Ein ganz normaler Tag auf der Sunny
Es war ein schöner Tag heute. Die Sonne schien, hin und wieder zog eine Wolke am Himmel vorbei und ich lag mich langweilend auf dem Löwenkopf der Sunny. Das war zwar einer meiner Lieblingsplätze auf dem gesamten Schiff und ich war auch sehr gerne hier, aber im Moment wollte ich Action. Denn Action brachte Spaß und Spaß... war einfach lustig! Mehr brauchte es als Erklärung doch nicht, oder?
Also ignorierte ich kurzerhand die Beule - die ich vor ca. fünf Minuten bekommen hatte, da ich die Ruhe unseres Navigators erheblich gestört hatte - und kletterte von der Galionsfigur herunter. Die Thousand Sunny war schließlich ein großes Schiff und beherbergte, mich mit eingeschlossen, neun Bewohner. Zudem gab es von einer gigantischen Küche über ein riesiges, mit Gras bepflanztes Deck, bis hin zu einer Aquarien-Bar genügend Platz für alle möglichen Aktivitäten. Da würde sich doch sicher etwas finden lassen...!
So ließ ich meinen Blick über das Holz bzw. den Rasen schweifen und entdeckte auf der rechten Seite neben einem Baum unsere Schaukel. Perfekt!
Aber allein war das nicht so lustig... Zu zweit machte das immer viel mehr Spaß! Ich musste nur jemanden finden, der mit mir spielte und als erstes fiel mir da unser Schiffsarzt ein.
"Choppa! CHOPPA!!!!", brüllte ich, sodass es jeder hören konnte und hüpfte die Treppe runter, am Steuerrad und Fockmast vorbei, Richtung Krankenzimmer. Doch auf halben Wege bekam ich einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf, sodass ich kurzerhand den Boden küsste und noch einige Meter weiter gegen die Wand neben der Schaukel schlidderte. Weh getan hatte das zwar nicht wirklich, aber es regte mich trotzdem auf.
Wütend rappelte ich mich also auf, spuckte Gras aus und drehte mich um.
"Namizo!! Was sollte das denn?!", maulte ich mir den Dreck aus dem Gesicht wischend.
"Was das sollte?! Ich wollte die Ruhe genießen, bis DU wieder Lärm gemacht hast! Hab ich dich nicht erst vor fünf Minuten ermahnt?!"
"Um genau zu sein, sind es mittlerweile sechs.", murrte ich und starrte nach oben. Seine braunen Augen, die mit dem orangenen Haar harmonierten, konnten Wärme und Zuneigung ausstrahlen, aber im Moment waren es eher Ärger, Wut, Kälte und die Überlegung, mir noch eine runterzuhauen. Aber obwohl mein Navigator viel größer war als ich und im Gegensatz zu mir auch männlich - und zurzeit auch leicht aggressiv - hatte ich keine Angst vor ihm. Naja, meistens zumindest. Wenn es um Geld, Orangen, seine Ruhe, Karten, das Navigieren und noch vieles mehr ging, war er echt beängstigend. Aber dafür zeichnete er die besten Seekarten der Welt und war ein prima Kumpel, auf den man sich stets verlassen konnte.
Und eben jener Kumpel seufzte nun entnervt auf.
"Eigentlich sollte ich Geld dafür verlangen, dich aushalten zu müssen... und dir noch eine scheuern, aber Mädchen schlägt man ja nicht..."
"Und warum hast du mich dann gerade geschlagen?!", jammerte ich und zeigte auf eine nicht vorhandene Beule.
"Weil du es sonst nie lernst. Und jetzt sei ENDLICH mal leise, ich würde nämlich ziemlich gerne bei dem schönen Wetter hier draußen meine Karte fertig zeichnen."
"Aber hier draußen zu spielen macht doch viel mehr Spa-"
"Ich sage ja nicht, dass du nicht draußen spielen darfst, aber du sollst bei was auch immer du tust leise sein. Haben wir uns verstanden?"
Ich schluckte nach einem Blick auf Namizos zur Faust geballten Hand und nickte dann nur klein beigebend. Dann drehte ich mich um und ging Richtung Kombüse.
"Und da heißt es, Frauen wären launisch...", nuschelte ich, doch als Namizos Nachfrage ertönte, was ich denn da gerade eben gesagt hätte, beeilte ich mich mit einem "Nichts, nichts!!" abzuhauen.
Meine Flucht führte mich in die Küche, die sowieso auf dem Weg zum Arbeitszimmer unseres Schiffsarztes lag. Der Raum war groß, wenn nicht sogar der größte des gesamten Schiffes und ließ das Herz eines jeden Kochs höher schlagen. Auf der linken Seite befand sich eine riesige Küche mit einem neuen erstklassigen Ofen, einer großen Anrichte, die gleichzeitig auch mit Barhockern ausgestattet war, einem Speiseaufzug, der Snacks und Getränke nach oben auf die Terrasse oder nach unten in die Aquarien-Bar bringen konnte und - zu meinem Leidwesen - ein abschließbarer Kühlschrank. Auf der rechten Seite hingegen war der Esstisch mit acht Plätzen und eine Couch zum Ausruhen oder für weitere Gäste.
Ich steuerte geradewegs die Tür auf der anderen Seite, rechts neben der Leiter zur Terrasse an. Doch etwas hielt mich von meinem Vorhaben ab und ließ mich innehalten.
Auf der Anrichte stand ein riesiger, viel zu gut aussehender Kuchen - Schokoladenkuchen mit Puddingüberzug! Lecker! -, von dem es sicher niemanden stören würde, wenn ein Stückchen fehlte.... oder?
Um sicher zu gehen, dass unser Koch nicht da war, schaute ich mich noch einmal gründlich um, aber er war nirgends zu sehen. Ich wusste zwar genau, für wen Sachi das süße Gebäck gemacht hatte, aber mein Magen war trotz des Mittagessens vor ein halben Stunde schon wieder leer und das tat dieser auch gleich mit einem lauten Grummeln kund.
Zu meinem Glück befanden sich auch direkt neben der zuckrigen Köstlichkeit zwei Teller und ein Messer. Schnell ein kleines Stück runter geschnitten und...
"Was glaubst du eigentlich, was du da machst?", fragte eine frostige Stimme, die sich direkt neben meinem rechten Ohr befand. Sofort stellten sich mir alle Härchen auf und ich bewegte meinen Kopf langsam und leicht verkrampft in die Richtung Sachis.
"Äh... äh... I-ich wollte mir nur ein kleines Stück Kuchen genehmigen...", antwortete ich mit einem schiefen Grinsen.
"Und warum", fuhr sie mit einer Ruhe, die mir Angst machte, fort, " hast du mich nicht einfach gefragt?"
"Weil ich dachte, dass du nein sagst...?", fragte ich und zog ängstlich die Schultern hoch, wohl wissend was ich zu erwarten hatte.
"Damit hast du Recht. Ich hätte nein gesagt. DIESER KUCHEN IST NÄMLICH NICHT FÜR DICH, DU VERDAMMTES GUMMIHIRN!!", schrie die Blondine und verpasste mir eins mit einer Bratpfanne, von der ich nicht wusste, wo sie die so schnell her hatte. Drei Gedanken kamen mir nun in den Sinn: Der erste war, dass Namizo sich ja gar nicht beschwerte, trotz des Lärms. Der zweite war, dass Sachi trotz ihres zierlichen Körperbaus einen verdammt harten Schlag drauf hatte und das, obwohl der blauäugige Blondschopf ja eigentlich nur mit den Füßen kämpfte. Der dritte war, dass mein Gesicht nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag auf den Boden klatschte. Und das innerhalb von fünf Minuten, was ein neuer Rekord sein musste.
"Auauau... die Pfanne war ja noch heiß...!", schniefte ich hielt mir - mal wieder - den Kopf.
"Du hast es ja nicht anders verdient."
"Aber da muss man mich doch nicht gleich schlagen...!"
"Anders lernst du es ja nie!", antwortete sie, wodurch ich irgendwie ein déjà-vu bekam...
Ich stand auf.
"Du hättest den Kuchen ja nicht hier so alleine stehen lassen müssen!"
"Normalerweise muss man ja auch nicht befürchten, dass er drei Sekunden später weg ist! Und nur zu deiner Information: Ich habe Schokostreussel aus dem Lager geholt. Wenn du meine Rufe nach dir gehört und mir welche gebracht hättest, dann hättest du ein Stück abbekommen."
Ich hielt inne.
"Moment. Wir haben Schokostreussel?", fragte ich verdutzt.
"Ja, wir haben Schokostreussel, aber das tut jetzt nichts zur Sach-"
"Warum sagt mir denn niemand was??? Gib mir welche!"
Nun war es an Sachi, verdutzt zu fragen.
"Ich dachte, du willst den Schokokuchen?"
"Ja, den auch! Krieg ich ein Stück?"
"NEIN, UND JETZT RAUS HIER!!!", schimpfte sie lauthals und warf mir bei meiner erneuten Flucht die immer noch heiße Bratpfanne hinterher, die auch prompt ein Loch in die Wand neben der Tür zu Choppas Arbeitszimmer machte. Eilig brachte ich mich in diesem in Sicherheit, bevor die Köchin noch die Messer rausholte.
Keuchend lehnte ich mich an die Tür und wischte mir den Schweiß von der Stirn.
"Uff.... das war knapp...", murmelte ich und schloss die Augen.
"Oh, hallo, Käpt'n!", ertönte die vertraute Stimme unserer Schiffsärztin und ich blinzelte.
Mich freundlich anlächelnd, kniete sie gerade vor Brooke, unserem schiffseigenen Skelett und Musiker und nahm ein paar Messungen an ihr vor.
"Yohohoho, mal wieder Ärger mit Sachi gehabt?", fragte die Knochenfrau grinsend.
"Schhh... still halten, Brooke!", mahnte Choppa.
"Oh, okay, tut mir leid.", antwortete sie und zwinkerte mir mit einen grinsen Richtung am Boden liegende Bratpfanne zu. Ich nickte kurz als Antwort auf ihre Frage und setzte mich dann neben sie auf das Bett. Ich wusste, dass das kleine Rentier gerade ziemlich beschäftigt war und lies meinen Blick über den Raum schweifen. Eigentlich war er ziemlich klein und außer dem Bett auf dem ich saß und einem Tisch voll mit Reagenzgläsern, Notizen und Büchern gab es nicht viel hier. Und erst recht nicht viel Interessantes, weshalb ich es auch nicht lange aushielt, still da zu sitzen und Däumchen zu drehen.
"Du.... Choppa? Wollen wir schaukeln gehen?", fragte ich, doch sie schüttelte nur den Kopf.
"Ich kann jetzt nicht. Ich muss hier noch arbeiten. Später vielleicht, ja?", meinte sie und wandte ihren Blick nicht von ihrem Klemmbrett.
"Und wann bist du fertig?"
"Das weiß ich noch nicht... dauert wohl noch ein Weilchen.", antwortete sie und ich und Brooke seufzten gleichzeitig auf. Ich seufzte, weil ich nun nach jemand anderem suchen musste, der mit mir spielte und das Skelett seufzte, weil es hier noch ziemlich lange sitzen bleiben durfte. So gesehen hatte ich ja fast schon noch Glück gehabt, aber das kümmerte mich herzlich wenig. Schließlich war mir immer noch langweilig.
"Frag doch mal Lyra oder Franzi ob die mit dir schaukeln.", schlug das Rentier vor, als es meinen enttäuschten Blick sah und ich nickte.
"Okay, ich frag sie mal! Danke!", strahlte ich und verzupfte mich wieder aus dem Zimmer (Natürlich durch die andere Tür, nicht, dass Sachi mich wieder zu Kleinholz verarbeiten wollte).
Meistens waren die beiden unten in ihrer Werkstatt und bastelten an irgendetwas rum und auch wenn sie sehr beschäftigt waren, hatte mindestens Lyra fast immer Zeit für mich und machte alle Späße mit.
Ich schlich mich also außen am Heck vorbei wieder vor zum Deck, um die Aufmerksamkeit der Köchin oder des Navigators nicht auf mich zu lenken und verschwand durch die Luke im Boden runter ins Soldier Dock System von wo aus man die Werkstätten von Lyra und Franzi erreichen konnte.
"Hey, Leute! Wollt ihr mit mir schaukeln??", fragte ich, nachdem ich die Tür erst einmal mit Schwung aufgestoßen hatte.
"Keine Zeit!", kam postwendend die Antwort. Sowohl die Schwarzhaarige, als auch die Blauhaarige saßen in ihren jeweiligen Bereichen der Werkstatt, völlig von ihren Werkzeugen umgeben und schraubten an irgendetwas herum. Alle zehn Sekunden schielten sie dabei zu dem jeweils anderem hin und bastelten dann nur noch energischer weiter, als würde es um ihr Leben gehen.
"Ähm... was... macht ihr da?"
"Wir versuchen zu ermitteln...", fing Lyra an.
"... wer am schnellsten das schönste und beste Modell von der Thousand Sunny bauen kann.", beendet Franzi den Satz.
Mein Blick viel auf zwei Haufen an Mini-Sunnys die sich sowohl in der linken als auch in der rechten Hälfte der Werkstatt bildeten.
"Aber ich brauche doch jemanden, der mit mir spielt!", versuchte ich es weiter und gab nicht auf.
"Nicht jetzt..., später, okay?", wimmelte die Langnase mich ab und sah kurz mit einem Lächeln auf. Das sah Franzi und nutzte ihre Chance, Lyra mit einem Hammer zu bewerfen.
"AUA!! He, was soll das?! Bin ich vielleicht aus Gummi?!", wetterte die Schwarzhaarige los und griff ihrerseits nach einem Schraubenschlüssel.
"Nein, aber du bist abgelenkt. Was heißt, dass ich nun führe!"
"Vergiss es!!!", kam die Antwort verziert mit dem eben genannten Werkzeug als Flugpost.
"Bist du bescheuert?! So ein Schraubenschlüssel tut weh!", fluchte Franzi und schnappte sich eine Mini-Sunny.
"Aber ein Hammer nicht, oder was?!"
"Der ist zum Teil ja noch aus Holz!"
"Holz tut genau so weh wie Metall, wenn man es ins Gesicht bekommt!"
"Also erstens war das nur dein Hinterkopf und zweitens kann ich dich gerne vom Gegenteil überzeugen!", schrien sich die beiden nun gegenseitig an und keine drei Sekunden später machten sie ihre mühsame Arbeit wieder zu nichte, indem sie sich gegenseitig mit kleinen Modellschiffchen bewarfen. Spaßig sah das Ganze zwar schon aus, aber als Franzi anfing, mit Schrauben, Muttern und anderen metallischen Gegenständen zu werfen, machte ich mich lieber auf die Suche nach einem anderen Spielgefährten.
Die einzigen, die nun noch übrig waren, waren Robin und Sora, doch als ich den schwarzhaarigen Archäologen an Deck ein Buch lesen sah, wandte ich mich lieber an die Schwertkämpferin. Robin bekam man nur schwer von seinen Büchern weg und hätte am Ende sogar noch versucht, mich zum Lesen zu bringen....
Also hangelte ich mich mit meinen Gum-Gum Kräften zum Krähennest hoch (da Klettern in meinen Augen viel zu mainstream und nicht so lustig war) und steckte meinen Kopf durch die Luke. Eigentlich war das Krähennest eher eine Art Trainingsraum, der eigens für Sora angelegt worden war. Meistens durfte sie Wache halten und konnte so nebenbei noch an diversen Geräten, die ich alle gar nicht beim Namen kannte, trainieren.
"Hey, Soraaaaaa....? Bist du d-", mitten im Satz wurde ich unterbrochen und duckte mich. Sora fuchtelte wieder mit ihren Hanteln durch die Gegend und hätte mich beinahe erwischt.
"HEY!! DU HÄTTEST MICH FAST GETROFFEN!!", schimpfte ich und kletterte nun ganz in den Raum.
"Selber Schuld. Du siehst doch, dass ich am trainieren bin.", meinte sie und machte weiter.
"Dann pass halt auf, wo du trainierst!"
"Pass du lieber auf, wo du rumstehst."
"Pah..."
Mir viel nichts mehr ein, was ich sagen hätte können, da ich den Grund meines Besuches wieder vergessen hatte und sah aus dem Fenster. Das Meer war ruhig, Wölkchen ließen sich hin und wieder am Himmel blicken und am Horizont zeichnete sich eine Unebenheit ab. Ich schnappte nach Luft.
"Ohhhh! Sora, hey, Sora, guck doch mal da, da ist eine Insel, eine IN-", ich kam nicht weiter, da ich einen Schlag mit der Hantel abbekam und durch die noch geöffnete Luke aus dem Krähennest fiel. Und so klatschte ich zum dritten mal an diesem Tage mit dem Gesicht voran auf den Boden.
"Ich hab doch gesagt, du sollst leise sein!", hörte ich das zarte Stimmchen Namizos, doch ich ignorierte den Orangehaarigen. Ich eilte stattdessen zur Reling und beugte mich vor. Was für Geheimnisse und Abenteuer diese Insel mit sich bringen würde...? Was wir wohl erleben würden?
Ach ja, habe ich mich eigentlich schon vorgestellt? Ich bin die Kapitänin der Strohhutbande. Mein Name ist Monkey D. Ruri!
