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Auf den zweiten Blick

von

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DVD-Abend a la Benni und Julian

„Gleiche Klasse", antwortete Nicholas, eher er um die Bank herumlief und sich vor Luca aufbaute, „Sag mal geht es dir noch ganz gut? Du kannst doch nicht einfach nachts alleine durch die Gegend spazieren! Ist dir eigentlich klar, was alles hätte passieren können? Sei froh, dass du den Beiden über den Weg gelaufen bist. Julian mag zwar ein Aufreißer sein und er hatte sicher vor, dich abzuschleppen, aber er hätte dich niemals zum Sex gezwungen. Im Gegensatz zu den meisten Anderen, die hier rumlaufen, hätte er dich nicht vergewaltigt."

Erschrocken und mit geweiteten Augen starrte Luca ihn an. Daran hatte er nicht gedacht. Nicholas hatte recht, es war dumm von ihm gewesen, hierher zu kommen.

„Es tut mir leid", flüsterte er leise. Schon wieder standen ihm die Tränen in den Augen. Er biss sich auf die Unterlippe und versuchte, sie zu verdrängen.

„Jetzt sei doch nicht so streng mit dem Kleinen", schimpfte Julian, „Siehst du nicht, dass er kurz davor ist, loszuheulen? Wegen dir!" Er strich Luca tröstend mit der Hand über den Rücken.

Nicholas schnaubte. „Seit wann bist du so fürsorglich?"

Julian ignorierte ihn, während er ruhig auf Luca einredete. „Hör nicht auf den großen, bösen Jungen da. Der will dich nur ärgern. Weißt du, eigentlich ist er- Aua, was soll das?"

Nicholas hatte ihm eine Kopfnuss verpasst.

Benni, der bis jetzt nur schweigend daneben gestanden hatte, lachte. „Dass ihr zwei euch auch jedes Mal in die Haare bekommen müsst, wenn ihr euch seht... Ihr benehmt euch fast schon, wie ein altes Ehepaar."

„Ich bin nicht schwul!", meckerte Julian.

Nicholas grinste. „Ich weiß, du nimmst alles, was bei deinem Anblick nicht die Flucht ergreift."

„Was machen wir jetzt mit dem Kleinen?", unterbrach Benni die Streitenden, „Ich möchte ihn nur ungern hier sitzen lassen."

Die beiden Streithähne sahen zuerst zu ihm, dann zu Luca. Nicholas seufzte. „Wann fährt dein nächster Bus?"

„Morgen früh, halb Fünf", antwortete Luca ihm kleinlaut. Erst jetzt bemerkte er, dass die drei wohl eigentlich noch etwas vor hatten, ihn aber aus Höflichkeit nicht allein zurücklassen wollten. Er bekam ein schlechtes Gewissen. „Ihr könnt ruhig gehen. Ich komme schon klar."

„Nix da!" Julian schüttelte energisch seinen Kopf. „Du kommst mit! Wir wollten eh nur zu mir, einen Film angucken!"

Luca schaute die anderen Beiden an, um sicher zu gehen, was sie zu dem Vorschlag sagten. Benni nickte zustimmend und Nicholas schien ebenfalls nichts dagegen zu haben. Oder er ließ es sich nicht anmerken.

Julian stand auf und packte seine Hand. Widerstandslos ließ Luca sich hinterherziehen. Er hätte sich eh nicht wehren können. Und irgendwie hatte er den Eindruck, dass die drei vielleicht gar keine schlechten Menschen waren, auch wenn sie ihm immer noch etwas unheimlich waren.

Plötzlich blieb Julian stehen und Luca wäre beinahe in ihn hineingelaufen. „Da fällt mir ein: Wie heißt du überhaupt? Ich kann dich ja schlecht den ganzen Abend Kleiner nennen, oder?"

„Luca", antwortete der Sechzehnjährige.

„Also dann, Luca, auf geht's!"
 

Julians Zwei-Zimmer-Wohnung war gemütlich eingerichtet. In seinem Wohnzimmer stand ein großer Plasmafernseher, über dem eine große Wanduhr hing, und an der Wand gegenüber ein Sofa, das von der einen Ecke des Raumes bis zur anderen reichte. Vor dem Sofa stand ein kleiner Couchtisch, auf dem ein Stapel Sofakissen lag. Julian ging in die Küche und holte ein paar Flaschen Bier aus dem Kühlschrank. Diese stellte er auf den Couchtisch, nachdem er ihn von den Kissen befreit hatte.

„Willst du auch Bier?", fragte er Luca, der unschlüssig vor dem Sofa stehen geblieben war. Benni und Nicholas hatten es sich bereits mit einigen DVDs auf dem Sofa gemütlich gemacht.

„Ich habe auch noch Cola und O-Saft da", fuhr Julian fort.

„Cola bitte", sagte Luca leise.

Julian nickte. Dann packte er den Sechzehnjährigen an den Schultern und schob ihn zum Sofa, wo er ihn neben Nicholas platzierte. „Was schauen wir?", fragte er Nicholas und Benni.

„Wie wäre es damit?" Benni reichte ihm eine der DVDs, welche Julian, ohne einen Blick darauf zu werfen, in seinen DVD-Player legte.

Julian verschwand noch einmal kurz in die Küche und kam mit einem leeren Glas, einer Flasche Cola und einer Schüssel Flips wieder. Die Schüssel stellte er auf den Tisch, den Rest reichte er Luca. „Bitteschön."

„Danke." Zögernd nahm Luca das Glas und die Flasche entgegen. Er war es nicht gewohnt, dass Leute so nett zu ihm waren. Er goss sich etwas von der Cola ein und nahm einen Schluck. Lecker! Wie lange hatte er keine Cola mehr gehabt? Zu Hause trank er fast immer Leitungswasser. Das konnte er sich auch aus dem Bad holen und dann lief er Jochen nicht über den Weg.

„Wieso ist René eigentlich nicht mitgekommen?", erkundigte sich Benni, während im Fernseher der Vorspann lief.

„Er hat ein Date mit Becky", antwortete Nicholas.

Der Film begann und Luca stellte erleichtert fest, dass Benni und Nicholas sich für einen Actionfilm entschieden hatten. Er schien sogar recht gut zu sein, auch wenn Luca ihn noch nie gesehen hatte. Aber er schaute normalerweise auch keine Filme an. Er hatte noch nicht einmal einen Fernseher zu Hause. Jochen sah es nicht ein, mehr Geld für ihn auszugeben, als unbedingt nötig war.

Während des Filmes wurde ihm mehrmals die Schüssel mit den Flips unter die Nase gehalten. Er langte zu, froh endlich etwas in den Magen zu bekommen. Auch an der Cola nippte er öfters.

Als der Film zu Ende war, legte Julian einen weiteren ein. Dieses Mal eine Actionkomödie. Doch viel bekam Luca von dem Film nicht mit. Immer wieder fielen ihm die Augen zu, bis er schließlich einschlief.

Ein Rütteln an seiner Schulter weckte ihn. Verschlafen öffnete er die Augen.

„Na, gut geschlafen?", fragte ein grinsender Julian.

Zuerst schaute Luca ihn verwirrt an, doch dann erinnerte er sich an die Ereignisse der letzten Stunde.

Julian deutete auf die Uhr. „In einer halben Stunde fährt dein Bus."

Erschrocken sprang Luca auf. Sie waren vorhin eine Weile zu Julians Wohnung gelaufen!

„Wir bringen dich noch hin", schaltete sich Benni ein, „Schließlich wäre unsere ganze Arbeit umsonst, wenn du jetzt auf dem Weg von irgendwelchen Raudies überfallen wirst."

Dankbar lächelte Luca sie an. Er war sich nicht sicher, ob er den Weg gefunden hatte.

Zu Viert verließen sie die Wohnung. Julian und Benni liefen voraus und alberten herum, während Luca und Nicholas ihnen schweigend folgten. Am Busbahnhof warteten die drei sogar mit Luca auf dessen Bus. Erst als er in den Bus eingestiegen und dieser losgefahren war, gingen sie wieder.

Es begann, zu dämmern, und als Luca an seiner Haltestelle den Bus verließ, war die Sonne bereits am Horizont zu sehen. Er ging nach Hause und setzte sich vor die Tür, darauf wartend, dass Jochen ihn wieder hereinließ.

Plötzlich fiel ihm auf, dass er sich gar nicht bei den Dreien für ihre Hilfe bedankt hatte. Und dabei waren sie so nett zu ihm gewesen. Das musste er unbedingt nachholen!

Drei Stunden später öffnete seine Mutter ihm die Tür. „Hast du daraus gelernt?", fragte sie ihn leise. Sie wollte wohl ihren Ehemann nicht wecken.

Luca antwortete ihr nicht.

„Du weißt, dass Jochen dir nur helfen will. Er macht sich Sorgen um dich. Was ist dein Problem? Wieso machst du es ihm so schwer?" Seine Mutter sah ihn enttäuscht an. „Was hat er dir getan? Wieso hasst du ihn so sehr? Er versucht doch nur, dir ein guter Vater zu sein."

Luca ignorierte sie, wie seine Mutter ihn sonst immer ignorierte, wenn sie ihm nicht gerade ins Gewissen redete, und trat an ihr vorbei ins Haus.

In der Küche brodelte die Kaffeemaschine vor sich hin. Der Frühstückstisch war gedeckt, es standen ein Korb frische Brötchen, Marmelade, Nutella, Wurst, Käse und sogar gekochte Einer darauf. Aber nur zwei Teller. Einer für seine Mutter und einer für Jochen.

Leise schlich Luca die Treppe zu seinem Zimmer hinauf, am Schlafzimmer seiner Eltern vorbei und ließ sich erschöpft auf sein Bett fallen. Warum konnte er nicht, wie alle anderen, auch eine Familie haben, die ihn liebte? Warum konnte er nicht auch Freunde haben, wie alle Menschen um ihn herum? Was hatte er getan, dass er dieses Leben verdiente? Welches Verbrechen hatte er begangen, dass man ihn so strafte?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  mizzan
2014-01-07T10:30:40+00:00 07.01.2014 11:30
Benni und Julian scheinen ganz nett zu sein. Aber deiner Charakterliste entnehme ich, dass sie wohl nicht so wichtig sind. Aber ich hoffe, sie bekommen noch den einen oder anderen Auftritt.
Antwort von:  Seira-sempai
07.01.2014 20:03
Keine Sorge, sie bekommen noch den einen oder anderen Auftritt :-)
Von:  chrono87
2013-12-01T10:50:07+00:00 01.12.2013 11:50
Da hat Luca unverhofft noch zwei neue Freunde gefunden. Nicht jeder hätte ihn mitgekommen und ihn auch dort schlafen lassen.
Und dann wird er auch noch zum Bus gebracht. Sein Glück geht sogar noch weiter, denn er trifft nicht wieder auf Jochen. Nur seine Mutter ist wach... Die Frau merkt wirklich nichts mehr. Wie kann sie ihm die Schuld geben?
Antwort von:  Seira-sempai
01.12.2013 12:55
Freunde würde ich sie nicht nennen, eher Bekannte. Aber sie lernen sich noch näher kennen.
Ja, Benni und Julian sind wirklich nett. Warum sie mit einem Eisklotz wie Nicholas abhängen, ist unklar, aber sie werden schon ihre Gründe haben.
Lucas Mutter sollte vielleicht mal zum Psychater gehen. Dann würde sie vielleicht sehen, was Jochen wirklich für ein Mensch ist.
Seira


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