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Gebieter des Feuer und der Leidenschaft

von

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„Ich möchte euch Emmanline vorstellen. Sie ist schon seit einer längerer Zeit hier auf dem Schloss. Sie wird uns helfen, mehr Informationen über Culebra zu geben.“ Ignorierte er die Aufrufe.

„Wie soll sie das können?“ Strömte Misstrauen in den großen Raum.

„Weil...“

„Ich kann für mich selbst sprechen, Lucien. Du musst mich nicht vertreten.“ Unterbrach Emmanline ihn und schaute zu ihm auf, während sie ihre Hand auf seinem Unterarm legte.

Plötzlich lachte jemand auf und alle wandten sich der Person zu. Darius schien darauf belustigend zu reagieren. „Ich glaube, sie gefällt mir.“ Stand er auf und kam einmal um den Tisch herum und nahm sich einen Stuhl, der an der Seite an der Wand stand. Aufmerksam brachte er ihn zum Tisch und stellte ihn hinter Emmanline, damit sie sich setzen konnte. Sein Onkel war schon immer der charmante und aufmerksame Gentleman gewesen. Dabei war er noch nicht so weit gewesen.

„Danke.“ Reagierte selbst Emmanline überrascht und ihre Augen schien sich zu verengen. „Ihr seid es gewesen. Gestern im Garten.“

„Erwischt.“ Hob er ergebend seine Hände. „Setz dich doch.“ Und sie setzte sich wirklich hin. Nun nahm auch Lucien wieder platz.

„Wie willst du helfen, meine Liebe?“ Fragte Tarana sanft. Diese Frau war wahrscheinlich die liebevollste in diesem Raum.

Ernst richtete Emmanline ihr den Blick zu. „Weil ich mein ganzes Leben unter ihm verbracht habe.“

Lucien war es mehr als bewusst gewesen, wie schockiert und ab neigend sie reagieren würden. Doch so war es nun einmal und er würde nicht zu lassen, dass sie seiner Gefährtin gegenüber schlecht redeten.

„Was soll das Lucien? Du bringst eine Frau in dieses Schloss, die eine Spionin sein könnte?“

„Dann auch noch in eine Ratssitzung?“

„Sie wird uns ausspionieren und verraten.“

Nicht alle reagierten voller Abneigung und Misstrauen. Er wusste, sein Onkel zählte zu ihnen, weil er über sie schon etwas erzählt hatte. Aber er war nicht der einzige.

„Heilige Götter.“ Schnappte Messuria nach Luft. „Unter Culebra?“

„Wie konntest du das überleben?“ Knurrte Lyndiana auf. Auch wenn sie die Schwester seiner Mutter war, waren sie trotz allem vollkommen verschieden. Weder vom Wesen, noch vom Aussehen waren sie gleich. Seine Mutter hatte schwarzes Haar, hell grüne Augen, kräftige Statur. Und Lyndiana war genau das Gegenteil. Dunkel braunes Haar, blaue Augen und zierlich. Aber sie sollte man nicht unterschätzen.

„Nicht am Leben teilnehmen.“ Sagte Emmanline mit eiskalter Stimme, dass selbst er eine Gänsehaut bekam. Diese Antwort von ihr, kam erschreckend und unerwartet. „Aber wir sind nicht wegen mir hier. Ich versuche zu helfen, damit Culebra gefunden wird.“

Alle schienen im ersten Moment schockiert zu sein. Darco war der Erste, der sich meldete. „Woher sollen wir wissen, dass du uns die Wahrheit sagst?“
 

Emmanline hatte gewusst, wie schwer es sein würde, hier vor diesem Rat und Drachen zu stehen. Sie würde genauso reagieren, wenn es darum gehen würde, alle zu beschützen. Dennoch war sie hier, weil sie helfen wollte und weil Lucien sie darum gebeten hatte. Eigentlich hätte sie es nicht machen müssen, weil sie die größten Gründe dazu hatte. Trotzdem tat sie es, weil sie sich mit diesem Mann, neben ihr, eingelassen hatte.

„Überhaupt nicht. Aber es spricht nichts dagegen, wenn ich vielleicht was wertvolles sagen kann. Aber ihr müsst zugeben, Culebra ist euch immer einen Schritt voraus. Egal was ihr macht.“ Konnte sie nichts dafür, das ihre Stimme sich kalt und emotionslos anhörte. „Ich kann auch wieder gehen, wenn ihr es wünscht.“

Aus irgendeinem Grund, vermied sie den Augenkontakt mit Lucien, weil sie genau wusste, wie er sie überrascht anschaute. Er war nicht alleine, aber sie würde nicht hier sitzen bleiben, wenn ihr alle mit purer Verachtung, Misstrauen oder Zurückweisung gegenüber traten. Das hatte sie nicht verdient, dass wusste sie. Dafür hatte sie sich zu viel von den Drachen bieten lassen müssen. In der ganzen Zeit, die sie hier war, hatte sie mehr Selbstbewusstsein entwickelt, wie je gedacht.

„Du musst nicht gehen, Vahdin.“ Bedachte Lucien und nahm ihre Hand in die seine. Und wieder Schweigen und tiefes Luftholen.

„Was hat das zu bedeuten?“ Schienen fast alle ihre Blicke zwischen ihnen beiden hin und her zu wandern, weil sie anscheinend nicht alles verstanden.

„Ganz einfach. Emmanline ist meine vorherbestimmte Seelengefährtin. Mann und Drache haben sich entschieden.“ Sprach er fest und beherrscht, als würde er keine Widerworte hören wollen. Anscheinend verstanden alle es als Zeichen, es am besten nichts zu tun. Irgendwie war es ihr unangenehm und sie rutschte etwas auf ihrem Stuhl hin und her. Lucien hatte eine mächtige Bombe platzen lassen und irgendwie verärgerte es sie. Wie konnte er es wagen öffentlich bekannt zu geben, was sie miteinander verband?

Es war eine Sache, wenn sie es privat hielten und das andere, in der Öffentlichkeit. Sie konnte es nicht fassen.

Lucien wusste genau, sie konnte in der Öffentlichkeit keinen Aufstand machen. Dieser...vielen ihr hunderte von obszönen Worte ein, die für diesen Mann neben ihr galten. Noch nie war sie zu solchen Worten fähig. Oder schlicht Gedanken. Dabei hatten sie noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Was würden die Anwesenden jetzt denken, da sie wissen, was sie war? Für Lucien? Sie konnte es selbst noch nicht fassen, was sie für ihn war. Irgendwie konnte sie sich damit auch nicht anfreunden. Es mag vielleicht Ausnahmen geben, aber es werden viele gegen diese Verbindung sein und wenn sie ehrlich war, wollte sie es im Stillen nicht. Doch, da sie Lucien versprochen hatte, um ihm zu helfen, was dieser Rubin betraf, musste sie wohl zum Teil darüber hinwegsehen. Darum fand es Emmanline nicht fair, wie er es in der Öffentlichkeit sie so präsentierte. Ohne sie vorher gefragt zu haben.

„Also ich habe nichts gegen diese Verbindung. Solange mein Neffe glücklich ist.“ Sprach ein Mann weiter hinten, der irgendwas an sich hatte, was Lucien auf eine gewisse Art und Weise ähnelte. Sowie es sich anhörte, war dieser Mann Luciens Onkel?

„Ich auch nicht.“ Meinte die Frau neben diesem Mann. Sie bemerkte, zwischen ihnen bestand eine besondere Verbindung. Sie konnte es spüren, so stark war sie. Sie waren Seelengefährten, kam es aus dem tiefsten Winkel ihres Verstandes.

Lucien schien nur dankend zu lächeln und sie konnte es einfach nicht fassen. „Können wir jetzt vielleicht darüber sprechen, wie ihr Culebra finden und fangen wollt?“ Wollte sie so schnell wie möglich hier raus. Ihr behagte es gerade nicht.

„Sicher. Sprich nur, meine Liebe. Was weißt du?“ Eine liebenswürdige Anrede?

Oh je, wie soll ich da nur anfangen?

Sie blickte in die Runde. „Ich weiß, Culebra war auf dem königlichen Hof, ein Mitglied des Rates gewesen.“

„Das ist nicht wirklich ein Geheimnis.“

„Nein, ist es nicht, aber er kennt euch alle. Er weiß wie ihr handelt und wie ihr die Sache angeht. Ich habe ihn oft sagen hören, wie leicht durchschaubar ihr seid und das ihr keinerlei Gefahr für ihn bedeutet. Er ist euch immer einen Schritt voraus. Egal was ihr macht. Culebra wird solange weiter machen, bis er sein Ziel erreicht hat.“ Zuckte sie kurz mit ihren Schultern.

„Und was soll das sein? Was ist sein Ziel?“ Fragte Lucien neben ihr.

Einen kurzen Augenblick schaute sie ihn an, um dann zu antworten. „Er will dich vom Thron stoßen, um selbst die Herrschaft zu übernehmen. Er will über das Drachenvolk herrschen.“

„Unfug. Wie will er das denn bewerkstelligen?“ Schnaubte ein Mann mit braunen kurzgeschnittenen Haaren.

„Ich weiß, wie das klingt. Unter den Drachen kann nur der rechtmäßige König herrschen, dem alle folgen. Es kann kein anderer, weil es sonst keine Einheit im Drachenvolk geben würde und somit mehr als angreifbar sein, sollte jeder für sich sein. Nur der Rechtmäßige beherrscht die Drachen.“ Blickte sie erneut in die Runde. „Schaut mich nicht so an. Zu recht solltet ihr Misstrauen mir gegenüber entgegen bringen, weil ich zu vieles weiß. Geheimnisse die niemand wissen sollte, aber ich konnte es mir nicht aussuchen.“ Zu sehr saßen die tiefen Wunden, die sie deswegen davon tragen musste. „Oft hat Culebra sich an viele Gefangene vergriffen, gefoltert und getötet, vor Wut und es hatte ihm nie etwas ausgemacht darüber etwas zu erzählen. Wenn etwas nicht nach seinen Plänen ging, hatte er seine Wut und Frustration an andere ausgelassen.“ Was immer so gewesen war.

„Du lieber Himmel.“

„Dieser Bastard.“

Klangen hasserfüllte, entsetzte und wütende Laute durch diesen großen Saal.

„Ich will kein Mitleid, Bedauern oder Entschuldigungen hören. Culebra ist nie auf den Gedanken gekommen, dass je einer entkommen könnte. Er ist gerissen und macht seine Pläne mit großer Präsenz und Klugheit. Seine Intrigen sind die grausamsten. Ich habe gesehen, wie viel mehr seine Anhänger werden. Er schließt Pakte und er beherrscht sein Handwerk von Überredungskünste. Er scharrt sie alle um sich.“ Hielt sie kurz inne. „Ihm ist egal, ob nur der vorherbestimmte König regieren soll, darf oder nicht. Er ist der Meinung, dass das Volk der Drachen dem Untergang geweiht ist, weil sie an Stärke verlieren. Culebra will das Drachenvolk wieder neu auferstehen lassen. Egal wie viel Blut vergossen wird, oder über wie viele Leichen er steigen muss, solange es seinem Ziel dient und ihn näher bringt.“

„Und was schlägst du uns vor, was für uns ein Vorteil dienen könnte? Was müssten wir tun?“ Wandte der Onkel von Lucien ein.

Kurz sah es aus, als würde sie überlegen, aber es war eigentlich nicht nötig. „Ihr müsst genauso denken, wie er.“

„Niemals.“ Wurde es sofort abgelehnt und sie wusste auch warum.

„Ich meine auch nicht, ihr sollt das Gleiche tun, wie er. Es gibt eine Gemeinsamkeit, die euch alle verbindet. Ihr seid alle Drachen. Culebra hat Raffinesse und Verstand, aber er tut es allein aus seiner Natur heraus. Er lässt sich von seinem Drachen leiten, was ihn soweit bringen lässt. Der Drache ist eben nun einmal ein blutrünstiges Wessen, tief in sich drinnen. Es soll keine Verurteilung sein, aber dennoch ist es so.“

Eine drückende Stille beherrschte diesen Saal, als sie endete.

„Schlägst du uns vor, wir sollen alles unserer wahren Natur überlassen? Wenn es das ist, was du da vorschlägst, Emmanline, dann könnte es passieren, wir würden der Raserei verfallen. Passiert das einmal, kommen wir niemals wieder zurück und wir würden keine Kontrolle über unser Tun haben. Wir wären genau das blutrünstige Wessen, wie du es meinst.“ Sprach Lucien und seine Stimme war so gefasst und ernst, was sie schlucken ließ.

Sie wusste ja, sie schlug etwas unwirkliches vor, aber was sollte sie dann tun? Die Wahrheit war das Einzige, was sie weiterbringen würde. Also gab es nur einen Punkt, wie sie darauf antworten konnte. „Was ist dann mit euren Liebsten und dem ganzen Volk, welche ihr so sehr beschützen wollt? Würdet ihr nicht alles tun, was in eurer Macht steht?“ Konnte sie eine Frage nach der anderen stellen.

„Sicher, wir würden alles tun. Genau das ist es, was uns schneller dazu drängt.“ Erklang die weiche Stimme wieder.

„Seit ich hier auf diesem Hof bin und beobachten konnte, sah ich etwas, was ich zuvor noch nie gesehen habe. Solange ich denken kann, wuchs ich unter euch auf und lernte nichts anderes kennen, als Brutalität, Gewalt und der Tod. Doch hier, es ist genau das Gegenteil und so widersprüchlich, bei allem, was ich zuvor lernte und kannte. Ihr geht liebevoll miteinander um, respektiert euch, schätzt und beschützt, sowie die Liebe zueinander. Alle gemeinsam und niemals alleine. Ich sah, wie ihr euch umeinander kümmert, egal ob ihr euch kennt oder nicht. Hauptsache ihr seid euresgleichen.“ Sprudelten die Worte einfach aus hier heraus. Konnte einfach nichts dagegen tun, nur der Wahrheit ergebend. Es versetzte ihr sogar einen leichten Stich in die Brust, weil sie all das nicht kannte oder erleben durfte, geschweige hatte oder je haben würde. „Dann würde es doch bedeuten, niemand würde zulassen, ihr würdet in eine Raserei verfallen. Es gibt eines, was Culebra nicht hat. Er hat zwar viele Anhänger und Mitstreiter, aber niemanden, den er vertrauen kann. Es gibt nichts und niemanden der ihn zurückhalten kann, der ihn in die Grenzen weist. Ihr schon. Gerade weil ihr aufeinander achtet.“
 

Regungslos saß Lucien auf seinem Stuhl und hatte große Mühe, überhaupt dem zu folgen, was Emmanline da sagte. All diese Worte waren alles andere als dahin gesagt oder nur leere Worte. In allem was sie sagte, steckte eine Menge Kraft dahinter. Es schien so, als wäre er nicht der Einzige der sprachlos war. Selbst alle in diesem Raum, jeden eingeschlossen, waren von Schweigen erfüllt.

Er konnte Emmanline einfach nur anstarren, weil er so von ihr hin und weg war. Das was sie sagte, steigerte seine Zuneigung und Gefühle zu ihr nur noch. Wie könnte er sie da nicht weiterhin ins Herz schließen? Er war ihr vollkommen verfallen, mit Leib und Seele. Wie gerne würde er sie jetzt an sich reißen und sie bis zur Endlosigkeit küssen. Dennoch wusste er, Emmanline würde sich weigern, gar wäre es ihr peinlich. Zumal konnte er es auch nicht tun. Nicht vor aller Öffentlichkeit, sie so dermaßen zu überfallen, wenn sie ihn noch nicht als ihren Gefährten akzeptierte. Er würde sie damit nur in Verlegenheit bringen. Auch wenn es dem Mann und Drachen nicht gefiel, zu sehen, wie abweisend sie ihm gegenüber war. Oder gar zu fühlen. Sicher, sie hatten Sex miteinander gehabt, aber waren es doch nur reine körperliche Sehnsüchte gewesen. Nur er wollte mehr, viel mehr. Sie sollte ihm mit Herz und Seele gehören, sowie seine ihr gehörten.

Trotz allem verspürte er großen Stolz, der nur allein ihr galt.

„Du hast Recht.“ Wurde er von einer warmherzigen Stimme aus seinen Gedanken gerissen. Tarana war die erste, die ihre Stimme wiederfand. „Wir würden jederzeit alles für unser Volk tun, die wir lieben.“

„Dann liegt es in eurer Entscheidung. Was ich auch ganz gewiss weiß, ist, er wird niemals aufgeben sein Ziel zu erreichen. Er wird alles und jeden töten, egal, seien es sogar wehrlose Kinder. Er besitzt kein Herz und absolut keine Skrupel.“ Senkte sie ihren Kopf und er wusste genau, Emmanline dachte an diese Zeit zurück. An ihre Zeit und es machte ihn wahnsinnig wütend. Am liebsten würde er diesen Bastard jetzt in seinen Klauen haben und ihn mit seinen Reißzähnen zerfetzen.

Jetzt kam er diesem Punkt an, wo er wissen wollte, was sie alles hatte erleiden müssen. Er wollte alles wissen, damit sein Zorn weiterhin anwuchs, damit er seinen Hass und Wut mehr anheizen konnte. Er würde es alleine nur für Emmanline tun, weil er sie sicher bei sich haben wollte. Gut, wenn sie meinte, sie sollen so sein, wie diese Missgeburt, würde er so werden. Sein Drache stimmte ihm zu und sollten alle Götter ihn davon ab halten, würde er noch mehr toben und wüten. Da würde er keine Grenzen kennen.

Mit einem Ratschen eines Stuhles, stand Emmanline auf. Verwundert schaute er leicht zu ihr rauf. „Was hast du vor?“ Stand er nun auch auf.

„Lucien, du weißt, wenn ich alles über Culebra erzählt habe, was ich weiß, werde ich gehen. Ich gehöre hier nicht her.“ Und ob sie das tut. „Du weißt es und ich will es auch nicht. Ich will keine wichtigen Informationen über euch wissen.“ Entfernte sie sich vom Tisch.

Auf halben Weg hielt er sie am Oberarm fest und drehte sie zu sich um. Gerade da wurde ihm bewusst, was er genau hier tat. Sein Instinkt sagte ihm, er solle sie hier behalten, weil er keine Geheimnisse vor ihr haben wollte, aber Emmanline tat genau das, was richtig war. Sie hatte so schon Schwierigkeiten sich hier einzugewöhnen und sie brauchte nicht noch mehr Steine im Weg. Aber genau das tat er jetzt, indem er sie hier und jetzt vor dem Rat vorführte. Vermutlich würden sie jetzt denken, sie habe ihn irgendwie mit einem Trick überlistet, weil er von ihr besessen war. Dem war nicht so. Natürlich war er von ihr besessen, aber auf reiner Gefühlsebene, dass wusste er mit großer Gewissheit.

Mit großer Mühe und Zwang, ließ er sie los und blickte sie schweigend an. Sie verstand ihn sofort und nickte einmal. Ihm den Rücken zugewandt, machte sie zwei Schritte, aber drehte sich noch einmal zu den Anwesenden um. „Eines solltet ihr noch über Culebra wissen. Alles was ihr von ihm wisst, wird er sich zunutze machen. Er wird genau das tun, womit ihr bei ihm nicht rechnen würdet. Ihr müsst anders denken. Sucht nicht an Orten, wo ihr glaubt, er würde dort sein, sondern an welchen er sich niemals aufhalten würde. Genau dort werdet ihr ihn finden. Culebra ist ein Feuerdrache der stärksten Klasse. Ich kann euch nicht sagen, wo er sich genau aufhält, weil er immer seine Aufenthaltsorte wechselt. Ich kenne mich nicht aus, wo was liegt. Aber eines ist gewiss, er bevorzugt die eisigen und tiefen Abgründe.“ Darauf verließ sie den Besprechungssaal. Die Totenstille entstand erst, als das Türschloss in ihre Verankerung fiel.

Plötzlich ging das Stimmengewirr los. Alle sprachen durcheinander, spekulierten und versuchten darüber zu diskutieren. Lucien ging zum Tisch zurück und setzte sich auf den Stuhl und zunehmend nervte und verärgerte es ihn. Bis auf einmal die Faust hart auf dem Tisch gehauen wurde. Erschreckend wandten sich alle um, aber nicht zu ihm. Er war nicht derjenige gewesen, der fast den Tisch in zwei Hälften geteilt hätte. Sondern Darius.

„Verflucht noch mal.“ Knurrte er verärgert. „Habt ihr nichts besseres zu tun, als andauernd alles in Frage zu stellen.“

„Was glaubst du, warum wir das tun. Wir wollen unser Volk beschützen.“

„Woher wollen wir wissen, ob das kein Hinterhalt ist? Wir können ihr nicht vertrauen, wenn sie doch ihr ganzes Leben unter Culebra verbracht hatte.“

Furchtbare Wut brodelte in ihm auf. Langsam reichte es ihm wie sie über Emmanline redeten. „Ich vertraue ihr.“ Knurrte er wütend, damit ihm keiner missverstand. „Charia war kurz davor ihn zu erwischen. Sie erzählte mir, das sie sie in einer eisigen Höhle in den Agrargebirgen gefunden haben. Ich möchte wissen, wie jemand wie Emmanline dort überleben kann.“ Dabei wusste er mehr. Emmanline war mehr als unsterblich, im Sinne des Wortes. Sie hätte ansonsten nicht die größten Chancen gehabt. Trotz allem verspürte er eine unsagbare Unruhe in sich, die ihn mörderisch machen könnte. Es gab auch Momente, war er blind vor Wut und er würde alles vergessen, wenn er nicht wüsste, Emmanline an seiner Seite zu haben. Sicher und wohlbehalten.

„Nehmen wir mal an, wir können ihr vertrauen.“ Wandte Saphira ein. „Dann kann ich mir nicht vorstellen, Culebra könnte sie einfach entkommen lassen. Immerhin weiß sie zu viel.“

„Sie hat Recht. Was, wenn er sie zu fassen bekommt, wird sie vielleicht auch alles über uns verraten.“

Das konnte Lucien nicht vorstellen, aber er konnte es nicht einfach abtun, welch Misstrauen sie in Emmanline sahen. Er kannte sie nun schon länger und vereinzelte auch und sie würden seiner Meinung ihr gegenüber teilen. Egal wie viel sie schon seinem Volk geholfen hatte. Vor allem ihm.

Wie könnte er nur anders von ihr denken, außer das Richtige in ihr? Diese Frau war seine Seelengefährtin, zu die er jederzeit halten würde. Sein Instinkt drängte ihn dazu und sein Drache gab ihm den Rest. Er konnte einfach nicht anders.

„Ich kann eure Bedenken verstehen, aber ich kann sie nicht gehen lassen. Ihr wisst wie ein Drache ist, der seine Seelengefährte gefunden hat. Im Leben bekommt man nur die einzige Chance. Wir haben keine Macht darüber für wen wir vorherbestimmt sind.“ Lehnte er sich zurück und schaute jeden vereinzelt an, während er seine Arme auf die Lehnen des Stuhls legte. „Ihr solltet es nicht gleich abtun, sondern ihr in dieser Hinsicht eine Chance geben. Ich weiß, es könnte ein Hinterhalt sein, aber ich kann sie zu nichts beschuldigen, wenn ich es nicht genau weiß. Sie hätte jedes Recht uns gegenüber zu hassen oder wütend zu sein, aber trotzdem hatte sie mir und den anderen einige male geholfen. Ich verdanke ihr mein Leben und meine Ehre lässt es auch nicht zu, meine Schuld ihr gegenüber zu begleichen.“

„Ich habe nichts gegen sie. Wenn sie dich glücklich macht, Lucien, ist es mir egal.“ Zum ersten Mal, setzte sich Lyndiana für ihn ein, was ihn verwunderte. Sie war die Schwester seiner Mutter und normalerweise hatte er nicht viel mit ihr zu tun. Er sah sie kaum, außer wenn mal eine Ratssitzung anstand. „Rhivanna hätte es genauso gesehen.“ Konnte er den Schmerz des Verlustes ihrer Schwester heraus hören. Dabei hatten sie genauso wenig Kontakt gehabt, aber trotzdem standen sie sich immer nahe.

„Ich danke dir.“ Lächelte er seine Tante an.

Darius und Saphira teilten Lyndianas Meinung. Es war wirklich einfacher und erleichterte ihn, das vereinzelte zu ihm hielten. Er konnte wirklich verstehen, wie misstrauisch sie waren, aber am Ende konnten sie nichts dagegen tun. Nicht weil er der König war und es bestimmen konnte, sondern weil er dazu gezwungener maßen getrieben wurde. Es war nicht solch ein Zwang, nur sein Trieb drängte ihn dazu. Und mit großem Verlangen und Sehnsucht folgte er es auch mit Freuden.

„Aber lasst uns das Thema wechseln. Wir werden bestimmen, wie wir gegen Culebra vorgehen, aber es gibt noch mehr, worüber wir dringend sprechen müssen.“ Schaute erneut alle einzeln an. Dann berichtete er alles, was geschehen war. Jede kleinste Einzelheit. Es gefiel niemanden, aber es war die nackte Wahrheit. Genauso, das sie dringende Maßnahmen dagegen tun müssen. „Was der nächste Punkt anbelangt, habe ich ein Bündnis mit den Lykae vorgeschlagen.“

Entsetzen durchströmte den Saal.

„Bist du wahnsinnig geworden?“ Reagierte Volteer ab neigend.

„Das würde niemals funktionieren.“ Mischte sich Lyndiana ein.

„Sie hat Recht. Wir können den Lykae niemals trauen. Seit Jahrhunderten stehen wir mit ihnen im Krieg, obwohl zwischen uns jetzt einen Waffenstillstand steht. Nur eine einzelne Kleinigkeit und wir stehen wieder im Krieg mit ihnen.“

Lucien seufzte ermüdend auf und fuhr mit einer Hand über sein Gesicht. „Mir ist wohl bewusst, wir könnten erneut in einem Krieg mit den Lykae stehen. Aber dennoch könnte es ein entscheidender Vorteil für uns sein. Die Lykae sind genauso betroffen wie wir auch, sind in einem Hinterhalt geraten. Zurzeit ist König Dyade anderweitig beschäftigt und sein Bruder Garett vertritt ihn zurzeit, bis er wieder zurück ist. Garett wäre beinahe an einem tödlichen Gift krepiert, wenn Emmanline ihm nicht geholfen hätte. Wir hätten niemals über solch ein Mittel verfügt, zumal wir keine Gifte benutzen. Es gibt nur wenige Giftmischer, die Talente dafür entwickelt haben. Fae sind eine dieser Völker. Wir waren niemals daran beteiligt, Lykae getötet zu haben. Vor allem, wenn es so wäre, hätten wir niemals Kinder getötet, die wehrlos sind. Das würde gegen unserer Ehre gehen. Sagt mir, was schlägt ihr vor? Aber eines solltet ihr vorher noch wissen. Mein Vater hatte damals alles versucht einen Waffenstillstand auszuhandeln und hatte es geschafft. Vater hatte es damals gewusst, dass sich sehr bald etwas zusammenbraut, was die ganze Mythenwelt betrifft. Sollte es zu einem Massenkrieg kommen, würden wir niemals eine Chance haben, uns gegen alles und jeden zu wehren. Culebra hängt uns im Nacken, wie die Fae genauso. Sie planen anscheinend schon seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten, uns alle gegenseitig auszulöschen, ohne das sie sich die Hände schmutzig machen müssen. Sie sind auch Meister der Täuschung und jeder im Raum weiß das. Also sagt mir jetzt, was schlagt ihr vor, wie wir weiter machen sollen?“

Noch schwiegen alle, wo sie anscheinend alles verarbeiteten. „Sagt mir nicht, das ihr alle sprachlos seid.“ Lächelte Lucien irgendwie amüsiert auf, obwohl es eine blöde Situation dafür war.

„Bist du sicher, das du den Lykae trauen kannst?“ Fragte Tarana als erstes.

Seine Antwort war kurz und knapp. „Nein.“

„Warum bist du dann der Meinung, wir sollten mit ihnen ein Bündnis eingehen?“

„Weil wir keine andere Wahl haben, wenn wir überleben wollen. Sowie die Lykae auch keine Wahl haben. Wir sollten es versuchen und vielleicht klappt es auch.“

„Haben wir wirklich keine andere Wahl?“

„Wenn es wirklich so kommt, sicherlich nicht. Wir mögen stark und mächtig sein, aber nicht gegen alle. Wir sind nicht unbesiegbar.“ Sprach Darius und lehnte sich nach vorne, damit er seine Unterarme auf die Tischplatte legen konnte. „Wir sollten wirklich über ein Bündnis nachdenken.“

So gingen die Gespräche weiter, bis sie eine Lösungen hatten, worüber Lucien sehr dankbar war. Er hörte weiterhin zu, aber seine Gedanken waren zunehmend woanders. Nämlich, bei Emmanline. Noch immer passte ihm das nicht, das sie einfach aus dem Saal verschwunden war. Es schmerzte, je mehr er sie von allem fernhalten musste. Zumal, er wollte es schon, sie wäre bei ihm, aber sie wollte es nicht. Er sollte es respektieren und sie machte es auch richtig, aber es fühlte sich einfach nicht richtig an. Nicht für ihn. Vor allem nicht, wenn sie sich so ausgrenzte.

Wie lange gingen diese Gespräche noch? Stunden, bis er wieder zu Emmanline konnte? Es war wichtig, was diese Themen im Rat betraf, noch wichtiger aber, war bei ihr zu sein.
 

Erleichtert atmete Emmanline aus, als sich die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Endlich war sie aus diesem Raum raus und konnte wirklich einmal tief Luft holen. Zwar hatte sie versprochen vor dem Rat alles über Culebra zu erzählen, aber dafür braute sich etwas in ihr zusammen. Es lag nicht daran, was und worüber sie erzählt hatte, aber etwas entscheidendes hatte sich in ihr geändert. Ihr ganzes Leben lang musste sie unter Culebras Hand alles ertragen. War sie jetzt soweit gekommen, das er geschnappt werden könnte? Könnte er dadurch endlich seine gerechte Strafe bekommen?

Irgendwie war sie sich überhaupt nicht sicher, weil sie ihn kannte. Mehr als ihr zur gute kam und überhaupt wollte. Niemals würde er Halt machen, wenn er das haben wollte, was er möchte. Darum beschlich ihr das Gefühl, er würde sie niemals wirklich gehen lassen. Culebra war schon immer besitzergreifend, wenn es um seine Gier ging. Nur hatte sie nie verstanden, warum er sich solche große Mühe mit ihr gab. Sicher war er darauf erpicht, woher ihre wahre Unsterblichkeit herkam, aber sie konnte es genauso wenig erklären, weil sie selbst keine Ahnung hatte. Stets fragte sie sich oft, warum sie niemals von all dem befreit wurde. Wie oft sie immer darüber nachgedacht hatte zu sterben, wie all die anderen, die es nicht mehr ausgehalten hatten. Sie war so oft schon neidisch auf die Anderen gewesen, hatte unendliche Gebete gesprochen, damit sie endlich erlöst wurde.

Zur Anfangszeit hatte sie noch ihre Mutter gehabt, aber haben sie ihr dann weggenommen. Das war ein weiterer Aspekt, warum ihre Mutter sterben konnte, aber sie nicht. Dabei war sie doch ihre Mutter gewesen. Es war kaum vorstellbar, dass das Volk der Elfen eine unsagbare Unsterblichkeit besaßen. Darum hatte sie sich schon lange nicht mehr diese Fragen gestellt. Nicht dieses Warum oder Wenn.

Irgendwie war es an der Zeit, das sie sich ablenkte und was anderes tun würde. Sie hätte da auch schon ein Gedanke und das wäre vermutlich das Beste, wenn sie weiter kommen wollte. Darum ging sie den gleichen Weg wieder zurück, den sie mit Lucien zusammen gekommen waren. Plötzlich hielt sie an einer Verzweigung der Gänge an, wo sie vorhin schon einmal Halt gemacht hatte. Wieder kam es ihr merkwürdig vor. Die Frau die sie vorhin schon gesehen hatte stand noch immer dort. Sie hatte diese Frau schon öfters gesehen und Malatya hatte zu ihr gemeint, das sie ihre Lehrerin sei. Sie war wirklich hübsch mit ihrem blondem Haar. Es schimmerte leicht golden und verlieh ihr eine freundliche Ausstrahlung, aber durch ihr kurzes Haar, eine gewisse Autorität. Durchaus war ihre Tätigkeit als Gelehrte sehr gerecht, was ihre Augen bewiesen, die ein tiefes Grau waren.

Schon fand sie die Frau interessant, aber was ihr Interesse wirklich beanspruchte, war ein kleines Mädchen, das neben ihr stand. Das gleiche Haar wie diese Frau. Es müsste ein Alter von zwei oder drei Jahren sein. Es klammerte sich vergebens an dem Kleid dieser Frau, als würde sie die Aufmerksamkeit bei ihr suchen. Warum bemerkte sie das kleine Mädchen nicht?

Emmanline konnte nicht erkennen, was sie da machte, aber schien sehr beschäftigt zu sein. Doch, auf einmal, richtete sie ihren Blick auf sie und musterte sie einen Augenblick.

„Oh, entschuldige. Ich wollte nicht stören.“ Brachte Emmanline plötzlich ein.

„Schon ok. Du hast mich nicht gestört.“ Lächelte sie sanft und da musste sie feststellen, das sie sie jetzt schon mochte. Von Anfang an. „Ich versuche nur gerade heraus zu finden, wie ich dieses kleine Kätzchen aus dieser Spalte heraus bekomme.“ Seufzte sie verzweifelt auf. „Einer meiner Sprösslinge glaubte, er müsse eben mal eine Katzenjunges verspeisen. Das tun sie andauernd und dann flüchten sie. Da braucht sich doch niemand wundern, wenn niemand ein Haustier halten kann. Sie sehen immer nur ein Leckerbissen vor sich.“

„Wenn ihr Drachen so darauf reagiert, warum wollt ihr dann Haustiere, wenn sie in euren Augen eine Mahlzeit sind?“ Kam Emmanline auf sie zu.

„Genau das müssen die Jungdrachen lernen, das sie nicht überall und alles als ihre Mahlzeit ansehen. So lernen sie das sonst nie.“

Emmanline ging in die Hocke und richtete ihre Aufmerksamkeit der kleinen Katze zu, die sie ängstlich anschaute. „Du musst keine Angst haben.“ Sprach sie sanft und die Katze schien mit ihren Ohren zu zucken, als würde sie ihr zu hören. „Niemand wird dir etwas tun.“

Urplötzlich kam das Kätzchen aus ihrem Versteck gerannt und sprang in ihre Arme. Sie vergrub sie vollendend in ihren Armen, was sie überraschte, aber auch erwärmend sah.

„Wie hast du das gemacht?“ Klang Erstaunen in der Stimme dieser Frau mit.

„Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht so viele scharfe Zähne besitze, wie ihr es tut. Sie mag zwar auch ein Raubtier sein, aber noch lange nicht so wie ihr.“ Stand sie mit der Katze in den Armen auf.

Leise gluckste die Frau auf. „Okey, das ist ein Argument.“

Automatisch fing sie mit ihrer Hand über das weiche Fell der Katze zu streicheln. Ihr Fell war glänzend weiß und hatte vereinzelt grau schwarze Flecken. Bei dem längeren Streicheln fing sie an komische Geräusche zu machen, was sie skeptisch machte.

„Oh, jetzt fängt sie auch noch an zu schnurren. Anscheinend mag sie dich.“

„Schnurren?“ Schaute sie die Drachin verwundert an.

Wieder gluckste die Frau auf. „Das bedeutet, das sie dich mag. Das haben Katzen an sich, wenn sie sich wohl fühlen.“

Verwundert schaute sie wieder auf das Bündel in ihren Armen, die ihren Kopf immer und immer wieder an ihrer Brust rieb. Sie konnte einfach nicht anders, als es in ihr Herz zu schließen.

„Behalte es. Bei dir scheint sie sich sicher zu fühlen.“ Lächelte sie sie an.

Vielleicht würde sie es auch tun.

Nach kurzem Zögern, schaute sie zu der Frau auf. „Darf ich Euch eine Frage stellen?“ Wusste sie erst nicht, wie sie anfangen sollte.

„Natürlich, frage ruhig. Aber nenne mich ruhig Linava. Keine Höflichkeit.“ Schien Linava ihre Vorsichtigkeit zu bemerken.

Noch einmal zögerte sie und schaute ihr direkt in die Augen. „Vorhin und jetzt sehe ich, die ganze Zeit steht ein kleines Mädchen neben dir, als versuche sie deine Aufmerksamkeit zu bekommen.“

Emmanline machte einen Schritt zurück, als sie das Gesicht von ihr sah. Sie wusste nicht warum, aber sie schien schockiert und irgendwie verletzt zu sein und blickte um sich herum, was sie sich nicht erklären konnte. „Ein kleines Mädchen? Hier ist keins.“

Hatte sie sich geirrt? Aber warum sah sie noch immer dieses kleine Mädchen, das erst sie anschaute und dann wieder zu Linava auf. Nein, sie stand wirklich da. Sie konnte es klar und deutlich sehen. „Das kleine Mädchen hat dein Haar. Blond Golden. Nur etwas länger als deines. Und ihre Augen sind Lila und sie...“

„Hör auf!“ Unterbrach sie Emmanline brüsk und machte noch einen Schritt rückwärts.

Das junge Kätzchen hörte sofort auf zu schnurren und verkroch sich wieder weiter in ihren Armen, während es anfing zu zittern. Vor Angst.

„Ich will das alles nicht hören. Ich glaube dir nicht, weil da nichts ist.“ War sie noch immer laut in ihrem Ton. Linava versuchte sich zu beherrschen, aber vergebens. Stattdessen schaute sie sie finster an und wäre ihr am liebsten ins Gesicht gesprungen. Aus welchen Grund auch immer, aber sie hatte diese Drachin wirklich wütend gemacht. Sie erkannte ihren Drachen, in ihren Augen. Sie hatte das nicht gewollt.

Doch bevor mehr geschah und etwas wirklich schreckliches passierte, wandte Linava sich blitzartig um, verschwand schnell und augenblicklich aus ihrem Blickfeld.

Verdattert blieb Emmanline zurück und stand mit offenem Mund da. Auf einmal verspürte sie einen Ruck an ihrer Kleidung und schaute nach unten, in ein unschuldiges und trauriges Kindergesicht. Das ließ ihr Herz schmerzhaft schlagen. Was hatte das alles auf sich? Dieses Mädchen war realer als wie alles andere. Nur schien sie niemand zu sehen. Warum?

Danach rannte das Mädchen einfach dieser Frau hinterher und ließ sie starr zurück.
 

Wie viele Stunden haben sie noch im Besprechungssaal gesessen und über so viele Dinge diskutiert? Es schien ihn viel länger, als es zu meinen wagte. Sein erste Ratssitzung und er war schon jetzt am Ende seiner Nerven? Wie sollen all die anderen Sitzungen werden? Sollen die immer so ablaufen? Na prima, dann kamen ja jetzt die besonderen rosigen Zeiten auf ihn zu. Wie sehr er sich darauf freute. Vielleicht wäre es einfacher, wenn nicht immer so viele skeptisch oder zu stur wären, um eventuell ein paar Veränderungen positiv entgegen zu treten, oder gar zu verändern. Wie hatte sein Vater das nur solange ausgehalten, bevor er gestorben war?

Unvorstellbar.

Lucien musste trotz allem, was er von seinem Vater gelernt hatte, noch eine Menge mehr lernen, als gedacht. Wissen tat er auch schon, wie schwer es war, ein König zu sein. Aber jetzt bekam er das ganze Ausmaß dafür.

„Lucien.“

Jemand rief seinen Namen und er wandte sich zu dessen Person um und vor ihm stand die fürsorgliche Drachin. „Tarana.“ Lächelte er sie warmherzig an.

„Du bist wirklich sehr erwachsen geworden.“ Trat sie mit einem Lächeln zu ihm vor und streichelte liebevoll über seine Wange. „Deine Herangehensweise ist eine vollkommen andere, aber du bist deinem Vater sehr ähnlich.“

„Danke, ich weiß das sehr zu schätzen.“ Auch wenn er es nicht mochte mit seinem Vater verglichen zu werden, verspürte er einen großen Stolz darüber und es ehrte ihn. Auch, weil es von dem ältesten Ratsmitglied kam, die im Rat saß.

„Ich habe deinen Brief bekommen. Darum sollten wir uns noch einmal unterhalten.“ Wobei er ihr zustimmte.
 

Weil sie nicht wusste, wo sie jetzt genau hin sollte, als sie im Gang von der Drachin einfach zurückgelassen wurde, kehrte sie in ihr Zimmer zurück. Das ihr bezog sich darauf, auf Lucien und sie selbst. Sie teilten sich ein Zimmer und es fühlte sich schon eigenartig an, aber sie fühlte sich gut dabei. Wirklich eigenartig.

Gerade schloss sie die Tür hinter sich und die kleine Katze noch immer auf ihren Arm, die sich weiterhin schnurrend an sie schmiegte. „Du scheinst dich wirklich wohl zu fühlen.“ Kam ein bejahendes Maunzen und große gelb grüne Augen blickten zu ihr auf.

Emmanlines Gedanken rasten Kreise in ihrem Kopf. Erneut hatte sich das Labyrinth in ihr verändert. Nur jetzt veränderte sich einiges. Es wuchsen nicht mehr die riesigen und massiven Mauern in die Höhen, die ansonsten ihren Weg versperrten. Je mehr sie sich damit befasste, umso mehr lichtete sich in ihr etwas. Immer mehr Erinnerung kamen zu ihr zurück, die sie zuvor immer verdrängt hatte. Plötzlich und gnadenlos stürmten sie wie eine Welle über sie rein. Es riss sie erbarmungslos mit sich und ertränkte sie fast. Wenn nicht diese Stimme in ihr erklang. Kraftvoll und bestimmend. Diese Stimme half ihr wirklich und es bestärkte sie danach zu greifen.

Durch all dieser Lichtung, kehrten auch stetig mehr Erinnerungen ihrer Mutter mit. Ihr Herz tat dessen weh, das sie nicht mehr lebte, aber niemals wollte sie je die Erinnerungen an ihr verlieren. Sie hütete sie wir ihren wertvollsten Schatz.

Leicht seufzte sie auf und blickte sich im großen Zimmer um. Da bemerkte sie, dass das Bett ordentlich gemacht wurde und vermutete, es war eines der Dienstmägde in diesem Schloss. Merkwürdig war es schon, andere verrichteten nebensächliche Arbeiten, das es die höheren gestuften es besser hatten. Nichts desto trotz taten sie es freiwillig und waren Stolz auf ihre Arbeiten, alles in Ordnung und Sauberkeit zu halten, um alle zufrieden zu stellen.

Erneut seufzend begab sie sich in die Mitte des Zimmers, wo das Bett war und setzte sich auf die weiche Kante.
 

„Du wirst deine Bestimmung finden, die das Leben für dich bereit hält. Du musst es nur sehen und erkennen und es akzeptieren, das es so ist. Eines Tages kannst du erkennen, wie wertvoll alles sein kann und so leben, wie du es willst und wünschst.“ Wurden weitere Erinnerungen, an ihrer Mutter, in ihr geweckt.

„Ich verstehe das nicht,Momma.“ Wusste sie es wirklich nicht. Sie war in der Zeit ungefähr fünf Jahre und viel zu jung für solche Gespräche.

Ein warmherziges Lächeln, welches sie immer so geliebt hatte, erstrahlte ihr ganzes Gesicht. „Das magst du jetzt noch nicht verstehen, meine süße kleine Filia.“ Was Tochter bedeutete. Diesen Namen hatte sie immer gemocht, weil sie sich wohlbehütet fühlte, obwohl sie in Gefangenschaft waren.

„Meine Süße kleine Filia.“ Umarmte sie Emmanline und sofort kuschelte sie sich an ihren warmen Körper. „Vergesse niemals wie sehr ich dich lieb habe. Du bist meine tapfere Kleine und bin sehr stolz auf dich. Ich werde dich weiterhin auf das Leben vorbereiten, so gut ich kann.“ Strich sie sanft über ihr langes weißes Haar.

„Momma, wirst du immer bei mir bleiben?“ Fragte sie an ihre Brust.

Kurz schwieg ihre Mutter. „Ich kann es dir nicht versprechen, mein Schatz.“ Reine Ehrlichkeit, die sie als Kind nie richtig verstand. „Aber merke dir eines, du wirst niemals alleine sein, egal was geschehen mag. Auch wenn ich irgendwann nicht mehr bei dir sein sollte, werde ich weiterhin bei dir bleiben und dich beschützen. Ich gebe dir vieles mit auf dem Weg, das du behüten wirst. Eines Tages wirst du ein Wissen in dir tragen, worüber du verfügen kannst und auch wissen dieses zu benutzen.“ Drückte ihre Mutter etwas von ihr ab. „Sowie das Richtige zu tun. Niemals wirst du alleine sein.“ Küsste sie sie auf ihre Stirn.

Tränen glitzerten in Emmanlines Augen. „Ich will nicht, dass du gehst.“ Schluckte sie hart, aber beherrschte ihre Tränen zurück zu halten. Sie versuchte stark zu bleiben.

„Ich weiß, Filia.“ Tröstete sie sie. „Alles was ich dir sage und beibringe, präge sie gut ein. Dies wird dein Leben bestimmen und dich leiten. Dein zweiter Instinkt wird dich begleiten und höre darauf. In dir steckt mehr als nur eines, was dich einzigartig macht.“
 

Ein scharfer Schmerz schoss durch ihren Kopf und unterbrach sie in ihren Erinnerungen. Stöhnend hielt sie sich ihre Hände an ihren Kopf und schloss ihre Augen dabei.

Jetzt bemerkte sie das ganze Ausmaß ihrer Erinnerungen und es werden noch viel mehr kommen. Es werden nicht die letzten sein, aber sie war froh darüber, sie kamen in kleinen Stücken und hoffte, es möge so bleiben.

Ein kleines Miauen lenkte sie ab und blickte auf das kleine Bündel auf ihrem Schoss, das besorgt zu ihr auf blickte. „Keine Sorge, mir geht es gut.“ Streichelte sie über den Kopf des Kätzchens. Es war wirklich liebenswert und entzückend, wie so ein kleines Wesen bezogen auf sie reagierte, obwohl sie sich nicht einmal eine Stunde kannten. Anscheinend hatte sie Bezug zu ihr gefunden und es war rührend zu sehen, welche Klarheit in diesen großen Augen steckte.

Emmanline drehte ihren Kopf zur Seite und sie war jetzt noch mehr entschlossen, den Grund zu erfahren, was es mit diesem Rubin auf sich hatte. Sie musste herausfinden, warum dieser blutrote Stein sie einfach nicht gehen lässt. Vorsichtig holte sie den Stein zu sich und setzte sich wieder auf das Bett, aber viel eher in die Mitte. Weich und nachgiebig saß mit ein gewinkelten Beinen darauf. Den Rubin schwer in ihre Hand, während sie diesen Rubin genau betrachtete. Aufmerksam betrachtete sie ihn, drehte und wendete ihn. Was hatte es nur mit diesem Rubin auf sich? Es musste eine Verbindung geben, dem sie folgen konnte. Nur ein kleinen Hinweis.

Die Drachen spielten eine große Rolle und wie Lucien ihr erklärt hatte, war dieser Stein aus Blut, wie ein Gefängnis für sie. Unzählige Seelen müssten darin eingesperrt sein und keines würde Frieden finden. Warum war es so? Wer könnte solch einen Fluch ausgesprochen haben, damit Seelen eingesperrt wurden? Oder war es nur reine Magie?

Das würde sie wohl auch herausfinden müssen, denn eine starke Macht strahlte aus ihm heraus. Noch immer hörte sie hin und wieder Stimmen, womit sie vermutete, es könnte von diesem Rubin stammen. Wie fand sie es also heraus? Vielleicht müsste sie eine Verbindung zu diesem Stein herstellen, um genaueres zu erfahren.

Mit ruhigen Atem versuchte sie sich zu konzentrieren und einen inneren Punkt zu finden. Sie schloss ihre Augen und während sie den Rubin in ihrer Hand hielt, sandte sie all ihre Energie und Aufmerksamkeit hinein. Noch einmal tief Luft holend, versetzte es sie in einen gepolten Zustand. Es war unglaublich wie viel Kraft zu ihrem Körper zurückfloss. Es hätte sie niederschmettern müssen, aber nichts kam dergleichen.

Der einzige Grund, warum solch eine Macht in ihm steckte, waren diese hunderten von Seelen. Kein Wunder das ein größeres Ausmaß davon verspürte.

Unglaublich. Dieser Rubin war die reinste Macht und diese Stärke erst. Schossen Gedanken durch ihren Kopf.

Immer weiter vertiefte sie sich in ihrem Tun und blendete ihr Umfeld komplett aus. Etwas rief nach ihr und als sie innerlich die Augen öffnete, stand sie erneut in diesem Flammenmeer, welches sie zuvor in ihrem Traum gesehen hatte. Erneut hätte sie Panik empfinden müssen, aber es war diesmal vollkommen anders. Als würde sie mit offenen Armen empfangen.

Der riesige und monströse Baum tat sich wieder vor ihr auf. Noch immer existierte er in all dieser Flammen, aber jetzt nur noch gebieterisch. Also war der Rubin daran Schuld, warum sie den Traum gehabt hatte und ihr auch keine Ruhe ließ? Er rief nach ihr und es kam von diesem Baum. Sie spürte es klar und deutlich. Doch was verlangte er von ihr?

Um heraus zu finden was dieser mächtige Baum, der viel Leben in sich trug, von ihr wollte, müsse sie sich wohl auf ihn einlassen und sie würde es auch versuchen. Ein Teil in ihr drängte sie sogar dazu und eine Aufregung stieg in ihr empor.

Doch bevor sie überhaupt etwas tun konnte, riss erneute eine Kraft sie zurück. Erschrocken kehrte sie außer Atem wieder in ihrem Bewusstsein zurück. Keuchend blickte sie mit großen Augen in das Gesicht von...Lucien? Was tat er denn hier?

„Bist du verrückt geworden?“ Schrie er sie fast an. Aber warum?

„Ist etwas passiert?“ Blickte sie um sich und schien verwirrt zu sein und ihr Herz raste sogar etwas zu schnell.

Lucien knurrte und blickte finster drein. „Hast du dich vielleicht mal angesehen?“

Sie schaute an sich hinab und erstarrte etwas mehr. Nein, das konnte doch nicht sein. Nicht schockiert, aber verblüfft, betrachtete sie sich selbst. Dies war nun wirklich faszinierend.

Noch immer lag der blutrote Rubin in ihrer Hand, der angefangen hatte zu glühen, aber keineswegs heiß. Von ihren Finger aus, über ihre Handflächen, bis zu ihren Unterarmen hinauf, schienen Brandmale auf ihrer Haut zu zieren, als hätte sie sich stark verbrannt.. Es tat überhaupt nicht weh, dennoch je mehr sie darauf schaute, verblassten sie immer mehr.

„Das ist wirklich interessant.“ Bemerkte sie, aber es schien Lucien nicht zu passen.

„Interessant?“ Umfasste er Hände mit seinen und erhob sie, bis sie auf Augenhöhe war. Ihrer natürlich. „Und wie nennst du das?“ Knurrte er wieder.

Jetzt war aber Schluss. „Knurr mich nicht an.“

„Ich kann dich so viel anknurren wie ich will, wenn es um dein Wohlergehen geht.“

„Mir geht es gut.“ Konterte sie etwas verärgert zurück.

„Sag mir ja nichts, wenn ich sehe, was für Brandmale deine Arme zieren. Und wage es jetzt bloß nicht zu sagen, dass sie durch deine Besonderheit wieder schnell verheilen würden.“ Was stimmte. „Ich will davon nichts hören.“

Etwas verbissen, starrte sie ihn einfach nur an. „Ich hatte auch nicht vor, dies zu sagen. Es tut nicht weh und ich sehe keinen Grund mir Gedanken darüber zu machen, wenn mir keine Gefahr droht.“ Versuchte sie sich aus seinem Griff zu befreien, ließ ihr aber kaum eine Chance. Eigenartig, aber diesen Rubin hielt sie noch immer in ihrer Hand und klebte regelrecht an ihr. Jetzt verstand sie auch warum. Anscheinend hatte Lucien versucht ihn ihr wegzunehmen und das hatte der Rubin nicht zu gelassen.

„Ich mache mir einfach nur Sorgen.“

„Was ich sehr zu schätzen weiß.“ Blickte sie ihn finster an. Was er konnte, konnte sie auch. „Ich versuche gerade herauszufinden, was es mit diesem Rubin auf sich hat und du hast mich dabei gestört.“ Riss sie energischer an ihren Händen. „Lass mich los und verschwinde.“ Würde sie jetzt am liebsten knurren, wenn sie es könnte.

Aber er nahm ihr dies ab. „Was kann ich dafür, wenn ich hier reinkomme, weil ich dich gesucht habe und finde dich auf dem Bett, wie Verbrennungen deinen Arm hinauf wandern?“

„Jetzt hör aber auf. Wie du siehst, sind sie schon wieder alle verschwunden und warum muss ich dir noch einmal erklären, das es mir gut geht? Warum bist du nur unglaublich stur?“

Mit einem Stoß ließ Lucien sie los und stand auf. Sie erkannte genau, wie wütend er war. Doch sie versuchte nicht, sich darauf einzulassen.

„Du weißt ganz genau warum ich so unglaublich stur bin. Ich mache mir einfach nur Sorgen um dich.“

Und da war es wieder, wie oft er ihr doch sagte, welche Sorgen er sich um sie machte. „Ich bin nicht so hilflos und schwach, wie du es vielleicht glauben tust oder siehst.“

„Das behaupte ich auch nicht.“

„Ach nein, warum bist du gerade so wütend, knurrst und schreist mich an, als wäre ich genau das?“

Mit einem Zucken blieb Lucien stehen, machte gerade seinen Mund auf, um etwas zu sagen, aber klappte ihn sofort wieder zu. „Ich knurre und schreie dich nicht an.“ Knurrte er mürrisch.

Emmanline hob eine Augenbraue und das schien Lucien jetzt zu bemerken. Und sie bemerkte es ebenfalls.

„Komm her, Lucien.“ Streckte sie ihm ihre Hand hin, die er ohne zu zögern nahm. Auch wenn sie die Kraft nicht dazu hätte, ließ er sich zu ihr herunter ziehen. „Ich weiß, du hast eine Menge zu tun und kaum Zeit dich auszuruhen.“ Streichelte sie mit ihren Fingern über seine Wange, die sich durch seine Bartstoppeln rau anfühlten. „Aber du darfst dich nicht andauernd beeinflussen lassen, mich überall herum zu kommandieren und mir das zu sagen, was ich tun soll. Du willst das ich dir helfe und den Grund dafür finde, was es mit diesem Rubin auf sich hat. Lucien, du lässt mir nicht die Chance dazu. Das muss aufhören.“ Seufzte sie auf und sie sah ihn an, das sie die Wahrheit sprach.

„Wenn es so einfach wäre.“ Schmiegte er seine Wange in ihre Handfläche, während er seine Augen dabei schloss. „Ich will dir alles geben was du brauchst, aber mein Drache ist verflucht stur, wenn es um dich geht.“ Öffnete er lodernd seine Augen und lächelte sie warmherzig an.

Wie könnte sie solch ein Lächeln widerstehen?

„Du bist unmöglich, weißt du das?“

„Ich weiß.“ Wurde sein Blick aber wieder ernst. „Und ich weiß auch, dass ich dir dafür danke, welch großes Risiko du heute vor dem Rat eingegangen bist. Ich kann mir nicht annähernd vorstellen, was es für dich bedeutet hat, welche Überwindung es für dich gekostet hatte.“ War nun er derjenige, der sanft über ihre Wange streichelte und sein Blick wurde erneut warmherzig.

Sie bekam wieder großes Herzklopfen.
 

Auf einer ganz anderen Ebene, in einer ganz anderen Welt, herrschten ganz andere Regeln und Gesetze, die erbarmungslos waren. Hier lebte ein Volk, das nichts anderes wollte, als ganz oben auf der Herrschertreppe zu sein. Sie wollten endlich die mächtigsten und stärksten sein. Es war klar, das sie niemals die körperliche Stärke besaßen, aber sie konnten die geistreichsten sein.

Mórag war der König der Fae und er hatte große Pläne, sehr große Pläne. Er würde alles daran setzen das zu bekommen, was er wollte. Schon seit Jahrhunderten arbeitete er daran und stets was er wollte. Seine Ziele hatte er nie aus den Augen verloren und jedes Mal waren seine Intrigen und Pläne aufgegangen. Zu dumm, denn niemand hat es jemals mitbekommen.

Warum dann ausgerechnet jetzt?

„Seid ihr zu nichts fähig?“ Brüllte er seinen Kommandanten Brae, seiner Armee, an. Er war stets eisern und befolgte genau seinen Anweisungen. Bis jetzt hatte es auch gut geklappt und er war mehr als wütend auf ihn. Seine Wut grenzte an purem Wahnsinn.

„Mein König...“ war sein Kopf so tief geneigt, das seine Nasenspitze beinahe den steinernen Boden berührte, aber er konnte nicht anders, als eine leichte Handbewegung zu machen, somit er gegen die nächst gelegene Wand geschleudert wurde. Er akzeptierte keine Fehler oder Versagen.

„Schweig.“ Befahl er und beobachtete, wie sein Kommandant auf die Füße kam. Mórag wusste genau, ein paar Knochen von ihm waren gebrochen und er bekam das Gefühl und die Lust, noch mehr zertrümmern zu wollen. „Es war alles perfekt geplant gewesen und ihr habt es vermasselt. Wie also konntet ihr versagen?“

Wieder war Brae vor ihm verneigt. „Wir haben den Bruder des Königs der Lykae mit dem tödlichen Gift vergiftet und es hätte nicht lange gedauert und er wäre zugrunde gegangen. Wir haben ihn verfolgt und wollten ihm den Rest geben, als er in das Königreich der Drachen eingedrungen war.“

Er konnte sich daran erinnern, welchen Plan er in dieser Sache geschmiedet hatte. Konnte sich daran erinnern, wie einfach es gewesen war, Drachen und Lykae aufeinander zu hetzen, ohne das es jemand bemerkte. Mórag hatte aufgeschnappt, vor längerer Zeit, als noch der Drachenkönig Raziz gelebt hatte, bevor er von seinem eigenen Bruder kaltblütig ermordet hatte. Damals war er es, der einen Waffenstillstand mit den Lykae ausgehandelt hatte. Stets war ihm bewusste wie wacklig dieses Abkommen war und hatte sich genau das zu nutzen gemacht.

Durch Raffinesse täuschte er die Drachen und Lykae. Fae beherrschten die Täuschung sehr gut und sie waren Meister darin. Für ganz kurze Augenblicke konnten sie andere Gestalten annehmen, aber es hielt nie länger als dreißig Minuten an. Es war nicht viel Zeit, aber genug Zeit um Zwietracht zu sähen. In Drachengestalt griffen sie ein kleines Dorf an der Landgrenze der Lykae an. Töteten alle. Egal ob Frauen oder Kinder. Ihm war es gleichgültig, wenn es ihm zu Gunsten kam.

„Mit seinem Heer. Wir wollten ihn zur Strecke bringen, als wären es die Drachen gewesen, wie ihr es befohlen habt. Doch bevor wir dazu kamen, war Lucien de la Cruise uns in die Quere gekommen. Beinahe hätte der Drachenkönig den Todesschlag gegeben, wenn nicht diese Frau ihn in die Quere gekommen wäre.“

„Was für eine Frau?“

„Das wissen wir nicht. Sie schien eine Elfe zu sein, was einige Anzeichen darauf hinweisen.“ Beantwortete sein Kommandant seine Frage.

Wutentbrannt schleuderte er einen großen Energiestoß von sich und schrie:“ Eine Elfe?“ Spuckte er das letzte Wort voller Hass aus, als wäre es die einzige ätzende Säure, die so bitter in seiner Kehle brannte.

Schon vor vergangener Zeit hatte er alles daran gesetzt dieses verfluchte und verräterisches Volk zu vernichten. Durch Mithilfe der Nymphen war es ihm auch gelungen. Die Elfen wurden dem Erdboden gleich gemacht, in einem Krieg der blutig und brutal gewesen war. Kein Fae und Nymphe hatte halt gemacht. Nicht vor Frauen oder Kinder.

Hätten sie damals mit ihnen kooperiert, wäre das alles nie geschehen, aber der Elfenkönig Alarion hatte sich geweigert, weil sie ja ein ach so gutes Volk waren, das in Frieden leben wollte. Sie verabscheuten Gewalt und Blutvergießen. Damals war er es gewesen, der ihm den tödlichen Schlag gegeben hatte und er hatte verfluchte Genugtuung dabei verspürt, als der restliche Lebenshauch in ihm erloschen war.

Wie kann es also sein, das eine von dem verräterischen Abschaum lebte?

„Ja, mein König. Ich konnte es genau erkennen. Sie strahlte das gewisse etwas aus, was nur Elfen besitzen.“

„Evanna.“ Rief er laut und gleich darauf tauchte eine große Frau aus den Schatten hervor.

„Ja Vater?“ Sprach sie mit eisiger Stimme. Sie war für eine Fae sehr hoch gewachsen, ihre Augen eisig grau, pechschwarzes kurzes Haar, was alle Fae kennzeichnete. Ihre schlanke Statur verlieh ihr die tödliche Eleganz, ihr Blick arglistig und boshaft. Das musste sie auch alles sein, denn sie war eine Sleeper. Eine Spionin, was charmant ausgedrückt wurde. Killerin traf es dann doch schon eher.

Das liebte er an seiner Tochter. „Ich habe einen neuen Auftrag für dich.“ Lächelte er boshaft. Darum wusste er, seine Tochter wartete begierig darauf wieder einen Auftrag zu bekommen. Bei ihr wusste er, sie würde niemals sich einen Fehltritt leisten. Dafür war sie viel zu gut ausgebildet worden, denn seit ihrer Geburt hatte er schon längst dafür gesorgt, das sie die beste Ausbildung bekam. Eine tödliche Kriegerin.

„Welchen Auftrag?“

„Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber eines der verfluchten Elfen, eine Frau, hat überlebt. Und wenn es das schon ist, werden es vermutlich mehr sein. Ich will sie verdammt noch einmal tot sehen. Ich will ihren Kopf und genau du wirst ihn mir bringen. Ich will das keiner dieser Brut lebt. Damals schon nicht und heute erst recht nicht. Mache dich auf die Suche und bringe ihn mir.“
 

Evanna wusste nicht wirklich, was sie davon halten sollte, aber sie würde die Methoden und Handlungen ihres Vaters nicht infrage stellen. Es mochten brutale und erbarmungslos sein, dennoch würde sie es nicht tun. Sie befolgte alle Befehle ihres Vaters. Was anderes konnte sie nicht.

Seit ihrer Kindheit lebte sie nur fürs Töten und wurde als eine Killerin ausgebildet. Schon lange zählte sie ihre Opfer nicht mehr und bei Tausenden hatte sie schon aufgehört. Was machte es schon aus, ob es eine mehr oder weniger wäre? Gerade weil sie zu viel Blut an den Händen hatte, würde sie die Befehle ihres Königs nicht missachten.

„Ich werde es tun.“ Antwortete Evanna kurz und knapp und wollte sich auch schon umdrehen, als ihr Vater sie aufhielt.

„Warte.“

Noch einmal wandte sie sich schweigend um. Kalt schaute sie ihn dabei an, wobei sie wusste, wie sehr er darauf bestand, dass sie emotionslos war. Ein weiterer Teil, warum sie diese Ausbildung hatte machen müssen.

„Enttäusche mich nicht, Tochter.“ War es schon fast eine Drohung, aber sie wusste, wie sie damit umgehen musste. Mit ihm umgehen müsste.

„Ich habe dich nie enttäuscht und werde auch heute nicht damit anfangen. Ich werde nicht eher zurückkommen, bis ich sie tot zurück bringe.“ Und sie wusste es, genauso gut wie er, sie würde niemals aufgeben. Solle kommen was da wolle.

Auf grausame Art und Weise lächelte er sie an. „Gut.“

Es war nicht seltsam, dass sie nicht zurück lächelte. Noch nie hatte sie je in ihren dreihundert und fünf Jahren es jemals getan. Sie empfand nichts und würde es auch niemals.

Mit einem kurzen Nicken verschwand sie und befolgte einfach nur dieses einen Befehl. Was anderes hatte sie nie getan, würde sie auch nicht und dafür wurde sie nun einmal geboren. Um einfach zu töten.

Evanna trat aus dem Schloss raus, was eigentlich nicht bewohnt war. Ein Schloss konnte man es nicht mehr nennen, eher eine verfallene Ruine. Dennoch diente sie als Schein, denn ihr Reich existierte unter der Erde. Es mochte nicht sicher sein, aber war es auf der Erdoberfläche auch nicht.

Kaum wandte sie ihren Blick von ihrem sogenannten Zuhause ab, brachen die Schleusen im Himmel auf. Wie ein stürzender Bach fing es an zu regnen. Binnen von Sekunden war sie bis unter die Haut durchnässt. Es machte ihr nichts aus.

Ohne sich weiter daran zu stören, verschwand sie in den nächstgelegenen Wald und würde das tun, was sie am besten konnte.

Töten.
 

Zwei Tage waren seither vergangen, als Emmanline vor dem Rat gestanden hatte. Sicher war sie sich nicht gewesen, aber sie hatte es getan und trat vor all diesen Drachen. Erst dachte sie, sie hätte es für Lucien getan, weil er sie darum gebeten hatte. Doch je mehr sie darüber nachdachte, umso mehr stellte sie fest, sie hatte es für sich selbst getan.

Es war lächerlich, aber vielleicht hatte sie wirklich einen kleinen Funken daran gehegt, sie alle könnten Culebra aufhalten. Vielleicht könnte die Chance bestehen ihn endlich zu finden und zu töten. War es wert, sie könnte daran glauben?

Viel zu viele Gedanken brodelten in ihrem Kopf und dies passierte immer wenn sie hier im Garten auf der Bank saß. Vermutlich, weil sie hier einfach zwischen all den Blumen und der Düfte sich wohl fühlte. Hier konnte sie sich wirklich gehen lassen und vor allem ihrem Lieblingsplatz im Wald. Dort verbrachte sie genauso viel Zeit, wie hier auch. Sobald sie zwischen all den Pflanzen sitzen konnte. Dies lag wohl in ihrer Natur, da die Elfen mit der Natur verbunden waren und sie war ein Teil davon.

Jedes Mal wenn sie hier auf der Bank saß, kam sie nicht drum herum, das sie immer eine Blume mehr zum wachsen brachte. Allein ein Gedankengang von ihr genügte und wenige Sekunden später entstand eine neue Pflanze. Sie konnte schon sagen, jeden Tag kam immer eine neue Blume hinzu, dass es schon fast ein Meer von Blüten und Farben gab. Vor allem der Duft.

Aufmerksam schaute sie der Blume beim wachsen zu, während sie sich darauf konzentrierte. Stets war sie gebannt, wenn etwas wuchs, hieß es neues Leben. Auch wenn es nur ein zartes kleines Pflänzchen war.

Abgelenkt bemerkte sie nicht, jemand näherte sich ihr. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet und sie bemerkte erst, als Füße in ihr Sichtfeld traten, das sie nicht mehr alleine war. Etwas erschrocken fuhr sie nach oben und stand auf beiden Beinen. Erst da schaute sie zwei Person an. Es war eine Frau und einen Mann.

„Bitte entschuldige, wir wollten dich nicht erschrecken.“ Sprach eine Frauenstimme. Sie erkannte sie sofort. Es war die Lehrerin von Malatya, Linava.

„Schon in Ordnung.“ Wandte sie ihren Blick zu dem Mann, der neben ihr stand.

„Das ist mein Gefährte Cynder.“ Stellte sie ihn ihr vor.

Ihr Gefährte hatte einen fast kahlgeschorenen Kopf, aber sie konnte erkennen, sie waren schwarz wie die Nacht. Es erschien ihr nicht, das er ein Kämpfer war. In seinen Augen konnte sie ein großes Wissen erkennen und es passte nicht mit einem Krieger zusammen. Zumal sein Blick auch etwas sanftmütiges ausstrahlte. Jetzt bemerkte sie auch, wie gut die beiden zusammen passten und das Schicksal schien sie legitim zusammen gebracht zu haben.

Abwarten schaute sie die beiden an, weil sie nicht wusste, warum sie hier bei ihr war. Immerhin war Linava, bei ihrem letzten Treffen, wütend und verletzt. Nur, als sie von dem kleinen Mädchen gesprochen hatte, die anscheinend noch immer neben ihr stand. Doch sie würde sie nicht darauf ansprechen.

„Ich wollte mich für das entschuldigen, wie ich bei unserem ersten Treffen zu dir gewesen war.“ Entschuldigte sie sich wirklich aufrichtig, das konnte sie spüren.

„Schon in Ordnung.“

„Nein, es ist nicht in Ordnung. Ich war ungerecht und gemein zu dir.“

„Nein, warst du nicht. Anscheinend habe ich mit etwas angefangen was dich wütend und verletzt hatte. Dafür müsste ich mich entschuldigen, weil ich kein Recht dazu hatte. Es tut mir auch leid.“

Kurz schwiegen sie alle, bis ihr Gefährte zum ersten Mal seine Stimme erhob. Er besaß eine tiefe Stimme, die wissend klang.

„Nun, ihr müsst euch nicht entschuldigen.“ Begann er mit einer großen Höflichkeit. „Ihr konntet nicht wissen, was für eine Wirkung das auf meine Gefährtin hatte.“ Legte er eine beschützenden und tröstenden Arm um die Taille seiner Frau. „Als Linava mir von eurer Begegnung erzählte, war ich ziemlich überrascht gewesen. Nur ganz wenige wissen, wir hatten eine kleine Tochter gehabt, die kurz nach ihrer Geburt gestorben war.“

Emmanlines Herz setzte aus und ihre Augen wurden groß. Entsetzen und Mitgefühl verspürte sie den beiden gegenüber. „Das tut mir leid. Ich wusste es nicht.“

Ein warmherziges Lächeln entstand auf dem Gesicht dieses Mannes. „Nein, schon in Ordnung. Mir ist es ein Rätsel, woher ihr es wisst. Linava erzählte mir auch, ihr hättet sie neben ihr stehen sehen. Stimmt es?“

Sie zögerte einen kurzen Augenblick, aber sie musste ehrlich sein. „Ja.“

„Siehst du sie noch immer?“

„Ja, das tue ich. Sie steht genau vor euch.“ Schaute sie zu der Stelle, wo sie das kleine Mädchen stand.

„Bitte, beschreibe sie uns?“ Bat er.

Da erst drehte sich das Mädchen zu ihr um. War es wirklich so, dieses kleine unschuldige Mädchen starb, nach ihrer Geburt? Wie konnte das möglich sein, das sie noch immer hier war? Warum konnte sie sie sehen, aber andere nicht? Vor allem, wenn es so wäre, warum war sie dann vom Aussehen eines jungen kleinen Mädchens?

„Ihr Haar ist hell und aus einer Mischung zwischen blond und golden, wie das Haar von dir.“ Schaute sie Linava an. „Sie hat die Augen von euch.“ Wandte sie sich an Cynder. „Sie hat von euch beiden etwas. Ihre Ausstrahlung und Gesichtszüge.“

Erst da flossen Tränen bei Linava und das hatte sie nicht gewollt.

„Kann es wirklich sein, Cynder? Steht wirklich unser kleines Mädchen vor uns?“ Fing sie an zu schluchzen und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.

„Warum ist sie hier?“ Wollte er wissen.

„Ich kann es euch nicht sag...“ wurde sie von einer verzerrten Stimme unterbrochen. Erst wusste sie nicht wohin sie gehörte, aber richtete ihren Blick zu dem kleinen unscheinbarem Mädchen.

„Bitte hilf mir.“ Bettelte sie schon fast, als darum zu bitten.

Mit einem Nicken gab sie das Einverständnis dafür.

„Sag ihnen, sie dürfen nicht aufhören. Mama und Papa sollen wirklich leben und nicht aufgeben. Meinetwegen weint Mama oft und ich kann sie nicht traurig sehen. Auch Papa geht es so.“ Klang das Mädchen selbst sehr traurig. „Bitte sage es ihnen.“ Flehte sie.

Wie konnte sie das ignorieren, worum sie sie bat?

„Sie will nicht, das ihr traurig seid. Sie sieht euch leiden und will das ihr lebt und nicht aufgebt.“

„Ich will so gerne wieder bei Mama und Papa sein. Ich habe sie sehr lieb.“ Kullerte eine kleine Träne ihre Wange hinunter. „Ich will wieder bei ihnen sein, aber solange sie nicht leben und nicht aufgeben, kann ich nicht wieder kommen. So sehr wie ich das möchte, aber ich kann nicht. Etwas hält mich fest. Ich will es so sehr. So sehr.“ Fing sie an zu schluchzen.

Es zerriss fast ihr Herz sie so zu sehen. Mitfühlend blickte sie auf das kleine Mädchen herab.

„Was sagt sie?“ Wollte Linava unbedingt wissen. Anscheinend glaubte sie ihr jetzt. „Bitte.“

Das würde jetzt sehr schwer werden. „Sie liebt euch und würde so sehr wieder bei euch sein. Doch solange ihr nicht am Leben fest hält, scheint sie darin zu hindert zurück zu kommen. Dabei will sie wieder so gerne bei euch sein. Sie wünscht es sich so sehr.“

„Oh, ihr heiligen Götter.“ Wirkten beide entsetzt, aber nur Cynder fand Worte, während er seine weinende Gefährtin in seinen Armen hielt, die bitterlich weinte. „Soll das bedeuten, wir sollen nur am Leben festhalten, sie würde eines Tages wiedergeboren werden?“ Klang so viel Hoffnung in seiner Stimme mit, das ein Stich in ihrer Brust versetzte, so viel Mitgefühl brachte sie ihnen entgegen.

„Sie wünscht es sich von tiefster Seele und würde alles daran setzen wieder bei euch sein zu wollen. Ich spüre und sehe es. Ihr dürft nicht aufgeben. Sie liebt euch sehr und sie will, ihr sollt glücklich sein und will ein Teil davon sein.“

„Ja, ich will es.“ Schluchzte Linava an Cynders Brust und richtete ihren Blick zu ihr hin. „Ich will mich daran festhalten und daran glauben und hoffen, mein kleines Mädchen würde wieder kommen. Ich will daran glauben und hoffen, mein süßes kleines Mädchen im Arm zu halten und das sie lebt. Cynder, bitte.“

Traurig, aber liebevoll, schaute er zu seiner Gefährtin herab. „Alles will ich daran setzen.“ Streichelte er zart über ihre Wange und Emmanline selbst verspürte den Drang, genauso etwas zu fühlen. Lucien hatte ihr solche Augenblicke gegeben. Nun sehnte sie sich danach und ihr Gefühl beschlich sie, dass nur er ihr das geben konnte.

Überraschend und unbemerkt verschwand das kleine Mädchen, als würde sie sich in Luft auflösen. Verwundert schaute sie auf den Fleck, wo sie eben noch gestanden hatte.

Irgendwie fühlte sie sich jetzt fehl im Platz und sie sollte sich zurückziehen. Die Beiden sollten jetzt alleine sein, weil sie genau diese Zeit brauchten. Darum schlich sie sich leise davon, ohne das sie es bemerkten. Leise ging sie immer weiter rückwärts und beobachtete noch einen Moment die Zwei, wie eng verbunden sie miteinander waren. Da kam wieder diese Sehnsucht in ihr auf.

Ohne das sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihre Umgebung richtete, stieß sie hinter sich an etwas hartes. Erschrocken wirbelte sie herum und blickte in das Gesicht von Lucien. Erleichtert seufzte sie auf.

„Alles in Ordnung, Emmanline?“

„Oh ja, sicher.“

„Du wirkst etwas aufgelöst.“ Schaute er auf und blickte an ihr vorbei und nach vorne. Er scheint zu bemerken, das noch immer Linava und ihr Gefährte dort standen. Er konnte es an seinem Stirnrunzeln erkennen, wie fragend er drein schaute. „Was ist passiert?“

Was sollte sie darauf antwortet? Das sie ein kleines Mädchen gesehen hatte, das fast durchsichtig gewesen war? Eine Art Geist?

„Ich weiß es selbst nicht genau. Ich muss es noch selbst verstehen.“ Schaute sie zu den beiden zurück. „Lass mir diese Zeit, Lucien.“ Bat sie ihn und er schien es zu respektieren, weswegen er nicht weiter fragte.

„Dir geht es aber wirklich gut?“ Drehte er sie zu sich um und nahm zärtlich ihr Gesicht in seine Hände, während er mit seinen Daumen über ihre Wangen streichelte.

Genau das hatte sie gewollt, als Emmanline die Zusammengehörigkeit bei Linava und Cynder gespürt und gesehen hatte. Genau danach hatte sie sich aus unerfindlichen Gründen gesehnt. „Ja, alles gut.“ Genoss sie seine Berührungen.

Noch schwieg er, als er tief in ihre Augen eine Art Antwort suchte. „Gut.“

„Habt ihr alles besprochen, was ihr wolltet?“ Musste sie das Thema wechseln.

„Ja, haben wir.“ Lächelte er leicht.

Oh je, sie war vermutlich unwiderruflich verloren.
 

Noch wusste Lucien nicht, ob er ihr wirklich glauben konnte, dass es ihr gut ging. Etwas in ihren Augen konnte er erkennen, sie war verwirrt und abgelenkt. Irgendwas war geschehen und er würde es nur zu gerne wissen, was es war. Doch er wusste genau, er durfte sie nicht bedrängen, denn sonst würde sie sich wieder vollkommen zurück ziehen. Genau das wollte er vermeiden. Wenn sie die Zeit brauchte, dann würde er ihr so viel geben, wie sie brauchte. Sie schien wirklich die Zeit brauchen um etwas zu verstehen.

„Gut.“ War die einzige Antwort auf seine Äußerung, ob der Rat und er alles klären konnten. Wie gerne er ihr alles erzählen wollte, aber sie würde es sofort wieder ablehnen. Er stand in einer ganz schönen Zwickmühle.

„Aber ich glaube wir sollten uns noch einmal unterhalten.“ Wechselte sie auf einmal schlagartig das Thema und aus irgendeinem Grund wusste er auch, worum es ging.

Mit einem Nicken nahm er ihre Hand und führte sie weg, aber nicht in Richtung ihrer Gemache. Er würde gerne mit ihr an einen anderen Ort gehen und er hatte auch schon etwas wo das sein würde.

„Wo willst du hin? Wollen wir nicht zurück?“

„Nein, ich würde dir gerne noch einen Ort zeigen und dort sind wir genauso ungestört.“ Führte er sie immer weiter vom Schloss weg und immer tiefer in den Wald hinein. Dort wollte er schon immer mal mit ihr hin, aber in letzter Zeit hatte er nie eine Chance dazu gehabt.

Es war ein gutes Stück zu laufen, aber nicht all zu weit vom Schloss entfernt. Vor ihnen tat sich ein Eingang zu einer Höhle auf. Durch einen Ruck blieb er stehen und wandte sich zu Emmanline um. „Keine Sorgen, ich werde dir darin nichts tun, was ich zuvor in meiner anderen Höhle getan habe.“

„Andere Höhle?“

„Dies ist meine Höhle, nahe dem Schloss. Jeder meiner Geschwister besitzt eine hier in der Gegend. Außer Malatya vielleicht. Sie ist noch zu jung dafür.“ Gab er zu verstehen. „Niemand darf durch meine Erlaubnis diese Höhle betreten. Bei der Anderen ist es etwas anderes, aber das ist vollkommen Privat.“ Versuchte er sie zu beruhigen, was anscheinend nicht notwendig war.

Beruhigt führte er sie in seine Höhle. In den Gängen war alles, durch einem Gedankengang, mit Fackeln beleuchtet. Für ihn wäre es nicht unbedingt nötig gewesen, aber es war leichter.

Schweigend leitete er sie immer weiter in seine Höhle, kamen an Nischen vorbei, die mit allerlei Dingen gefüllt waren und sogar bewohnbare gemütliche Höhlenräume.

Trotzdem führte er sie an allen vorbei und kam am Ende in eine viel größere Höhle, die Decke unerreichbar. Selbst für seine Drachengestalt. Doch hier, oder leicht gesagt, in fast allen Höhlen gab es unterirdische Seen und Flüsse, da Drachen es liebten. Es gab ihnen ein Teil der Ruhe, von allem was in ihrem Leben passierte.

Und genau in dieser Höhle befand sich ein riesiger See, der seiner Drachengestalt vollkommen untertauchen ließ. Dieser Höhlenraum war nicht hell, aber der Seeboden leuchtete trotz allem durch die Tiefe. Es waren leuchtende Kristalle, auch Bergkristalle genannt, die den ganzen Grund des Wassers bedeckten. All das brachte die Wände zum leuchten, funkeln und blitzen. Aber nicht nur durch Kristalle erhellte diese Höhle.

Ganz oben an der Decke konnte man dünne Fäden erkennen, aber nur durch das Leuchten. Doch es waren nicht selbst die Fäden die leuchteten, sondern Fangfäden für eine Art Larven die wie Glühwürmer glühten. Sie lebten in Höhlen, wo es am ruhigsten war und es war ein einzigartiges Ereignis, was die Natur öffentlich zur Bewunderung machte. Genau das konnte er jetzt in Emmanlines Gesicht erkennen.

Bewunderung und Staunen. Sie mochte alles, was einzigartig und besonders war.

„Es ist alles...“ Drehte sie sich öfters im Kreis. „...so wunderschön. Sogar die Wände leuchten. Alles leuchtet.“ Klang großes Erstaunen in ihrer Stimme mit.

Zärtliche lächelte er Emmanline an, weil er sie gerne dabei beobachtete, wie schnell sie verzaubert von allem war. Solange es was Gutes war. Es gab nichts offenherziger, als wie diese eine Frau. Sie möchte es vielleicht nicht sehen, aber sie tat es auf unbewusste Art und Weise. Sie bemerkte es nicht einmal, wie sie wirklich war. Doch das würde sie eines Tages, denn er würde dafür sorgen ihr dessen die Augen zu öffnen. Sie war einzigartig und wachsam und mitfühlend.

„Ja, das ist es. So wie du.“ Nur Ehrlichkeit kam aus ihm heraus. So wie sie jetzt da stand und von all dem Leuchten umgeben war, strahlte sie noch heller als sonst. Ihr schneeweißes Haar wurden gleißender und klarer. Ihre blasse Haut reiner und glänzender. Ihre silbernen Augen funkelnd und strahlender.

Emmanline war die wunder schönste Frau, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Sie war die Einzige die bisher sein Herz heftig zum schlagen brachte und das sein Atem vor Ehrerbietung stehen blieb. Er würde jederzeit für sie auf die Knie gehen und er würde für sie in jeden Abgrund stürzen, nur um bei ihr zu sein. Diese Frau war mehr als nur seine Seelengefährtin. Sie ging viel tiefer unter die Haut, als es sein dürfte. Trotz allem tat es das. Nicht nur tief unter seiner Haut, sondern auch tiefer in sein Herz.

Gütige Götter, ich fange an mich in sie zu verlieben. Wirklich zu verlieben und ich weiß, ich kann niemals dagegen ankommen. Nie wieder zurück.

Erstarrt drehte sie sich zu ihm um und er konnte nichts aus ihrem Blick heraus lesen, was sie dachte. Aber sie hatte sofort auf seine Worte reagiert.

„Lucien, was soll das alles? Warum hast du das im Ratsaal getan?“ Wollte sie von ihm unbedingt wissen. Was er nachvollziehen konnte.

„Ich weiß es selbst nicht genau. Es kam von ganz alleine, dass ich allen zum verstehen geben musste, das du meine Seelengefährtin bist und niemand dürfte respektlos dir gegenüber sein. Mir ist egal,...“ Stoppte er sie, bevor sie was sagen konnte. „...was andere denken oder sagen.“

„Aber mir ist es nicht egal.“ Gab sie ihm hart zu verstehen und er wäre gerne zusammen gezuckt. „Was glaubst du was du hier tust, Lucien? Ich bin niemand, den du zu deinem Eigentum machen kannst.“

„Das bist du auch nicht. Du bist mehr als das.“ Trat er ihr energisch entgegen.

„Wie bitte?“ Trat sie einen Schritt zurück.

„Du hast genau verstanden, Emmanline. Du bist mehr als das. Oder glaubst du, ich würde dich für all das benutzen oder missbrauchen? Ich habe dir nie das Gefühl gegeben, dich zu irgendwas gezwungen zu haben. Ich habe stets dir die Entscheidungen überlassen und dir die Freiheit dessen gegeben. Ich gebe durch aus zu, ich hätte es nicht tun dürfen, aber ich kann mich dessen auch nicht entschuldigen. Egal wie du jetzt darüber denkst. Du wirst und bist ein Teil von mir. Auch wenn du mich nicht akzeptieren solltest oder willst.“ Stellte er ihr mit harter Stimme klar. Und ihm war klar, es belastete sie mehr, als er zu sehen glaubte.

Vielleicht, wenn er ausdrucksstark und ehrlich zu ihr war, könnte er seine wachsenden Gefühle zu ihr gestehen, aber er tat es nicht. Nicht jetzt, aber irgendwann würde er es tun. Tun müssen. Nur war es jetzt ein falscher Zeitpunkt dafür, weil sie jetzt schon so aussah, wie ein in die Ecke gedrängtes Reh. Wie könnte er ihr da jetzt all das erzählen? Schließlich wollte er sie nicht von sich drängen. Das wäre genau die falsche Richtung.



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