Trotz oder Dummheit leitet?“
 

„Gut geraten, aber falsch“, sang Eren spöttisch, „Eher darauf, ob der Tadel gerechtfertigt ist oder nicht.“
 

„Und nach welchem Maßstab bemisst du die Rechtfertigung?“
 

„Nach Zweckmäßigkeit und Angemessenheit.“
 

„Also frei Schnauze.“
 

„Unter Berücksichtigung anderer Schnauzen.“
 

„Mitläufer.“
 

„Apropos Mittläufer, was arbeitest du jetzt noch? Bist du überhaupt noch produktiv?“
 

„Ich bin immer produktiv.“
 

„Selbst im Schlaf?“
 

„Erst recht im Schlaf.“
 

„Wenn ich das in der Schule gewusst hätte, dann hätte ich Herrn Seewald was erzählen können, wenn er mich wegen unpassendem Benehmen wieder nachsitzen gelassen hätte.“
 

„Nur weil ich im Schlaf produktiv bin, musst du es noch lange nicht sein.“
 

„Müssen nicht, aber das macht mein Gehirn schon von selbst.“
 

„Apropos von selbst, wolltest du dir nicht was zu trinken holen?“
 

„Stimmt!“ Eren klatschte in die Hände und machte sich daran ein Glas aus dem Hängekabinett zu fischen.
 

„Was für ein Scheiß“, seufzte Levi und barg das Gesicht in den Händen.
 

„Was?“
 

„Alles.“
 

Eren summte und setzte sich Levi gegenüber, nachdem er sich das Glas gefüllt hatte. Als er sonst nichts sagte, ließ Levi seine Hände wieder sinken und sah ihm in die Augen. Wieder spiegelten sich seine Augen so stark im Licht, das sie eher hellgrau wirkten, keine Spur von dem dunklen blau, das Eren erst so selten ungestört erkennen konnte.
 

Obwohl Eren spürte, dass Levi ihn mit seinem Blick zum Reden bringen wollte, schwieg er weiterhin und begann leicht zu lächeln, als keiner das Blickduell gewann.
 

Levi atmete tief durch und schaltete das Tablet auf Ruhezustand. Er sah in diesem Moment unglaublich müde aus.
 

Aus einem Impuls heraus wanderte Erens Hand über die Theke. Daumen und Zeigefinger zupften zögerlich an Levis Ärmel.
 

Ihre Blicke trafen sich. Eren fühlte sich kurz unsicher, doch dann überkam ihn eine Woge der Zuversicht und er zog frech an dem Ärmel.

Der Ausdruck in seinen Augen musste sich geändert haben, denn die sturmgrauen Augen blitzten geheimnisvoll auf.
 

Dieser Blick ließ ihm heiß werden.
 

Eren war es als befände er sich urplötzlich in einem Vakuum. Sein Herz begann zu rasen, ihm wurde schwindlig.
 

Er hielt Blickkontakt.
 

Der Ausdruck in Levis Augen veränderte sich, doch noch ehe Eren versuchen konnte in ihnen zu lesen, änderte er sich wieder und er atmete langsam durch den Mund aus. Levis Lippen schienen trocken.
 

„Ich gehe mich fertig machen“, erklärte Levi leise, als dürfe man die Stille zwischen ihnen nicht stören, „Heute habe ich tatsächlich keine vernünftigen Gedanken mehr.“
 

Nur heute nicht? Doch es blieb bei einer gedanklichen Hänselei. Es war dumm und falsch, also zog Eren bloß seine Lippen zu einem Lächeln auseinander.
 

Sachte zog Levi seinen Ärmel aus Erens Fingern, der wie erstarrt zurückblieb, und stand tiefdurchatmend auf.
 

Als Levi im Schlafzimmer verschwunden war, ließ Eren den Kopf seufzend auf seine verschränkten Arme sinken.
 

Oh. Mein. Gott.
 

Eren fühlte sich überwältigt von diesen... diesen Zuständen!
 

Woher kam das so plötzlich?
 

Und wieder konnte er nicht leugnen, dass es nicht ach so plötzlich gekommen war.

Doch verstehen konnte er es dadurch auch nicht besser.
 

Resignierend trank Eren sein Wasserglas leer und ließ es stehen. Wenn er es abwusch, musste er es danach abtrocknen, aufräumen und die Spüle trocken wischen... Da holte er sich am Morgen lieber einen Rüffel.
 

Etwas hektisch ging er ins Schlafzimmer, warf sich ins Bett und deckte sich zu, ehe Levi aus dem Bad kam.
 

Stur mit dem Gesicht zur Wand lauschte er den Geräuschen im Bad und schluckte trocken, als sich Levi schließlich neben ihn legte.
 

Der Platztausch hatte sich bewährt. Zumindest rückte er Levi nicht allzu sehr auf die Pelle.

Zumindest nicht unfreiwillig.
 

Es war beinahe wie ein körperlicher Zwang. Er konnte nicht anders, als sich nach unendlich anmutenden Minuten und innerem Für und Wider umzudrehen und mit jeder weiteren dahinfließenden Sekunde zerfloss sein innerer Widerstand - die letzte Festung der Vernunft an diesem seltsamen Abend - und er gab seinem törichten Wunsch nach.
 

Mit angehaltenem Atem rutschte er an Levis Rücken heran, sodass er zusammengerollt wie eine Katze direkt hinter ihm lag und mit seiner Stirn die Stelle zwischen Levis Schulterblättern berührte.
 

Er hörte über sein dumpf pochendes Herz hinweg Levis leisen Atem kurz stocken. Doch als nichts geschah, entspannte sich Eren mit einem lautlosen Seufzer. Er atmete tief durch und ließ sich von Levis Geruch einlullen.
 

Am nächsten Morgen war Levi bereits aufgestanden und das Glas aufgeräumt im Schrank.
 

*~*
 

Den Tag vor dem Einsatz verbrachten sie damit den konkreten Einsatzplan und nochmal alle möglichen Manöver einzustudieren.
 

Eines musste man ihrem Vorgesetzten lassen, er konnte ganz hervorragend Einsätze planen und diskutierte einzelne Punkte gründlich mit ihnen.
 

Armin hatte in seiner beruflichen Laufbahn zu viele selbstvoreingenommene Chefs gehabt, um Levis Kritikfähigkeit nicht wertzuschätzen. Obwohl er mit seiner schnörkellosen Ausdrucksweise und seinen sarkastischen Bemerkungen nicht dem Idealbild entsprechen mochte, genoss es Armin ihn zu beobachten und von ihm zu lernen.

Es ging nur schwer in seinen Kopf, dass dieser kleine, immerzu grantig dreinblickende Mann der Kriegsheld sein sollte. Derjenige, der Long Wang zur Strecke gebracht haben soll.
 

Man hörte lebendiger Geschichte zu, wenn sie sprach.
 

„Was ist so schwer daran zu begreifen, dass du von dieser verfickten Plattform nicht runter klettern kannst?“
 

Und man akzeptierte ihre Unzulänglichkeiten als Nachweis ihrer Authentizität.
 

Eingeschnappt schob Connie die Unterlippe vor und starrte mit verschränkten Armen auf die dreidimensionale Projektion des Hafengeländes, von dem aus sie den Frachter mit der etwaigen Waffenlieferung erreichen sollten.
 

„Sonst noch jemand Vorschläge oder Anmerkungen? Nein? Gut. Es geht morgen um 4:00 Uhr los.“ Mit diesen Worten stand Levi auf und schaltete sein Tablet aus. Die realitätsgetreue Projektion verschwand und das Licht ging an.
 

Armin blinzelte ein paar Mal geblendet, bevor sein Blick zu Eren schweifte. Doch sein Freund bemerkte ihn nicht. Stattdessen sah er ihrem Vorgesetzten nach und ließ sich nebenbei etwas von Reiner erzählen.
 

Er konnte nicht leugnen, dass er von Erens Fixierung auf ihren Vorgesetzten irritiert war.

Armin wollte es als dumme Eifersucht abtun, weil er es nicht gewohnt war, dass es außer ihm und Mikasa andere Menschen gab, denen Eren nah stand. Armin war es gewohnt Erens einziger Freund zu sein. Alle anderen waren bloße Bekannte, die Eren zwar schätzte und freundschaftlich behandelte, aber nicht näher an sich heranließ.

Eren war äußerst wählerisch bei der Auswahl der Menschen, denen er außerhalb des sozialadäquaten Solls seine Aufmerksamkeit schenkte. Besonders als Jugendlicher wirkte Eren dadurch schroff und distanziert, hatte sich mit den Jahren jedoch besser unter einem unverbindlichen Lächeln und hitzigem Gemüt verbergen lassen.
 

Und nun hatte sich Eren Levi ausgesucht?
 

Armin verstand, warum Eren ihn schätzte. Levi hatte ihn gefördert und gefordert wie Eren es gebraucht hatte. Tat es immer noch und war sich nicht zu fein, um mit Eren auf Augenhöhe zu kommunizieren. Levi war genau die richtige Dosis unüblich, um Erens Interesse zu gewinnen.

Abgesehen davon hatte Eren einen Faible für Menschen, die eine gewisse Macht oder Kompetenz ausstrahlten.

Wiederum erging es so den meisten Menschen…

Dass Levi von Erens Ausstrahlung fasziniert war, nahm Armin einfach an, um die Gegenseitigkeit dieser Sympathie zu erklären. Eren war außerordentlich charismatisch, wenn er für ein Vorhaben eintrat. Seine Entschlossenheit war fesselnd und Erwin Smiths gar nicht so unähnlich. Man konnte ihn nicht ignorieren.
 

Warum störte es Armin dann an seiner Interpretation, dass er sich wegen Erens und Levis Freundschaft eifersüchtig fühlte, festzuhalten?

Was störte ihn an dem Bild, das sich ihm darbot?
 

„Armin, kommst du?“
 

Annies Frage ließ ihn hochschrecken. Sie sah ihn abwartend an, während sich die anderen ebenfalls erhoben.
 

„Ja, ich komme“, lächelte er sie an. Obwohl er sie etwas schwer zugänglich fand, hatte er sich in den Wochen des Zusammenlebens mit ihr und Mina gut arrangiert. Es half wohl, dass er bereitwillig im Haushalt half und sich um die Besorgung der Lebensmittel kümmerte.
 

Annie erwiderte das Lächeln leicht und nickte zum Ausgang, ehe sie voranging.
 

Wer weiß, wenn sie nicht aufpassten, freundeten sie sich sogar an.
 

*~*
 

„Salat mit Putenstreifen?“, fragte Eren als er den zurechtgemachten Salat in zwei Schüsseln auf der Theke vorfand.
 

Levi trat aus dem Schlafzimmer.

„Wir müssen immerhin in acht Stunden wieder aufstehen und fit sein.“
 

„Ich beschwere mich nicht, ich habe nur eine Suppe erwartet.“ Sie hatten noch Reste von gestern übrig.
 

„Das wäre zu wenig gewesen.“
 

„O.k.“, lächelnd setzte sich Eren an die Theke.
 

„Hast du dir die Hände gewaschen?“
 

„Nein, Mama“, erwiderte Eren mit frech verstellter Stimme, „Aber ich habe auch nichts ekliges angefasst und esse brav mit der Gabel und fasse kein Essen mit meinen sündigen Händchen an.“
 

Wenn Blicke töten könnten...
 

Sie starrten sich einen Moment lang in angespannter Stille an wie zwei Raubtiere kurz vor dem Angriff.
 

Dann ging alles ganz schnell.
 

Levi stob auf ihn zu, Eren sprang mit einem „Whaa!“ vom Barstuhl und stolperte Richtung Wohnzimmer. Mit mehr Glück als Können entzog er sich Levis Griff und wirbelte herum.
 

Oh man, Levi war vielleicht angepisst. Das sah nicht gut für ihn aus.
 

Nichtsdestotrotz strahlte Eren übers ganze Gesicht und lauerte kampfbereit auf Levis nächsten Schritt. Der schien jedoch etwas mit sich zu hadern. Vermutlich überlegte er sich, ob es diese Albernheit wert war, um ihm eine Lektion zu erteilen.
 

Also nahm Eren ihm die Entscheidung ab und stürzte sich unvermittelt auf ihn.
 

Levi riss überrascht die Augen auf und konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Zumindest nicht völlig. Impulsiv wie Eren zuweilen handelte, ließ er sich im Versuch Levi zu packen ohne zu zögern auf den Boden krachen, bekam knapp ein Bein zu fassen und brachte ihn kurz aus dem Gleichgewicht.
 

Von da an ging's nur noch aufwärts.
 

Während er einen Arm um Levis Kniekehle schlang, krallte er sich mit der anderen Hand in seinen Hosenbund. Mit einem Schnaufen und halben Fluch auf den Lippen fiel Levi zu Boden.
 

Natürlich hätte Levi ihn treten und sich aus seinem Griff strampeln können. Das wussten sie beide, aber genauso wussten sie, dass sie es sich nicht leisten konnten einander vor einem Einsatz zu verletzen.
 

Also musste sich Levi etwas anderes einfallen lassen und Eren nutzte die Gelegenheit.
 

Flink fiel er über Levi her, setzte sich auf seine Oberschenkel, drückte mit aller Kraft die starken Beine mit den seinen herunter und presste seinen Oberkörper eng an Levis, um möglichst keine Angriffsfläche zu bieten.
 

Allerdings war es schwieriger Levis Hände zu fassen und auch diese festzupinnen.
 

Postwendend kassierte er einen erbarmungslosen Schlag auf den Kopf, während sich eine andere Hand in Erens Haare krallte und äußerst schmerzhaft daran zog.
 

Stöhnend ließ Eren locker und sich halb von Levi herunterziehen und schon drehte der den Spieß um und Eren unter sich.
 

Mit roher Gewalt kam Eren bei Levi nicht weiter. Der kleine Mann war ein einziges Kraftbündel.
 

Los, nachdenken! Wie konnte er sich aus der Affäre ziehen?
 

Da fiel ihm sein ohnehin geplantes Vorhaben wieder ein und er grinste schalkhaft.
 

Noch ehe Levi seine Arme herunterdrücken konnte, hörte Eren auf, seine Hände gegen Levis Brust zu stemmen, um ihn auf Abstand zu halten. Er machte das genaue Gegenteil.
 

Die Natur von Erens Berührungen änderte sich so abrupt und deutlich, dass Levi unwillkürlich innehielt. Er musste wirklich ermüdet sein.
 

Erens Hände wanderten in einer fließenden Bewegung von Levis Brust zu seinen Schultern hinauf.

Er erstarrte.

Weiter zu seinem Hals, in sein Genick.

Seine Augen weiteten sich.

Eine Hand umfasste sanft sein Genick, die andere fuhr sacht durch das schwarze, überraschend weiche Haar.

Ein spürbarer Schauder durchfuhr Levi.
 

Oh, wie Eren diese Reaktionen genoss!

Er fühlte sich wie ein Voyeur, der etwas Verbotenes beobachtete.
 

Im nächsten Sekundenbruchteil explodierte ein dumpf-metallener Schmerz an seiner Stirn und schoss wie ein Stromschlag seine Wirbelsäule hinab, bohrte sich in seinen Schädel und ließ seine Ohren betäubend rauschen.
 

Ihm wurde schwarz vor Augen.
 

Wie durch Watte hörte er ein Stöhnen, erkannte am Rande, dass er es selbst sein musste, als er sich vor Schmerz krümmte.
 

Er wusste nicht wie lange es dauerte bis er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, jedenfalls war es für Levi lange genug, um aufzustehen.
 

Gequält blinzelte Eren und rieb sich über den Kopf.
 

„Stell' dich nicht so an. So schlimm kann es nicht gewesen sein“, kam es nüchtern von seiner Linken und er spürte wie sich eine Hand auf seine Schulter legte.
 

Fuchsteufelswild schlug er in Levis Richtung und verfehlte ihn bei weitem. Das tat allerdings nichts zur Sache, es ging mehr um die Botschaft dahinter.
 

Dieser Mistkerl. Wenn er ihn eines Tages in die Finger bekam, dann gnade ihm Gott!
 

Murrend setzte Eren sich auf und rieb sich über die Schläfen. Das war mit Abstand die schlimmste Kopfnuss, die ihm je verpasst worden war.

Warum zum Teufel konnte Levi so tun als wäre nichts gewesen?

Was für einen Sturschädel hatte der denn eigentlich? Den eines Triceratops?
 

Jedenfalls schien mit Levis Kopf - zumindest der Oberfläche - bis auf eine kleine Rötung alles in bester Ordnung zu sein. Er setzte sich völlig entspannt an die Theke und begann sich dem Salat zu widmen.

Dieses Arschloch.
 

Stinksauer und mit einer nicht unerheblichen Portion Scham stand Eren auf, ignorierte das wacklige Gefühl in seinen Beinen und stakste auf die Theke zu, nahm die für ihn bereitgestellte Schüssel und Gabel an sich und stürmte mit einem nicht minder mörderischen Blick davon ins Schlafzimmer.
 

„Pass auf, dass du nicht kleckerst“, rief ihm Levi belehrend hinterher.
 

Eren antwortete mit einer zugeschlagenen Türe und dem dolus directus 1. Grades dafür zu sorgen, dass Levi morgen früh ein Stück Putenbrust unter seinem Kissen fand.
 

***
 

Nachdem sich Eren beruhigt hatte und der Schmerz zu einem dumpfen Pochen hinter seiner Stirn abgeebbt war, kam er nicht umhin sich ehrlich zu schämen.
 

Trotz der gemeinen Schmerzen hätte er sich doch nicht wie ein trotziges Kind im Schlafzimmer verkriechen müssen.
 

Schnaubend schüttelte Eren den Kopf und kaute lustlos auf einem Salatblatt herum.
 

Der Salat war wenigstens lecker. Natürlich.
 

Eine gefühlte Ewigkeit später hörte er das herunterdrücken der Klinke und Levi öffnete die Tür. Der Bastard betrachtete ihn mit unleugbarer Neugier. Der Ausdruck in seinen mandelförmigen Augen erinnerte Eren in diesem Moment ungemein an Hanji. Was Levi wohl von diesem Vergleich halten würde?

Der Gedanke brachte ihn fast zum Schmunzeln, doch er verkniff es sich in Anbetracht der Umstände.

Statt dessen hob er seine Hand und zeigte Levi den Mittelfinger.

Sicherlich nicht die feine Englische, aber von ihm aus konnte ihn Levi mal gern haben.

Scheiß auf die Konsequenzen.
 

Diesmal schien sich Levi nicht an der Respektlosigkeit zu stören, im Gegenteil, es amüsierte ihn.

„Bist du so nachtragend?“
 

„Das ist dein Spezialgebiet.“
 

„Du bist nachtragend.“
 

Eren biss sich auf die Zunge, bevor er sich noch mehr zum Deppen machte und sie herausstreckte.
 

„Du weißt, dass ich rabiat reagiere, wenn ich etwas nicht mag“, meinte Levi nonchalant, „Du bist selber Schuld.“
 

Auf Levinisch war das soviel wie eine Entschuldigung. Eren wusste, dass er nicht mehr kriegen würde und es an einem Wunder grenzte überhaupt adressiert zu werden.
 

Er entschied sich zu schweigen, bevor er noch etwas Dummes tat oder sagte.
 

„Und nun strafst du mich mit schweigen.“
 

Eren schmunzelte unwillkürlich.

„Nein. Tue ich nicht. Ich habe bloß nichts sinnvolles von mir zu geben.“
 

„Das hält dich doch sonst auch nicht ab.“
 

Entnervt stöhnte Eren und stand vom Bett auf, um die Salatschüssel wegzubringen.

Levi stand blöd in der Tür herum und machte keinerlei Anstalten aus dem Weg zu gehen. Abwartend blieb er vor ihm stehen und starrte irritiert in viel zu belustigte Augen.
 

„Wärst du so freundlich?“
 

„Nein.“
 

Eren atmete tief ein... und zwängte sich grob an Levi vorbei, der ihm ein Bein stellte.
 

Mit einer Mischung aus Knurren und überraschtem „Whaa“ strauchelte Eren zwei, drei Schritte, fing sich und ignorierte die Aktion gekonnt.
 

Er hörte ein leises Schmunzeln hinter sich und konnte nicht wirklich böse sein.
 

*~*
 

Levi schalt sich für seine Albernheit und Überreaktion von zuvor. Er wollte Eren keine größeren Schmerzen zufügen und sich auch nicht zum Affen machen. Doch irgendwie...
 

Die Erinnerung an ein Zelt.

Heiteres Gelächter.

Der Geruch von Erde, Hitze und...
 

Er riss die Augen auf und starrte ins Dämmerlicht.

Eren war im Bad und nur das Licht unter der Tür erhellte das Zimmer, ließ die Schwärze wie Staubkörner vor seinen Augen tanzen.
 

Die Leere hatte ihn wieder eingeholt, drückte sein Innerstes nach außen wie unnachgiebige Hände, die eine dicke Baumwolljacke umdrehten.
 

Das Geräusch der Badtür riss ihn aus dem Moor seiner Vergangenheit heraus, ehe er darin versank. Er schloss wieder die Augen und rührte sich keinen Millimeter, als Eren ins Bett krabbelte und sich eine bequeme Schlafposition suchte wie ein unzufriedener Hund, der sich in seinem Korb drehte und drehte und drehte, bis er sich schnaufend hinfallen ließ wie ein nasser Sack.

Eren war nicht gar so theatralisch, nervig war es trotzdem.
 

Obwohl sich Eren danach nicht wie üblich herumwälzte oder ihm auf die Pelle rückte, sondern regungslos liegen blieb, fand er keine Ruhe. Als wenn er auf etwas wartete, das heute nicht geschehen würde.
 

Stattdessen drehte er sich mit einer umständlichen Bewegung um. Der Umriss von Erens Schulter hob sich deutlich von dem Deckenwust um ihn herum an. Die Kontur lud zum Nachfahren mit den Fingern ein, doch es war verboten. Genauso wie es verboten war die Linien einer Marmorstatue im Louvre nachzufahren, zu überprüfen, ob sie sich genauso glatt anfühlte wie sie aussah.
 

Seine Gedanken drifteten wieder ab und es kotzte ihn an mit welchem Schrott er sich befasste. Er hatte ganz andere Probleme. Morgen früh hatten sie einen Einsatz, dessen politische Bedeutung Levis geistige Kapazitäten überschritt. Er musste sich zusammenreißen, fit sein, sein Bestes geben. Wie immer.
 

Er drehte sich frustriert wieder um und wickelte sich fester in die Decke.
 

Das tiefe Einatmen hinter ihm ließ darauf schließen, dass Eren auch noch nicht eingeschlafen war. Wunderbar. Dann lagen sie zu Zweit wach herum. Vor einem Einsatz.
 

Levi ging dazu über an jeden Menschen zu denken, den er heute getroffen hatte. Versuchte sich ihre Gesichter vorzustellen und verglich sie mit Tieren, die zu ihrem Aussehen passten. Das beschäftigte seinen Geist lang genug, um ihn zur Ruhe kommen zu lassen.
 

Unterschwellig bemerkte er, wie sich die Matratze bewegte.
 

Plötzlich schoss ein Schmerz in sein Kreuz und ein Ruck schob ihn nach vorne. Er wand sich dagegen, doch er stürzte hart zu Boden, bevor er sich aus der eng gewickelten Decke befreien konnte.
 

Perplex blieb er einen Moment lang liegen, die Situation längst realisiert, doch...

Eren hatte ihn tatsächlich aus dem Bett getreten!
 

„Na, warte“, knurrte Levi mehr als es verständliche Worte waren.
 

Leider war das sich befreien aus der dicken Bettdecke nicht so dramatisch wie erhofft, trotzdem schien es nach Erens verängstigtem Quietschen zu urteilen bedrohlich genug zu wirken.
 

Das Balg hatte sich unter der Decke versteckt und zusammengerollt. Als wenn ihn das bewahren würde.
 

Kompromisslos griff Levi in die Decke, tastete sich auf Hüfthöhe und umschlang mit den Armen Erens Mitte samt Decke und zog. Und zog.

Der Wichser krallte sich schnaufend an die Ecke der Matratze, gurgelte etwas von Rache und bei allen Göttern, warum konnte der sich so festkrallen?!
 

Levi stützte sich mit dem Fuß an der Bettkante ab und versuchte den unhandlichen Haufen vom Bett zu zerren. Leider ließ der sture Bock kein bisschen locker, sodass er die Matratze an der Ecke hochzog und absehbar wurde, dass er das eine nicht ohne das andere aus dem Bett werfen können würde.
 

„Fuck!“, fluchte Levi, ließ los und änderte seine Taktik.
 

Ziemlich grob riss er an der Decke herum, packte an einem herausschauenden Fußgelenkt und bekam schneller fast eine in die Fresse getreten als es tauglich war.
 

Gut, hielt Levi aufgebracht inne. Mit moderater Gewalt kam er nicht weiter und er konnte schlecht einen seiner Gruppenfrüher - was hatte er sich eigentlich dabei gedacht? - vor einem Einsatz krankenhausreif prügeln.
 

Ein Schwall Schabernack überkam ihn, spülte sämtliche Empörung fort und ließ seine Augenbraue zucken.
 

Unzeremoniell warf er sich auf das Deckenknäuel und begann sich zu Erens Seiten vorzutasten. Für einen Moment schien der die Luft anzuhalten, ehe seine Rezeptoren den Reiz weiterleiteten und er anfing zu gackern wie ein aufgescheuchtes Huhn und lachend herumzappelte.
 

Eigentlich hätte Levi Erens lachbedingte Schwäche ausnutzen und ihn nun rausschmeißen können. Doch irgendwie... Irgendwie war es gut genug ihn mit dieser vollkommen unreifen, albernen Kitzelattacke außer Atem und zum Betteln zu bringen und schlussendlich nach Luft japsend und ausgelaugt auf dem Bett liegen zu lassen.
 

Trotz Levis allgemeinem Unbehagen in Situationen wie diesen fand er nur überquellende Belustigung in sich und nutzte den kurzen Moment schweigender Gedanken, um den hilflos schnaufenden Eren an die Wand zu schieben und sich selbst wieder ins Bett zu legen.
 

„Freu dich auf morgen Nacht nach dem Einsatz. Wenn ich dir sämtliche Knochen brechen kann“, versprach Levi unheilvoll mit grantiger Stimme.
 

„Pfft“, prustete Eren, räusperte sich und wurde abrupt todernst, „Wer wird denn so nachtragend sein?“
 

Levi gab sich diesmal keine Mühe sein genervtes Seufzen zu unterdrücken, was Eren mit einem überdrehten Glucksen kommentierte. Wie ein heiteres Kind. Unmöglich.
 

*~*
 

„Oh, wie geil! Geil! Geil! Geil!“, wiederholte Connie unentwegt und strahlte wie ein kleiner Junge im Spielzeugparadies.
 

„Das ist bloß Ausrüstung“, meinte Mina verständnislos, während sie sich ihre nagelneue Schutzweste überzog.
 

„Das is tsu früh für das“, murrte Ymir kaum verständlich und legte sich wie in Trance die gepanzerten Handschuhe an.
 

Historia warf ihr einen mitleidigen Blick zu, ehe sie in die schwarzen Stiefel stieg.
 

Die Ausrüstung war schwarz und das Emblem auf der Seite zeigte das Wappen der ESE, zwei überkreuzende Schwingen, eine blau, die andere weiß. Die Flügel der Freiheit.

Alles auf dem neuesten Stand und maßgeschneidert.
 

Sie konnten alle Connies Euphorie nachempfinden. Von so einer Qualität konnten so junge Polizisten wie sie nur träumen. Damit musste einfach alles hinhauen.
 

„Schaut mich an, ihr Versager! Hier kommt der Master of Desaster! Yeah, man!“
 

„Boo ja!“, grölte Reiner und schlug mit Connie ein, als habe die Welt nur auf sie gewartet.
 

„Hört auf herumzualbern und kommt“, rief sie Levi zur Ordnung und ließ den Blick prüfend über ihren Chaotenhaufen schweifen, „Auf geht's!“
 

„Ja, Sir!“, erscholl es unisono und bestimmt etwas lauter und inbrünstiger als es der Notwendigkeit entsprach.
 

Der General-Leutnant rümpfte kaum merklich die Nase und drehte sich zum Gehen.

Sie folgten ihm grinsend.

Komme was wolle.

Sie waren davon überzeugt, dass ihr erster Einsatz ein voller Erfolg werden würde.
 

*~*
 

Die Ware machte den Unterschied. Nach welchen Kriterien? Nun, das war ein weites Feld.
 

+++


Nachwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich hätte jetzt noch der gesamte Einsatz anschließen sollen, aber nachdem ich im Juni an der letzten Kampftraining-Szene so arg hängen geblieben bin und über Wochen keinen Satz herausgebracht habe, musste ich wider Willen aufteilen. Es tut nicht allzu weh, aber nun ist das Kapitel halt extrem gefühlsastig. Ich hoffe, dass es trotzdem gut ankommt.

Ich schreibe im September Examen, deswegen werde ich erst danach weiterschreiben und das nächste Kapitel kann ich nicht vor Weihnachten versprechen. Ihr könnt mich ja anfeuern, das hilft wirklich;)

In diesem Sinne vielen Dank fürs Lesen und schönen Sommer^^!
Wer mit mir über diese Geschichte oder SNK generell diskutieren möchte, kann mich jederzeit gerne anschreiben:)

Bye

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2016-09-09T23:18:48+00:00 10.09.2016 01:18
Uff.... ich muss sagen ich hab erschreckend lange gesessen um alle Kapitel durch zu lesen. Bei den umfangreichen Kapiteln allerdings auch eigentlich kein Wunder.

Und bei Gott - kaum zu fassen das ich dieses Wort in den Mund nehme - ich liebe deine Story. Sie ist gut durchdacht, soweit ich mich erinnern kann waren eigentlich keine inhaltlichen Fehler zu finden. Hier und da ein kleiner Tippfehler, aber das stört überhaupt nicht.

Ich war überrascht wie abwechslungsreich deine Kapitel sind. Von Humor bis zu Drama ist ja wirklich alles dabei. Du scheinst dir wirklich ausgesprochen viel Mühe zu geben und ich kann nur sagen: es lohnt sich!
Die Kapitel sind allesamt unglaublich gut geschrieben, der Schreibstil ist sehr gut und ich finds wirklich super das du Fremdwörter benutzt und damit eine doch irgendwie sehr gehobene Sprache und Form nimmst. Passt sehr gut als Kontrast zu den harschen und eher asozialen Formulierungen von Levi.

Ich freu mich wirklich sehr darauf wenn es weiter geht und hoffe das es nicht so lange dauert wie angekündigt. Oder sogar noch länger oO Ich weiß gar nicht wie ich die Zeit überbrücken soll :'D

Ansonsten gibt es eigentlich nicht mehr viel zu sagen denke ich, ich war auf jedenfall sehr positiv überrascht und so langsam verstehe ich auch wieso du "Zwischenwelten" als Titel gewählt hast. Umschreibt die total gegensätzlichen Charaktere von Levi und Eren wunderbar. Das einzige was mich nach wie vor ein wenig verwirrt sind die gewählten Kapitelüberschriften, vermutlich ist mein Hirn aber auch jetzt einfach nach dem Lese-Marathon völlig überflutet mit Eindrücken und Erkenntnissen ^^

Auf jedenfall bis zum nächsten Kapitel, dann hoffentlich auch mit konstruktiverer Kritik bzw. Lob als diesem Haufen gequirlte Scheiße die ich hier fabriziert hab :'D
LG ^-^
Antwort von:  Minerva_Noctua
10.09.2016 10:29
Hi!

Ich freue mich gerade sehr über deinen Kommentar:D
Vielen lieben Dank dafür<3
Ich merke gar nicht, dass ich Fremdwörter benutze, haha. Darauf muss ich mal aufpassen.
Aber ich freue mich, dass du das Thema Sprache zu Wort bringst. Ich bin darum bemüht, dass sich die Sprache der Charaktere immer mehr individualisiert. Mal sehen wie lange es noch dauert bis ich es richtig hinbekomme:)
Der Titel „Zwischenwelten“ passt sehr gut auf viele Aspekte der Geschichte. Schön, dass du es in Bezug zu Eren und Levi setzt. Finde ich interessant:)
Die Kapiteltitel sind tatsächlich etwas vage. Für mich ergeben sie Sinn und ich wäre zu neugierig, was man als Außenstehender hineininterpretieren kann:)
Danke nochmal für deinen Kommentar, er ist perfekt:)

Liebe Grüße,

Minerva
Von:  Annie1004
2016-08-19T18:21:52+00:00 19.08.2016 20:21
Hey,

endlich geht es weiter :)
hab auch schon jeden Tag reingeschaut.

Dein neues Kapitel ist super, ich musste mich bei manchen Stellen echt zusammenreißen, nicht zu laut zu lachen ^^
Du hast einen ausgezeichneten Schreibstil.

Für deine Examen drücke ich dir ganz fest die Dauen und freue mich schon tierisch auf das nächste Kapitel :)

Lg Mia
Von:  kleinYugi5000
2016-08-19T10:32:35+00:00 19.08.2016 12:32
Hallo
Super das es weitergeht...habe schon gewartet und jeden Tag gecheckt :D
Finde es vollkommen ok das es diesmal mehr um die Beziehung von Eren und Levi geht. Die beiden müssen sich ja langsam näher kommen. Und Eren hatte jetzt also auch seine Erleuchtung. Super, weiter so.
Bin gespannt auf den Einsatzt
Wie soll ich es nur bis zum nächsten Kapitel aushalten!!

Weiter so. Fighting!!
Von:  Lucy18
2016-08-19T10:25:29+00:00 19.08.2016 12:25
Hey ! 😄
Ich habe mich totall über das update gefreut und schon sehnsüchtig darauf gewartet und gerätselt wie es weiter gehen könnte.😫 und ich muss sagen das dieses Kapitel einfach traumhaft war ( genauso wie die anderen davor auch schon ^^) Ich fand es richtig gut wie sich levi und Eren langsam näher kommen und wie ihr Verhältnis Achterbahn fährt. 😊 Ich liebe einfach deine Geschichte! <3 (Sie Ost soooooooo toll ! \●0●/)
ICh bin schon gespannt wie es weiter gehen wird ! Aber bei einem kann ich mir sicher sein dass das nächste kapitel genauso genial wird wie dieses ! 😬😜😍


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