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Auf den zweiten Blick

von

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Eine überraschende Bitte

„Und vergessen Sie nicht, alle pünktlich zur Klausur zu erscheinen“, beendete Frau Spierling den Matheunterricht, woraufhin ein Großteil der Klasse aufstöhnte, dann verließ sie, gut gelaunt wie immer, das Zimmer.

René warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr, ehe er sich seine Jacke schnappte und aus dem Zim-mer stürmte.

Verwirrt schaute Luca ihm hinterher.

„Er hat sein Frühstück vergessen“, erklärte Rebecka und drehte sich zu Luca und Nicholas um. „Hier sind die aufgaben von gestern. Tut mir den Gefallen und schreibt es nicht wortwörtlich ab, sonst fällt es auf.“

Dankbar nahm Luca die Blätter entgegen. Ohne Hilfe hätte er die Aufgabe sicher nicht so leicht lösen kön-nen. Französisch lag ihm nicht.

Nicholas schien es genauso zu gehen, auch er schien erleichtert, die Lösungen bekommen zu haben.

„Warum gibst du ihnen die Lösungen, während wir alles selbst erarbeiten mussten“, schmollte Florian und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Genau“, pflichtete sein Bruder ihm bei.

„Luca ging es nicht gut“, rechtfertigte sich Rebecka.

„Und Nicholas?“, fragte Fabian.

„Der war zu beschäftigt damit, Kissen zu spielen“, sagte Florian halb ernst halb im Scherz.

„Ihr zwei seid echt unmöglich“, seufzte Rebecka, „Habt ihr eigentlich nichts besseres zu tun?“

Florian grinste. „Jetzt wo du es sagst. Wir wollten noch die Tafel einfetten und das Sitzkissen auf dem Lehrerstuhl nass machen.“

„Denkt an das warme Wasser“, mischte Thomas sich in das Gespräch ein. Er war von seinem Platz aufgestanden und kam langsam auf sie zu.

Luca hatte gar nicht bemerkt, dass er sich zu ihnen gesellt hatte, weil er sich die Lösungen für Französisch durchgelesen hatte.

„Farbe bietet sich auch an, sollte aber beim Waschen wieder raus gehen, sonst müsstet ihr die Sachen ersetzen.“, fuhr Thomas fort.

Florian betrachtete ihn kurz mit kraus gezogener Stirn. „Gute Idee. Das könnten wir testen.“ Er wandte sich zu seinem Bruder um die Vorteile roter Farbe gegenüber gelber auszudiskutieren.

Vor Luca blieb Thomas stehen. Er schien mit sich zu ringen, allerdings konnte sich der Blonde nicht denken, worum es gehen könnte.

„Kann ich dich um einen Gefallen bitten?“, fragte er an Luca gewandt.

Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da warf Ni-cholas ihm schon einen warmenden Blick zu, doch davon ließ der Blonde sich nicht stören. Auch wenn Nicholas anderer Meinung war, würde er Luca tun lassen, was er für richtig hielt.

„Worum geht es“, stellte Luca deshalb die Gegenfrage.

„Du bist doch gut in Mathe. Kannst du mir Nachhilfe geben? Mein Vater flippt aus, wenn ich wieder mit einer Vier nach Hause komme“, erklärte Thomas.

„Das fällt dir aber reichlich spät ein“, meinte Rebecka, „In den zwei Tagen, die du noch hast, wirst du den ganzen Stoff niemals lernen können.“

Da hatte sie recht, dachte Luca. Zugegeben, Thomas war nicht dumm. Eigentlich war er sogar recht intelli-gent, wenn es nicht um Leonie ging. Doch was nutzte ihm Intelligenz, wenn er selbst zu Faul war, im Unter-richt mitzuschreiben?

Luca seufzte innerlich. Er wusste, er könnte nicht ab-lehnen, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Thomas hatte ihm in den letzten Monaten mehrmals geholfen. Würde er sich nicht dafür revanchieren, würde er sich schlecht fühlen. Trotzdem behagten ihm die Sachen nicht ganz.

„Wann und wo?“, fragte Luca leise.

Auf Thomas‘ Gesicht bildete sich ein Lächeln und er atmete erleichtert aus. „Ich hatte gedacht, wir könnten heute Nachmittag zu mir gehen. Sara ist mit ihren Freunden weg, also würden wir unsere Ruhe haben.“

Der Blonde nickte. „Ich werde da sein.“

Nicholas, der das Ganze bis jetzt schweigend beobachtet hatte, warf Thomas einen finsteren Blick zu. „Du passt besser gut auf Luca auf! Wenn ihm etwas passiert, ziehe ich dich zur Rechenschaft!“

Thomas wich aufgrund des harschen Tones einen Schritt zurück, zeigte aber durch ein Nicken, dass er verstanden hatte.

Es klingelte und Thomas ging zurück zu seinem Platz.

Wenig später stürmte René zurück ins Zimmer. Heftig schnaufend zog er sich schnell die Jacke aus und ver-staute den Beutel, dessen Inhalt sein Frühstück ersetzte, in seinem Rucksack.

Gerade noch rechtzeitig, denn im nächsten Moment betrat ihr nächster Lehrer das Zimmer.

Eigentlich war es ja verboten, während der Schulzeit das Gelände zu verlassen, solange man noch nicht volljährig war, aber Luca glaubte nicht, dass jemand seinen Klassenkameraden verpetzen würde. Dazu kam er zu gut mit den anderen aus.

Lucas Blick wanderte zu Thomas. Was ihn heute Nachmittag wohl erwarten würde? Er wusste zwar inzwischen, wo sein Klassenkamerad wohnte, aber nicht, wie er lebte. Außerdem machten ihm Thomas‘ Eltern etwas Sorgen. Seit sie erfuhren hatten, dass er mit Mädchen nichts anfangen konnte, hatte er sie nicht mehr getroffen. Was sie wohl über ihn dachten? Würde es sie stören, dass er ihren Sohn besuchte.

Allerdings waren ihre Väter sehr gut befreundet, weshalb er glaubte, dass es nicht so schlimm werden konnte. Zumindest hoffte er das. Vielleicht traf er die beiden auch gar nicht, sie mussten schließlich arbeiten.

Der Blonde begann, noch einmal durchzugehen, was sie in Mathe bis jetzt behandelt hatten und einen Schlachtplan zu erstellen, wie er das Ganze in Thomas‘ Kopf bekam. Erst das nächste Klingeln riss ihm aus seinen Gedanken.

René angelte sich den Beutel aus seinem Rucksack und schüttete den Inhalt, ein paar Bananen, auf den Tisch, ehe er die erste aus ihrer Schale nahm und hineinbiss.

Rebecka beobachtete ihn dabei. „Isst du jetzt alle fünf Bananen mit einem mal?", fragte sie leicht irritiert.

„Nein!“ René grinste. „Hintereinander.“

Die Zwillinge prusteten laut los und auch auf Lucas Gesicht bildete sich ein Lächeln. Nur Nicholas zeigte keine Regung.

Luca schnappte sich sein Mathebuch, um die einzelnen Kapitel noch einmal kurz zu überfliegen, ehe er begann, sich ein paar Notizen zu machen. Mit Seitenzahl und Aufgabennummer.

„Du nimmst die Sache ziemlich ernst“, bemerkte Ni-cholas, der ihn dabei beobachtete.

Der Blonde hob die Schultern. „Ich will nur vorbereitet sein.“ Er hatte so etwas noch nie gemacht. Noch zu Beginn dieses Schuljahres hatte sich keiner für ihn interessiert und auch wenn er es nicht offen zeigte, gefiel es ihm, wirklich wahrgenommen zu werden. Endlich sahen die anderen ihn als Menschen, wie jeden anderen auch.

„Wenn ich dich ganz lieb darum bitte“, begann Florian, „gibst du mir dann auch einen Crashkurs in Mathe?“

René lachte auf. „Bei dir ist doch eh schon Hopfen und Malz verloren. Was soll Luca da noch retten?“

Der Zwilling schaute ihn leicht beleidigt an, ehe er gleichgültig mit den Schultern zuckte. „Dann lässt du mich eben abschreiben.“

„Ganz sicher nicht!“, rief Rebecka entrüstet, „Wenn du im Unterricht mal aufpassen würdest und nicht irgendwelchen Blödsinn mit deinem Bruder machen, hättest du auch deutlich bessere Noten!“

„Nicholas hat er auch abschreiben lassen“, rechtfertigte Florian sich und Fabian nickte zustimmend.

Das war etwas anderes gewesen. Der Schwarzhaarige hatte so verzweifelt ausgesehen, dass Luca nicht an-ders gekonnt hatte! Er tat als hätte er die Bemerkung nicht gehört und arbeitete weiter an seiner Liste. So schön er es auch fand, das diesmal Rebecka und René die Zwillinge ärgerten, er hatte keine Lust, sich daran zu beteiligen.

Nicholas scheinbar auch nicht, denn der Schwarzhaari-ge beugte sich verdächtig interessiert über seine Notizen. „Sei bitte vorsichtig“, flüsterte er, „und lass dich zu nichts überreden. Wenn Thomas dir komisch kommt, ruf du mich an und ich komme vorbei und rede noch ein Wörtchen mit ihm.“

„Reden?“ Luca hob die Brauen und schaute seinen Freund skeptisch an. „Bist du sicher, dass du nicht verhauen, vermöbeln oder verprügeln meinst?“

„Das auch“, gab Nicholas zu.

Luca wusste nicht, ob er Lachen oder Weinen sollte. Natürlich fand er es gut, dass sei Freund sich so um ihn kümmerte, aber manchmal übertrieb er es auch.

„Ich mache mir nur Sorgen um dich“, fuhr der Schwatzhaarige fort.

Die Worte erwärmten Lucas Herz. Er lehnte sich gegen seinen Freund. Leise antwortete er: „Ich werde vorsichtig sein, versprochen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Morphia
2014-11-26T20:25:23+00:00 26.11.2014 21:25
Heute vor einem Jahr wurde das erste Kapitel veröffentlicht. Happy Birthday "Auf den zweiten Blick"! 🎉
Antwort von:  Seira-sempai
05.12.2014 15:41
:-)
Jetzt, wo du es sagst...
Von:  dark-lucifer
2014-11-25T22:31:50+00:00 25.11.2014 23:31
oh gott, reichlich spät, aber kann ich mich auch noch für eine gedruckte version eintragen!?
ich habs erst jetzt gesehen >__<
Antwort von:  Seira-sempai
05.12.2014 15:41
Da ist nichts mehr von dir gehört habe:
Nächster Termin ist bei Fertigstellung der Fortsetzung / Nebengeschichte, die nächstes Jahr im Sommer abgeschlossen wird.
Von:  tenshi_90
2014-11-25T18:11:48+00:00 25.11.2014 19:11
Hm... Ich bin mal gespannt, wie der Nachmittag bei Thomas verlaufen wird.
Antwort von:  Seira-sempai
05.12.2014 15:40
Und ich erst...
Kleiner Scherz, ich weiß natürlich schon, was passieren wird.


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