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Die Legende von Shikon No Yosei

Das Schicksal einer Elementarmagierin
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Diesmal gibt es eine sehr traurige Geschichte, die mit »Das Schicksal eines Norn« in Verbindung steht.

Diese Geschichte spielt in der Welt von Guild Wars 2; einem Online-Rollenspiel, das von ArenaNet entwickelt wurde. Die Handlung jedoch ist der Fantasie von Ami Diana Saphira Mercury entsprungen.
Wie wäre es wohl, wenn das einzige Verbrechen, das man in seinem ganzen Leben begangen hat, daraus bestünde, geboren worden zu sein? Und dabei werden wir nicht einmal gefragt, ob wir auf die Welt kommen wollen ...
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Erzählung 08: Das Schicksal einer Bastard

Gefangenschaft und Leidenschaft

Knut Weißbär war ein angesehener Mann in Hoelbrak. Das lag zum einen natürlich an seiner Blutlinie, die direkt auf einen der größten Helden der Norn zurückführte – Asgeir, der ihr Volk im Auftrag der Geister der Wildnis hierher geführt hatte –; dieser Umstand machte Knut zum Herrn der Großen Halle. Aber der Krieger hatte seinen Wert auch auf zahlreichen Jagden und in unzähligen Kämpfen bewiesen. Doch gleichzeitig lag ein dunkler Schatten über seiner Vergangenheit, der mit dem Tod seiner Frau Kirra begonnen hatte … Sie war eine starke Elementarmagierin gewesen und gehörte häufig zu den Ausfallkommandos – denn seit die Drachenverderbnis sich stetig ausbreitete, war es die Aufgabe der Feuermagier die Leichen der Gefallenen zu verbrennen, sodass sie sich nicht wieder erheben konnten. Nicht einmal ihre Schwangerschaft oder die abschließende Geburt der Zwillinge Skarti und Sigfast konnte Kirra über einen längeren Zeitraum davon abhalten, die Züge zu begleiten – sogar gegen Knut´s Willen. Aber einige Wochen später kehrte ihre Unternehmung nicht mehr nach Hoelbrak zurück; die Gegenwehr war einfach zu gewaltig gewesen und Kirra hatte ihre letzten Kräfte eingesetzt, um den kompletten Kampfplatz zu flambieren. Durch diesen Verlust stürzte Knut in ein tiefes Loch – an dessen Tiefpunkt er seine Qualen im Freudenhaus außerhalb der Stadt vergessen wollte. Er ging an den knapp bekleideten Frauen vorbei und suchte nach etwas, das ihn berührte – das flammend rote Haar einer jungen Norn erinnerte ihn daran, wie Kirra gestorben war; verbrannt durch ihren eigenen Zauber, in demselben Feuer wollte er auch vergehen.

„Wie heißt du?“, fragte er leise.

Ihre blauen, katzenartigen Augen musterten ihn – eine Spur des Erkennens huschte über ihr Gesicht – und sie antwortete melodisch: „Lilifa … Und wenn du es wünscht, werde ich dir heute Nacht jeden Wunsch erfüllen.“

Sie erhob sich in einer geschmeidigen Bewegung von der Bank und streichelte über seine mit Bartstoppeln übersäten Wange, zog ihn so näher an sich heran. Ihr Blick wanderte langsam hinter sich, zu einer der Zimmertüren. Er nickte kaum merklich und gab sich ihr vollkommen hin. Die Nacht brannte sich in sein Gedächtnis. Aber obwohl er nicht aufhören konnte, sich immer schneller und fester in Lilifa zu versenken, fühlte er jede Sekunde den schmerzhaften Stich des Verlustes in seinem Herzen.

Am nächsten Morgen kehrte er in die Große Halle zurück und widmete sich von da an wieder seinen Pflichten als Krieger und Vater. Jedoch geschah etwa ein Jahr später etwas, mit dem er niemals gerechnet hätte und das sein Leben völlig veränderte, komplett aus den Angeln riss – vor dem Portal seines Quartiers lag ein in Windeln eingewickelter Säugling!

Und einem Zettel, der bei ihr lag, las er geschockt: „>Ihr Name ist Kadlin. Kümmere dich gut um deine Tochter …<“

Das war er, sein fleischgewordener Verrat an Kirra; denn er hatte das rote Haar sofort wiedererkannt. Wollte ihn die Geister der Wildnis etwa für seine Untreue verhöhnen?

Aus Angst, Scham oder welchen Gründen auch immer – Knut versteckte Kadlin – von der er sich weigerte, sie als seine Tochter anzuerkennen, geschweige denn als solche anzusehen – vor der Welt im Untergeschoss der Großen Halle. Kaum jemand wusste, dass dieses Stockwerk existierte; darum wurde es zu ihrem Reich. Knut trug einem Schamanen sogar auf, eine Schweigerune in den Boden zu ritzen; angeblich weil das Knarren der Bretter bei Festen inzwischen unerträglich sei. Alles nur, damit niemand sein düsteres Geheimnis entdeckte …
 

Viele Jahre lebte Kadlin unerkannt, unbemerkt unter der Großen Halle.Als sie jünger gewesen war, hatte Knut ihr des öfteren noch Aufgaben gegeben, die sie bis zu seinem nächsten Besuch zu erledigen hatte – meistens ging es darum, etwas neues zum Anziehen zu nähen oder Gebete rezitieren zu können. Darum war auch das einzige Geschenk, das sie jemals von ihm bekommen hatte, eine Bibliothek mit Werken aller großen Völker. Kein Wunder also, dass Kadlin die Geschichtsschreibung beinahe auswendig beherrschte. Ihre Lieblingsbücher handelten von Liebespaaren. Die endlosen, technischen Bücher der Asura mochte sie dagegen überhaupt nicht, zu trocken. Schließlich war träumen eines der wenigen Dinge, die sie hier in ihrem Gefängnis selbst bestimmend tun konnte … träumen und tanzen! Sie liebte das Tanzen zur festlichen Musik – denn sie konnte zwar niemand hören, aber umgekehrt wirkte der Zauber nicht. Und so schwebte sie durch die Räume, nähte sich wunderschöne Kleider und konnte vergessen, sich fallen lassen, einfach sie selbst sein – wenn auch nur für kurze Zeit …

„Was machst du da?“, donnerte Knut wütend.

Kadlin zuckte erschrocken zusammen, weil sie ihn nicht zuvor nicht bemerkt hatte.

„Ach, lassen wir das … deshalb bin ich nicht gekommen.“, fuhr er immer noch gereizt fort, „Ich habe mich entschieden. Du kannst nicht ewig hier unten sitzen und dich von mir ernähren lassen – deshalb wirst du Sigfast´s Frau! So bist du wenigstens zu etwas nütze … Skarti ist bei den Frauen ja beliebt, um ihn muss ich mir keine Sorgen machen. Aber sein Bruder … nun ja, er hat wohl einen etwas speziellen Geschmack.“

Die junge Norn schlug sich die Hände vor den Mund – Knut wollte sie allen Ernstes mit ihrem Halbbruder verheiraten?!

„A-aber, Vater-“, stotterte sie.

Seine Faust traf die Wand mit einem lauten Knall und er schrie regelrecht: „Ich bin nicht dein Vater! Und wage es ja nie wieder, mir zu widersprechen!“

Damit verließ er das Untergeschoss, in dem nur noch Kadlin´s erstickte Schluchzen zu hören waren.
 

Die Jahre in Gefangenschaft hatten Kadlin gelehrt, Knut nicht zu verärgern – zumindest nicht wenn sie wollte, dass er sie weiterhin regelmäßig besuchte. Diesmal war sie allerdings ganz froh darüber eine Weile allein zu bleiben. So konnte sie sich ungehindert in die Fantasiewelten ihrer geliebten Bücher flüchten. Wie durch Zufall war ihr an diesem Tag ein Werk über Asgeir in die Hände gefallen, welches mit persönlichen Tagebucheinträgen seinerseits ergänzt worden war.

„>Die Begegnung … Vision … oder wie ich es auch immer nennen soll … Es erscheint mir unmöglich das Wesen der Geister der Wildnis in Worte zu fassen. Ich glaube, selbst wenn ich ein Gelehrter und kein Krieger wäre, würde es mir nicht recht gelingen. Denn kein Begriff scheint für sie angemessen zu sein ... Ich kann nur von mir, von meinen Empfindungen berichten. Nicht eine Sekunde habe ich an ihrer Botschaft gezweifelt! Ich wusste einfach, dass Hoelbrak uns retten würde! Unsere einzige Hoffnung zu überleben war eine Flucht aus den Fernen Zittergipfeln …<“, las Kadlin und spürte wieder einmal Tränen in ihren Augen aufsteigen.

Nur einmal in ihrem Leben hatte sie zu den Geistern gebetet – sie wünschte sich damals von ihrem Vater geliebt zu werden und ein richtiges Zuhause zu haben, kein Versteck. Doch in all der Zeit hatte sich rein gar nichts geändert … Knut´s Hass auf sie war, wenn überhaupt möglich, nur noch mehr gewachsen, je älter Kadlin wurde. Vielleicht war ja einfach zu schwach, um von der Großen Bärin erhört zu werden und es fehlte ihr an der Schläue des Raben, ohne Familie war sie dem Wolf unwürdig und Schneeleopardin verwehrte sich ihr wohl ebenfalls. Trotzdem bewunderte sie Asgeir, ihren Ahnen, und alle anderen ihres Volkes, welche die Geister der Wildnis bedingungslos verehrten.
 

Einmal im Jahr fand die Große Jagd statt, die sozusagen dem Debüt für junge Jäger und Krieger entsprach. Diesmal war das Ziel des Zugs Issormir gewesen, ein mächtiger Wurmkönig.

Nachdem sie ihn erfolgreich zur Strecke gebracht hatten, zogen die Teilnehmer zur Siegesfeier in die Große Halle, die wie üblich von Knut Weißbär eröffnet wurde: „Ich gratuliere euch herzlich, meine jungen Freunde, von diesem Tag an geltet ihr in den Augen unseres Volkes als vollwertige Mitglieder – ihr seid erwachsen geworden, Eure Legende hat begonnen! Mögen die Spielmänner noch viele Liebe über sie dichten – über die Bezwinger von Issormir!“

Anschließend zog sich der weißhaarige Norn ins oberste Stockwerk, in sein Quartier zurück – dieser Abend gehörte gänzlich der neuen Generation von Helden. Kadlin wartete dennoch zwei weitere Stunden ab, in denen er nicht wieder auftauchte. Sie hatte ein freizügiges, nachtblaues Gewand angelegt und trug die gewellten, feuerroten Haare zu einem hohen Schwanz. Ihre Entscheidung war getroffen – bevor es dazu kam, dass sie sich in die Hände ihres Halbbruders begeben musste, wollte sie wenigstens ein einziges Mal frei sein … Zum ersten Mal seit ihr Vater sie hierher gebracht hatte, verließ sie ihr Reich und begab sich unter andere Norn. Sie mischte sich unter die Tänzerinnen, bewegte sich rhythmisch zur Musik. Niemand bemerkte, dass sie im Grunde nicht zu ihnen gehörte. Während Kadlin so durch den Raum schwebte, fixierte sie einer der Krieger mit seinen Augen. Sie tanzte auf ihn zu, kreiste extravagant mit ihren Hüften und beobachtete seine Reaktion. Er hatte ihr Interesse geweckt … weil ebenso ehrfürchtig von den Geistern der Wildnis gesprochen hatte, wie Asgeir in seinen Texten. Dieser Krieger war anders als die restlichen hirnlosen Idioten, die einfach nur auf alles einschlugen und glaubten, damit ihr Können zu beweisen.

„Ric, die Kleine scheint auf dich zu stehen – worauf wartest du noch? Schnapp´ sie dir endlich, bevor ein anderer kommt!“, rief einer seiner Trinkkumpane, was Kadlin lächeln ließ.

Jetzt kannte sie sogar seinen Namen … Sie kam ihm wieder näher, strich über seine Schulter. Er griff nach ihrer Hand, erhob sich und folgte ihr durch die tanzende Menge. Vor einer Tür abseits des Trubels blieb Kadlin schließlich stehen.

Ihr Blick wurde erwartungsvoll, als sie flüsterte: „Hierher kommt sonst niemand …“

Etwas leuchtete in seinem Gesicht auf. Er hatte verstanden, was sie ihm anbot … was sie wollte.

„Wie heißt du?“, fragte er in heiserer Erregung.

In verführerischer Weise erwiderte sie: „Du kannst mich Kadlin nennen, tapferer Bezwinger von Issomir …“
 

Ric löste etwas in ihr aus, dass sie nie zuvor für möglich gehalten hätte … Sie hatte geglaubt zu wissen, was Sehnsucht sei – doch nach dieser Nacht verzehrte sie sich regelrecht nach ihm und seiner Nähe. Jeder wache Gedanke und alle Träume drehten sich nur um ihren schwarzhaarigen Geliebten mit den tief grünen Augen. Sie trafen sich weiter heimlich im Untergeschoss der Großen Halle. Ein Jahr zog so ins Land, in dem einzig die anwachsende Machtherrschaft der Alt-Drachen verhinderte, dass Knut Sigfast´s Hochzeit mit Kadlin organisieren konnte.

Während dieser Zeit wollte Ric Bärenklaue einmal von ihr wissen: „Kadlin … welche Art von Beziehung haben wir eigentlich? Ist das noch eine harmlose Affäre – oder war es das überhaupt jemals?“

„Ich glaube nicht, dass ich mich dann so wohl fühlen würde. Wie stehst du dazu … zu mir?“, hatte sie ihm als Gegenfrage gestellt und scheute bereits die Antwort.

Doch der Schwarzhaarige zog sie fest an sich, ehe er entgegnete: „Ich wünsche mir … mehr zwischen uns. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, ein anderer Mann könnte … dich mir wegnehmen.“

Dieser Satz macht Kadlin sowahl glücklich … als auch traurig. Sie hatte es noch nicht gewangt, ihm die Wahrheit über ihre Identität und die Pläne ihres Vaters zu sagen.

Apropos ihr Vater – Kut Weißbär veranstaltete ein Faustkampf-Turnier, um den besten Kämpfer ihres Volkes zu ermitteln, der unterstützt von den vier Geistern der Wildnis hinausziehen und Jormag ein für alle Mal erledigen sollte. Und ausgerechnet Ric Bärenklaue nahm daran nicht nur teil, er gewann sogar! Das freute Kadlin allerdings keineswegs. Sie stritten sich fürchterlich darüber – denn die Norn hatte Angst um ihn. Niemand konnte allein gegen diese Bestien bestehen … Er brauchte Hilfe! Deshalb ging Kadlin zu dem einzigen Ort, wo sie diese erbeten konnte – zum Schrein der Großen Bärin, der Ric Bärenklaue seine ewige Treue geschworen hatte.

„Ich habe selten zu einem der Geister gebetet … aber er tut es. Er verehrt Euch und würde sogar sterben, um Euch Ehre zu machen und von unserem Volk respektiert zu werden.“, sprach sie versunken und bemerkte daher nicht, dass sie belauscht wurde, „Ich flehe Euch an – steht ihm bei! Er darf dem Drachen nicht zum Opfer fallen … Ich liebe ihn doch!“

Eine breitschultrige Gestalt trat hinter sie und sagte: „Und ich liebe dich … Kadlin.“

Kadlin sprang auf, stürzte sich in seine Arme. Ric drückte sie fest an sich und erklärte ihr, warum ihm der Kampf gegen Jormag so viel bedeutete – seine Eltern waren von der Drachenverderbnis verschlungen worden und er hatte sie eigenhändig davon erlöst.

„Ich werde nicht scheitern; ich habe Verbündete gefunden und einen Grund, warum ich unter allen Umständen nach Hoelbrak zurückkommen muss – ich will dich zu meiner Frau machen!“, hauchte er ihr ins Ohr.

Sie starrte ihn erst verwundert, dann traurig an und erwiderte: „Dazu musst du wissen, wer ich in Wirklichkeit bin … Mein vollständiger Name lautet Kadlin Knutsdottir. Ich bin seine uneheliche Tochter, die er vor der Welt versteckt gehalten hat … Das Untergeschoss der Großen Halle ist mein Quartier.“

Ric begann schallend zu lachen: „Dachtest du etwa, das ändere etwas meinem Entschluss? Wenn ich wiederkomme, werde ich nicht mehr der Bezwinger Issormir´s sein, sondern der Schrecken Jormag´s! Und wenn Knut dich mir nicht freiwillig zur Frau geben will, nehme ich dich mir trotzdem … bei den Klauen der Großen Bärin!“
 

In den folgenden Monaten verbreitete sich die Kunde über die Nachfolger der Gilde der »Klinge des Schicksal« über ganz Tyria. Ob im Maguuma-Dschungel, Ascalon, Kryta oder den Zittergipfeln – überall wurden die Geschichten von »Team Shiko« laut. Kadlin, die sich so oft sie konnte, aus der Großen Halle stahl, um beim Schrein der Großen Bärin für ihren Liebsten zu beten, hörte von den Schamanen, wie Ric Bärenklaue kurzzeitig zurückgekehrt war, um sich auf den Kampf gegen Jormag vorzubereiten. Mit dem Segen der Geister der Wildnis und seinen Kameraden war er vor einiger Zeit in die eisige Tundra aufgebrochen … Und nach Primordus und Kralkatorik war ein weiterer Alt-Drache unter ihnen gefallen. Doch diese Erlösung hatte gleichzeitig eine schattige Seite … Für Knut Weißbär war nun endlich der Moment gekommen, auf den er so viele Jahre hatte warten müssen – er konnte aus dem belastenden Schandfleck einen Gewinn erzielen, indem er Kadlin mit Sigfast verheiratete! Zurück in Hoelbrak wählte Besagte nicht den Weg zur geheimen Hintertür … zum ersten Mal in ihrem Leben schritt sie durch das riesengroße Eingangsportal aus Eichenholz und stieg die Treppe bis ins oberste Stockwerk der Großen Halle hinauf. Die Norn hatten keine Wachposten, trotzdem zögerte Kadlin für einen winzigen Moment – bis ihr Blick auf die Tätowierungen auf ihren Armen fiel. Die weißen, verschnörkelten Linien hatte sie sich nach Ric Bärenklaue´s Aufbruch stechen lassen. Mit einem kräftigen Stoß stieg sie die Tür zum Speicher auf. In der ersten Sekunde wurde Knut sehr blass, dann rot vor Zorn.

„Wie kannst du es wagen hierher zu kommen?! Hinaus! Sofort!“, brüllte er.

Eine nie gekannte Selbstsicherheit überkam Kadlin, als sie antwortete: „Nein, Vater. Ich werde nicht eher gehen, bis du mir zugehört hast.“

„Ich habe eigentlich gedacht, du hättest die Spielregeln verstanden …“, knurrte der alte Norn sichtlich unzufrieden, „Also, was willst du?“

Die Rothaarige holte tief Luft und erklärte ruhig: „Ich weigere mich Sigfast´s Frau zu werden. Es gibt jemanden, den ich liebe … und der mich liebt. Du willst, dass ich heirate, damit ich dir nicht mehr zur Last falle, nicht wahr, Vater? Gut, dein Wunsch soll mir recht sein … Der Name meines Verlobten lautet Ric Bärenklaue.“

„Soll das ein Scherz sein? Wieso sollte ein angesehener Krieger wie er, eine Bastard wie dich zur Frau haben wollen?“, machte sich Knut über sie lustig.

In genau diesem Augenblick öffnete sich die Tür und ein weiterer Besucher trat ein – es war tatsächlich Ric Bärenklaue! Kadlin stiegen die Tränen in die Augen. Wie viele Tage und Nächte hatte sie um sein Leben gebangt, war beinahe daran verzweifelt? Am liebsten hätte sie sich sofort in seine Arme geworfen, aber etwas hielt sie zurück.

Der »Schrecken Jormag´s«, wie ihn die Norn in ihren Erzählungen nannten, verneigte sein Haupt kurz vor Knut und sagte: „Verzeih´ mein ungebetenes Eindringen. Ich möchte dir von dem Erfolg meiner Jagd als Mitglied von Team Shiko berichten … und in der Hoffnung meine Taten genügen, dich um die Hand deiner Tochter bitten.“

Knut starrte den Schwarzhaarigen fassungslos an. Dieser Junge war zu einer bedrohlichen Gefahr geworden … nicht nur durch seine Ausbildung bei Eir Stegalkin war er in aller Munde, warum nur war er nicht wie die anderen Wagemutigen bei dem Versuch gegen Jormag anzutreten ums Leben gekommen? Sollte er jemals nach der Macht der Großen Halle greifen, hätte Skarti keine Chance …

„Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, junger Freund – Kadlin ist bereits versprochen.“, redete er sich hastig heraus.

Ein schiefes Grinsen legte sich auf Ric Bärenklaue´s Gesicht, während er entgegnete: „Um es noch einmal deutlicher zu sagen … Kadlin´s Unschuld gehört mir bereits und ich bin gern bereit, um sie zu kämpfen, wenn du es wünschst!“

Der Herrscher der Großen Halle bedachte seine Tochter mit einem abfälligen Blick. Genau wie ihre Mutter besaß sie keinerlei Ehre und Anstand! Vielleicht sollte er besser froh sein, sie vollends los zu sein … schließlich würde sie so aus seinem Stammbaum verschwinden.

„Du hast gewonnen … unter einer Bedingung.“, antwortete Knut entschieden, „Schwöre mir bei den Geistern der Wildnis, dass ich deine und ihre Visage nie wieder zu Gesicht bekomme!“

Erschrocken packte Kadlin Ric Bärenklaue´s Arm, um ihn davon abzuhalten, sich auf den Handel einzulassen – wenn man es überhaupt so bezeichnen konnte.

„Wenn das der Preis ist, den du für die Frau, die ich liebe, forderst … Trotzdem kannst du mich nicht gänzlich aus Hoelbrak vertreiben – dafür bleiben wir der Großen Halle nach Möglichkeit fern!“

Knut spuckte aus, bevor er nickte. Ric Bärenklaue griff nach Kadlin´s Hand und führte sie hinaus – weg von diesem Mann, der sie so sehr hasste. Hinein in eine glückliche Zukunft an seiner Seite …
 

Manchmal kommt einem das Leben wie ein Fluch vor … Es hat keinen Sinn, dreht sich nur im Kreis – von einer Qual in das nächste Leiden. Und gleichzeitig kann man nicht loslassen … Wir werden nicht gefragt, ob wir auf die Welt kommen wollen, doch für jeden hält das Leben etwas bereit … eine Aufgabe, eine Begegnung. So stellen wir irgendwann fest, dass das Leben doch auf irgendeine Art schön ist und wir froh sind am Leben zu sein!

Für Kadlin Knutsdottir war das Leben eine Bürde – und sie wusste nicht einmal, warum. Wie muss das sein, wenn ein Vater sein Kind so abgrundtief hassen kann? Leiden im Endeffekt nicht beide darunter? Manchmal braucht es mehr als nur Mut … Freundlichkeit, Mitgefühl … denn Liebe entspringt nicht nur einer einzigen Empfindung.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich heul fast jedes Mal bei diesem Teil der Story ... Komplett anzeigen

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