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October to May

Intermezzo With A Stranger
von

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Hello

Drei Jahre später, 16. Mai …
 

„Urgs, wieso ist das denn wochentags hier so gerammelt voll? Haben die alle nichts zu tun?!“, murrte ich halbherzig, während ich mich hinter Tetsu durch die Menge einer Einkaufspassage schob, die tatsächlich selbst für Tokyo in diesem Moment ungewöhnlich dicht war.

„Keine Ahnung, vielleicht ein Schlussverkauf“, stellte mein bester Freund seine Vermutungen an, „guck doch mal, Doiha, das sind fast alles nur Frauen. Scheint wohl irgendwo ein neues Geschäft aufgemacht zu haben und jetzt gibt es Sonderangebote bis zum Umkippen. Wir könnten ja mal-“

„Nein!“, fuhr ich ihm entschieden dazwischen und packte ihn am Ärmel, um ihn bloß nicht zu verlieren, „geht uns nichts an, was hier ist.“

„Ich weiß, ich weiß. Wir sind ja sowieso schon spät dran“, entgegnete Tetsu zwar, aber ich konnte das sehnsuchtsvolle Seufzen in seiner Stimme nur allzu deutlich hören.

„Du meinst wohl, du bist spät dran“, korrigierte ich ihn deshalb und warf einen grinsenden Blick über die Schulter, „du hast dich echt kaum ein Stück verändert, seit wir aus der Uni raus sind. Immer noch alles auf den letzten Drücker.“

Er streckte mir die Zunge heraus und griff nun auch seinerseits nach dem Träger meiner Umhängetasche, weil das Gedränge wirklich ziemlich eng war. Doch was er auch tat oder sagte: Ich hatte vollkommen recht – das sahen auch andere so, und immerhin waren wir nun alle drei Jahre älter. Ken hatte es mittlerweile zum Doktoranden geschafft, Yuki hatte noch immer seine alte Arbeit, die ihm trotzdem noch sehr viel Spaß machte, Tetsu stand mit seiner Stelle bei einem Indie-Label ebenfalls mitten im Leben und ich hatte auch etwas in meiner Richtung ergattern können und restaurierte nun alte Handschriften im nationalen Literaturarchiv. Ich war vor Freude fast im Dreieck gesprungen, als ich die Zusage bekommen hatte, und auch danach hatte dieses Gefühl nicht nachgelassen. Ohne Zweifel, ich mochte meinen Job, ich mochte ihn so sehr, dass ich mir gar nicht so oft frei nahm, sondern lieber weiter an den Handschriften arbeitete, sie untersuchte und wieder herrichtete, damit man sie studieren oder der Öffentlichkeit zeigen konnte.

Heute war allerdings einer meiner seltenen freien Tage und als ob das Schicksal es gewusst hätte, hatte es mir doch noch etwas aufgeladen. Oder ich gab ganz einfach Tetsu die Schuld daran, denn er war es schließlich, der seinen eigenen Jahrestag mit Ayana vergessen hatte und mich jetzt durch Tokyos zahlreiche Kaufhäuser schleifte, um noch in letzter Minute ein Geschenk für den besonderen Anlass zu besorgen. Es war immerhin das Fünfjährige der beiden und er befürchtete – zurecht, wie ich annahm – dass Ayana ihn sonst aufs Übelste bestrafen würde. Seinen Kopf würde sie schon dran lassen, aber ich vermutete, dass sie ihn sträflich ignorieren und Tetsu dann ständig seine Freunde – mich, Ken und Yuki – vollheulen würde, wie schlecht es ihm doch ging. Ken würde das mit einem „Du fauler Sack hast es verdient“ abwinken und ihn dann bei mir abliefern, aber so sehr ich Tetsu sonst auch mochte, das konnten meine Nerven auf die Dauer nicht aushalten. Da rannte ich lieber durch die halbe Stadt, als mir das anzutun.

Nun, zurück zum Kaufhaus und den Leuten und dem, was ihre Aufmerksamkeit so sehr auf sich zog, dass sie es noch nicht einmal bemerkten, wenn man sich entschuldigend und winkend an ihnen vorbeiquetschen wollte. Einige von ihnen schienen sogar zu denken, dass wir uns an ihnen vorbeidrängeln wollten, um uns einen besseren Platz zu sichern. Und genau das war es wohl, warum das ganze Tamtam so langsam auch mein Interesse erregte – man war schließlich Mensch und damit ziemlich neugierig. Aber so sehr ich den Hals auch reckte, ich war gerade einmal groß genug, um die Köpfe der Menge zu sehen, und einfach viel zu klein, um auch nur ansatzweise etwas erkennen zu können.

„Sieht so aus, als wäre irgendein Promi hier“, warf Tetsu ein, dem die ganzen kleinen Mädchen direkt vor seiner Nase eine bessere Sicht zu bescheren schienen (und natürlich war er auch etwas größer als ich), „die haben da vorne einen Glaskasten aufgebaut und da sitzt jemand drin. Für's Radio, denke ich. Bestimmt so ein Schönling aus dem Fernsehen, deshalb stehen die ganzen Mä- …“

„Ja?“ Ich hatte es mittlerweile aufgegeben, selbst etwas erkennen zu wollen, und sah nun stattdessen verdutzt zu meinem besten Freund, nachdem der mitten im Wort einfach nicht mehr weitergesprochen und stattdessen die Augen für einen Moment aufgerissen und den Mund dann schlagartig zugeklappt hatte. „Was ist? Wer ist es denn nun?“

„Äh … niemand“, stammelte Tetsu jedoch und machte mir damit nur umso deutlicher, was ich schon vermutete: Irgendwas stimmte da nicht. Und dass er auf einmal hartnäckig versuchte, mich wieder zum Gehen zu bewegen, machte es nicht unbedingt besser. „Lass uns nicht länger rumstehen, sonst lyncht mich Ayana noch. Wir haben nicht mehr so viel Zeit, was Gutes zu finden.“

„Sind wir für die Spielchen nicht ein bisschen zu alt?“, witzelte ich, reckte mich aber trotzdem noch einmal, in der Hoffnung, dass die zwei Schritte, die mich Tetsu weiter nach vorn geschubst hatte, mir ein wenig mehr Sicht verschafft hatten.

„Doiha, bitte. Ich will nicht, dass-“

Aber was er wollte, erfuhr ich nicht mehr, denn der Mob vor uns begann plötzlich zu kreischen und mit den Armen in Richtung des Glaskastens zu wedeln, den ich nun mittlerweile auch sehen konnte. Und ich wollte meinen Ohren nicht trauen, als ich erkannte, was sie da riefen: „Gackto-san! Gackto-saaaaan!!!“

Nein, das war er nicht. Es gab sicher hunderte, tausende von Menschen, die diesen Namen trugen. Tetsu hatte vermutlich recht und es war nur ein Schönling aus dem Fernsehen, der den jungen Mädchen und den Frauen mittleren Alters für ein paar Monate den Kopf verdrehte, ehe er wieder in die vollkommene Vergessenheit hinabrutschte. Es war Zufall, nur ein Zufall, nur … war es nicht, denn ich bemerkte nun, wieso sie plötzlich mit dem ganzen Lärm begonnen hatten: In dem Glaskasten war jemand aufgestanden, der der Menge in einer Mischung aus Schüchternheit und Freundlichkeit zuwinkte. Außer seinen durchgestylten blonden Haaren konnte ich nur noch seinen linken Arm erkennen, an dessen Handgelenk ein Band aus großen schwarzen Kugeln hing.

„Doiha …“, unternahm Tetsu einen erneuten Versuch, meine Aufmerksamkeit zu erlangen und mich aus der Menge zu schieben. Doch es war zu spät. Ich war nun selber nicht besser als die drängelnden, quietschenden Menschen, als ich mir mit der Ellenbogentechnik meinen Weg nach vorne erkämpfte. Ich wollte an das Glas, ich wollte unbedingt sehen, wer dort war. Ich war nur nicht sicher, welche Erkenntnis mir lieber war: Dass ich mich geirrt hatte oder dass dort vorne tatsächlich Gackt saß, Gacchan, und sich bejubeln ließ. Und wenn er es war, wie würde er dann reagieren, wenn er mich sah? Wie würde ich reagieren?!

Ich hatte schon lange nicht mehr an ihn gedacht und das war auch gut so, denn die Zeit nach unserer endgültigen Trennung war noch viel schlimmer gewesen als die unserer vorübergehenden. Es hatte mich jede Menge Kraft, Nerven und schließlich auch Tränen gekostet, bevor es wieder bergauf gegangen war, bevor ich wieder nach vorne hatte blicken können. Und meine Freunde hatten erneut alle Hände voll zu tun gehabt, damit ich nicht vollkommen abstürzte und am Ende vielleicht noch … sie hatten es wirklich nicht leicht mit mir gehabt und nun … begann alles wieder von vorn?

Womöglich sollte ich nicht hingehen, ich hatte noch immer Zeit, einfach stehenzubleiben und mich stattdessen wieder nach hinten aus der Menge herauszukämpfen – einfach mit Tetsu weiter durch die Läden zu ziehen und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Die Person da vorne, wer auch immer sie war, ging mich nichts an, sollte mich nicht interessieren … und doch tat sie es, denn ich hatte den Ausdruck auf Tetsus erschrockenem Gesicht gesehen, und das sagte mir eigentlich schon alles, was ich wissen musste.

Ich konnte es nicht lassen, ich konnte es einfach nicht: Ich brachte auch noch die letzten beiden Reihen von Menschen hinter mich, die zwischen mir und dem Glaskasten standen, und sah ihn dann endlich. Er hatte einiges mit seinen Haaren gemacht und er trug unverkennbar MakeUp. Aber ansonsten war es wie eine Reise in die Vergangenheit. Gacchan … er konnte noch so sehr versuchen, eine höfliche und bescheidene Miene an den Tag zu legen, sein diebisches Lächeln kam immer wieder an die Oberfläche und ließ die Mädchen um mich herum in Verzückung aufseufzen. Wenn sie nur wüssten …

Gackt bemerkte mich nicht, obwohl ich direkt auf der anderen Seite der Scheibe stand. Er war anscheinend viel zu sehr in das Gespräch mit dem Mann vertieft, mit dem er an einem Tisch saß. Der hielt ihm ein Mikrophon hin, auf dem das Logo eines bekannten Radiosenders abgebildet war, und Gackt sprach ungeniert hinein. Bisher hatte ich nicht darauf geachtet, doch hier vorne konnte man tatsächlich hören, was im Inneren des Kastens gesagt wurde.

„Nun, Gackt-san“, ergriff der Radiomoderator wieder das Wort, „Sie sind gerade erst am Anfang Ihrer Karriere und haben die Herzen unserer weiblichen Hörer trotzdem schon im Sturm erobert. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis? Was inspiriert Sie?“

„Hm“, machte Gackt erst einmal, als das Mikro erneut an ihn gereicht wurde, und machte dann eine kurze Pause, in der er sich über die Lippen leckte. Er sah hinreißend dabei aus. „Ich denke, Sie werden enttäuscht sein, wenn ich diese Frage beantworte. Mich inspiriert alles. Die großen und auch die kleinen Dinge des Lebens. Das schreibt wirklich die besten Geschichten und es fühlt sich dann alles … echter an, denke ich.Es gab da auch einmal jemanden, der mir wichtiger war als jeder andere Mensch. Wir haben mittlerweile keinen Kontakt mehr, aber aus unserer gemeinsamen Zeit stammen meine kostbarsten Erinnerungen. Sie geben mir sehr viel Kraft.“

Meinte er etwa mich? Nein, das konnte nicht sein. Er hatte mich niemals geliebt, also musste er an jemand anderen denken. Jemanden, den er nach mir kennengelernt hatte … oder vorher. Das würde auch erklären, warum er mich nie geliebt hatte, obwohl wir uns so nahe gewesen waren.

Mein Blick verschwamm und ich wischte mir schnell mit der Hand über die Augen. Ich konnte es jetzt nicht gebrauchen, hier in Tränen auszubrechen. Ich wollte nicht wieder so schwach sein, ich durfte nicht.

Doch als ich mich gerade abwenden und gehen wollte, kündigte der Radiomensch etwas an: „Hier gibt es für Sie, liebe Hörer, nun exklusiv den ersten Live-Auftritt der neuen Single von Gackt. Sie haben sie schon fleißig gekauft und ihm damit eine weitere Platzierung unter den Besten verschafft, aber ich versichere Ihnen, dass es sich lohnt dabeizubleiben. Hier ist Vanilla!“

Und tatsächlich: Von mir unbemerkt war Gackt aufgestanden und hatte sich in den hinteren Bereich des Glaskastens zurückgezogen, wo bereits ein paar Musiker mit ihren Instrumenten auf ihn warteten. Ich erkannte You und Chacha und noch zwei weitere Männer. Warum waren sie mir vorher nicht aufgefallen? War ich so fixiert auf Gackt gewesen, dass ich sie tatsächlich in dem nicht allzu großen Raum übersehen konnte?

Was machte ich hier? Wieso tat ich mir das überhaupt an? Ich war doch über ihn hinweg und es gab kein Zurück mehr davon. Wir hatten unsere Chance gehabt und auch schon eine zweite – eine weitere würde es nicht geben. Das würde ich nicht zulassen und sicher würde es Gackt ebenfalls nicht wollen. Er war gerade dabei, berühmt zu werden. So wie es aussah, er hatte eine neue Erfüllung gefunden. Musikbusiness … die Klavierstunden, die sein Vater ihm in seiner Kindheit aufgezwungen hatte, taten nun also endlich ihre Wirkung. Glückwunsch, Gacchan, das freut mich für dich.
 

Zum Abschied warf ich noch einen Blick auf ihn – schon wieder, wie mir dabei durch den Kopf schoss, sodass ich mich unwillkürlich fragte, ob es diesmal tatsächlich der letzte war. Ich hatte so ein flaues Gefühl im Magen, eine Mischung aus Trauer und Aufregung, denn in diesem Moment bemerkte ich, dass Gackt mich ansah. Sein Blick schweifte nicht einfach nur über mich hinweg, weil ich zufällig ganz vorne in der Menge stand. Nein, er sah mich direkt an, durchschaute mich vollkommen und dann lächelte er sein umwerfendes Lächeln, dass ich nur allzu gut kannte.

Gacchan … da war es wieder. Alles.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, Ende. Wie fandet ihr ihn also – den Ausgang? Und die ganze Geschichte über diese merkwürdige Beziehung Hydes mit einem 'Fremden'. Mir wurde zwischendurch recht oft bestätigt, dass man kaum voraussehen könnte, was als nächstes passieren würde oder wie die Story ausgehen könnte – obwohl ich eigtl gedacht hatte, dass „October to May ~ Intermezzo with a Stranger“ schon genug aussagen würde. Es gab aber auch Rückmeldung über einen meiner beiden großen Schnitzer: Wieso zur Hölle liebt Gackt Hyde nicht? Tja, das war so einer der Faktoren, die ich als gegeben angesehen hatte, aber der Logik halber ist es natürlich irgendwo Unsinn, da er sich am Anfang so anhänglich verhält. Ich möchte an der Stelle dann auch noch mal betonen, dass es trotzdem nicht nichts ist und der liebe Herr selbst gesagt hat, dass es sich einfach nur nicht so wie immer anfühlt. Ich schiebe es noch immer auf die Subjektivität von Hydes Sich der Dinge, dass wir nicht alles erfahren ;3 (Der andere Schnitzer ist übrigens der Durchhänger zwischen Februar und März/April, wo es dann leider erst um Finale wieder an Fahrt aufnahm. Hat man gemerkt, ne? Ich hätte nicht so viel labern und mehr einkürzen sollen. Aber ich werde aus meinen Fehlern lernen – sowohl aus dem einen als auch aus dem anderen.)
Ich habe auch sehr versucht, das ganze möglichst glaubhaft darzustellen und mich nicht nur auf die Beziehungskiste zu konzentrieren, sondern auch noch ein zweites Thema mit reinzubringen. Bot sich an, da ich grade mit meinem Studium fertig geworden war, als ich die ersten paar Absätze just for fun verfasst habe Ich denke, dass mir zumindest das ganz gut gelungen ist. Damals hätte ich allerdings auch nicht gedacht, dass mal so ein Ungetüm draus werden würde, was dann auch noch in solche Bahnen geht ^^“

Und ehe ich komplett tschüss sage, hätte ich da noch vier Seiten Text, die in den letzten Tagen plötzlich unbedingt raus wollten. Da ich mir das offizielle Ende nicht versauen möchte, findet ihr das Bonus/Sequel-Kapitelchen in meinem Schreibblog: http://earupp.wordpress.com/2014/03/04/gakuhai-words-of-love/
Wem das Ende aber so zusagt, wie es hier ist, der spart sich das kleine Drama einfach.

In diesem Sinne: Tudelu~ ;3 Komplett anzeigen

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