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On the Rise

von

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XI. Losziehen. Der Laden. Folter.


 

31

„Langsam... langsam... langsam!“, bellte Mal und Tom spürte, wie sich der Schweiß zwischen seinen Fingern und dem Steuer bildete. Auch sein Nacken und seine Schläfen juckten unter dem dünnen Schweißfilm, der unter dem Druck entstanden war, den die klippenartigen Steinwände um sie herum auslösten. Der Canyon war ein perfektes Versteck, um vor neugierigen Blicken geschützt zu sein. Gleichzeitig war es eine Kunst die Serenity zwischen dem Gestein gen Boden sinken zu lassen.

Toms Mundwinkel hoben zu einem verschmitzten Lächeln, als das Steuer in seinen Händen vibrierte. Sein Griff festigte sich, um die Kontrolle nicht zu verlieren. Er hielt es gerade, während das Raumschiff absackte, sich stetig senkte, bis die metallenen Füße der Serenity mit einem Ruck auf der staubigen Erde aufsetzten.

Ein Moment der Stille folgte. Tom sackte im Pilotenstuhl nach hinten und drehte sich mit ihm in Mals Richtung. „Das war ein Kinderspiel.“

„Ich bin sicher, dass es irgendwo einen Kratzer mehr gibt“, erwiderte Mal, der sich während ihrer Landung an einem Griff an der Wand festgehalten hatte. „Ich habe eindeutig ein Schleifen gehört.“

Tom stieß ein Lachen aus. „Komm schon. Das war eine Meisterleistung, wir wissen es beide. Bei jedem anderen Piloten wäre es mehr als nur ein Kratzer geworden.“ Tom wischte sich die feuchten Hände an der hellen Leinenhose ab, die er trug, ehe er sich aus seinem Stuhl hievte. „Dann wollen wir mal. Ich bin schon gespannt, was der Planet zu bieten hat.“ Er sah an sich hinunter, hinab zu dem hellblauen Hawaiihemd, welches er extra für diesen Landgang angezogen hatte.

Mal stieß ein Schnauben aus, als sie gemeinsam das Cockpit verließen. „Du hast keine Ahnung, wie man sich bedeckt hält, oder?“ Sein Blick galt Toms Hemd. „Wir wollen keine Aufmerksamkeit erwecken. Außerdem sind wir nicht aus Vergnügen hier.“

„Ich weiß, ich weiß.“ Tom hob die Hände in entschuldigender Geste. „Wir sind nur hier, um unsere Vorräte und unseren Treibstoff aufzufüllen. Aber mal wirklich... glaubst du nicht auch, dass wir uns etwas Spaß verdient haben? Ich mein, vielleicht ist das unsere letzte Gelegenheit, bevor... du-weiß-schon, Mal.“

Der ernste Gesichtsausdruck des Raumschiffkapitäns verriet, dass er den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hatte. Zwar hatte er Mal nicht ihr eventuelles Ableben auf der Suche nach der Sichel unter die Nase reiben wollen, aber... im Grunde hatte er recht. Das Leben war zu kurz, um alles nur ernst zu nehmen. Sie mussten das Beste aus dem machen, was sie hatten.

„Wie auch immer“, räumte er ein, ehe sie den Laderaum erreichten. „Ich weiß, was ich zu tun habe. Mach dir deine Sorgen, Captain. Du weißt, dass du dich auf mich verlassen kannst.“ Ein Grinsen seinerseits folgte, doch Mal schenkte ihm einen eindringlichen Blick auf seine Worte hin. Es war kein Misstrauen, was Tom in ihm las, viel eher eine stumme Frage.

Im Bauch der Serenity stand der Rover bereits vor der geschlossenen Laderampe und Johnny hievte sich schwerfällig auf den Rücksitz. Der Doktor, der sie ebenfalls begleiten würde, stand abseits mit seiner Schwester, während Zoe das Spektakel von den Treppen aus beobachtete. Als sie Mal und Toms Schritte vernahm, wandte sie sich zu ihnen um, die Arme über dem Babybauch verschränkt und einen zusammengefalteten Zettel in den Fingern haltend. „Bist du sicher, dass ich nicht mitgehen soll, Captain?“ Eine ihrer Augenbraue hob sich, um ihren Unmut über Mals vorige Entscheidung deutlich zu machen.

„Wie ich Mal gerade schon gesagt habe, ich habe alles unter Kontrolle“, sagte Tom, doch Zoe würdigte ihn keines Blickes. Am Anfang hatte er sich noch Gedanken um Zoes abweisende Art gemacht, inzwischen war er sich jedoch fast sicher, dass sie mindestens seine Flugkünste zu schätzen wusste. Außerdem hatten sie gemeinsam gegen die Vampire gekämpft, genau hier auf diesen harten Stufen. Toms Rippen schmerzten noch immer von seinem Sturz. Dieser Kampf hatte sie zusammengeschweißt oder zumindest hatte sie ihm das Leben gerettet, was er ihr durchaus hoch anrechnete.

„Sir?“, fragte Zoe erneut.

„Keine Sorge, Simon ist ja auch noch da“, erwiderte Mal.

Simon ging derweil seine Umhängetasche ein letztes Mal durchging, als wollte er sichergehen, dass er auch wirklich nichts vergessen hatte. Tom konnte ihm ansehen, dass er nicht besonders oft von Bord ging und es auch dieses Mal eher unfreiwillig tat.

„Ich werde ein Auge auf ihn haben“, versprach Tom und zwinkerte Zoe zu, als sie ihm doch einen knappen Seitenblick schenkte. Unbeeindruckt reichte sie ihm den Zettel, welche die Liste mit den Vorräten enthielt, die sie benötigten. Tom steckte sie grinsend in die Westentasche seines Hawaiihemds, bevor er zu Johnny auf das eckige Gefährt kletterte und hinter das Steuer schlüpfte. „Dann wollen wir mal.“

„Ich verstehe immer noch nicht, wieso ausgerechnet ich mitkommen muss“, brummte Johnny, der seinen Gehstock umklammerte, während er eine gute Position für sein Bein suchte.

„Das wird spaßig, wirst du schon sehen“, antwortete Tom. Es würde Johnny und Simon gleichermaßen gut tun, dem Schiff für einige Zeit den Rücken zu kehren und mal etwas zu erleben.

Simon zog den Riemen seiner Tasche enger, als er zu ihnen hinüberkam und River ihm mit lautlosen Schritten folgte. „Und vergiss nicht, dass es vollkommen in Ordnung ist, Spike zu… du-weißt-schon, wenn er dir zu nahe kommt.“

„Ich werde ihm den Pflock ins Herz rammen“, entrann es River tonlos und sie zog den von Jayne entwendeten Pflock aus dem Gürtel, der um ihre Hüfte geschnallt und ein Teil des dunkelblauen Kleids war. Ihr Zeigefinger berührte die Spitze, ihr Gesicht genauso passiv und gedankenverloren wie immer. Die Erinnerung an das Transportschiff, auf dem River die Vampire mit einer beinahe unmenschlichen Präzision niedergemäht hatte, jagte Tom selbst jetzt noch einen eiskalten Schauer den Rücken hinunter. Er schmunzelte, als Simon mit einem letzten langen Blick an River gerichtet zu ihm in das kompakte Gefährt stieg.

„Passt auf euch auf. Haltet die Augen offen“, erklärte Mal, als er den Knopf betätigte und sich die Rampe surrend zu senken begann. Staubkörner wehten ins Innere und Tageslicht flutete den Bauch der Serenity. Hier unten im Canyon war es jedoch schattenbesetzt, denn die Klippen waren zu hoch, als dass die Sonnenstrahlen es bei diesem Stand zu ihnen hinab schafften. „Bei Schwierigkeiten gebt uns Bescheid und kommt zurück. Hast du die Karte, Tom?“

Tom suchte das kleine Fach zwischen den beiden Vordersitzen ab und griff nach dem Datenpad, um es hochzuhalten. „Klar.“ Auf Knopfdruck schaltete es sich ein und stellte die Lage ihrer Umgebung bildlich dar. Damit war es eine Leichtigkeit den Ausgang dieser natürlich entstandenen Schlucht und den Weg in die örtliche Stadt zu finden.

Der Motor schnarrte, als Tom den Schlüssel drehte. Binnen weniger Sekunden verwandelte er sich in ein Zischen und Rauschen, bevor die Antriebe am Boden den Rover in die Höhe anhoben und er einen halben Meter über diesen schwebte.

Tom hob grinsend die Hand und winkte Mal und Zoe zu, die zurückgetreten waren. Im nächsten Moment rauschte das Gefährt bereits die Rampe hinunter und wirbelte den Sand auf, als sie losdüsten.

Die Luft war frisch und nicht so warm, wie Tom erwartet hatte. Ein Frösteln erfasste ihn, als der Fahrtwind an ihren Kleidern zerrte und ihre Haare durcheinander wirbeln ließ. Tom gab das Datenpad an Simon weiter, der blass war, der besorgte Blick auf die enge Schlucht gerichtet, durch die sie flogen.

„An der Abzweigung links“, rief der Doktor aus, nach dem er sich zwang die Karte zu studieren. Tom folgte den Anweisungen und der Rover sauste geschmeidig durch die engen Passagen, welche die hohen Klippen kreierten. Binnen weniger Minuten weiteten sich diese und der Boden kletterte stetig höher, bis sie eine flache Ebene erreichten und den Canyon hinter sich ließen. Bäume und Sträucher mit gelbbraunen Blättern kreuzten ihren Weg und Laub wirbelte auf.

Die Temperaturen und die Jahrzeit variierten verglichen mit dem letzten Planeten, den sie besucht hatten. Kein Wunder eigentlich, denn sie waren lange unterwegs gewesen und sie befanden sich weiter von der Sonne entfernt. Bedeutete das, dass auf dem Planeten, auf dem die Sichel angeblich versteckt sein sollte, im Moment Winter oder ein ähnliches Klima herrschte?

Der Gedanke wurde von dem Anblick der Stadt fortgewischt, die sich aus der Ferne zunächst durch aufsteigenden Rauch abzeichnete. Einige Hütten und Häuser tauchten zwischen den Bäumen auf und Tom verringerte die Geschwindigkeit des Rovers, bis sie im Schneckentempo durch die Straßen der beschäftigten Stadt flogen.

Stimmengewirr lag in der Luft und Händler riefen ihre Waren von aufgebauten Ständen aus. Die Häuser waren dicht beisammen gebaut, so dass die Wege schmal waren und von Pferden, Maschinen und Menschen zugleich geteilt wurden. Essensgerüche schwängerten die Luft, vermischt mit dem rauchigen Geruch von kleinen Feuern, die in Grillen und Containern brannten, um Fleisch und Gemüse zu rösten und die anfängliche Winterkälte zu vertreiben.

Tom war der einzige, der ein kurzärmeliges Hemd trug, selbst Simon trug seine übliche Weste über sein Hemd und Johnny hatte eine gefütterte Jacke an, deren Kragen aufgestellt war.

Sie parkten den Rover an einer verlassenen Straßenecke, nah genug an den Ständen, um die gekauften Waren problemlos hineinräumen zu können. „Die anderen verpassen was“, entrann es Tom, als er gefolgt von Simon und Johnny ausstieg.

„Kaylee wollte mitkommen, aber sie will ein paar Sachen überprüfen, bevor wir nachher Treibstoff kaufen gehen“, erwiderte Simon, dessen Blick über die ausgelegten Waren wanderten. Tom ging neben ihm her, als sie gemeinsam zwischen den Ständen schlenderten. Der Plan war nicht so effizient, wie sie sich wohl alle erhofft hatten, aber man konnte nicht zu viel erwarten, wenn man ständig Augen und Ohren offen halten musste, weil allerhand Leute und Monster nach ihrem Blut lechzten, wortwörtlich.

Doch was wusste Tom schon davon? Er mochte in bestimmten Kreisen verpönt sein, aber er war zum ersten Mal ein gesuchter Mann. Selbst in diesem Augenblick kam er sich beobachtet vor, als ob die Augen einiger Leute nicht nur über sie und die anderen Leute hinweghuschten, sondern jeden ihrer Schritte verfolgten.

Ein Blick umher bestätigte jedoch, dass es Toms Einbildung war, denn er konnte nichts und niemanden entdecken, der sie beobachtete oder sich merkwürdig verhielt. Wahrscheinlich war das so, wenn man auf der Flucht war: man sah und nahm Dinge an, die gar nicht existierten, weil man immer auf der Vorsicht sein musste.

„Kaylee...“, wiederholte Tom und verwarf seine Paranoia. „Hat sie eigentlich jemanden an der Hand? Ich meine, die Auswahl an Bord ist ja begrenzt und ihr scheint euch nie lange am selben Ort aufzuhalten. Ist bestimmt schwer, da mit jemanden anzubändeln.“

Simon hustete auf, als hätte er sich verschluckt und schüttelte Toms Hand ab, als dieser ihm auf den Rücken klopfte.

Johnny zog unbeeindruckt die Augenbrauen zusammen. „Gönn’ dem armen Doktor ruhig mal eine Auszeit“, antwortete dieser für Simon, einen leisen Spott dennoch in seine Worte hineinlegend. „Jeder weiß doch, dass zwischen ihm und der Mechanikerin etwas läuft. Außer man hat keine Augen im Kopf.“

Das lockere Grinsen verblasste und Tom musterte Simons errötetes Gesicht, als dieser schwer durchatmete. „Oh“, entrann es dem Piloten. „Klare Ansage. Ich will sie dir sicher nicht streitig machen, Simon.“

„K-Kein Problem“, erwiderte Simon tonlos. „Es ist nicht so, als ob wir—“

„Papalapap“, fuhr Tom ihm über den Mund und tätschelte ihm die Schulter. „Du magst sie. Mehr musst du gar nicht sagen. Du hast mich wieder zusammengeflickt, da bin ich dir das schuldig.“ Immerhin ging es seinen Rippen schon viel besser, nachdem Simon ihm einige Salben zum Draufschmieren gegeben und ihm einen stabilisierenden Verband umgemacht hatte. Zwar konnte Tom durchaus ein Frauenheld sein, war es zumindest in der Vergangenheit gewesen, aber er spannte keinem Kameraden die Freundin aus. Kaylee war in ihrer unschuldigen Art niedlich, ganz besonders, da sie es trotzdem faustdick hinter den Ohren hatte, aber der Arzt war ihm ebenfalls sympathisch. Er erinnerte Tom an einen Knaben, mit dem er sein Zimmer in der Flugschule geteilt hatte. Harry Kim war sein Name gewesen, wenn er sich recht erinnerte. Der Bursche war ebenfalls zurückhaltend und – Toms Meinung nach – glatt ein wenig verklemmt gewesen, aber er war auch ein ehrlicher und guter Mann gewesen. Was wohl aus ihm geworden war? Tom nahm an, dass er in der Allianz die Karriereleiter hinaufgeklettert war.

Mit dem Gedanken an seinen alten Freund fischte er den zusammengefalteten Zettel aus der Hemdtasche und entfaltete ihn. Das Grinsen kehrte auf seine Lippen zurück und er drängte sich bei den Ständen zwischen den Menschen hindurch, um ihren Auftrat zu erfüllen und die Vorräte zu beschaffen.
 


 

32

Es war schon eine Weile her, seit Inara Fuß auf diesen Planeten gesetzt hatte. Sie war nicht sonderlich sentimental, denn in ihrem Beruf brauchte man eine gewisse emotionale Distanz, die man sich nicht anmerken lassen durfte, die aber dennoch eine Barriere zwischen ihrem Klienten und ihrem Ich kreierte. Trotzdem hatte dieser Randplanet damals schon eine gewisse Faszination in ihr ausgelöst. Die Einwohnerzahl war niedrig, doch die wenigen Ortschaften beteiligten sich in regem Handel, der die Wirtschaft erhielt. Selbst die Allianz machte einen Bogen um den Planeten, auf dem die Traditionen eng mit den Ängsten und Zweifeln der Menschen verknüpft waren, mit ihren Alpträumen, die scheinbar nicht nur simple Illusionen waren.

Inara zog das Steuer an, als sie das kleine Shuttle zwischen den Trauerweiden landete. Laub und Sand wirbelte auf, bevor der Antrieb sich hinunterfuhr. Ihre Augen wanderten zu Mal hinüber, der den Stuhl neben ihr eingenommen hatte. Das Buch, welches sie ihm gezeigt hatte, da es Informationen über den sogenannten Master enthielt, ruhte auf seinem Oberschenkel. Es war alt und vergilbt, doch enthielt mehr als nur die Mythen, die Menschen hier über Generationen hinweg weitergaben.

„Ich bin nicht sicher, wie gut wir empfangen werden“, gestand Inara, obwohl sie wusste, dass ein Besuch bei ihrem Klienten womöglich nützlich sein würde. Aber sie kannte Jonathan und wusste, dass er ein exzentrischer Mann war, der nur schwer vertrauen fasste. Sie sah die Ironie in der Tatsache, dass er sich lieber in den Armen einer professionellen Companion fallen ließ, anstatt sich eine Frau hier auf seinem Heimatplaneten zu suchen und mit ihr niederzulassen.

„Werden wir jemals irgendwo gut empfangen?“, fragte Mal, bevor er sich aus dem Stuhl erhob und das Shuttle durchquerte. Obwohl sein Bein ihn weniger zu schaffen machte, konnte Inara dennoch das leichte Humpeln erkennen, welches seine Schritte noch immer begleitete. In der einen Hand trug er das mysteriöse Buch, die andere ruhte an dem Halfter an seiner Hüfte, welches seinen Revolver hielt.

Inara seufzte lautlos und tauschte einen Blick mit Buffy aus, die auf dem schmalen Sofa saß, das in der hintersten Ecke stand. Sie trug ein dunkelgrünes T-Shirt, das sie sich von Kaylee geliehen hatte, obwohl es ihr etwas zu groß war, und ihre schwarze Lederhose. In ihrem Hosenbund steckte ein selbstangefertigter Pflock, dessen Form man trotz des T-Shirts darüber erahnen konnte, wenn man sich mit diesen Dingen auskannte.

Die beiden Frauen folgten Mal wortlos und gemeinsam verließen sie das kleine Shuttle, welches seit Jahren schon als Inaras Heim diente. Für eine Weile mochte sie der Serenity den Rücken gekehrt haben, aber in ihrem Herzen hatte sie bereits damals gewusst, dass dieses Schiff und diese Crew immer ihr Zuhause bleiben würden. Nach der Entdeckung der Herkunft der Reaver und Washs Tod war es ein natürlicher Übergang gewesen, beim Wiederaufbau der Serenity zu helfen, vor allem jedoch an Bord zu bleiben. Auch jetzt unter diesen kuriosen Umständen bereute sie es nicht.

Der Platz auf dem sie das Shuttle gelandet hatte, lag nahe der Häuser am äußeren Rand der Ortschaft. Sie war kleiner und lag verteilter zwischen vertrocknetem Gestrüpp und Bäumen, die ihre Blätter allmählich verloren, als die Stadt, in die Tom, Simon und Johnny gefahren waren, um ihre Vorräte zu kaufen. Hier und da spähte ein Bewohner zwischen den Vorhängen eines Fensters hindurch, um einen Blick auf die Neuankömmlinge zu erhaschen. Ganz besonders, als sie eine abgelegene Hütte ansteuerten, aus dessen Schornstein schwarzer Rauch stieg, der sich allmählich im blauen Himmel verlor. Jonathan war daheim.

Inara ignorierte die misstrauischen Blicke und zog das Tuch um ihre Schultern enger, welches ihre nackten Schultern bedeckte. Schon bald würde sie die Sommerkleider ablegen und auf ihre schwereren Gewänder zurückgreifen müssen. Jedenfalls verriet die Route, die ihnen bevorstand, dass sie sich weiter von der Sonne entfernten. Ihr fröstelte es bei dem Gedanken, dass sie bei eisigen Temperaturen nach einer mystischen Sichel suchen sollten, um Vampire daran zu hindern das Universum zu zerstören.

„Ist es das?“, fragte Mal und stemmte die Hände in die Hüften, als sie vor dem Haus zum Stehen kamen. „Es macht nicht fiel her. Als du Anwesen gesagt hast, habe ich etwas... Prunkvolleres erwartet.“

„Bist du sicher, dass hier jemand wohnt, der uns behilflich sein kann, Inara?“, äußerste auch Buffy ihr Unglaube.

Inara schmunzelte. „Jonathan Hughes ist der einzige, den ich kenne, der von der Existenz von Vampiren und Dämonen überzeugt ist und das hat, was wir benötigen.“ Mit diesen Worten öffnete Inara die Tür.

Eine Glocke über ihren Köpfen klingelte und stellte das einzige Geräusch in dem kleinen Laden dar. Regale füllten den Innenraum, dicht beieinander stehend und beladen mit Artefakten, von denen nur wenige Inara etwas sagten. Ihre Augen wanderten über Bücher und antiken Schwerter, Messer und Armbrüste. Allerlei anderer Waffen waren zwischen ihnen aufgebaut. In einem Regal standen Kristallkugeln, während in einer Glasvitrine Ketten mit mysteriösen Anhängern ruhten, zusammen mit Ringen und Broschen. Ein Tisch, der als Tresen diente, stand auf der anderen Seite des Raums, dahinter eine weitere Tür, von den Inara wusste, dass sie in den zweiten Stock führte, in die kleine Wohnung, die Jonathan über dem Laden bewohnte.

Dieser schob die angelehnte Tür auf, die zu den Stufen führte, um zu sehen, wer hineingekommen war. Sein Blick huschte von Buffy, zu Mal, hinüber zu Inara. Seine Augen waren geweitet, doch der Misstrauen wich und hinterließ Überraschung, als er sie erkannte. Röte kroch auf seine Wangen und Inara schenkte ihm ein Lächeln.

Sie spazierte den engen Weg hindurch, den zwei Regale kreierten. „Jonathan. Schön dich zu sehen. Du siehst gut aus.“

Der hochgewachsene Mann, der selbst Mal um einen halben Kopf überragte, schluckte, als er nach Worten suchte. Er trug feine Kleidung und strich seine Weste unter ihrem Blick glatt. „Inara... du auch. Natürlich tust du das. Aber... aber was machst du hier? Wer sind deine Begleiter?“ Seine Stimme war sanft und spiegelte sein Gemüt wider, seine Finger auf ihrer Haut, seine Lippen in ihrem Nacken. Sie konnte sich noch gut an die langen Nächte erinnern, die sie mit ihm in seinem Bett und in ihrem Shuttle verbracht hatte, an den Sex und an die noch längeren Unterhaltungen.

„Erinnerst du dich noch an das Buch, welches du mir bei meinem letzten Besuch mitgegeben hast?“, erkundigte sie sich und Mal hielt das besagte Werk in die Höhe, damit Jonathan einen Blick auf die chinesischen Schriftzüge werfen konnte.

Seine Muskeln spannten sich an und sein Mund bewegte sich, ohne dass ihm ein Laut entkam. Letztendlich räusperte er sich. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er kam um den Tisch herumgeschritten, um Mal das Buch wegzureißen. „Und du bringst es hierher zurück?“, zischte er, wobei seine Augen nicht ihr galten, sondern in eine buchbeladene Ecke huschten.

Inara folgte seinem Blick und entdeckte einen Herren vor einem hohen Buchstapel. Seine Brille hing schief auf seiner Nase and er war dicht über einen dicken Wälzer gebeugt, der aufgeschlagen auf einem Podest lag. Er schenkte ihnen keine Beachtung, aber Jonathan gestikulierte dennoch, dass sie ihm zu folgen hatten.

Er führte sie durch die Tür in den kleinen Hinterraum hinein, in dem einige Kisten gestapelt standen und die Treppe ins Obergeschoss führte. Mal hob vielsagend die Augenbrauen und Inara schüttelte kaum merklich den Kopf, um jeglichen Kommentar seinerseits im Keim zu ersticken.

„Dieses Werk... ist das letzte Exemplar seiner Art“, flüsterte Jonathan, als er die Tür anlehnte und durch einen Spalt hindurchschielte, um sicherzugehen, dass sein Kunde ihnen nicht hinterher schlich und sie belauschte. „Deswegen habe ich es dir anvertraut, Inara.“ Die Sanftheit war aus seinem Ton gewichen und hatte eine Verzweifelung hinterlassen, die sich in seinen Fingern bemerkbar machte, als er nach ihrem Arm griff. „Hier ist es nicht sicher. Seit ein paar Wochen verschwinden immer mal wieder ein oder zwei Bewohner. Nach einigen Tagen kehren sie zurück, aber... sie sind nicht mehr dieselben. Fast so, ob sie ihre Seele verloren haben. Sie sind kalt. Gefühllos, gemein.“ Ein Beben ging durch seinen Körper und er drückte das Buch eng gegen seine Brust.

„Sie sind hier“, bestätigte Buffy aufgrund der Beschreibung. „Es stimmt, dass sie alle Spuren über ihre Existenz zu verwischen versuchen. Einerseits, um den Orden geheim zu halten, aber auch damit es keine Informationen über sie gibt, die gegen sie verwendet werden können.“ Ihr Blick wechselte zwischen Mal und Inara hin und her, doch Jonathan schob sich zwischen sie.

„Redest du von Vampiren?“, fragte er und Inara zog ihren Arm aus seinem Griff, als es zu schmerzen begann. „Es gibt sie wirklich? Ich wusste es! Ich habe es immer gewusst!“ Er drehte eine Pirouette und Mal trat einen Schritt zurück, um ihm aus dem Weg zu gehen.

„Ich habe schon früher Bedenken gehabt, wenn es um deine Klienten ging. Das ist aber nichts im Vergleich zu diesem Besuch.“

„Mal...“, mahnte Inara, bevor sie näher an Jonathan herantrat, der in seinem eigenen Kopf feststeckte und manisch in Chinesisch wisperte. „Jonathan. Wir benötigen deine Hilfe, Jonathan.“

Er blinzelte und sein Blick fokussierte sich auf ihr Gesicht. „Hilfe?“

Inara nickte. „Du bist der einzige, der uns helfen kann.“ Im Gegensatz zu Mal wusste sie, wie man mit Menschen umging und das bekam, was sie wollte. Sein Gesicht war schweißgebadet und nun kehrte auch die verlegene Röte in seine Wangen zurück, die sie beim Eintreten bereits wahrgenommen hatte. „Wir brauchen Vorräte, um uns vor ihnen zu wappnen.“

„Du meinst... Schwerter und Weihwasser. Etwas dergleichen?“

„Genau“, erwiderte Inara und machte eine schweifende Handgeste in Buffys Richtung. „Buffy kann dir genau sagen, was wir brauchen, okay?“

„Okay“, sagte er und ließ zu, dass Inara ihm das Buch aus den Händen nahm. Es wog schwer in ihren Armen, schwerer als jemals zuvor. Er sah sie lange an und sie hielt seinen Blick, bis er sich abwandte und Buffy in den Kaufraum führte, damit sie ihm sagen konnte, was genau sie brauchten.

Mal und Inara folgten ihnen, blieben jedoch nahe des Tresens stehen. „Er ist vermutlich die durchgeknallteste Person auf diesem Planeten, aber er ist der einzige, der durchschaut, was hier vor sich geht“, kommentierte Mal.

„Jonathan hat ein sensibles Gespür“, sagte Inara.

Mal schnaubte. „Was ist aus Mister Hughes geworden?“

„Ich habe ihn in deiner Gegenwart so genannt, weil ich weiß, was du über meinen Beruf denkst und ich nicht an deinen Beleidigungen interessiert bin.“ Sie lächelte ihn an, obwohl sie ihm ansehen konnte, dass ihm etwas auf den Lippen lag. Bevor jene Worte es jedoch aus seinem Mund schafften, unterbrach ein „Entschuldigen Sie“ ihre Unterhaltung.

Der Mann, der bis eben noch über die Bücher gebeugt gewesen war, trat an sie heran. Intelligente Augen musterten sie durch die Brille hindurch und blieben an dem Buch in Inaras Armen hängen. „Könnte ich einen Blick auf das Buch werfen, das Sie bei sich tragen, Miss? Ich konnte nicht Mister Hughes doch eher leidenschaftliche Reaktion auf das Buch nicht überhören.“ Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Wie unhöflich von mir, mich nicht einmal vorher vorzustellen. Mein Name ist Daniel Jackson. Ich bin ein Archäologe und—“

„Was tut ein Archäologe in einem Laden gegen übernatürliche Kreaturen?“, unterbrach Mal.

Daniel belächelte diese Frage. „Sie dürften dann wohl der berühmte Malcolm Reynolds sein. Ich hatte sie auf den ersten Blick erkennen müssen.“

Mal und Inara sahen einander an und Mals Hand rückte näher zu dem Revolver an seiner Hüfte hinunter.

Daniel Jackson bemerkte es nicht, als er weiterredete. „Immerhin haben wir es Ihnen und Ihrer Mannschaft zu verdanken, dass wir die Herkunft der Reaver endlich aufgedeckt haben. Ich war erst vor kurzem auf Miranda, um das Phänomen zu studieren. Dort bin ich auf die Existenz der Vampire gestolpert. Natürlich wusste ich am Anfang nicht, um was es sich handelt, aber...“ Er brach ab und ging stattdessen zu seiner Tasche hinüber, die schwer gepackt zwischen zwei hohen Bücherstapeln ruhte. Er kramte in ihr herum, bis er ein kleines Notizbuch hervorzog. Inara erhaschte einen Blick auf hingekritzelte Notizen, die mindestens die Hälfte des Hefts füllten. „Nicht nur, dass die Menschen dort gestorben sind, nichts wies auch nur auf einen einzigen Tropfen Blut hin. Keine Überbleibsel, nichts. Es hat zu dem Zeitpunkt keinen Sinn ergeben, bis unser Schiff von diesen sogenannten Vampiren angegriffen wurde. Wir sind nur knapp mit dem Leben entkommen, aber danach... nun, kaum jemand von meinem Forschungsteam hat überlebt. Und die Überlebenden glauben an Wissenschaft, aber nicht an das Übernatürliche.“ Sein Lächeln verblasste und er räusperte sich. „Nun ja, es ist ein Zufall, dass ich von diesem Laden und Mister Hughes in meinen Nachforschungen gestolpert bin, doch ich bin sicher, dass—“

Abermals wurde Daniel unterbrochen, diesmal von Jonathan, der mit erhobenem Schwert auf sie zukam. „Hände weg von dem Buch. Hände weg, sagte ich!“

Daniel hob besagte Hände und distanzierte sich von Inara und Mal, wobei er fast über seine eigene Tasche stolperte. „Schon gut. Ich wollte nicht... ich wollte wirklich nicht...“

Doch Jonathan schwang das Schwert in die Richtung der Tür. „Raus. Raus, raus, raus!“

Daniel protestierte, doch die Klinge des Schwerts war scharf und Zorn flimmerte über Jonathans Gesicht, der sogar Inara einen Schauer den Rücken hinunterlaufen ließ.

Daniel ergriff den Riemen seiner Tasche und stolperte rückwärts aus dem kleinen Laden hinaus. Die Glocke klimperte, bevor die Tür hinter ihm geräuschvoll zufiel.

„Er ist weg. Du kannst das Schwert nun beiseite legen, Jonathan“, bemerkte Mal, der die Finger nicht von seinem Revolver nahm.

Buffy, die mehrere Fläschchen mit Weihwasser in einer Hand hielt, legte die andere auf die Schwertklinge, um sie gen Boden zu senken. „Das Schwert nehmen wir auch“, verkündete sie. „Das wird uns bestimmt nützlich sein. Wenn es einen Menschen in die Flucht schlägt, dann sicher auch den ein oder anderen Vampir.“
 


 

33

Frustriert streifte sich Spike seinen Mantel ab. Er landete auf dem schmalen Bett, bevor Spike sich neben ihn auf die Matratze warf. Auf der Seite liegend stützte er das Kinn auf der Handfläche ab, während sein gelangweilter Blick durch die kleine Kajüte wanderte. Es war ein Wunder, dass er sich in diesen vier Wänden überhaupt umdrehen konnte, so eng wie es war. Obendrein befand sich die Schlafkoje direkt gegenüber von den beiden Slayern.

Nachdem er sich dazu hatte überreden lassen mit ihnen von Sunnydale aufzubrechen, um die Sichel zu finden und das Universum vor anderen seiner Art zu retten, hatten sie bereits ständig auf einem Haufen gegluckt, was ihm auf die Nerven gegangen war. Nicht nur, dass er nun diesen dummen Chip im Kopf hatte, der dafür sorgte, dass ihn niemand ernst nahm, Buffy und Faith befanden sich die meiste Zeit über auch in unmittelbarere Nähe.

Selbst wenn Buffy es nicht war, war es nicht spannender an Bord dieser Blechbüchse. Die gesamte Crew war gegangen, um Vorräte zu kaufen, irgendeinen Bewohner dieses Kaffs aufzusuchen und Treibstoff ausfindig zu machen, aber es waren ausgerechnet Faith und River, die zusammen mit ihm dazu verdonnert waren, das Schiff zu hüten. Als ob Spike es kümmerte, wenn irgendjemand kam und es übernahm…

Spike rollte sich stöhnend auf den Rücken und sah zu der eintönigen Metalldecke hinauf. Was würde er für eine dieser Zigarren geben, die er vor Tagen in Jaynes Kajüte gefunden hatte. Aber nicht einmal die waren ihm vergönnt, da ihr geliebter Captain sie einkassiert hatte, um… sie wahrscheinlich selbst zu rauchen.

Seine Augen verdrehten sich. „Er sollte mir lieber dankbar sein“, murmelte Spike. „Ohne mich hätte er erst bemerkt, dass er sich einen Feind gemacht hat, wenn man ihm die Pistole gegen die Stirn gehalten hätte.“ Aber hier wusste ihn niemand zu schätzen, daran hatte er sich bereits gewöhnt. Solange der Chip der Initiative jedoch in sein Gehirn steckte, war er verwundbar, weil er sich nicht zur Wehr setzen konnte. Er konnte nicht einmal Blut trinken, obwohl er ein verdammter Vampir war!

Die Wut brodelte wie Lava in seinem Bauch und seine Hände formten Fäuste, als er sich das blanke Gesicht des Wissenschaftlers vorstellte, der ihm den Chip eingesetzt hatte. Was würde er dafür geben diese Person in die Finger zu bekommen…!

„Spikilein“, säuselte eine Stimme. Spike zuckte zusammen, entspannte sich jedoch wieder, als Faith im Rahmen der Tür zum Stehen kam, nicht dieser verflixte Übermensch, der ihn schon seit dem Erwachen aus seinem aufgezwungenen Schlaf terrorisierte.

„Welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?“ Faith hob eine Augenbraue, als sie am Türrahmen lehnte. „Du siehst aus, als ob du einen bösen Gedanken gehabt hast.“

Spikes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Faith war noch schlimmer als Buffy und die blonde Slayerin strapazierte bereits seine Nerven. „Was willst du?“

„Was will ich, hm?“ Ein Finger tippte gegen ihre Unterlippe, die mit Lippenstift blutrot gemalt hatte, den sie wahrscheinlich von einer der Damen an Bord entwendet hatte. „Mir ist in den Sinn gekommen, dass wir einiges gemeinsam haben. Du und ich.“

Ein spöttischer Laut entwich seinen Lippen. „Seit wann das denn?“ Er schob die Ellenbogen unter sich, um sich hochzustemmen und Faith besser sehen zu können. Offensichtlich würde sie nicht so schnell wieder von dannen ziehen, nicht bevor sie aussprach, was ihr auf den Lippen lag.

„Wir sind beide Außenseiter. Ganz besonders auf diesem Schiff.“ Faith lächelte. „Niemand nimmt uns hier für voll und alle treffen Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg. Sag mir nicht, dass du dich damit zufrieden gibst.“

Spikes Stirn legte sich in Falten. „Und? Was schlägst du vor, um das zu ändern?“ Jedenfalls ließen ihre Worte erahnen, dass sie etwas im Schilde führte. Sie wollte seine Hilfe bei dem, was sie ausheckte.

Faiths Schultern zuckten. „Wir sind praktisch allein auf dem Schiff. Und wer sagt, dass wir unbedingt Buffy – geschweige denn die anderen – brauchen, um die Sichel zu finden? Wir wissen schon auf welchem Planet sie sich befinden soll. Stell dir vor, wie es wäre, wenn wir den bösen Dämon allein besiegen. Für wie überflüssig uns dann alle halten.“

Nun setzte sich Spike gänzlich auf und zog ein Bein an, um seinen Arm auf dem Knie abzustützen. Er ließ sich Zeit mit dem Antworten. Was Faith tatsächlich vorschlug war eine Meuterei aus zwei Personen bestehend. Die Idee reizte ihn, allein aus Prinzip heraus. Zu lange hatte er bereits den netten Schoßhund gespielt, den heldenhaften Vampir, obwohl es so etwas nicht gab. Andererseits…

„Falls du es vergessen hast, es befindet sich noch eine andere Person an Bord.“ Obwohl es Spike niemals laut zugeben würde, hatte sich diese River seinen ungewollten Respekt erarbeitet. Er konnte sich noch sehr gut an ihren Umgang mit der Machete erinnern, als sie die Vampire auf dem Transportschiff niedergemetzelt hatte. Die scharfe Präzision ihrer Bewegung hatte ihn einsehen lassen, dass es im Moment besser für ihn war, sich von ihr fernzuhalten. Mit dem Chip war er schließlich nicht in der Lage ihr auch nur ein Haar zu krümmen, während sie jeder Zeit in seine Kajüte spazieren konnte, um ihm von hinten einen Pflock in den Rücken zu jagen.

„Ich übernehme sie, da du ja… verhindert bist“, echote Faith seine Gedanken.

Spike schnaufte belustigt. „Sorry dir das mitteilen zu müssen, aber du hast keine Chance gegen sie.“ Faith war gut, aber River… nun River befand sich auf einem ganz anderen Level als Faith oder auch Buffy, eine oder zwei lose Schrauben hin oder her. Außerdem verfügte sie über einen unerklärlichen sechsten Sinn, wie Spike wieder einmal bewusst wurde, als er ihren braunen Haarschopf um die Ecke lugen sah.

„Du denkst allen Ernstes, dass-“, begann Faith, doch Spike räusperte sich. Ein Frösteln ging durch seinen Leib, als er Faith mit einem Nicken bedeutete, dass sie nicht länger unter vier Augen waren.

„Eine Narbe…“, murmelte River und legte den Kopf schief, die Hände am Türrahmen, bevor sie sich an Faith in die Kajüte schob, als sei der Raum nicht auch schon so klaustrophobisch klein für jemanden, der in einem eisigen Gefängnis gelegen hatte, welches nicht größer als der nächstbeste Sarg gewesen war. Nicht einmal als Vampir gewöhnte man sich an manche Dinge, auch wenn die Gerüchte andere Sachen behaupteten.

„Was laberst du da, Püppchen?“, murrte Spike, doch seine groben Worte konnten River nicht abschrecken. Stattdessen tapste sie mit lautlosen Schritten auf das Bett zu, bis ihre Knie, die unter dem weißen Sommerkleid, sichtbar waren, den Rand berührten. Kein Muskel zuckte in ihrem Gesicht, als sie sich vorlehnte und den Arm nach ihm ausstreckte. Der Zeigefinger näherte sich Spikes Gesicht an und er drehte den Kopf weg, doch sie folgte seiner Bewegung, bis die Fingerkuppe sich gegen seine linke Augenbraue presste. „Du hast eine Narbe. Genau dort. Von einem Vampir? Oder… von einer Slayerin?“

„Das geht dich einen Scheißdreck an!“ Spike schlug ihre Hand weg, bevor er sich ächzend die Stirn hielt. „Was zum Teufel? Sollte man nicht wenigstens in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen? Ist das zu viel verlangt?“ Er drehte sich und drückte das Gesicht auf die Matratze, die Hand in das Laken gekrallt. Verdammt noch mal! Er konnte so nicht mehr leben. Was sollte er mit diesem verflixten Chip tun? Er war einfach kein richtiger Vampir mehr, kein richtiger Mann!

Faith stieß ein kehliges Lachen aus. „Oh, du hast Spikilein kaputt gemacht.“ Eine Pause folgte, in der Spikes Gaumen juckten und sich seine Fänge ausfahren wollten. Bevor sie es konnten, kehrten die Kopfschmerzen doppelt so schmerzhaft zurück und er presste die Stirn härter gegen die weiche Unterlage. „Argh!“

„Weißt du was, Spike?“, fragte Faith. „Das war eine dumme Idee. In deiner Lage bist du nur ein Klotz am Bein.“ Schritte ertönten und verebbten, doch es war nur ein Paar, was bedeutete, dass River noch immer neben dem Bett stand.

„Hast du Spaß daran, mir meine Situation unter die Nase zu reiben?“ Seine Stimme war gedämpft, aber die wackelnde Matratze verriet, dass River ihn gehört hatte. Schlimmer noch, dass sie sich neben ihm auf dem Bett niederließ. Womit hatte er das alles bloß verdient?

Ihre Hand berührte seine Schulter und tätschelte sie, als wollte sie ihn beruhigen. Es war lachhaft, aber Spike unterdrückte den aufkeimenden Impuls um sich zu schlagen, wohl wissend, wie das enden würde.

Ein Seufzen entrann seiner Kehle, schwer wie Blei. „Was habe ich dir jemals getan? Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“

„Einer muss doch aufpassen, dass du keinen Unsinn anstellst“, wisperte sie, als wüsste sie um die Gedanken, die ihn im Kopf herumspukten, als hätte sie die Idee der Meuterei überhört. „Ich habe es Mal versprochen. Simon sagt immer, dass man Versprechen nicht brechen darf.“ Seine Schulter wurde weitergetätschelt, als wäre er ein Hund, der bellte, aber nicht biss. Dieses Mädchen war absolut durchgeknallt!

Diese Worte lagen auf seiner Zunge. Bevor er sie jedoch aussprechen konnte, drangen neue Geräusche an ihre Ohren. Spike hob den Kopf bei dem bekannten Knallen. „Schüsse…“, murmelte er und Rivers Hand rutschte von seiner Schulter. Die Matratze wackelte erneut und ehe Spike den Kopf zur Seite drehen konnte, war River bereits aus seiner Kajüte geschlüpft.



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