Es war früher Morgen und die Sonne lugte langsam zwischen den Häusern hervor. Der Bahnhof, in welchem eine junge Frau stand, war nicht überdacht und so konnte sie die ersten Sonnenstrahlen in diesem Jahr schon einmal genießen.
Sie strich sich eine blonde Haarsträhne hinter ihr Ohr und bemerkte, dass sich Jemand neben sie stellte. Sie sah nach links und entdeckte einen jungen Mann mit mehreren, beschriebenen Blättern in den Armen. Seine braune Ledertasche hing lässig über seine Schulter und seine Haare erinnerten sie an die Kirschblüten, die im Frühjahr in voller Pracht im nahliegenden Park zu bestaunen waren. Er trug ein schwarzes T-Shirt, welches an der rechten Seite locker in seiner dunkelblauen Jeans steckte.
Er schien bemerkt zu haben, dass sie ihn beobachtete, denn er wandte sein Gesicht ihrem zu. Ihre Blicke trafen sich und für einen Moment schien es nur sie beide an diesem Gleis zu geben, ehe sie sich dessen bewusst wurden und sich, leicht errötet um die Nase, voneinander abwandten. Sie musste leicht lächeln und bemerkte natürlich nicht, dass es ihm nicht anders ging.
Ihr Zug fuhr auf das Gleis 4 ein und ein Windstoß ließ ihre Haare und die Blätter in den Armen des jungen Mannes aufwirbeln. Eines der Blätter landete frontal in ihrem Gesicht und sie erschrak leicht. Sie nahm das Blatt in ihre Hände und musste unwillkürlich kichern. Ihr zarter, roter Lippenstift hatte einen Kussabdruck auf dem Blatt hinterlassen.
Sie reichte dem jungen Mann mit den wundervollen Haaren das Blatt und er nahm es lächelnd an, ehe er den Lippenstift auf diesem bemerkte. Er musste lachen, hielt ihr das Blatt hin und deutete auf den Kussmund. Doch da bemerkte er, dass sie bereits in den Zug gestiegen war. Perplex blieb er stehen und sah sie am Fenster des Zuges sitzen, ehe sich dieser in Bewegung setzte.
Den ganzen Tag musste er an die Begegnung mit dem Mädchen und ihrem süßen Lächeln denken. Er konnte sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren und schweifte mit den Gedanken immer wieder zu ihr, während er das Blatt mit dem Kussmund beobachtete.
Am nächsten Tag kam er zu derselben Uhrzeit zu Gleis 4, in der Hoffnung, sie dort anzutreffen. Doch sie kam nicht. Auch am nächsten und übernächsten Tag war sie nicht dort. Er dachte schon, er habe sich diese Begegnung eingebildet, doch das Blatt mit dem Abdruck ihres Lippenstiftes sagte im das Gegenteil. Er konnte ja nicht wissen, dass sie an diesem Tag ihrer Begegnung früher zu ihrer Arbeit fahren musste. Und so kam es, dass er jeden Tag an Gleis 4 stand und darauf wartete, sie ein weiteres Mal zu sehen.
An einem schönen Sommertag hatte er früher Feierabend gemacht, jedoch einige Akten in seinem Büro vergessen. Somit machte er sich kurzerhand noch einmal auf den Weg zu seiner Arbeitsstelle. Wie immer fuhr sein Zug auf Gleis 4 ein. Aus reiner Gewohnheit stellte er sich an die Stelle, an der er sie das erste Mal getroffen hatte. Der Zug fuhr ein und die Tür, die einige Meter entfernt war, öffnete sich.
Er setzte sich in Bewegung und stockte, als er sah, wer da aus diesem Zug stieg. Unter Tausenden von Menschen hätte er sie wiedererkannt. Ihr langes, blondes Haar, ihre zierliche Statur. Sie stieg aus und sah in seine Richtung.
Er lächelte, konnte es nicht fassen, sie hier zu sehen. Und auch sie lächelte. Wie in einem Traum gingen sie ein paar Schritte aufeinander zu, standen nun direkt voreinander.
„Hallo,“ sagte er. „Ich bin Natsu Dragneel.“
„Hallo Natsu. Ich heiße Lucy Heartfilia.“
Und so kam es, dass sie den Alltag um sich herum vergaßen, der Bahnhof sich auflöste und die Lautstärke des Zuges verebbte. In diesem Moment gab es nur sie. Nur sie beide.