Zum Inhalt der Seite

Roots

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

004. Kapitel – Auf Mannschaftssuche

Das Spiel gegen die Leonino war auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Mario hatte darauf bestanden, dass es nicht gleich herumerzählt wurde was vorgefallen war. Erst wollte er mit dem Kapitän der Mannschaft darüber reden.

Das taten sie dann auch zwei Tage nach ihrer Befreiung.

Mario, Marion, Ricardo und Pierre hatten sich in das Clubhaus der Veveri zurückgezogen und geredet.

„Ich wusste davon wirklich nichts, glaubt mir bitte. Ich habe Antonio gesagt, dass ich euch für zu stark halte und dass ich verdammt noch mal gewinnen wollte. Immerhin hängt es mit der Regionalmeisterschaft zusammen. Ich hab auch erwähnt dass es ohne dich, Mario, viel einfacher sein würde. Aber ich habe wirklich nicht gewollt dass es soweit kommt!“

Ricardo nahm das Ganze sehr ernst. Er sah sie gequält an und hatte wirklich ein schlechtes Gewissen wegen der Sache. Die Zwillinge glaubten ihm.

Es war nur nicht so einfach da zu distanzieren.

„Ich verstehe wenn ihr nicht gegen uns spielen wollt. Ich bin auch bereit euch den Sieg zu überlassen, das wäre nur fair. Ich meine… ich kann nur ahnen wie es euch da gegangen sein muss…“ Er wusste nicht recht was er sagen sollte, wollte sie auch nicht unnötig daran erinnern.

Marion sah auf ihre Hände, wo immer noch deutliche Striemen zu sehen waren.

„Mein Bruder und seine beiden Freunde haben Sozialstunden aufgebrummt bekommen. Aber sie dürfen sich eurer Gegend, eurer Schule und dem Sportplatz nicht mehr nähern“, erklärte Ricardo.

Pierre saß die ganze Zeit stumm daneben. Vielleicht war er nur mitgekommen, damit Ricardo da nicht allein durch musste. Erst am Ende öffnete er den Mund.

„Es tut uns wirklich leid. Wenn wir irgendetwas für euch tun können, dann sagt es bitte.“

Mario und Marion sahen sich kurz an. „Wir können euch nicht die Schuld für das Verhalten der Älteren geben, immerhin habt ihr sie nicht dazu angestiftet. Und vielleicht wollte Antonio dir wirklich nur einen Gefallen tun.“ Er hielt inne und seufzte. „Aber es wäre unfair und unsportlich, uns einfach den Sieg zu überlassen. Ich finde, das Spiel sollte trotzdem stattfinden… nur jetzt noch nicht. Dafür geht es mir noch nicht gut genug.“

Er rieb sich die Handgelenke, die wirklich noch zu sehr schmerzten als dass er seine Torwarthandschuhe anziehen könnte.

Der Kapitän der Leonino nickte und verließ dann zusammen mit Pierre das Clubhaus.

Die restlichen Veveri betraten es etwas später.

„Und?“, fragte Piedro. „Wie ist es ausgegangen?“

„Sie wollten uns den Sieg überlassen, als Wiedergutmachung“, erzählte Marion.

Mario nickte dazu. „Aber ich habe abgelehnt. Sie können nix für die Dummheit der Älteren.“

Auch wenn einige der Veveri das nicht gut fanden, akzeptierten sie die Entscheidung. Das Spiel würde frühestens in einer Woche stattfinden können, wenn Mario wieder fit genug war.
 

Robin hatte die letzten Tage damit verbracht, sich die Fußballmannschaften und Schulen der Umgebung anzusehen. Das Visum war immer noch nicht gekommen, dabei lief die Schule schon seit über einem Monat wieder.

Zu lange durfte diese ganze Prozedur nicht dauern. Auch wenn der Schulstoff nicht das Problem war: fehlte einem zu viel von einem Schuljahr, wurde dies nicht anerkannt. Zum Glück hatte Australien eine andere Aufteilung des Schuljahres. Es begann nicht, wie in Europa üblich, zum Sommer, sondern parallel zum Jahr. Somit war man dort eigentlich sogar ein halbes Jahr voraus.
 

Viele Schulen gab es in Ricona nicht zur Auswahl. Die Fußballmannschaften spielten dabei eigentlich eine unwichtigere Rolle. Doch irgendwo musste man ja mit den Kriterien ansetzen.

Robin beobachtete nun eine Mannschaft, die sich den bezeichnenden Namen „Ricona Diabolos“ gegeben hatte. Dem ersten Eindruck nach passte dieser Name durchaus zu dem, was die Jungen an Potential und Können zeigten.

Das Training war disziplinierter und alle hörten auf den Kapitän, den sie Vittorio nannten.

Er schien auch das Training selbst zu leiten. Das war ein guter Pluspunkt. Man brauchte keinen Trainer wenn man es ernst genug nahm und sich nicht ablenken ließ. Die Sydney Rangers hatten die meiste Zeit auch keinen Trainer gehabt. Und die Diabolos bewiesen, dass es auch anderen Mannschaften so ging.

Interessiert beobachtete Robin den Torwart und Kapitän.

Nach dem Training ging eben dieser auf ihn zu, musterte ihn kurz.

„Hi. Ich bin Vittorio. Du beobachtest uns schon eine ganze Weile lang.“

Robin nickte und stellte sich ebenfalls vor. „Ich suche nur nach Mannschaften“, erklärte er in gebrochenem Italienisch.

„Möchtest du bei uns anfangen?“

Robin zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Schaue mich um. Euer Training ist gut. Interessiert mich, wie ihr spielt.“

Vittorio sah kurz zu seinem Team herüber, bevor er seinen Gesprächspartner wieder ansah.

„Wir spielen heute Abend hier gegen die Baleno Nero. Dann kannst du zuschauen.“

„Baleno Nero… kenn ich nicht. Wo trainieren sie?“

Vittorio erklärte ihm den Weg dorthin.

Bevor Robin sich das Spiel anschauen würde, wollte er noch einen Blick auf das Training der anderen Mannschaft werfen. Der Weg war nicht weit und das Training lief noch.

Anders als bei den Diabolos war der Trainingsplatz nicht umzäunt, und so konnte Robin sich das Ganze aus der Nähe ansehen. Auf den ersten Blick war das Training nicht viel anders als das der Diabolos, doch es lief nicht so diszipliniert ab. Robin ging wieder, ohne mit dem Trainer oder dem Kapitän zu reden.
 

Die Tribünen waren so gut wie leer, aber es war ja auch bloß das Qualifikationsspiel zweier kleiner regionaler Jugendmannschaften. Robin hatte freie Auswahl und setzte sich in die Mitte der Tribüne. Mit einer Flasche Cola und einem Cheeseburger machte er es sich dort bequem und beobachtete das Warm-up.

Cesario, Matteo und Piedro hatten dieselbe Idee gehabt. Da eine der beiden Mannschaften vielleicht bald ihr Gegner werden würde war es besser, sie vorher ein paar Mal zu beobachten.

Unterwegs trafen sie Ronaldo, der mit seinem Rollstuhl in einem Gully stecken geblieben war.

Matteo befreite ihn mit einem Ruck und einem „Hi Ronaldo.“

Dieser fasste erschrocken nach seinen Rädern, bevor er erkannte wer ihm da geholfen hatte.

„Oh, hallo ihr. Wie geht’s euch?“

„Ach, ganz gut. Wir sind gerade auf dem Weg zum Spiel deiner Mannschaft“, erzählte Cesario.

„Da wollte ich eigentlich auch hin.“

„Na, dann schieb ich dich mal“, bot Matteo sich an und sie gingen zusammen weiter.

„Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen. Wie geht es dir Ronaldo?“, wollte Piedro wissen.

„Es geht. Mal so, mal so. Ich war einmal sogar fast soweit ohne Rollstuhl laufen zu können.“

Er seufzte. Vor anderthalb Jahren hatte er endlich ein neues Herz bekommen, doch leider hatten einige Komplikationen verhindert, dass er sich ganz davon erholen konnte. Er war immer noch meistens auf den Rollstuhl angewiesen. Aber es gab Hoffnung, denn sein Zustand verbesserte sich trotz allem kontinuierlich, sodass es nur eine Frage der Zeit war, bis er endlich frei von diesem Gerät war.

Bald schon hatten sie den Platz der Diabolos erreicht. Ronaldo wurde zur Bank seiner Mannschaft geschoben, Cesario wechselte kurz einige Worte mit Simeon, dem Kapitän der Balneo Nero und Ronaldos Bruder, und anschließend mit Vittorio. Dann begaben die drei Jungs sich zur Tribüne, auf der sich nur knapp zehn Zuschauer befanden.

Robin entdeckten sie sofort.

„Hey, suchst du immer noch die richtige Mannschaft?“, begrüßte Matteo ihn.

„Yeah, solang ich noch Zeit dazu hab“, brummte Robin.

„Was ist los?“

„Darf nicht zur Schule gehen. Bullshit. Wenn es zu lange dauert, muss ich wiederholen.“
 

Das Spiel war spannend. Bis zum Ende stand nicht fest wer gewinnen würde. Die Diabolos hatten einen starken Angriff und eine starke Verteidigung. Die Verteidigung der Balneo Nero war etwas besser, der Sturm dafür etwas träger. Es schien so als wollten sie nicht zu viel riskieren. Am Ende gewannen die Diabolos mit 4:3. Robin nickte ein paar Mal in Gedanken.

„Gotta go. Bye“, verabschiedete er sich von den Spielern der Veveri.

Obwohl beide Teams sehr gut waren, bezweifelte Robin, dass sie das Richtige für ihn waren. Die Teams waren stark genug und auch wenn Robin sich für etwas besser hielt als den Großteil beider Mannschaften, würde er sicher die meiste Zeit auf der Ersatzbank sitzen müssen. Das war nicht das was er wollte.

Er streifte die ganze Zeit lang durch die kleine Stadt, kaufte ein wenig ein um abends etwas zu Essen kochen zu können. Sully würde erst spät kommen, also war Robin mit Kochen dran.
 

Der Australier verließ gerade mit seiner Einkaufstüte den Laden, als ein paar Skateboarder um die Ecke rauschten und ihn umrissen. Robin wurde zu Boden geschleudert und die Einkäufe verteilten sich auf dem Boden und der Straße.

„Hey you dirty bastards!“, schrie er den Rowdies hinterher. Einer von ihnen hielt an und sah sich nach Robin um.

„Halts Maul du Blag“, rief er und spuckte auf den Boden. Dann drehte er sich wieder um und wollte weiter fahren.

Robin sah sich auf dem Boden um, nahm dann einen der Äpfel die sich um seine Füße verteilt hatten, holte aus und warf ihn dem Jungen an den Kopf. Dieser schrie laut auf, hielt sich den getroffenen Hinterkopf. Dann rannte er auf Robin zu, packte ihn am Kragen und zog ihn hoch.

„Du willst wohl Schläge, Mistblag!“

Seine Freunde hatten es natürlich mitbekommen, und schon bald war er von vier Hochschülern umringt.

„Du bist wohl lebensmüde“, witzelte einer von Ihnen.

„Shut up, feiger Schisser.“

Robin fasste nach dem Handgelenk des Typen der ihn immer noch festhielt und drückte den Fingernagel des Daumens in die Handbeuge. Schreiend wurde er fallengelassen, aber gleich von zwei anderen Typen an den Armen gepackt und wieder hochgezogen.

„Verdammtes Mistblag! Ich werd dich lehren mich zu verletzen!“

Er hielt sich das Handgelenk. Robin hatte ihn nicht schwer verletzt, aber genau den richtigen Nerv erwischt um doch starke Schmerzen zu verursachen.

„Das brauchst du nicht, ich kann das auch schon ganz gut alleine“, grinste Robin.

Viel Zeit hatte er nicht sich darüber zu freuen, denn Ricardo, wie er aus den Rufen der anderen heraushören konnte, fackelte nicht lange und rammte ihm eine Faust in den Bauch. Robin unterdrückte einen Aufschrei und krümmte sich zusammen. Er versuchte die Bauchmuskeln anzuspannen und sich auf den nächsten Schlag vorzubereiten. Es war nicht seine erste Schlägerei, er wusste wie er zu starke Schmerzen vermeiden konnte.

Der nächste Schlag war etwas höher angesetzt und raubte ihm die Luft. Robin starrte den Angreifer aus den Augenwinkeln heraus an. Selbst wenn er noch einige harte Schläge kassieren würde, er bereute seine Worte kein bisschen.
 

Nach dem Spiel gab es zuerst die übliche Nachbesprechung. Vittorio war mit der Leistung der Mannschaft zufrieden, auch wenn ihn die drei kassierten Tore wurmten. Sie waren jedenfalls weiter und im Endeffekt zählte nur das.

Nach der Besprechung verließ er zügig das Clubhaus weil er in der Stadt noch etwas erledigen wollte. Unterwegs traf er Mario, den er schon seit Wochen nicht mehr gesehen hatte. Er wurde begleitet von einem Mädchen, die ihm zum Verwechseln ähnlich sah. Von Erik hatte er schon erfahren, dass Mario eine Zwillingsschwester hatte. Er hatte nicht glauben können, dass sie sich so ähnlich waren, aber nun sah er es selbst. Auch von der Entführung der beiden hatte er gehört, und deswegen erkundigte er sich zuerst danach, wie es ihnen ging.
 

„Ja, schon wieder ganz gut. Nur wenn ich das Haus verlasse, habe ich immer noch ein ziemlich mulmiges Gefühl im Bauch“, erzähle Mario.

Vittorio nickte. „Das ist verständlich.“ Dann sah er zu Marion und musterte sie eingehend.

„Das ist also deine Zwillingsschwester, von der schon erzählt wird.“

„Ja, da ist Marion.“

„Wie, von mir wird erzählt? Bin ich schon so bekannt?“

„Na, wer Mario kennt, den interessiert das schon. Es taucht nicht alle Tage einfach so ein Zwilling auf.“

Marion und Mario mussten grinsen.

„Ich war grad auf dem Weg in die Stadt. Kommt ihr mit?“

„Wieso nicht. Wir müssen noch einkaufen.“

Zusammen legten sie dann den Rest des Weges zurück.

„Wie sieht’s denn bei euch mit Nachwuchs aus?“, fragte Vittorio nach einiger Zeit.

„Nicht so gut. Unser schlechter Ruf eilt uns immer noch voraus. Wir haben zwar einen Interessenten, aber ich glaube nicht dass er wirklich zu uns kommen will.“

„Es wäre gut wenn ihr langsam mal mehr werdet. Das Spiel wird sonst zu eintönig. Dass das Training so auch nicht lange gut geht brauch ich dir wohl nicht zu sagen.“

Seufzend nickte Mario. „Ja… ich weiß…“

Ein lautes Fluchen aus einer Seitengasse lenkte die Aufmerksamkeit der drei auf sich. Sie sahen in die Gasse, konnten aber nur eine kleine Gruppe Hochschüler sehen.

Sie waren dabei jemanden zu verprügeln.

„Diese Idioten“, meinte Mario leise. „Dass die sich immer prügeln müssen. Können die das nicht irgendwo anders regeln…“

Marion tickte ihren Bruder an. Sorge zeigte sich in ihrem Blick.

„Du, ich glaube das ist Robins Stimme. Und das Fluchen hört sich auch ziemlich nach ihm an.“

Mario hörte genauer hin und erkannte dann wirklich Robins Stimme und den seltsamen Akzent.

„Fucking bastards! Lasst mich los!“, rief dieser gerade.

„Oh Mann! Da müssen wir was tun. Wieso muss der sich unbedingt mit Hochschülern anlegen?“

Mario sah sich um in der Hoffnung, vielleicht ein paar Passanten zu finden die helfen würden.

Doch wie so oft gab es genügend Leute, die es hörten, aber niemanden, der einschritt.

Stattdessen kam ein weiterer Hochschüler zu ihnen herüber gelaufen. Mario wollte ihn schon aufhalten, bis er hörte was der Junge rief: „Robin, you little brat! Hab ich dir nicht oft genug gesagt du sollt keine Schlägereien anzetteln?“

Er rannte zu der Gruppe, schob die anderen Jungs einfach grob beiseite und zerrte Robin am Kragen aus der Menge heraus um ihn dann aus der Gasse zu schleppen. Die Gruppe der anderen blieb erst erstaunt und überrumpelt stehen weil einfach jemand in ihre Schlägerei eingriff, verzog sich dann aber ruhig. Mario vermutete, dass es auch an dem Baseballschläger lag, den der ältere Junge, offensichtlich ebenfalls Australier, locker in der linken Hand hielt.

„Geht’s dir noch gut? There’s only shit in your brain!“

Robin senkte den Kopf. „Sorry.”

Dann nahm er ihn aber in den Arm und drückte ihn kurz an sich. „Alles okay? Du siehst schrecklich aus.“

Robin nickte, verzog aber das Gesicht bei der kleinsten Bewegung.

„Hey Robin, geht’s dir wirklich gut?“, wiederholte Marion. Robin schien sie erst jetzt zu bemerken.

„Oh, hi ihr.“

Der ältere Junge drehte nun auch den Kopf zu ihnen. Sie bemerkten die Ähnlichkeit der beiden. Unter seinem Baseballcap sah man seine hellbraunen Haare. Er sah fast aus wie der typische australische Surfer. Nur die Brille auf seiner Nase wirkte dem ein wenig entgegen.

„Kennst du die? Deine Freunde?“

„Yeah. Sind ein paar Fußballspieler.“

Der Junge warf noch einen Blick in die Gasse um sicherzugehen, dass die Hochschüler sich verzogen hatten.

Er nahm sein Cap ab und nickte den dreien dann zu. „Hi, ich bin Sully, Robins Cousin.“

Im Gegensatz zu dem jüngeren Australier war sein Italienisch nahezu perfekt, auch was die Aussprache anging.

Sully begann, die Einkäufe aufzusammeln.

Robin stellte die drei vor und hockte sich dann hin um ihm dabei zu helfen.

Dabei presste er sich einen Arm auf den Bauch. Er hatte sichtlich Schmerzen.

Sully verdrehte die Augen, zog Robin nach oben und sammelte dann weiter, während sein Cousin die Einkaufstüten aufhielt.

„Das kommt davon wenn man ständig andere provozieren muss“, meckerte er.

Mario und Vittorio sahen sich an. Sie kamen sich gerade überflüssig vor. Marion beobachtete die Beiden und grinste.

Als Sully alles eingesammelt hatte, zog er Robin am Arm zu sich.

„So und wir gehen jetzt zum Doc. Keine Widerrede, sonst schick ich dich zurück nach Hause.“

Robin widersprach nicht, ließ sich von Sully am Arm nehmen und wegziehen.

Die drei sahen ihnen nach.

„Der ist ja noch aggressiver als ich gedacht habe“, murmelte Mario. Es war kein Vorwurf, wie es vielleicht klingen mochte. Mario vergaß nicht, wie Robin einen ihrer Entführer fertig gemacht hatte.
 

Sully und Robin waren derweil in ihrem Haus angekommen. Unterwegs hatte Sully kein Wort mehr über die Schlägerei verloren. Stattdessen hatte er überraschend gute Laune und fast die ganze Zeit vor sich hin gesummt. Immernoch pfeifend eilte er erst einmal ins Bad, wo er weiterhin laut zu hören war. Robin freute sich darüber, denn es war sehr lange her, dass er so gut gelaunt gewesen war. Nach Ricona zu ziehen, entpuppte sich immer mehr zu der richtigen Entscheidung.

Etwas später kam er – immer noch pfeifend – ins Wohnzimmer, wo seine Cousine mit einem italienischen Wörterbuch auf dem Schoß vor dem Fernseher saß. Learning by doing, wie er ihr eingetrichtert hatte.

„Warum hast du so gute Laune?“

„Kim, rate mal, wen ich an der Uni getroffen habe!“

Sie hob eine Augenbraue. „Bei deiner Laune wohl jemand besonderes“, mutmaßte sie.

Sully ließ sich neben sie auf die Couch fallen. Er wirkte so verdammt glücklich, dass sie ihn nur ansah und grinste.

„Erinnerst du dich an Jakko?“

Stirnrunzelnd dachte die Australierin nach. „Dein bester Freund aus Scoraville, oder nicht?“

„Yeah! Stell dir vor: Er studiert auch auf der Uni! Medizin. Das ist so verdammt geil! Ich habe ihn so lange nicht mehr gesehen und dachte, hier in Ricona wird das erst recht nichts. Und jetzt ist er auch hier!“

Er sprang auf. „Wir treffen uns heute Abend. Weißt du nämlich, was noch geiler an der ganzen Sache ist? Er hat heute Geburtstag und wird 18! Wir hatten uns damals geschworen, dann zusammen einen drauf zu machen und uns zu betrinken, an unseren 18 Geburtstagen. Ich brauche noch ein Geschenk…“

„Nimm doch unseren Whiskey. Der ist zehnmal so alt, und wenn ihr euch betrinken wollt, ist es das ideale Geschenk!“

Sully grübelte weiter. „Ich würd dich ja auch gerne mitnehmen, damit ihr euch wieder seht, aber da darfst du noch nicht hin.“

Sie winkte ab. „Schon gut. Trinken gehen kann ich in vier Jahren immer noch. Ich muss noch ein wenig italienisch lernen. Habe heute gemerkt, wie schwer das ist, wenn einen alle anschauen als müssten sie sich ein Lachen verkneifen oder ein Wörterbuch kaufen.“

Der ältere grinste. „Das wird schon noch besser, Kim. Ich finde, du hast in den paar Monaten eine Menge gelernt.“

Er suchte in seinen Unterlagen herum, während er weiter redete. „Vielleicht sollten wir zu Hause in Zukunft auch italienisch sprechen.“

„Vergiss es. Hier ist australisches Territorium, da wird australisch gedacht, geredet und geflucht.“

Sully hatte gefunden, was er gesucht hatte: ein Foto von ihm und seinem Freund. Freudestrahlend betrachtete er es. Jakko war seit seiner Kindheit sein bester Freund gewesen. Sie hatten viel miteinander unternommen, kannten einander in und auswendig. Es war umso schlimmer für sie beide, als der Kontakt irgendwann nachließ und dann abbrach, als Sully so viel mit seiner Farm um die Ohren hatte und Jakko irgendwann auf einmal die Schule gewechselt hatte, nachdem Sully selbst sie nicht mehr besuchen konnte. Es war wie ein kleines Wunder, ihn nun hier, ausgerechnet in der Stadt die er sich für sein Studium ausgesucht hatte, wieder zu treffen. Gerade an diesem Tag, fast als wollte das Schicksal, dass er sein Versprechen halten konnte.

Grinsend sah er zu seiner Cousine. Eigentlich war sie es, die Ricona aus den drei möglichen Orten ausgewählt hatte.

Aber das würde er ihr sicher nicht unter die Nase reiben, sonst hätte sie die nächsten Jahre etwas, was sie ihm immer wieder vorhalten könnte.

Er behielt es für sich und verschwand mit dem Foto und einigen anderen Dingen in sein Zimmer.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück