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Auf den zweiten Blick

von

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Neues Zuhause

Ungeduldig wartete Luca darauf, dass der Arzt endlich mit seiner letzten Untersuchung fertig war. Sein Vater und dessen Lebensgefährtin, die sich als Nina Wagner vorgestellt hatte, saßen daneben und beobachteten ihn. Heute durfte er endlich nach Hause gehen und zum ersten Mal seit er denken konnte, freute er sich darauf, aus dem Krankenhaus entlassen zu werden.

In den letzten Tagen hatten sowohl Peter und Nina als auch Nicholas ihn immer wieder besucht. Je besser er seinen Vater kennengelernt hatte, desto sympathischer wurde dieser ihm. Er war so ganz anders wie Jochen. Er hatte ihm sogar neue Klamotten mitgebracht, damit er heute etwas zum anziehen hatte, da Jochen seine gesamten Sachen zerstört hatte.

Luca wusste nicht, wie Peter es in dieser kurzen Zeit hinbekommen hatte, aber er hatte dafür gesorgt, dass er ihn aus dem Krankenhaus gleich mit zu sich nach Hause mitnehmen durfte. Zwar hatte er momentan noch nicht das Sorgerecht, aber es würde es innerhalb der nächsten Wochen bekommen. Da Luca bereits siebzehn war, durfte er mitentscheiden, bei wem er wohnen wollte, was die Sache einfacher machte.

Gestern war auch jemand vom Jugendamt da gewesen. Sonja war das Sorgerecht für ihn entzogen worden und sie leistete ihrem Mann inzwischen Gesellschaft. Zwar hatte sie nichts mit Jochens Misshandlungen zu tun, aber sie hatte ihn genauso vernachlässigt und ihm nicht geholfen. Auch das war strafbar, wie die Frau vom Jugendamt erzählt hatte. Sie hatten sich noch etwas unterhalten, ehe sie schließlich zugestimmt hatte und ihn zu Peter ziehen ließ. Sie hatte noch ein Paar Besuche angekündigt, um zu sehen, wie Luca sich einlebte, aber von ihr schienen sie nichts zu befürchten zu haben.

Endlich war auch der Arzt fertig. Er lächelte ihm noch einmal aufmunternd zu und reichte dem Siebzehnjährigen seine Krücken. „Ich wünsch dir eine gute Besserung und halte dich in Zukunft von fahrenden Autos fern“, scherzte er. Dann wandte er sich an Peter und sprach mit ihm die Termine ab, an denen er Luca zu Untersuchungen wiedersehen wollte. Bis Weihnachten war der Blondhaarige noch vom Unterricht befreit, da er sich erst einmal richtig auskurieren sollte, aber im neuen Jahr musste er dann wieder in die Schule gehen.

Der Blondhaarige hörte den beiden Männern nicht weiter zu. Er war so froh, aus diesem weißen, sterilen Zimmer herauszukommen, dass er kaum noch still sitzen konnte. Natürlich war er auch aufgeregt, immerhin würde er gleich sein neues Zuhause zum ersten mal so richtig sehen. Er hoffte nur, dass er sich gut mit Peter und Nina verstand und ihnen nicht zu sehr zur Last fiel.

„Können wir los?“, fragte Peter.

Luca nickte. Es war schwierig mit den Krücken durch den Raum zu kommen, aber sein Vater hielt ihm die Tür auf, was die Sache sehr erleichterte. Außerdem war das Krankenhaus mit einem Fahrstuhl ausgestattet, weswegen er keine Treppe steigen musste.

Vor dem Ausgang wartete eine Limousine. Als der Fahrer sie erblickte, sprang er aus dem Fahrzeug und hielt die Türen auf.

„Das ist Sebastian“, stellte Peter ihn vor, „Mein Sekretär und persönlicher Assistent.“ Er legte dem Siebzehnjährigen die Hand auf die Schulter. Luca zuckte kurz zusammen, weil er damit nicht gerechnet hatte, ließ sie aber, wo sie war, schließlich wollte Peter ihm nichts tun. „Und das ist Luca, mein Sohn.“ Dann half er Luca in die Limousine und deutete dem Fahrer an, wieder einzusteigen.

Peter und Nina nahmen Luca in die Mitte und auf Peters Zeichen hin, startete Sebastian den Luxuswagen. Sie fuhren einige Straßen entlang, bis sie vor einer Luca sehr bekannt vorkommenden Einfahrt hielten. Das Tor öffnete sich und der Fahrer lenkte den Wagen auf den kleinen Parkplatz neben der Tür. Wie schon vorhin stieg Sebastian aus dem Auto und hielt ihnen die Tür auf.

Luca war das etwas unangenehm, doch er bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen, als er aus dem Wagen kletterte. Peter reichte ihm wieder seine Krücken und führte ihn zur Haustür, die er auch gleich aufschloss. Nina folgte ihnen, war aber, nachdem sie ihre Jacke an die Garderobe gehängt hatte, verschwunden.

In der Küche wurden sie von zwei weiteren Personen erwartet, einer älteren Frau mit grauen, zu einem Dutt gebundenem Haar, Lachfalten und einer geblumten Schürze und einem Mann in abgetragener, fleckiger Jeans und verfärbtem Hemd.

„Das sind Ute und Hans“, stellte Peter auch diese beiden Personen vor, „Ute ist meine Haushälterin und die gute Seele des Hauses, Hans der Gärtner und Hausmeister. Wenn du Fragen hast oder Hilfe brauchst, zögere nicht, die beiden anzusprechen.“

Der Siebzehnjährige nickte. Das erklärte die Kleidung des Mannes. Vermutlich hatte er nur kurz seine Arbeit unterbrochen, als er die Limousine durch die Einfahrt hatte fahren sehen.

„Das ist mein Sohn Luca“, stellte er ihn vor.

So langsam wurde ihm die Situation unheimlich. Wie reich war sein Vater eigentlich, dass er sich das leisten konnte? Das Haus, wobei Villa wohl eine bessere Bezeichnung dafür wäre, sah nicht nur von außen teuer aus. Auch die Einrichtung schien nicht billig gewesen zu sein. Er hatte je gewusst, dass Peter Geld hatte, aber das es so viel Geld war… Kein Wunder, dass er es sich leisten konnte, jedem Monat die Dreitausend Euro Unterhalt für ihn zu zahlen.

„Ich habe noch einen Termin“, riss Peter ihn aus seinen Gedanken, „Zum Abendessen bin ich wieder da.“ Er wandte sich an seine Angestellten: „Seid doch so gut und zeigt meinem Sohn die Gästezimmer. Er soll sich eins aussuchen, was dann sein Zimmer wird.“

„Selbstverständlich“, antwortete Ute, während sie den Siebzehnjährigen in Augenschein nahm. „Dann komm mal mit.“

Sie und Hans warteten geduldig, bis er ihnen hinterhergehumpelt war, während sie ihn durch das Haus führten. Zwar wäre Luca lieber bei Peter geblieben, aber wenn sein Vater einen wichtigen Termin hatte, konnte er ihn nicht davon abhalten. Außerdem hatte er sich in den letzten Tagen wirklich viel Zeit für ihn genommen und ihn jeden Tag eine Stunde oder länger besucht. Er konnte nicht erwarten, dass Peter immer da war und sich um ihn kümmerte, das hatte Sonja auch nie getan.

Die insgesamt vier Gästezimmer, wofür man so viele brauchte, war Luca schleierhaft, waren alle sehr elegant eingerichtet, so dass ihm die Entscheidung wirklich schwer fiel. Aber da er sich für eins entscheiden musste, fiel seine Wahl am Ende auf eines der beiden im dritten Stock, das sich gegenüber dem Schlafzimmer von Peter und Nina befand. Wenn er aus dem Fenster schaute, sah er das Dach der Garage, auf dem sich eine Art Balkon gebaut war, und den Garten hinter dem Haus. Der Balkon befand sich genau unter dem Fenster. Er öffnete es und beugte sich hinaus. Auf dem Balkon, direkt an der Hauswand, waren Roden eingepflanzt, und das Gerüst, an dem sie im Sommer hochkletterten war an die Hauswand geschraubt. Im Frühling und Sommer sah der Balkon sicher prächtig aus. Aber auch jetzt, wo alles von einer dünnen Schneeschicht bedeckt war, gefiel es Luca. Mit der Zeit konnte er sicher lernen, sich hier zuhause zu fühlen, zumindest hoffte er das.

Er schloss das Fenster wieder und setzte sich auf das Bett. Das Zimmer war fast doppelt so groß, wie es sein bisheriges gewesen war. Er wusste gar nicht, was er mit dem ganzen Platz tun sollte, aber die anderen waren genauso groß gewesen. Momentan war es eher spärlich eingerichtet. An der Wand stand das Bett, gegenüber ein großer Kleiderschrank und in der Ecke ein Tisch mit zwei Stühlen. Dann war da noch eine Tür, die in ein angeschlossenes Badezimmer führte. Er hatte nur einen kurzen Blick hineingeworfen. Aber die anderen Gästezimmer waren ähnlich aufgebaut gewesen.

„Eine gute Wahl“, meinte Ute während sie sich den Stuhl nahm und sich Luca gegenüber auf diesen setzte. Hans tat es ihr gleich. Er setzte sich auf den anderen Stuhl.

„Als Peter letzte Woche gemeint hat, sein Sohn würde in ein paar Tagen zu ihm ziehen, habe ich zuerst gedacht, er macht einen Scherz“, erzählte die Frau gut gelaunt, „Ich arbeite schon seit vielen Jahren für ihn, aber von dir habe ich letzte Woche zum ersten Mal gehört.“

Luca lächelte höflich. Er wusste nicht, was er sagen sollte.

Die Frau schien das nicht weiter zu stören. Fröhlich quatschte sie weiter. „Darf ich fragen, was der Name deiner Mutter ist?“

„Sonja“, antwortete der Siebzehnjährige.

Utes Blick verfinsterte sich. „Ich erinnere mich“, sagte sie, „Eine wirklich unangenehme Frau.“ Dann schien sie sich zu besinnen, dass sie gerade über seine Mutter sprach. „Entschuldige, ich habe es nicht so gemeint.“

Der Blondhaarige schüttelte seinen Kopf. „Ist schon okay. Ich bin froh, endlich von ihr weg zu sein.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  tenshi_90
2014-03-24T19:34:55+00:00 24.03.2014 20:34
Nun, ich kann die zweigespaltenen Gedanken von Luca nachvollziehen. Es ist ja auch völlig anders, in einem Luxushaus zu wohnen... Das wird wohl noch ne Weile dauern, bis er sich dort wohl fühlen wird... Bin mal gespannt, ob Nicholas ihn besuchen kommt, da er ja noch nich zur Schule kann... Es ist schon ein bisschen gemein, dass Peter jetzt einfach zu nem Termin abwandert.. aber es könnte ja wichtig in Bezug auf Luca sein
Antwort von:  Seira-sempai
24.03.2014 22:30
Peter muss (wie alle anderen auch) arbeiten. Er hat also nicht 40h am Tag 7 Tage die Woche für Luca Zeit. Natürlich wird er sich Zeit für ihn nehmen, aber er kann nicht einfach nicht auf Arbeit gehen. Was genau das für ein Termin war, ist nicht weiter wichtig. Er könnte mit Luca zu tun haben, immerhin hat Peter da noch eine Menge zu klären. Es könnte aber auch um seine Firma gegangen sein. Wer weiß?
Luca braucht jetzt erst einmal eine Weile, bis er sich eingewöhnt hat und Nicholas kommt früher zu Besuch, als dir lieb ist...
Von:  chrono87
2014-03-24T19:11:07+00:00 24.03.2014 20:11
Ich würde mich bei so viel Prunk und Wohlstand unwohl fühlen, wenn ich wie ein Hund gehalten worden wäre. Luca wird sicher einige Zeit brauchen, um sich wirklich daran zu gewöhnen. Falls er das jemals tut.
Mir kommt es fast so vor, als werden die Hausangestellten eher für Luca Eltern als es Peter sein könnte. Möchte mal wissen was wichtiger ist als sein Sohn, vor allem wenn er 17 Jahre von dessen Leben verpasst hat!
Antwort von:  Seira-sempai
24.03.2014 22:27
Peter hat Luca jeden Tag eine Stunde oder länger im Krankenhaus besucht, natürlich ist Luca ihm wichtig. Dazu kommt das schlechte Gewissen, er gibt sich die Schuld für Lucas Misshandlungen, weil er ihn einfach bei Sonja gelassen hat. Deshalb wird er sich jetzt umso mehr um ihn kümmern. Nur hat er absolut keinen Plan, wie er mit Luca umgehen soll und Luca hat keinen Plan, wie eine Familie funktioniert. Da wird es noch einiges an Missverständnissen geben.


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