Zum Inhalt der Seite

Für wen lächelt sie

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Das sonst so wohl frisierte, dunkle Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Erschöpfung und Ungläubigkeit lagen in seinen blauen Augen.

Katjuscha ließ ihm ein wenig Zeit, bis sie sich zaghaft räusperte. „Herr Edelstein“, setzte sie vorsichtig an. „Könnten wir dann über Ostgalizien sprechen?“

Es war jetzt immerhin schon über ein halbes Jahr her, seit sie ihre Unabhängigkeit verkündet hatte, aber Katjuscha verspürte immer noch eine tiefe Ehrfurcht gegenüber den Großmächten. Auch wenn Österreichs Macht inzwischen bröckelte.

Er sah sie an –eine starke, junge Frau mit einem Gewehr, dass sie über die Schulter gehängt hatte- und Katjuscha verspürte ein wenig Mitleid mit ihm.

Seine Frau hatte ihn verlassen.

Er hatte gegenüber der Entente kapitulieren müssen und damit den Großen Krieg verloren.

Sein gewaltiges Reich fiel in sich zusammen.

„Natürlich“, murmelte er jetzt mit schwacher Stimme und schien sich mit Mühe wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. „Ukraine, nicht wahr?“ Sie nickte. „Katjuscha Braginskaja.“

„Der Name.“ Österreich hob eine Braue, wahrscheinlich in Gedanken bei seinem ehemaligen Kriegsgegner.

„Ich werde ihn nicht ändern“, verkündete Katjuscha. „Ich bin wer ich bin und ich hoffe, dass die Leute mich eines Tages nicht mehr sofort mit meinem Bruder in Verbindung bringen werden.“ Sie räusperte sich. „Ich will nicht dreist sein, aber ich würde gerne Ostgalizien übernehmen. Du weißt, wir haben früher schon darüber gesprochen. Ich meine, in Ostgalizien leben so viele Ukrainer, dass ich zu behaupten wage, dass das Gebiet rechtmäßig mir zu steht.“

Österreich erwiderte müde ihren erwartungsvollen Blick. „Diese Tatsache ist mir durchaus bewusst. Ich befürchte, dass ich in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr selbst über meine Gebiete bestimmen werden kann. Deswegen werde ich es mir ein letztes Mal erlauben, ein Gebiet selbst zu übergeben.“ Ein bitteres Lächeln. „Ostgalizien soll also an die Ukraine gehen.“
 

„Feliks, bitte.“ Ihre Stimme zitterte leicht, aber das Gewehr hielt sie fest in den Händen. Polen kniete vor ihr im Staub, eine tiefe Entschlossenheit brannte in seinen grünen Augen.

„Das kannst du total vergessen!“, fauchte er und wischte sich das Blut von der Stirn. „Du kriegst dieses Gebiet nur über meine Leiche.“

Katjuscha richtete den Gewehrlauf auf seinen Kopf, aber jetzt zitterte auch der Finger, der gegen den Abzug drückte.
 

Katjuscha rannte so schnell sie konnte. Sie wusste nicht, ob man sie verfolgte, ob Feliks sie jagte, ob ihr die Flucht glücken würde. Aber sie wusste, dass ihre Truppen den Polnischen nicht standhalten konnten und deswegen musste sie rennen, aus der Stadt fliehen und durch Wiesen und Wälder. Man durfte sie nicht kriegen. Sie durfte ihr Land nicht in Gefahr bringen.
 

Schüsse halten. In Katjuschas Ohren erklangen Schreie und Explosionen. Sie wankte durch Trümmer, durch Ruinen. Blut rann ihr den Arm herunter.

War sie verletzt worden? Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass um sie herum alle starben und es war ihre Schuld. Nein! Es war Polens Schuld.
 

Katjuschas aufgeschürfte Hände schlossen sich um den Stock, einen erbärmlichen Ersatz für eine Waffe. Ihr Blick war angstvoll auf Feliks’ höhnisches Grinsen gerichtet.

„Weißt du“, sagte er und seine Stimme klang ein wenig selbstgefällig. „Die Großmächte haben mir Unterstützung geschickt. Eigentlich sollte ich damit ja gegen deinen Bruder kämpfen. Aber ich habe mir gedacht, dass ich erst dich total fertig mache. Und es ist mir ja so was von egal, was die Großmächte dazu sagen.“
 

„Oh Gott, nein! Bitte, das kann nicht wahr sein!“ Katjuscha starrte ihr Gewehr an, als könne das ihr helfen. Ausgerechnet jetzt bemerkte sie, dass ihre Munition aufgebraucht war.

Sie biss die Zähne zusammen und ließ langsam die Arme sinken. Die Polen würden bald da sein. Sie konnte aufgeben. Katjuscha hatte Angst, aber sie straffte die Schultern und beschloss, dass sie nicht mehr wegrennen würde. Es war vorbei.
 

Katjuschas Hand zitterte leicht, als sie ihre Unterschrift setzte. England und Frankreich sahen ihr ernst dabei zu, während Polen seinen Kugelschreiber zwischen den Fingern drehte und lächelte.

Der Krieg war zu Ende. Die Großmächte hatten entschieden, wie sie es immer taten. Ostgalizien war an Polen gefallen. Dafür hatte er ihr militärische Unterstützung gegen Russland versichert. Gegen ihren Bruder.
 

*
 

Langsam schlug Katjuscha die Augen auf. Sie lag in ihrem Bett, in ihre warme Decke gehüllt und zitterte. Diese Erinnerungen schienen einfach nicht weggehen zu wollen.

Der Große Krieg war vorbei, doch nun setzten die Kleinkriege ein; da waren Nationen die plötzlich unabhängig waren, Gebiete, die niemandem mehr gehörten.

Als Katjuscha ihre Unabhängigkeit ausgesprochen hatte, hatte sie nicht geahnt, in was für einen Machtkampf sie sich katapultiert hatte. Auf einmal war sie auf sich selbst gestellt und niemand, den sie früher gekannt hatte, schien auf ihrer Seite.

Dagegen sah sie sich von zwei Seiten her bedroht.

Da war Ivan, der sie für seine Union von sozialistischen Staaten gewinnen wollte.

Und da war Feliks, der weiterhin nach ihren Gebieten gierte.

Es war schwerer, sich in der Welt zu behaupten, als Katjuscha gedacht hatte. Am liebsten würde sie einfach im Bett liegen bleiben. Aber natürlich ging das nicht, es gab Arbeit zu erledigen.

Seufzend stand Katjuscha auf.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Historischer Hintergrund:
Der Polnisch-Ukrainische Krieg 1918.

Ich würde mich riesig über Kommentare freuen! Also schreibt mir ruhig eure Meinung dazu, Fragen, Verbesserungsvorschläge oder einfach eure Gedanken. :D Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2013-11-16T20:48:58+00:00 16.11.2013 21:48
Super.
Eine mögliche Erklärung was bei Hetalias Oststaaten wohl im Jahr 1918/1919 abgegangen sein musste.
Katjuscha grade unabhängig und muss sich schon gegen viele andere mächtige Ostländer behaupten. Darunter ihr Bruder.

Ich hoffe im nächsten Kapitel geht es um Toris und Natalya.

Ich freu mich
LG


Zurück