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Behind The Mirror

von

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Spieglein, Spieglein

Das Essen zog sich für mich in eine kaum aus haltbare Länge und ich war froh endlich wieder in mein Zimmer gehen zu können, auch wenn dieser fast leerer Raum sich nicht nach Schutz anfühlte oder danach sich wohl zu fühlen. Es war kein kleines Zimmer, aber karg und weiß. Ich verstand nicht warum dieses Zimmer weiß gestrichen war, alle anderen Zimmer waren farbig gestrichen und eingerichtet, auch das Gästezimmer. Nur meins nicht, als wollten sie mir zeigen nicht erwünscht zu sein. Deprimiert ging ich zu meinem Bett und nahm das Handy wieder in die Hand. Zwei neue Nachrichten. Ich öffnete WhatsApp und ging wieder in den Chat mit meinem besten Freund.

»Klingt ja super... Lass dich nicht unterkriegen, wir sind alle für dich da, wenn auch nicht körperlich«

»Melde dich auch mal wieder bei den anderen. Die würden sich freuen auch mal wieder persönlich von dir zu hören«

Ich tippte eben eine Nachricht ein in der ich sagte dass ich dies die Tage tun würde, sobald ich die kraft dafür aufbringen konnte mich ihnen zu stellen. Chris, so hieß mein bester Freund, schrieb mir kurz darauf wieder eine Nachricht und so schrieben wir den ganzen restlichen Abend auch weiter. Es tat gut wieder mit jemanden reden, bzw schreiben, zu können der einen kannte und dem man was bedeutet. Er erzählte mir was in der letzten Zeit so passiert ist und ich schrieb was hier so los war. So verging die Zeit und es wurde Nacht. Von meinen Großeltern hatte ich nur selten mal die Schritte an meiner Zimmertür entlang gehört, sich bei mir gemeldet hatten sie zum Glück nicht. Irgendwann spät abends sagte ich Chris dann gute Nacht, zog mich um und ging schlafen.
 

Die Sonne die durch mein Zimmer schien weckte mich am morgen. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass wir neun Uhr hatten und jeden Moment meine Großmutter zum Frühstück rufen würde. Also stand ich auf, zog mich an und kaum das ich mir meinen Pulli über den Kopf gezogen hatte erklang auch schon ihre anstrengende Stimme, die mich zum Frühstück rief. In der Küche angekommen setzte ich mich an den Tisch und sah auf das Titelblatt der Zeitung aus dem Umkreis, die mein Großvater gerade am Lesen war. 'Noch ein Teenager spurlos verschwunden' 'Bei Informationen bitte an die Örtliche Polizei wenden' daneben die zwei Bilder der anscheinend verschwunden Teenager. Ich runzelte die Stirn, selbst hier in einem so ruhigen Dorf, mitten im Nirgendwo, wo es eigentlich keine Möglichkeiten gab für Teenager einfach abzuhauen, verschwanden diese Spurlos? So was kannte ich eher aus meiner alten Stadt, in Großstädten war dies wesentlich einfacher. Man lernt wohl nie aus. Als meine Großmutter sich zu uns an den Tisch setzte und wohl auch gerade das Titelblatt las schnaubte sie verächtlich. „Ich kenne die Mutter von diesem Mädchen da, sie ist die Tochter von Gisela. Eine nette Frau, macht viel für die Gemeinde. Sie hat letztes Jahr am Pfarrfest den Kuchen verkaufst, weißt du noch, Willi? Kann man mal sehen, wer weiß, was sich hinter verschlossen Türen abgespielt hat, dass das Mädchen abgehauen ist? Ich bin sicher es liegt am Vater. Angeblich trinkt er am Wochenende zu viel in der Kneipe. Hat sie sicher geschlagen, warum sonnst sollte ein Kind einfach abhauen.“ Mein Großvater sah sich nochmal das Titelblatt an, zog eine Augenbraue hoch, schüttelte den Kopf und legte dann die Zeitung weg. „Vielleicht sind die beiden auch zusammen Abgehauen? Der Junge ist der Sohn von Thomas, ein Problemkind, so wie ich es mitbekommen habe. Würde mich nicht wundern, wenn er das Mädchen dazu angestiftet hat. Solche Jungs sind nie ein guter Einfluss.“ Meine Großmutter nickte verständnisvoll. Ich war sprachlos über diese Szene am Frühstückstisch. Wie konnte man denn nur so sein, wie die beiden gerade? Ich war mir sicher, in ein paar Stunden erzählte meine Großmutter es einer der Nachbarn oder ihren Freundinnen bei einem ihrer Gemeinde Treffen, so als wäre es die Wahrheit und eine Tatsache und nicht aus den Fingern gezogen. Ich hasste die beiden und vor allem dieses Dorf, immer mehr.
 

Ich zog mir meine Schuhe an und griff meine Jacke da hörte ich schon wieder die schreckliche Stimme meiner Großmutter. „Wo willst du hin? Hattest du noch vor uns Bescheid zu sagen? Du kannst hier nicht machen, was du willst, hörst du?“ Sie holte gerade Luft um mit ihrem Vortrag fortzufahren, da redete ich ihr dazwischen. „Tut mir Leid, ich hätte früher was sagen sollen. Ich wollte nur was raus, frische Luft schnappen und mir das Dorf etwas angucken. Ich bin nicht zu lange weg.“ Sie kniff die Lippen zu einer schmalen Linie und ich sah ihr an, das die innerlich mit mich weiter an meckern oder es gut sein lassen, weil ich mich entschuldigt hatte, kämpfte. Zum Glück entschied sie sich für letzteres. „Sei zurück bevor es dunkel wird. Ich hab keine Lust mir nachher noch von den Nachbarn anhören zu müssen wir hätten einen zwielichtigen Streuner aufgenommen. So dunkel wie du rumläufst halten sie dich nachher noch für einen Einbrecher. Das fällt nur wieder auf mich zurück.“ Ich nickte und verließ dann schnell das Haus. Diese Frau war ein Monster, wie konnte man sich denn nur so sehr auf die Meinung anderer Versteifen. Mir war es herzlichst egal, was die Nachbarn von mir und vor allem von diesen schrecklichen alten Leuten, dachten.

Bis zum Marktplatz waren es nur ein paar Minuten und man konnte schon von weitem die Stände vom Trödelmarkt sehen. Dort angekommen, wunderte es mich dass ich die einzige Person, neben dem Standbesitzer, war. Ich sah mich ein wenig um zwischen den Paar wenigen Tischen. Es war nichts interessantes zu finden. Ein paar alte Bilder, Uhren die nicht mehr liefen oder sogar schon ein paar Teile fehlen, zwei Stühle, ein alter Kronleuchter und ein alter Kaffeetisch waren das nennenswerteste unter all dem Kram. Einen Antik Trödelmarkt hatte ich mir anders vorgestellt, aber was will man hier in dem Dorf auch erwarten. Das so was hier überhaupt stattfand, war für mich schon ein Wunder. „Hast du was gefunden, was dir vielleicht gefällt, Junge?“ Ich zuckte leicht zusammen als der Standbesitzer plötzlich neben mir stand und mich ansprach. „Eh... Nein. Bisher noch nichts.“

„Hast du denn eine Vorstellung von dem, was du hoffst zu finden?“ Erwartungsvoll sah der Mann mich an. „Nein, eigentlich nicht. Ich wollte mich nur mal so umsehen.“, sagte ich wahrheitsgemäß. Irgendwie war der Mann mir nicht geheuer. Er war groß, dünn und um die vierzig, hatte kurze dunkelbraune Haare, die an manchen stellen schon ergraut waren und sah im allgemein sonst ganz normal aus, würde ich mal sagen und dennoch gefiel mir irgendwas an ihm nicht. Ich ließ meinen Blick über die letzten Tische und Möbel streifen, bis mir ein großer, aber schmaler, Bodentiefer, schwarzer Spiegel auffiel. Ich ging zu ihm und sah mich im Spiegel an, so gut es eben ging, denn das Glas war nicht mehr wirklich reflektierend, es schien wohl nie gewechselt worden zu sein, auch der Rahmen wies starke Gebrauchsspuren auf. Die Farbe war abgesplittert und an manchen stellen waren Tiefe Kerben im Holz. „Interesse?“ Fragte der Verkäufer. Ich wusste nicht warum, aber ich hatte wirklich Interesse an dem Spiegel. Er sah ungepflegt und vernachlässigt aus, ungeliebt und nicht beachtet. Er sah aus, wie ich mich derzeit fühlte. „Ja. Wie viel kostet er?“ Der Mann, der sich mittlerweile neben mich gestellt hatte, überlegte kurz und wiegte dabei den Kopf hin und her. „Eigentlich hätte er 80€ gekostet, allerdings hat vor zwei Wochen ein Junge, in einem der Nachbardörfer, ihn um geschmissen, deswegen sieht er jetzt so ramponiert aus. Ich war froh das die Scheibe nicht gesprungen ist, dann wäre er wirklich nichts mehr Wert gewesen. Ich gebe ihn dir für 20€, in dem Zustand werde ich ihn sonst nicht mehr los. Die alten Leute hier in der Gegend versuchen auch nur jeden mickrigen Euro zu sparen. Bei einer kleinen Beschädigung wollen sie direkt mehr als die Hälfte des Preises runter. Bei antiken Gebrauchsgegenständen, wie soll man so nur über die Runden kommen.“ Verwundert über diesen Monolog zog ich eine Augenbraue hoch. Erwartete er das ich darauf einging? Ich war leicht überfordert, ich war nicht davon ausgegangen, dass er mit so was um die Ecke kam. „Tut mir Leid, du hast sicher keine Lust dir irgendein Gemecker von einem Fremden Antiquitätenhändler anzuhören.“ Er lachte kurz und sah mich dann immer noch lächelnd an. Ich holte mein Portmonee raus, öffnete das Geldfach und nahm 20€ raus. „Schon in Ordnung, es tut gut mal nicht irgendwelche ausgedachten Lügengeschichten über die Nachbarn zu hören.“ Ich versuchte mich in einem Schmunzeln und gab ihm das Geld. „Ich bedanke mich. Brauchst du Hilfe bei dem Spiegel, oder schaffst du das alleine?“

„Ich denke ich schaff das schon. Ich wohne nur die Straße rauf.“ Er nickte und ging dann wieder an einen seiner Stände. Ich sah den Spiegel an und das erste mal seit ich ihn sah, fragte ich mich wie meine Großeltern wohl reagieren würde, wenn ich mit dem Ding vor ihrer Türe stehen würde. Das würde Stress geben. Ob sie mich überhaupt mit dem Ding ins Haus lassen würden? Ich seufzte einmal und ging mir mit der Hand durchs Gesicht. Ich musste es einfach versuchen, also ging ich zum Spiegel und hob ihn an. Er war viel schwerer als gedacht. So einfach würde es also doch nicht werden ihn alleine nach hause zu tragen.
 

Endlich zuhause angekommen, aus der puste und leicht verschwitzt, stellte ich ihn erst mal vor der Türe ab. Ich sollte wohl mehr Sport machen. Ich drückte die Türklinge nach unten und stellte fest das die Haustüre verschlossen war. Meine Großeltern waren anscheinend nicht zuhause, zu meinem Glück, sonst wäre die Türe offen. Ich hab schnell festgestellt, das die Haustüren hier nur nachts verschlossen wurden. Mir als Großstadtkind ein völlig Unding. Aber so blieb ihnen das neue Möbelstück wohl vorerst unbekannt. Ich zog also meinen Hausschlüssel aus der Hose, schloss die Tür auf und ging, zusammen mit dem Spiegel ins Haus. Das Ding die Treppe hoch zu bekommen war alleine eine echte Herausforderung, aber nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich es endlich geschafft. Vollkommen aus der Puste, stellte ich den Spiegel an die Freie Wand neben meinem Bett, von da konnte man ihn zum Glück auch nicht direkt sehen, wenn man in mein Zimmer kam oder guckte. Ich zog mir den Ärmel meines Pullovers über das Handgelenk und wischte damit einmal über das Glas, um es sauber zu machen. Es änderte sich allerdings nichts, dabei sah es jetzt von nahem so aus, als würde es nur Staub und Dreck sein, warum man sein Spiegelbild nicht sehen konnte. Verwundert fasste ich mit der Hand auf das kühle Glas.

Ein Ruck ging durch meinen Körper, durch den ich das Gleichgewicht verlor und nach vorne, mit dem Gesicht voran, auf den Boden flog. Ich landete mit dem Gesicht direkt auf staubigen alten Holzdielen. Holzdielen? Mein Zimmer hatte doch Teppich? Während ich auf dem Boden lag, sah ich mich um und stellte fest, das war eindeutig nicht mehr mein Zimmer. Wo war ich? Ich richtete mich langsam auf und klopfte mir den Staub von der Kleidung. Ich stand in der Mitte einer Holzhütte, die ihre besten Tage schon hinter sich hatte. Das Dach hatte Löcher, durch die die letzten goldgelben Strahlen einer untergehenden Sonne schienen und durch verdreckte und zerbrochene Fenster konnte ich einen Wald sehen. Ich ging auf die Tür zu, die nur noch halb in den Angel hing und verließ die Hütte. Um mich herum war nichts außer der Wald, den ich schon von drinnen sehen konnte. Die Hütte stand alleine und verlassen irgendwo in diesem. Neugierig geworden ging ich ein Stück weiter in den Wald, aber nur so weit, wie ich die Hütte hinter mir noch sehen konnte. Um mich herum wurde es langsam immer dunkler und über mir flogen ein paar Glühwürmchen. Oder waren das keine Glühwürmchen? Ich dachte ich hätte da ein paar Arme und Beine gesehen, aber das war absurd. Obwohl, meine Anwesenheit an diesem Ort war genauso Absurd. Ich schüttelte den Kopf und ging wieder zurück zur Hütte. Dort stand ebenfalls ein Spiegel, ähnlich wie der, den ich in meinem Zimmer hatte. Er sah ähnlich verwittert aus, doch der Rahmen was nicht so beschädigt wie bei meinem. Und dennoch wirkte er, als passe er nicht zum Rest hier. Er sah elegant aus, von der verdreckten Glasscheibe mal abgesehen, denn der Rahmen war es nicht, und alles andere in der Hütte war schlicht und einfach. Aus Holz und komplett eingestaubt. Um zu gucken, ob diese Scheibe wirklich nur verdreckt war, oder ob es wie bei meinem nur so aussah, wischte ich wieder mit dem Ärmel über das Glas. Und tatsächlich war es auf diesem Spiel nur Dreck. Ich klopfte mir den Schmutz vom Ärmel und sah wieder auf den Spiegel. Wie kam ich denn jetzt wieder zurück? Auf gut Glück, berührte ich den Spiegel wieder und genau wie beim ersten mal ging ein Ruck durch meinen Körper und das nächste was ich sah, war mein Zimmerboden der sich schnell meinem Gesicht näherte.

Ich drehte ich mich auf den Rücken und rieb mir die schmerzende Stirn. Das musste ich unbedingt nochmal üben, nachher brach ich mir bei einem Sturz noch die Knochen oder schlimmer.



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