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Eine neue Geschichte

von

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Luan überflog die Zeilen noch einmal mit den Augen. Er konnte nicht leugnen, dass Jonathan aufrichtig klang. Vielleicht ein wenig zu verzweifelt, aber möglicherweise war er das auch gewesen. Zumindest hatte es Doktor Storm ebenso dargestellt. Claras Anrede und seine Schlussworte ließen darauf schließen, dass er sehr genau gewusst hatte, dass es einzig in ihrer Macht stand, zu entscheiden, ob er Marys Tochter sehen würde oder nicht. Er bat sie um Vergebung und die Möglichkeit zu zeigen, dass er anders sein konnte.

Aber war er wirklich so anders? Konnte Jonathan Mathew Semerloy wirklich so widersprüchlich gewesen sein? Doktor Storm hatte es ja ähnlich erzählt und Luan glaubte nicht, dass dieser Mann ihn belog. Und doch… Konnte der Verlust eines Menschen, einer Liebe, einen anderen so sehr verändern? War Jonathans Seele nach Marys Tod wirklich krank geworden, so wie es Mathew Semerloy einst vermutet hatte?

Vielleicht. Darüber konnte Luan nicht urteilen.

Irgendetwas hatte auf jeden Fall nicht mit ihm gestimmt. Er war nicht nur böse, dafür waren all seine Handlungen einfach zu gegensätzlich gewesen. Das hatte auch schon seine Mutter bemerkt.

Seufzend setzte sich Luan wieder auf. Er sollte zurückkehren. Noch wusste er nicht, wie er seiner Frau gegenüber treten sollte. Er hoffte, dass ihm das auf dem Rückweg noch einfiel. Luan schnalzte kurz mit der Zunge und Ares kam angetrabt. Nachdem er aufgesetzt hatte, blickte sich Luan noch einmal um. Weiter hinten am Horizont waren dunkle Wolken aufgezogen, die ein leichter Wind bestätig näher brachte. Wenn der Wind stärker wurde, würden die Wolken bis zu ihrem Haus ziehen, überlegte er. Vielleicht würden diese Wolken endlich das ersehnte nass bringen. Seit drei Wochen hatte es nicht mehr geregnet und die Pflanzen hatten es dringend nötig.

„Na los mein Guter, reiten wir zurück“, sagte er zu Ares und sie setzten sich in Bewegung.
 

Als er das Haus erreichte, war aus den Wolken ein dunkler Wolkenberg geworden. Ein Sturm zog auf, doch noch regnete es nicht. Nachdem Luan Ares in den Stall gebracht, ihn abgesattelt und trocken gerieben hatte, betrat er die Küche. Er wusste, dass Apple und die Kinder bereits im Bett waren. Er war doch weiter weg gewesen, als er angenommen hatte und hatte für seinen Rückweg länger gebraucht. Apple hatte ihm eine Schüssel mit Suppe und einen Kanten Brot auf dem Tisch stehen gelassen. Obwohl die Suppe bereits kalt war, aß er sie mit großem Hunger. Noch immer wusste Luan nicht, was er zu seiner Frau sagen sollte, doch es war bereits so spät, dass er die Hoffnung hatte, sie würde bereits schlafen.

Nach dem Essen stellte er den Teller in den Waschbottich für das Geschirr und warf noch schnell einen Blick in die Zimmer seiner Kinder. Beide schliefen bereits tief und fest und Luan schlich sich auf Zehnspitzen hinein und gab jedem noch einen Kuss auf die Stirn. Dann ging er zu seinem Schlafzimmer und sein Herzschlag beschleunigte sich sofort, als er unter dem Türspalt noch einen dünnen Streifen Licht hindurch schimmern sah. Apple war noch wach. Er konnte eine Begegnung mit ihr nicht weiter hinauszögern. Luan atmete tief ein und öffnete dann die Tür.

Bei seinem Eintreten schnappte Apple hörbar nach Luft und sah ihn aus großen Augen an, ganz so als würde sein Erscheinen sie überraschen. Doch bevor Luan darauf reagieren konnte, schlug sie plötzlich die Hände vor das Gesicht und begann zu schluchzen.

„Du bist zurückgekommen“, hörte er sie flüstern. „Ich dachte… Ich dachte, du würdest mich, uns, verlassen. Aber dann fiel mir ein, dass es ja dein Grundstück ist und… und wenn du mich nicht mehr willst… dann müsste ich ja gehen. A-Aber wo soll ich denn hin? Wo sollte ich mit den Kindern hin? Ich habe doch nichts. Willst… Willst du mir jetzt sagen, ich soll gehen? Willst du mir sagen, dass du mein Gesicht nicht mehr ertragen kannst? Wenn das so ist, dann tu es schnell. Ich gehe, aber bitte… bitte gibt mir noch bis morgen Zeit. Ein Sturm zieht auf und… und die Kinder schlafen… Wo soll ich denn hin?“

Luan konnte ihren Worten kaum folgen. Sie sprach schnell hintereinander, ohne richtig Luft zu holen. Was er jedoch verstand war, dass sie glaubte, er würde sie fortschicken. Er wusste, dass er ihr diese Angst nehmen musste und das so schnell wie möglich. Er umrundete das Bett und setzte sich auf die Bettkante. Warum sie so dachte, konnte er sich nur zu gut vorstellen. Er war einfach gegangen, ohne etwas zu sagen. Etwas unschlüssig sah er sie noch an, dann sagte er sanft ihren Namen: „Apple.“ Sie reagierte nicht darauf, vielleicht hatte sie ihn auch gar nicht gehört. Behutsam griff er nach ihrer Hand und zog sie nach unten. Sie wollte ihn immer noch nicht ansehen und schloss die Augen, während die Tränen weiter ihre Wangen hinab liefen.

„Apple, es wird sich nichts ändern“, sagte er schließlich ruhig. „Ich werde nicht fortgehen und ganz bestimmt, werde ich dich auch nicht fortschicken.“

Zögerlich öffnete sie ihre Augen und blinzelte ihn an. „Ist das dein ernst?“, fragte sie mit dünner Stimme.

Ein Stechen fuhr durch seine Brust. Es verletzte ihn ein wenig, dass sie wirklich dachte, er könnte sie anlügen. Aber vielleicht war es nur gerecht, nachdem was er getan hatte.

„Natürlich.“

„Aber du bist einfach gegangen, ohne ein Wort zu sagen und ich wusste nicht, ob du zurückkommst.“ Luan musste bei ihrem vorwurfsvollen Ton schmunzeln. Es war ein Zeichen, dass sie bereit war ihm zuzuhören. Dennoch löste sich eine neue Träne aus ihren Augenwinkeln. Sacht wischte Luan sie mit dem Daum fort.

„Es tut mir leid. Das hätte ich nicht tun sollen und ich entschuldige mich, aber ich war einfach… überrascht oder besser gesagt überfordert. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte“, gestand er ihr.

„Weißt du es denn jetzt?“ Daraufhin schwieg Luan und Apple senkte den Kopf. Er wusste, dass sie seine Lüge durchschauen würde. Deswegen wollte er ehrlich bleiben und antwortete: „Nein, aber ich will dass du bei mir bist. Ich weiß, dass du mit seinen Taten nichts zu tun hast. Es ist nur… Du…“

„Was?“ Mit hoffnungsvollen und ängstlichen Augen zugleich, sah sie ihn an.

„Weißt du noch, als ich dir am Anfang unserer Beziehung sagte, du würdest mich an jemanden erinnern?“

„Ja, aber wa- … Oh…“ Die Hoffnung fiel augenblicklich in ihrem Gesicht zusammen. „Das kann nicht wahr sein… Du hast es erst heute bemerkt? Warum? Wieso…“

„Ich weiß es nicht, vielleicht wollte ich es einfach nicht sehen. Das ist nichts, woran man sich gern erinnert.“ Erneut begann sie zu weinen und Luan nahm abermals ihre Hand. „Apple, bitte… Ich liebe dich.“

„Wie kannst du das sagen, wo doch jedes Mal ihn siehst, wenn du mich anschaust?“, fragte sie und klang verzweifelt.

„Ich will nicht abstreiten, dass ich ihn vielleicht am Anfang noch sehe, aber mit der Zeit… Ach, ich weiß doch auch nicht.“ Luan strich sich nervös über den Nacken. „Hör zu, es war ein langer Tag. Es ist wohl besser, wenn wir morgen weiter reden.“

Zögerlich nickte Apple, trotzdem sah sie ihm nicht in die Augen. Sie glaubt mir nicht, dachte Luan. Doch nichts was er sagte, würde sie überzeugen können. Zaghaft streckte er eine Hand aus und berührte sanfte ihre Wange. Ein wenig ängstlich sah sie ihn an. Noch immer schwammen Tränen in ihren Augen und es tat ihm weh, sie so unglücklich zu sehen. Er war auch noch der Auslöser dafür. Luan beugte sich vor und küsste zärtlich. „Es wird alles gut. Ich verspreche es“, flüsterte gegen ihre Lippen. Apple schenkte ihm ein trauriges Lächeln, nickte aber kurz. Gerade wollte er sie noch einmal küssen, als es plötzlich taghell im Zimmer wurde. Schon im nächsten Augenblick war ein Krachen und Rumpeln über ihren Köpfen zu hören, dass es ihnen regelrecht in den Ohren wehtat. Erschrocken fuhren sie auseinander. Sofort war Luan auf den Beinen, ging zum Fenster und öffnete es. Nachdem er auch die Fensterläden geöffnet hatte, blickte er in einen pechschwarzen Himmel. Regen fiel in dickten Tropfen auf die staubtrockene Erde. Ein Blitz zuckte direkt über ihm auf und es donnerte erneut. Dann folgte ein Schrei.

„Mommy! Daddy!“

„Die Kinder!“, rief Apple und sprang aus ihrem Bett.

Luan und seine Frau rannten aus dem Zimmer. Während Apple zu Nathaniel ging, betrat Luan Selenes Zimmer. Zitternd saß seine Tochter auf dem Bett und starrte ihn aus weit aufgerissenen, ängstlichen Augen an.

„Daddy!“, schniefte sie und streckte ihm die Arme entgegen. Er umschlang sie und hob sie nach oben. „Kann ich bei euch schlafen? Bitte! Ich will nicht allein sein!“, wimmerte sie in sein Ohr.

„Scht, ist schon gut, ich bin ja da. Natürlich, kannst du das.“ Er verließ das Zimmer seiner Tochter, während es über ihnen noch immer gewitterte. Apple stand gerade in der Schlafzimmertür und hatte einem weinenden Nathaniel auf dem Arm.

„Meinst du deine Eltern kommen zurecht?“, fragte sie ihn über ihre Schulter hinweg.

„Ja, ich denke schon. Es wird ja hoffentlich bald weiter ziehen.“

Luan und Apple legten die Kinder in die Mitte ihres Bettes und kuschelten sich dann eng an sie. Sie strichen beruhigend über die Körper ihrer zwei größten Schätze. Langsam beruhigte sich auch Nathaniel wieder und hörte irgendwann auf zu weinen. Sie sprachen nicht mehr miteinander, sondern lauschten dem tobendem Gewitter und den Atemzügen ihrer Kinder.

In den schützenden Armen ihrer Eltern schliefen Nathaniel und Selene irgendwann ein, doch Luan und Apple lagen noch lange wach. So lange, dass sie sogar bemerkten, wie das Gewitter weiter zog. Luan hörte, wie Apple geräuschvoll ausatmete.

„Woran denkst du?“, fragte er sie leise.

„Nichts weiter…“ Luan wartete noch, ob sie noch etwas sagen würde, ahnte er doch, dass das noch nicht die ganze Wahrheit war. Sicher dachte sie an ihre Eltern.

„Ich glaube, ich sehe doch noch mal nach meinen Eltern, einfach nur um zu sehen, dass alles in Ordnung ist.“

„Gut, bleib nicht so lange. Es war ein langer Tag heute, für uns alle.“

„Nein, mache ich nicht“ Vorsichtig löste sich Luan von Selenes Körper und richtete sich auf. Leise zog er sich Mantel und Schuhe wieder an.

„Luan?“

„Ja?“ Er hatte gewusst, dass es da noch etwas gab, was Apple ihm sagen wollte.

„Ich möchte Magdalena kennenlernen.“

Jetzt war es Luan der geräuschvoll ausatmete. Am liebsten wäre er gegangen, ohne ein Wort zu sagen, doch das konnte er ihr nicht antun – nicht schon wieder.

„Ja“, erwiderte er deswegen schlicht. Er hoffte, dass diese Antwort nicht ablehnend klang. Das wollte er nicht. Er wollte zuerst einmal darüber nachdenken. Luan würde froh sein, wenn er auch endlich schlafen konnte. Im Moment hatte er das Gefühl keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können.

„Es tut mir leid“, hörte er ihre leise Stimme.

„Das muss es nicht. Ich kann es sogar verstehen. Sie ist die Mutter deines Vaters. Natürlich willst du sie kennenlernen. Sie ist schließlich ein Teil deiner Familie. Mir würde es wohl nicht anders gehen. Ich weiß nur nicht, ob ich dich begleiten kann.“

Erneut hörte er Apple laut ausatmen. „Du hattest recht. Lass uns morgen darüber reden.“ Ihre Stimme klang schwer und müde. Luan wusste, dass wenn er draußen fertig war, sie schon schlafen würde. Er war nicht böse darum.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  funnymarie
2014-03-18T06:09:07+00:00 18.03.2014 07:09
huhu^^
hier bin ich wieder und es ist erneut ein tolles kapitel
und es klingt schon einmal vielversprechend, dass luan zurück gekommen ist und er und apple miteinander reden
die kinder und das gewitter haben genau gepasst und den beiden noch eine atempause gegönnt, bevor es ans eingemachte geht^^
ich freu mich auf mehr
lg funnymarie


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