Zum Inhalt der Seite

Auf den zweiten Blick

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Karl Lemke, Rechtsanwalt

René grinste: „Perfektes Timing, Herr Lemke."

„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich Karl nennen sollst?", entgegnete der Angesprochene.

„Keine Ahnung, ich habe nicht mitgezählt", scherzte René. Er schien ihn ziemlich gut zu kennen.

Nicholas schaute den Mann verwirrt an. „Was machst du denn hier, Vater?"

Gut, das erklärte, woher René den Mann kannte.

Karl Lemke warf seinem Sohn einen vorwurfsvollen Blick zu. „Dein bester Freund hat mich vor wenigen Minuten angerufen und mir berichtet, dass mein Sohn sich mal wieder prügelt. Und das auch noch auf dem Schulgelände. Langsam solltest du alt genug sein, um die Dinge anders regeln zu können, meinst du nicht auch? Was hättest du gemacht, wenn ich gerade nicht in der Gegend gewesen wäre?"

Nicholas schnaubte. „Eine andere Sprache scheinen die vier nicht zu verstehen! Ich habe ihnen oft genug gesagt, dass sie ihre Finger von Luca lassen sollen, aber sie wollten nicht hören. Was hätte ich sonst tun sollen? Weiter zusehen, wie sie ihn fertigmachen?"

„Sie sind Nicholas' Vater?", mischte sich jetzt auch Wagner in das Gespräch ein, „Wissen Sie eigentlich, was Ihr Sohn alles so treibt? Wie viele Kollegen sich schon über ihn beschwert haben?"

Luca sah zwischen den beiden Männern hin und her. Er fühlte sich mehr als unwohl in seiner Haut. Nicholas hatte ihm geholfen und bekam jetzt Ärger dafür. Und das vielleicht nicht nur von der Schulleitung sondern auch von seinem Vater.

„Ich bin durchaus über das Verhalten meines Sohnes informiert", antwortete Karl ruhig. „Es ist noch gar nicht so lange her, da rief ein gewisser Herr Peters bei mir an. Sie glauben gar nicht, was er mir alles für Lügen auftischen wollte." Sein Blick wurde kalt und ernst. „Ich möchte mit der Schulleitung sprechen."

Wagner schaute ihn aufgebracht an. Man sah, dass er schon einen spitzen Kommentar auf der Zunge hatte, den er sich aber verkniff. Stattdessen erwiderte er höflich und mit einem falschen Lächeln. „Hören Sie, das geht nicht so einfach. Ohne Termin kann ich-"

„Nein, jetzt hören Sie", fuhr Karl auf, „Wir können diese Sache jetzt hier regeln oder wir sehen uns demnächst vor dem Gericht. Und seien Sie sicher, den Prozess werden Sie verlieren."

Wagner schnappte nach Luft und wollte gerade ansetzet, etwas zu sagen, als Nicholas' Vater fortfuhr: „Es würde nicht nur Ihren Ruf ruinieren, sondern auch den der Schule. Außerdem werden Sie zeitlebens nie wieder eine Anstellung finden."

Luca wusste nicht, ob die Drohung ernst gemeint war, aber so, wie Nicholas' Vater auftrat, wusste er wohl, was er machte. Oder er konnte sehr gut schauspielern.

„Was bilden Sie sich eigentlich ein?", brauste Wagner auf.

„Um Ihren Kollegen Peters habe ich mich bereits gekümmert. Wollen Sie der nächste sein?" Karl Lemke blieb ruhig, so ruhig, dass es Luca ein kleinwenig Angst machte. Normalerweise schrien Leute, wenn sie wütend waren, aber Nicholas' Vater tat das nicht.

Wagner wurde etwas blass um die Nase. „Einen Moment bitte. Ich schaue, ob der Direktor zugegen ist", meinte er plötzlich kleinlaut und eilte im nächsten Augenblick schon über den Schulhof, in die Richtung des Lehrgebäudes.

Nicholas' Vater wandte sich an Luca. „Du bist also Luca." Seine Stimme klang auf einmal viel freundlicher. Er lächelte den blonden Jungen an. „Mein Sohn hat schon viel über dich erzählt. Und über die Umstände an dieser Schule. Ich will nicht groß um den heißen Brei herumreden, er hat mich gebeten, dir zu helfen."

Verdutzt blickte Luca den Mann vor sich an. Hatte er gerade richtig gehört?

Karl lachte leise. „Keine Sorge, das bekommen wir schon hin. Ich rede jetzt ein erstes Wörtchen mit dem Schulleiter und den betreffenden Lehrern. Es wäre doch gelacht, wenn ich diesen Saftladen hier nicht wieder in Ordnung bringen kann."

Ohne es zu wollen, musste Luca loslachen. Die Art, wie der Mann die Schule beschrieb, war einfach zu komisch.

Auch Nicholas musste lächeln. Er wischte sich das Blut, das aus seiner aufgeplatzten Lippe lief vom Kinn.

René reichte ihm ein Papiertaschentuch. „Bevor du noch deine Klamotten vollblutest."

Inzwischen hatte Wagner auch den Direktor geholt. Der Mann Mitte Fünfzig mit Halbglatze und kariertem Hemd kam gemeinsam mit Wagner zügig über den Schulhof gelaufen. „Rechtsanwalt Lemke", größte er Nicholas' Vater.

Luca staunte nicht schlecht. Nicholas' Vater war Rechtsanwalt? Kein Wunder, dass er sich mit der Sache mit dem Gericht so sicher gewesen war.

Karl nickte. „Ich möchte mit Ihnen über die Zustände an dieser Schule sprechen." Er blieb stehen, woraus Luca schloss, dass er nicht vorhatte, die Sache im Büro des Direktors hinter geschlossenen Türen zu besprechen.

„Aber natürlich, Herr Lemke", antwortete der Schulleiter sofort, „Welches Problem gibt es denn?" Die Art, wie er sich ausdrückte und versuchte es Nicholas' Vater recht zu machen, zeigte, dass er Respekt vor ihm hatte.

„Nun, zum Einen würde mich interessieren, warum keiner der Lehrer eingreift, wenn ein Schüler vor ihren Augen von seinen Mitschülern gemobbt wird. Dann wird, als besagter Schüler verschwindet, seine Sachen aber noch im Zimmer liegen, den ganzen Tag nicht nach ihm gesucht. Was hätten Sie gemacht, wenn dem Schüler etwas zugestoßen wäre? Der Schüler lag für eine längere Zeit bewusstlos auf der Toilette. Ihnen ist bewusst, dass Bewusstlose manchmal erbrechen, oder?"

Der Direktor erbleichte. „Davon höre ich das erste Mal", rechtfertigte er sich.

Aber auch Luca war erschrocken. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass die Sache auf der Toilette so gefährlich gewesen war. Nicholas dagegen schon, denn sein Gesicht zeigte keine Regung. Aber eine Sache erschrak Luca noch mehr: Nicholas hatte mit seinem Vater über ihn gesprochen. Das hieß, sein Vater wusste jetzt wahrscheinlich alles, was Nicholas wusste.

„Warum wurde der Schüler nicht gesucht?", wollte Karl wissen, „Soweit ich weiß, kontrolliert jeder Lehrer die Anwesenheit. Wie kann es sein, dass das nicht aufgefallen ist?" Er sah jetzt auch Wagner an.

Der Schulleiter wurde immer bleicher. Langsam schien er nicht mehr zu wissen, was er sagen sollte. Sein Blick fiel auf Luca, der sofort auf den Boden sah und zurückwich. Erst zu spät merkte er, dass er sich durch sein Verhalten verraten hatte. Am liebsten wäre der Blonde im Boden versunken. Wie konnte er nur so blöd sein? Jetzt wussten alle, dass von ihm die Rede war.

Wagner hob die Augenbraue. „Ich weiß ja nicht, was der Junge Ihnen für Lügenmärchen erzählt hat, aber in meinem Unterricht wurde niemand gemobbt."

„Sie Lügner", fuhr Nicholas den Mann an und auch René schien aufgebracht, „Sie haben es ignoriert, genau wie alle anderen! Bis auf Neumann hat keiner von Ihnen eingegriffen!"

„Das heißt Herr Neumann", korrigierte Karl seinen Sohn.

René grinste, sagte aber nichts. Es schien fast, als hätte er gewusst, dass Karl seinen besten Freund zurechtweisen würde. Aber die Beiden kannten sich auch schon lange, da war das wohl normal.

„Als Luca", diesmal verwendete Nicholas' Vater seinen Namen, „nach dem Sportunterricht nicht in der Schule erschien, hat auch keiner nach ihm gesucht. Von der Turnhalle zum Schulgebäude dauert es zu Fuß zwar nur fünf Minuten, aber in diesen fünf Minuten hätte einiges passieren können! Luca hätte beispielsweise entführt werden können, oder von einem Auto angefahren. Solche Sachen passieren immer wieder. Was hätten Sie seinen Eltern gesagt? 'Tut mir leid, meine Kollegen schlampen bei der Anwesenheitskontrolle der Schüler, deswegen ist uns nicht aufgefallen, dass Ihr Sohn verschwunden ist.'?"

Je länger Karl redete, desto kleiner wurden Wagner und der Schulleiter.

„Und als das Bild von Luca an der Tafel auftauchte, ist da jemand auf die Idee gekommen, einzugreifen?", bohrte Karl weiter, „Spätestens da hätten Sie es bemerken müssen!" Er baute sich vor den beiden Männern auf. „Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie die Sache in den Griff bekommen?"

Wagner und der Direktor nickten.

Karl wandte sich an den Direktor. „Gut, dann kümmern Sie sich als erstes um die vier Schüler, die Luca seit Schuljahresbeginn fertigmachen, danach um Ihre unfähigen Lehrer. Dazu gehört auch, dass Sie Lucas Eltern anrufen und sich für den letzten Anruf, der getätigt worden ist, entschuldigen! Die Lügen, die Ihr Kollege Peters erzählt hat, haben Luca bestimmt Ärger gebracht. Das bringen Sie wieder in Ordnung! Sollte ich feststellen, dass Sie nichts unternommen haben, sehen wir und wieder. Aber nicht hier, sondern vor Gericht!"



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  chrono87
2013-12-25T22:02:34+00:00 25.12.2013 23:02
Ha ich hatte Recht, es ist der Vater! Der Mann ist wirklich ein Gott. Er weiß wie er mit solchen Leuten umgehen muss und bleibt dabei auch noch ruhig. Ich möchte nur erne wissen, ob der Direktor wirklich nichts von den Vorfällen wusste, oder ob es nur eine billige Ausrede war. Das Wagner versuchte seine Haut zu retten war auch klar. Was für ein Idiot. Zum Glück weiß Karl wie man Leuten gehörig über den Mund fährt.
Waren Thmoas und Co. noch anwesend? Ich meine, im letzten Kapitel waren sie noch da und Karl meinte auch, der Direktor solle sich um die vier kümmern, aber sonst ist von ihnen keine Rede.
Antwort von:  Seira-sempai
26.12.2013 13:29
Ja, Nicholas' Vater ist der beste. Thomas und co. waren noch da, hielten sich nur dezent im Hintergrund.
Seira


Zurück