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Auf den zweiten Blick

von

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Schreck am frühen Abend

Thomas war nicht minder geschockt. Seine Augen waren leicht geweitet und ihm war der Mund aufgeklappt. „Das ist ein schlechter Scherz“, murmelte er.

„Ihr kennt euch?“, fragten ihre Väter synchron.

Luca nickte, während Thomas antwortete: „Selbe Klasse.“

Ihre Väter waren kurz darauf in ein Gespräch vertieft, von dem Luca einen Großteil nicht verstand. Es schien um geschäftliche Dinge zu gehen. Sie hatten auch spontan beschlossen, alle an einem Tisch zu sitzen. Luca war zwischen seinem Vater und Thomas Schwester gelandet. Sein Klassenkamerad saß ihm gegenüber zwischen seinen Eltern.

Etwas stimmte mit dieser Sitzordnung nicht, stallte Luca fest. Hätte er nicht neben Thomas sitzen müssen, wenn sie sich kennen? Die Schwester kannte er nicht. Er hatte sie zwar ein paar Mal gesehen, wusste aber weder ihr Alter noch ihren Namen und es interessierte ihn auch nicht.

Die Speisekarten wurden ausgeteilt. Luca wagte erst nicht, auf die Preise zu schauen, und als er es dann doch getan hatte, bereute er es sofort. Ein Großteil der Gerichte sagte ihm überhaupt nichts. Dazu kam, dass die Speisen nach Menüs gegliedert waren. Bestellte man da jetzt ein ganzes Menü oder gab es sie auch einzeln? Den Gedecken zufolge aß man wohl mehr als ein Gericht, denn es lagen drei Messer, drei Gabel, großer und kleiner Löffel und noch eine kleine Gabel auf dem Tisch. Die Stoffservietten waren zu kleinen Kunstwerken gefaltet.

Hilflos sah er zu seinem Vater, doch der quatschte immer noch und schien ihn gar nicht zu bemerken. Hätte er doch nur auf McDonalds bestanden. Dann würde sein Vater jetzt dumm schauen und er hätte dieses Problem nicht. Leise seufzte er. Ob es wohl auffiel, wenn er heimlich verschwand?

Thomas schien seine Überforderung mit der Situation ausgefallen zu sein. Er grinste ihn vielsagen an. „Bist du zum ersten Mal hier?“

Luca nickte. Abstreiten konnte er es ja eh nicht. Jetzt musste sein Klassenkamerad sich nur noch über ihn lustig machen und der Abend wäre perfekt.

Allerdings schien dieser das nicht vorzuhaben. „Sara, lass uns Plätze tauschen“, wandte er sich an seine Schwester und ließ sich wenig später auf den Platz neben Luca fallen. Er schlug seine Speisekarte auf und begann Luca, den Aufbau leise zu erklären. Sie waren gerade durch, da kam die Bedienung und fragte nach ihren Wünschen. So schaffte Luca es, zu bestellen, ohne aufzufallen, worüber er sehr erleichter war. „Danke“, flüsterte er Thomas leise zu.

„Keine Ursache“, antwortete dieser. Dann deutete er unauffällig auf Peter. „Und er ist echt dein Vater?“

Der Blonde nickte. „Ist er. Ich hab bis jetzt nur nicht bei ihm gewohnt.“ Es wunderte ihn, dass Thomas plötzlich so nett war. Sie hatten zwar Frieden geschlossen, waren aber keine Freunde oder so.

„Und wieso jetzt auf einmal?“, wollte Thomas wissen, „Bist du mit deiner Mutter und ihrem Mann nicht mehr klar gekommen?“ Auf seinen verdutzten Blick hin, ergänzte er, „Ich weiß, dass dieser Jürgen, oder wie auch immer er heißt, nicht dein Vater ist.“

„Jochen“, murmelte Luca, verwirrt, dass er mit seinem Klassenkameraden ein normales Gespräch führen konnte. Zwar fühlte er sich noch etwas unwohl, direkt neben ihm zu sitzen, aber es ließ sich aushalten, solange sein Klassenkamerad keine ruckartigen Bewegungen machte.

Thomas brummte. „Ist doch egal.“

Der erste Gang, ein Salat wurde gebracht. Ein kurzer Blick über den Tisch verriet ihm, dass Peter und Johann ein anderes Gericht hatten. Auf ihren Tellern lag etwas, was sehr stark nach rohem Fleisch aussah, und hauchdünn geschnitten war. Schweigend begann der Blonde zu essen, froh darüber, von der Frage abgelenkt zu werden. Vielleicht vergaß Thomas sie ja.

So viel Glück schien er allerdings nicht zu haben. Sein Gesprächspartner ließ nicht locker. „In der Schule gehen ein paar Gerüchte um“, sagte er, „Es heißt, deine Eltern sitzen im Knast. Weswegen auch immer. Da ist sich die Gerüchteküche nicht ganz einig.“

Beinahe hätte Luca sich an seinem Salat verschluckt. Der Schreck musste ihm am Gesicht abzulesen gewesen sein, denn Thomas meinte grinsend: „Bingo.“

Luca seufzte. „Können wir das Thema lassen? Ich bin froh, wenn ich sie nur noch einmal sehen muss, und das wird vor dem Gericht sein.“

„Du musst gegen sie aussagen?“ Thomas schien geschockt. Auch seine Stimme wurde lauter. „Das können sie doch nicht von dir verlangen!“

Erschrocken fuhr Luca zusammen und das Besteck rutschte ihm aus den Händen. Laut klirrend kam es auf dem Steinboden auf.

Augenblicklich waren alle Augenpaare auf ihn gerichtet, auch die von den benachbarten Tischen. Er begann zu zittern und konnte regelrecht spüren, wie er errötete.

„Ist alles okay?“, fragte Peter leise, während Thomas betreten zu Boden blickte. Sein Klassenkamerad schien sich die Schuld daran zu geben.

Luca versuchte, sich wieder zu beruhigen. Mehrmals atmete er tief ein und wieder aus. Er schloss die Augen und versuchte, auszublenden, wo er sich befand. Doch dann spürte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter. Er erschrak sich fürchterlich, schlug die Hand weg und sprang auf. Sein Stuhl fiel um. Er hielt sich am Tisch fest, um nicht umzufallen. Dann schnappte er sich seine Krücken und floh humpelnd aus dem Raum.

Im Flur ließ er sich auf den Boden sinken und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Warum ausgerechnet jetzt, dachte er, warum, wenn so viele Menschen anwesend waren? Er wollte nicht, dass ihn jemand so sah! Und dann musste es ausgerechnet Thomas sehen. Er würde ihn sicher damit fertigmachen.

Hier, in dem menschenleeren Flur, gelang es ihm dann, sich wieder zu beruhigen. Seine Atmung wurde gleichmäßiger und das Zittern ließ nach. Langsam rappelte er sich wieder auf und kehrte zum Tisch zurück.

Einer der Kellner hatte inzwischen den nächsten Gang gebracht, auf jedem Platz stand ein Suppenteller. Außerdem war sein Stuhl wieder aufgestellt und das runtergefallene Besteck weggeräumt.

„Geht es wieder?“, fragte Peter besorgt.

Der Siebzehnjährige nickte und setzte sich zurück auf seinen Platz. „Entschuldigt die Unterbrechung.“

„Sorry wegen eben“, murmelte Thomas. Er schien ein schlechtes Gewissen zu haben.

Luca schüttelte den Kopf. „Nicht deine Schuld“, antwortete er ebenso leise.

Johann schaute zwischen ihm und seinem Vater hin und her. „Was wird hier gespielt?“

Einen Augenblick lang befürchtete Luca, Peter würde die Frage beantworten, doch der Mann schüttelte nur seinen Kopf. „Das ist weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt dafür.“

Sie setzten das Essen schweigend fort, zumindest bis der dritte Gang, bei allen ein Fischgericht, gebracht wurde. Dann wandte Johann sich an Luca: „Was hältst du eigentlich von Sara?“

Der Blonde war spürbar irritiert durch diese Frage. Unsicher, ob er das richtige tat, hob er seine Schultern. „Ich kenne sie nicht wirklich, also kann ich mir auch kein Bild von ihr machen.“

„Möchtest du sie denn kennen lernen?“, bohrte Thomas‘ Vater weiter.

„Ich weiß nicht. Sie scheint ganz nett zu sein.“ Luca gefiel nicht, in welche Richtung das Gespräch lief. Dazu kam die seltsame Sitzordnung von vorhin. Er war fast schon froh, dass Thomas diese aufgehoben hatte.

„Ihr würdet bestimmt gut zusammenpassen“, fuhr Johann munter fort, „Außerdem wäre es für unsere Firmen vorteilhaft.“

Darum ging es ihm also. Am liebsten wäre Luca aufgesprungen und gegangen, doch er zwang sich, ruhig zu bleiben. Sein Vater würde dem sicher nicht zustimmen.

Doch Peter schien begeistert von der Idee. „Das hört sich toll an“, erklärte er.

Thomas neben ihm seufzte laut. „Vater“, unterbrach er die Männer, bevor sie weitere Pläne schmieden konnten, „Luca ist vergeben! Vergeben!Du weißt schon, in einer Beziehung, mit jemandem zusammen, nicht mehr zu haben.“

Der Blonde war ihm noch nie so dankbar gewesen, wie in diesem Moment. Jetzt würden die Männer sicher aufhören, Pläne zu schmieden. Erst viel später fiel ihm auf, dass Thomas etwas gesagt hatte, von dem er eigentlich nichts wissen durfte. „Woher?“, fragte er ungläubig.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  tenshi_90
2014-04-08T18:41:01+00:00 08.04.2014 20:41
Armer Luca... Ich kann mir vorstellen, dass es für ihn ziemlich unangenehm ist... Ich würde mich glaube ich auch nich wirklich wohl fühlen... Und dass die Väter Amor spielen wollen ist erst recht iwie peinlich... Ich finde es ja schön, dass Thomas ihn in Schutz nimmt, aber dass er gleich frei heraus sagt, dass Luca in ner Beziehung ist, is ja auch ziemlich überraschend...
Antwort von:  Seira-sempai
08.04.2014 22:08
Der Abend hätte wirklich besser laufen können. Aber zumindest hat sich Thomas gebessert und ist netter zu Luca. :-)


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