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Eine beschwerliche Reise

Kratos & Anna
von

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Erkenntnis

Schweigend hatten sie den Rückweg zum Hotel angetreten. Anna war im Hotelzimmer verschwunden, während Kratos draußen bei Noishe saß. Nachdenklich betrachtete er den Himmel. Dunkle Wolken hatten sich vor die schimmernden Sterne geschoben. Ein Gewitter würde nicht lange auf sich warten lassen. Er fuhr sich mit der Hand durch die widerspenstigen Haare und lehnte sich an die Hauswand. Die Situation hatte sich eindeutig nicht zu Besseren gewandelt. Er hatte nicht mehr Anna das Experiment am Hals. Nein. Er hatte dafür Anna, die Frau mit den zierlichen, sanften Händen, mit dem duftenden schokoladenbraunen Haar und den verführerisch großen Rehaugen, am Hals. Seufzend begann er Noishes weichen Nacken zu kraulen.

 

Mit einem dumpfen Plumps landete Anna bäuchlings auf der federweichen Matratze. Sie grub ihre Finger in die Wolldecke und schmiegte ihr Gesicht in das frische Kopfkissen. Was im Namen der Göttin hatte sie sich nur dabei gedacht? Ausgerechnet Kratos, dem verschlossensten und verklemmtesten Mann ganz Sylvarants, hatte sie um den Hals fallen müssen. Es war geradezu absurd. Und es war ihm unangenehm. Es geschah selten, dass man aus seinem Verhalten auf sein Empfinden schließen konnte, doch sie war sich sicher. Der gesamte Rückweg war von einer seltsamen Stille begleitet worden. Er hatte sie nicht angesehen. Stattdessen hatte sie beobachtet, wie seine Augen noch einen Tick an Ernsthaftigkeit gewonnen hatten. Soweit das einem Menschen überhaupt möglich war. Dennoch hatte sie sich von dem Gefühl der Geborgenheit des Tanzes überwältigen lassen und sie bereute es nicht. Noch immer schlug ihr Herz bis zum Hals, wenn sie sich den Moment in Erinnerung rief. Sein warmer Atem in ihrem Haar, seine starken Hände und das gedämpfte Pochen seines Herzens an ihrer Wange. Mit einem leisen Seufzen kroch sie unter die wollene Bettdecke und rollte sich zusammen. Es war bizarr. Die Gefühle schienen fremd und neu und doch in irgendeiner Weise seltsam vertraut. Gähnend schob sie den Gedanken beiseite. Es musste an der langen Gefangenschaft liegen. Eine andere Erklärung kam nicht in ihren Sinn. Wenig später fiel sie in einen leichten, unruhigen Schlaf.

 

Das leise Knarren der hölzernen Dielen ließ Anna in die Dunkelheit blinzeln. Das fahle Mondlicht beleuchtete den Raum nur spärlich durch das kleine Fenster. Regen trommelte leise an die Fensterscheibe. Beruhigt erkannte sie Kratos‘ Silhouette am Rand des Bettes. Er schien sie zu beobachten. Schnell schloss sie die Augen und wartete. Wenig später vernahm sie das Geräusch eines Stuhls, der vorsichtig neben dem Bett abgestellt wurde. Sie öffnete die Augen einen Spalt weit und beobachtete, wie er die Schuhe auszog, sich strecke und sich gegen die Stuhllehne sinken ließ. „Wie kannst du nur jede Nacht so verbringen?...“, murmelte sie. Es schien ihn nicht zu überraschen, dass sie wach war. Natürlich hatte er es bemerkt. Er bemerkte offensichtlich alles. „Ich bin es einfach gewohnt.“, erwiderte er leise und stützte das Kinn auf seine gefalteten Hände. „Ich werde mich morgen nach einer Möglichkeit zur Überfahrt nach Izoold erkundigen.“ Anna setzte sich auf. „Izoold? Was wollen wir in Izoold?“ Angestrengt versuchte sie in der Dunkelheit sein Gesicht zu erkennen, doch es blieb schemenhaft im Halbdunkel verborgen.

„Izoold ist klein und relativ weit entfernt von den meisten Menschenfarmen. Wir werden versuchen uns in der Umgebung dieses Dorfes eine Weile zu verstecken.“ Anna nickte nachdenklich. „Eine Schifffahrt… vielleicht ist das nicht schlecht… es würde mich zumindest ein wenig von der Sache mit Luin ablenken…“, überlegte sie und zog sich die Decke über die Schulten. Noch immer schien er direkt in ihre Augen zu blicken. „Anna, die Schifffahrt wird nicht unbedingt ein Vergnügen. Das Meer ist unruhig um diese Jahreszeit und Monster gibt es dort immer. Außerdem weiß ich nicht einmal ob wir Palmacosta in der nächsten Zeit überhaupt verlassen können. Eine Überfahrt kann unter Umständen sehr teuer werden. Falls im Moment überhaupt Schiffe zwischen Izoold und Palmacosta unterwegs sind.“  Sie verschränkte die Arme und verzog das Gesicht. „Du bist ein richtiger Schwarzmaler, weißt du das?“, murrte sie. Er schüttelte den Kopf. „Ich sehe die ganze Situation nur realistisch.“ Sie seufzte. „Realistisch hin oder her… Du solltest dringend aufhören krampfhaft alle deine Gefühle zu unterdrücken. Es ist nicht gut zu viele Geheimnisse für sich zu behalten.“ Erstaunt stellte sie fest, wie er den Kopf hob und sich sichtlich anspannte. „Ich unterdrücke nichts.“ Sie legte den Kopf schief. „Meinst du? Man sieht es dir an. Du verkneifst dir jedes Lachen, du bist viel zu häufig angespannt, du schläfst kaum. Aber du hast dich heute verraten. Mich täuschst du nicht mehr.“ Ein Lächeln huschte über ihre schmalen Lippen. „Warts nur ab, Kratos Aurion, ich habe bisher jeden zum Lachen gebracht der es nötig hatte. Du wirst keine Ausnahme sein.“ Mit einem Zwinkern ließ sie sich auf die Matratze fallen und drehte ihm den Rücken zu. Er ließ die Hände sinken und starrte sprachlos auf seine Begleiterin. Es würde sich in Zukunft schwieriger gestalten etwas vor ihr geheim zu halten…

 

Kratos hatte das Hotel bereits verlassen, als die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg in das kleine Zimmer gefunden hatten. Natürlich hatte er Anna verboten das Zimmer zu verlassen. Missmutig saß sie an dem kleinen Tisch in der Zimmerecke und verzehrte das Frühstück, das er ihr freundlicherweise gebracht hatte. Noch immer freute sie sich über jede Kleinigkeit eines normalen Lebens, das sie in der Gefangenschaft hatte entbehren müssen, doch die Langeweile überwog. Es mussten bereits Stunden vergangen sein, seit er das Hotel verlassen hatte. Mit einem Gähnen erhob sie sich und schlenderte durch das Zimmer. Sie öffnete das Fenster und beugte sich hinaus. Tief sog sie die frische Meeresluft ein und ließ ihren Blick über die Stadt schweifen. Die Einwohner waren damit beschäftigt die Überreste des Fests zu beseitigen. Kratos hatte ihr auf dem Weg nach Palmacosta ausführlich erläutert, dass die Bewohner der Stadt den Desians der Palmacosta Farm Widerstand leisteten. Es war schwer vorstellbar, dass diese einfachen Leute sich tatsächlich gegen die Grausamkeit der Desians auflehnen konnten. Ihr Mut war bemerkenswert. Ein Winseln ließ sie nach unten blicken. Noishe erwiderte ihren Blick mit einem freudigen Bellen. Grinsend beugte sie sich ein Stück weiter vor. „Warte Noishe, ich komme runter.“, rief sie und schloss das Fenster. Kratos hatte doch sicher nichts dagegen, wenn sie dem flauschigen Tier einen kurzen Besuch abstattete. Sie hastete die Treppen hinab, grüßte den Portier im Vorbeilaufen und verließ das Hotel. Sie umrundete das Gebäude und wurde von Noishes stürmischer Begrüßung überrascht. Glücklich schleckte er ihr über die Wange und presste seinen Kopf an ihre Schulter. Kichernd vergrub sie das Gesicht in seinem weichen Fell.  Das ungestüme Wesen brachte sie mit seiner freundlichen Art immer wieder zum grinsen. Lachend begann sie mit Noishe über den kleinen Hinterhof zu tollen.

 

„Anna? Anna?!“ Überrascht fuhr sie herum und blickte in Kratos‘ verärgertes Gesicht. „Ich sagte doch warte im Zimmer!“ Sie schob Noishe beiseite und verschränkte die Arme. „Mir war langweilig.“ Interessiert beobachtete sie, wie die Falten auf Kratos‘ Stirn noch tiefer wurden, während seine Augenbrauen sich in der Mitte beinahe berührten. „Komm mit hoch…“, knurrte er. Widerwillig verabschiedete sie sich von Noishe, folgte ihm zurück aufs Zimmer und lehnte sich an die geschlossene Tür. Mit hochgezogenen Augenbrauen lauschte sie seinen aufgebrachten Ausführungen, was ihr alles hätte zustoßen können, wenn die Desians sie zufällig außerhalb des Hotels gesehen hätten. Als er geendet hatte seufzte sie und pustete eine widerspenstige braune Haarsträhne aus ihrem schmalen Gesicht. „Du klingst wie mein Vater. Wenn du mich hier den ganzen Tag einsperren möchtest, dann hättest du mich auch gleich in der Zelle lassen können.“, gab sie zurück und erwiderte seinen starren Blick. Sprachlos ließ er die mahnende Hand sinken und fuhr sich stattdessen durch die roten Haare. „Außerdem…“, ergänzte sie. „Warum sollten die Desians ausgerechnet im Hinterhof dieses Hotels nach mir suchen? Ich bin kein kleines Kind, Kratos. Ich passe auf, dass mich niemand sieht.“

Der Ärger auf seinem Gesicht war einem Ausdruck gewichen, der Anna überraschte. Es war ungewöhnlich Anzeichen von Erschöpfung auf seinem Gesicht zu erkennen. „Gut, mach was du willst… Aber setz dich bitte keinem unnötigen Risiko aus.“, murmelte er und setzte sich auf die Bettkante. „Ich war am Hafen. In nächster Zeit wird kein Schiff nach Izoold fahren, dass Passgiere mitnehmen kann. Erst im Frühjahr wird sich voraussichtlich die Möglichkeit dazu ergeben.“ Anna legte den Kopf schief. „Erst im Frühjahr? Aber bis dahin sind es doch noch Wochen…“ Er nickte seufzend und rieb sich die Schläfen. „Ich war danach in der Palmacosta-Akademie um einige Nachforschungen anzustellen. Es hat sich… ergeben, dass ich dort in nächster Zeit als Bibliotheksassistent und Aushilfslehrer einspringen werde, damit wir das Hotel weiter finanzieren können.“ Sie setzte sich neben ihn aufs Bett. „Die lassen dich da einfach so unterrichten? Die Palmacosta-Akademie nimmt doch nur Eliteschüler auf?“ „Sie haben mein Wissen ausgiebig getestet. Scheinbar bin ich geeignet, um gelegentlich einzuspringen, falls ein Lehrer ausfällt.“, erläuterte er ohne ihre interessierten Blicke zu beachten. Mit einem Ächzen ließ er sich auf die Matratze sinken und schloss die Augen. „Müde?“, hörte er Annas erstaunte Stimme fragen. „Willst du tatsächlich schlafen?“ Er schüttelte langsam den Kopf. „Nur einen Moment Ruhe…“, murmelte er.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Fruit: So, ich habe tatsächlich rechtzeitig ein Kapitel zustande gebracht. Ja, es ist nicht besonders spannend... ich hoffe es gefällt euch trotzdem. :)

Anna: Wir wohnen jetzt in Palmacosta? Na das finde ich zumindest gut! Endlich ein warmes, weiches Bett für die nächsten paar Wochen. :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2014-03-05T19:29:52+00:00 05.03.2014 20:29
Dein Kratos und deine Anna passen wirklich gut zusammen :D
Und das Kratos mal >>Müde<< wird. Ist irgendwie niedlich >//<

Freu mich schon auf das nächste Kapi xD

LG abgemeldet
Antwort von:  Kawaii_Fruit
12.03.2014 00:58
Hey danke, für den Kommi x3
Ich dachte mir, selbst wenn er nicht schläft, Stress ist auf Dauer auch körperlich ganz schön belastend. :D Gibt ja nochmal einen Unterschied zwischen müde und erschöpft sein. xD Und irgendwo muss er irgendwie ja auch einen Hauch von Menschlichkeit behalten. x3

Ich gebe mir im Moment Mühe die nächsten Kapitel zu schreiben, aber aktuell bin ich etwas in Zeitnot. xD Also bitte nicht enttäuscht sein, wenn die kommenden Kapitel in etwas größeren Zeitabständen hochgeladen werden. Ich will nämlich vermeiden, dass sie qualitativ darunter leiden. ;)


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