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Tokyo: Real Vampire

Zwischen Gothic und Legende
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Vielen Dank schonmal an die fleißigen Freischalter, die gerade eine Menge zu tun haben, wie ich sehe. ^^ Komplett anzeigen

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Erstkontakt

„Shit, man.“ Oniji ging etwas langsamer, als er die beiden finsteren Gestalten vor sich in der dunklen Gasse herumlungern sah. Sollte er umkehren? Ach was, die würden ihm schon nichts tun. Entschlossen klappte er den Kragen seiner Jacke hoch, schob die Hände dann in die Taschen zurück und stürmte mit eingezogenem Kopf weiter. Sie würden ihm nichts tun. Sie würden ihm ... Oniji seufzte leise, als einer der Kerle aufsprang und sich ihm in den Weg stellte. Mist!

„Hey, Kleiner.“, tönte ihm der Sack entgegen. „Wohin des Weges?“ In der Finsternis blitzte eine Messerklinge.

Der junge Mann blieb stehen, starrte erst den Räuber vor sich abschätzend an, dann seinen Kollegen, der noch immer am Rand auf dem Fußboden saß.

„Was ist? Hast du deine scheiß Zunge verschluckt?“

„Was wollt ihr?“, presste Oniji gedämpft hervor.

„Was sollen wir schon wollen, Junge? Hast du Geld für mich?“

„Ich habe keins bei mir.“

„Kein Geld, man?“

„Kein Geld.“, bestätigte der Student.

Der Räuber sah sich kurz rückversichernd nach seinem Kollegen um. „Na, dann gib mir irgendwas anderes. Dein Smartphone! Los, rück´s schon raus!“

„Ich hab kein Smartphone.“ Vorsichtig und – ja, auch mit etwas zittrigen Fingern – holte Oniji sein altes Tastentelefon aus der Jackentasche. Das Ding war schon Jahre alt und es war auch gerade kein Guthaben drauf. Das wertvollste daran war der kleine, klingelnde Fächer-Anhänger, den er sich in einem Tempel in Osaka gekauft hatte. Oniji hatte das Gefühl, daß er bald richtig Ärger mit diesem Kerl hier kriegen würde, wenn er ihm nicht bald irgendwas geldwertes anbot. Wie zur Bestätigung riss der Schläger ihm das Handy aus der Hand, warf es wütend auf den Boden und trat so fest darauf, daß das Splittern der Plastik unmissverständlich durch die Gasse hallte. „Du nichtsnutziger Pisser!“, fluchte der Schläger und rammte Oniji seine Faust in den Magen, daß dieser jappsend über seinem Arm zusammenbrach. Es folgte noch ein grober aber harmloser Tritt gegen seine Hüfte, dann war plötzlich Ruhe.
 

Ein Fluch hallte durch die Gasse, ein verärgerter Wortwechsel. Stöhnend und ächzend drehte sich Oniji auf den Rücken und versuchte zu ergründen, warum man sich nicht mehr um ihn kümmerte. Die beiden Schläger hatten offenbar inzwischen andere Sorgen. In der Gasse war ein weiterer Mann erschienen, den Oniji aber vorerst nicht näher definieren konnte, weil es zu dunkel war und noch zu viele Sterne vor seinen Augen tanzten. Der Magenhieb war echt bitter gewesen.

„Mit euch beschäftige ich mich später. Verschwindet.“, drang es wie von weit her an sein Ohr und ruhige, feste Schritte kamen näher. Oniji blinzelte als ein stattlicher Gothic-Kerl mit langen, schwarzen Haaren und wehendem Ledermantel neben ihm in die Hocke ging und ihn besorgt musterte. „Bist du okay?“
 


 

Oniji bimmelte unglücklich mit dem Handyanhänger, warf einen letzten Blick auf das zersprungene Display und die fehlenden vier Tasten und steckte sein zerstörtes Handy dann in die Tasche, als die Kellnerin die Getränke brachte.

„Danke für deine Hilfe, Safall.“, meinte er. So hatte sich der Gothic-Typ ihm vorgestellt, mit dem er inzwischen in einer Kneipe saß, um seinen Kummer in einer Flasche Schnaps zu ertränken. Müde richtete er seine Jeansjacke und seine stacheligen, schwarzen Haare, bevor er sich den ersten Sake eingoss.

„Keine Ursache. Um dein Handy tut es mir leid. Ich hoffe, du hast eine kulante Versicherung.“

„Naja. So hab ich endlich einen Grund, mir ein neues zu kaufen.“, scherzte der Student und musterte Safall genauer. Er wirkte mit seinen langen, schwarzen Haaren und den dicken Kajalumrandungen um seine schwarzen Augen beinahe europäisch. Vielleicht war er sogar europäisch, das konnte man bei dieser Aufmachung kaum noch sagen. Safall war jedenfalls kein japanischer Name. Zwischen den Aufschlägen seines bodenlangen Ledermantel baumelte ein Silberanhänger mit roten Steinen um seinen Hals. Auch seine Finger stachen nur so von Silberschmuck, ebenso das freigelegte rechte Ohr, hinter das die dicken, langen Haare geklemmt waren. „Was hattest du in dieser Gasse verloren?“, wollte Oniji wissen.

„Ich habe in meinem Revier nach dem Rechten gesehen.“

Der Student kicherte und trank noch einen Schnaps. „Bist du Polizist?“

„Nein. Das Wort der Polizei hat hier kein Gewicht.“

„Was bist du dann?“

„Ein Vampir.“, gab Safall in vollem Ernst zurück.

Oniji prustete. „Ja sicher!“ Er lachte, goss sich nach, und lachte weiter. „Ein Vampir.“ Er kippte sich den nächsten Sake in den Rachen und grinste blöd.

Safall nahm es mit Humor. „Natürlich nicht so, wie es einem im Fernsehen gern vorgegaugelt wird. Wir können nicht fliegen, wir sind nicht unsterblich und wir verkohlen nicht in der Sonne.“

„Aber?“

„Aber wir schlafen in Särgen und trinken Blut.“

Oniji bemerkte, als Safall lächelte, daß er tatsächlich auffallend lange, spitze, sicherlich künstliche Eckzähne hatte. Das Lachen verging ihm langsam. „Du trinkst Blut, ehrlich? Von Tieren oder von Menschen?“

„Beides.“

„Du bist ja krank.“, diagnostizierte er und griff sich an die Stirn, als hätte er plötzlich Kopfschmerzen. Er war fassungslos. Meinte der Kerl das ernst, oder band er ihm einen Bären auf? Misstrauisch beäugte er das Glas Wasser, das vor dem Gothic stand. Ganz gewöhnliches, stilles Wasser.

„Das kannst du sehen wie du möchtest.“
 

Oniji schob den Sake von sich und lehnte sich auf seinem Sitzplatz zurück. Der Appetit auf Alkohol und die Lust, sich zu betrinken, waren ihm vergangen, bei solcher Psycho-Gesellschaft. Er wollte lieber bei klarem Verstand bleiben.

„Und wie ... wie funktioniert das? Wie machst du das mit dem Bluttrinken? Überfällst du Leute und beißt ihnen in den Hals?“

Safalls Lächeln wurde breiter, was seine Eckzähne noch deutlicher zur Geltung brachte. Sie standen ihm gut, als gehörten sie ganz natürlich zu ihm. „Natürlich nicht. Wir tauschen nur mit Freiwilligen, im gegenseitigen Einverständnis. Entweder wir ziehen das Blut mit einer Kanüle oder wir schneiden uns mit einem Messer.“

„Krank!“, meinte Oniji schon wieder. Aber langsam überwand er den Schock und wurde neugieriger.

„Ich bin übrigens Vegetarier.“, fügte Safall humorvoll hinzu und brachte seinen neuen Bekannten damit wieder zum Lachen.

„Das meinst du jetzt nicht ernst, oder?“

„Doch, absolut. Wir alle sind Vegetarier. Unser Respekt vor lebenden Wesen und dem Leben an sich ist groß.“



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