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Götterherz

von

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Weltenende

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Weltenende


 

Alle Anwesenden verfallen in helle Aufregung, als Fury über den aufgekommenen Lärm hinweg Befehle brüllt. Ich verkrieche mich unter dem massiv wirkenden Tisch im Stark Tower und folge somit Tonys Anweisung, der mir, kurz vor seinem Verschwinden noch zuruft, dass ich mich verstecken soll.

Innerhalb von Sekunden bin ich allein und alle Avengers kampfbereit und auf den Weg in New Yorks Straßen. Ich frage mich, was ich jetzt tun soll, als das Gebäude erneut erschüttert wird und fasse einen Entschluss. Ich kann mich genauso gut im Erdgeschoss verstecken. Wenn das Gebäude zusammenbrechen sollte, will ich mich wirklich nicht im hundertsten Stock befinden.

»J.A.R.V.I.S.?«, frage ich vorsichtig und suche dabei die Decke des Raumes nach Lautsprechern ab, finde jedoch keine sichtbaren.

»Ja, Miss Parker?«, kommt prompt die Antwort der künstlichen Intelligenz und ich fühle mich nicht mehr ganz so allein und zurückgelassen.

»Ist der Aufzug noch in Betrieb?«

»Zwei von drei Aufzügen funktionieren noch tadellos. Ich lasse Ihnen einen kommen.«

Vorsichtig bahne ich mir meinen Weg unter dem Tisch hervor. Immer auf der Hut, nicht von irgendwelchen umstürzenden Möbelstücken oder herausbröckelnden Deckenteilen erschlagen zu werden. Das wäre jetzt echt mies.

Ich bin kaum an der Aufzugtür angekommen, als sich die Tür mit einem leisen »Bing« zur Seite schiebt. Ich betrete den quadratischen Kasten und muss sofort daran denken, wie es war, als ich letztes Jahr das erste Mal mit einem Aufzug im Stark Tower gefahren bin. Die Erinnerung lässt mich unangebracht schmunzeln. Die Erinnerung an die unkooperative Empfangsdame Vivian bringt mich hingegen zur Weißglut und ich fühle mich wieder für den eventuell bevorstehenden Kampf in New Yorks Straßen gewappnet.

Gerade als ich denke, dass mich die leise dudelnde Aufzugmusik gleich um den Verstand bringt, schaltet J.A.R.V.I.S. diese aus und richtet das Wort an mich.

»Ich erlaube mir, den musikalischen Rahmen der Situation angemessen zu gestalten«, berichtet er, als der Aufzug gemächlich nach unten rauscht und sich die digitale Anzeige – es macht mich noch immer fertig, dass es hier keine Kontrolltafel gibt – in gleichmäßiger Geschwindigkeit der Null nähert. Kurz darauf ertönt irgendeine Heavy-Metal-Mucke mit dem bezeichnenden Titel »Go Down«. Ich verziehe das Gesicht und als ob J.A.R.V.I.S. meine Gedanken lesen könnte, wechselt die Musik zugleich zu einem etwas optimistischeren Song. »She's a woman, she's a winner« ist alles, was ich den Lyrics entnehmen kann.

»Ist das AC/DC?«, frage ich, erhalte jedoch keine Antwort mehr, da der Aufzug in genau diesem Moment das Erdgeschoss erreicht, die Tür zur Seite gleitet und eine Explosion den Empfangsbereich erschüttert, deren Druckwelle mich nach hinten und gegen die Rückwand des Aufzuges prallen lässt. Stöhnend gehe ich zu Boden und schütze mein Gesicht mit den Armen, als Trümmerteile und Glassplitter durch die Gegend fliegen.

Meine Ohren dröhnen von der Detonation und ich frage mich eine Sekunde ernsthaft, was ich hier unten will. Vielleicht hätte ich doch lieber oben bleiben sollen. Doch dann höre ich ein Wimmern, nehme die Beine in die Hand und haste zum Tresen, der halb unter Trümmern und elektrischen Geräten begraben liegt. Ich erblicke Vivian, die wie ein Häufchen Elend, zusammengekauert hinter ihrem ergonomischen Bürostuhl, Schutz gesucht hat und schreie sie an.

»Vivian!« Sie reagiert nicht, also packe ich sie an den Oberarmen und will sie somit zwingen, mich anzusehen. Sie beginnt zu schreien, kneift die Augen zusammen und wirft ihren Körper hin und her. »Vivian!«, versuche ich es erneut, doch es wird nicht besser. »Vivian!«

Ich gebe ihr eine schallende Ohrfeige, ihr Kopf fliegt zur Seite und sie verstummt. Ihre tränenverschmierten Augen fokussieren sich langsam. Sie wirkt völlig verstört.

»Ach, Sie sind das«, erkennt sie mich trotzdem und ich lasse von ihr ab.

»Sind Sie verletzt?«, will ich von ihr wissen, als ein entsetzliches Kreischen draußen auf der Straße ertönt und mir durch Mark und Bein geht. Chitauri, denke ich nur und ziehe meinen Kopf automatisch ein wenig mehr zwischen die Schultern.

Als Vivian mir nicht antwortet, sondern beginnt Shakespeares »Coriolanus« zu zitieren, bin ich mir sicher, dass bei ihr nicht nur eine Sicherung durchgebrannt ist.

»Bleiben Sie hier«, verlange ich von ihr, spähe vorsichtig über den Tresen und laufe los, als ich der Meinung bin, dass die Luft rein ist.

Ich weiß nicht, ob Vivian mir gehorcht, haste durch die komplett zerstörte Eingangstür und stolpere fast über Pete, dem Sicherheitsbeamten, der mich damals so unsanft nach draußen befördern wollte. Er rührt sich nicht, blutet aus einer Kopfwunde und macht auch so keinen besonders frischen Eindruck mehr. Ich schlucke eine aufkommende Übelkeit herunter und entreiße seinen klammen Händen eine Glock-Pistole.

Ich bin mir der Tatsache schmerzlich bewusst, dass ich mit dem Ding überhaupt nicht umgehen kann. Aber lieber ich habe, als ich hätte.

Ich trete auf die Straße und verfalle eine Zeit lang in ungläubiges Staunen. Und das meine ich durchaus negativ.

Der ganze Straßenzug liegt in Schutt und Asche. Schon wieder. Ein starker Wind weht dunklen, beißenden Rauch durch die Straßen, überall lodern Brände, liegen Fahrzeuge auf ihren Dächern und versperren Trümmerteile den Weg. Hin und wieder hastet ein hilfloser Passant vorbei und verschwindet im nächstgelegenen, Schutz bietenden Gebäude.

Plötzlich wird mir bewusst, dass ich hier komplett ungeschützt in der Gegend rumstehe. Was tue ich hier überhaupt?

Just in dem Moment, zischt ein Energiestrahl nur knapp an meinem Kopf vorbei und hinterlässt an der Hauswand hinter mir einen unschönen Rußfleck. Ich blicke auf und sehe einen Chitauri-Krieger auf mich zustapfen. Geistesgegenwärtig reiße ich meine Arme nach oben und versuche die Glock irgendwie dazu zu bewegen, einen Schuss abzugeben, was irgendwie nicht so recht funktionieren will. Vielleicht hat das Ding ja auch eine Kindersicherung. Wäre echt dämlich, wenn ich jetzt auf diese Art den Löffel abgeben muss. Ich kreische, als der Chitauri sein Energiestrahlzepterdingens hebt und ich mir nicht anders zu helfen weiß, als die Glock nach dem Alien zu werfen. Ich verfehle meinen Gegner hoffnungslos um ganze drei Meter, was wirklich eine unglaubliche Leistung meinerseits ist. Auch mein Gegenüber scheint davon so beeindruckt, dass er in seiner Bewegung inne hält und mich abwertend mustert. Ich zucke entschuldigend mit den Schultern und der Chitauri schnaubt vor sich hin. Dann, von hier auf gleich, wird er zur Seite gefegt und ich sehe nur noch ein fliegendes rotes Cape, welches vor mir landet. Der Donnergott dreht sich gelassen zu mir um und streckt den muskulösen Arm aus, als sein Hammer den Weg zurück in seine Hand findet.

»Riley Harleen Parker von der Erde«, begrüßt mich der blonde Hüne und wirbelt seinen Hammer. Sofort donnern Blitze durch die Straßen und löschen im Umkreis von einigen hundert Metern alles gegnerische Leben aus.

»Äh...«, beginne ich und suche nach den richtigen Begrüßungsworten, entscheide mich jedoch für ein schlichtes: »Thor.«

»Wo ist mein Bruder?«, will der Donnergott von mir wissen und ich zucke nur ahnungslos mit den Schultern. Das wüsste ich selber gern. »Er war in meinem Kopf und sagte, ihr könntet hier ein bisschen Hilfe gebrauchen.«

Ich nicke nur wie ein beklopptes Schaf, weil ich nicht weiß, was ich sonst tun soll und Thor mustert mich.

»Versteck dich irgendwo«, sagt er dann, wirbelt Mjölnir ein weiteres Mal und... fliegt davon.

Ich nicke immer noch, zwinge mich aufzuhören und blicke mich gehetzt um. Da! Ein umgestürztes Fahrzeug. Ich renne hinter das Schutz bietende Metall und harre der Dinge, die da noch kommen mögen, immer in der Hoffnung, dass gleich alles vorbei ist und die Avengers den Tag retten.

Ich will zu Loki, wird mir plötzlich schmerzlich bewusst. Loki weiß, wie man auf sich aufpasst. Ich weiß lediglich, wie man Erdnussbuttersandwiches macht und trotz Turbulenzen butterweich landet.

Ein Schrei reißt mich aus meinen Gedanken und ich sehe nach links, zurück zum Eingang des Stark Tower. Vivian läuft soeben laut schreiend in die andere Richtung davon, wild mit den Armen wedelnd und alle Aufmerksamkeit auf sich ziehend. Nervös kaue ich auf meiner Unterlippe herum. Soll ich ihr folgen? Vielleicht soll ich nach Hause gehen und erst einmal ein bisschen Mut holen. Ich frage mich, ob man das im Internet kaufen kann. Oder muss ich dafür den ganzen verdammten Weg bis nach Oz gehen? Ach, sei's drum.

Ich springe auf und beeile mich zu Vivian aufzuschließen. Eine Querstraße später laufe ich fast in sie hinein, da sie wie angewurzelt vor einem riesigen Krater steht und... ach du Scheiße!

Völlig perplex stehe ich neben ihr. Hier ist alles dem Erdboden gleich gemacht. Ein gewaltiges Loch tut sich vor uns auf, aus dessen Mitte eine leuchtende Säule in den Himmel schießt und immer mehr Chitauri freigibt. Ein unterirdisches Portal. Das ist ja mal echt zum kotzen.

»Vivian«, zwinge ich mich zu sagen und berühre die Schulter der Empfangsdame.

Diese Berührung ist allerdings zu viel für sie und sie sackt lautlos in sich zusammen. Ich kann sie gerade noch hinter die Überreste eines Linienbusses zerren, als Byleist aus der Lichtsäule tritt und auf der Bildfläche erscheint. Und hinter ihm...

»Loki«, hauche ich und zeitgleich drehen sich die Köpfe der beiden in meine Richtung.

Lokis Augen blitzen kurz auf, dann fixieren sie Byleists Rücken. Die roten Augen des Eisriesen verengen sich sogleich zu Schlitzen und sein Blick gleitet zurück über seine linke Schulter.

»Ich wusste, dass du mich hintergehst«, sagt er und ich muss entsetzt mit ansehen, wie er nach einem Dolch an seinem Gürtel greift.

»Lass mich erklären«, sagt Loki beschwichtigend und hebt beide Hände.

»Zu spät«, meint Byleist und sein Dolcharm schießt nach vorn.

Das scharfe Material der Waffe durchdringt Lokis Panzerung und bleibt in seiner Brust stecken, als Byleist seinen Arm zurückzieht.

Ich höre jemanden entsetzlich und schmerzerfüllt schreien, bis ich begreife, dass ich derjenige bin. Mein Blick bleibt an Lokis hängen, der in Richtung Abgrund zurück taumelt, ungläubig an sich hinab sieht und dann wieder zu mir. Seine Haut wird grau, seine Augen blass und ausdruckslos.

Ich laufe los, vorbei an Byleist und strecke die Hände nach Loki aus. Ich habe ihn fast erreicht, als er nach hinten stolpert und in den Krater stürzt. Ich komme schlitternd und weinend am Rand des Abgrundes zum Stehen, werfe mich auf die Knie und sehe gerade noch, wie sein fallender Körper im Schatten der Lichtsäule verschwindet.

Wenn ein Herz bricht, dann geschieht das vollkommen lautlos. Eigentlich denkt man, weil es so wichtig ist, so schwerwiegend, macht es einen Mordskrach. Aber es passiert lautlos, obwohl man sich beinahe wünscht, da wäre ein Laut, der von den Schmerzen ablenkt.

Wenn es ein Geräusch gibt, dann nur im Inneren. Ein Schrei, den niemand hören kann außer man selbst. So laut, dass dir die Ohren klingen und der Kopf weh tut. Man schreit nur im Inneren, und keiner kann es hören.

»Du...«, beginne ich und wische mir die Tränen aus dem verheulten Gesicht. »Du Scheusal!« Ich springe auf und laufe zu dem lachenden Byleist, der es geschehen lässt, dass ich wie von Sinnen auf seine Oberschenkel einschlage. Ganz einfach aus dem Grund, weil ich zu klein bin um irgendeine andere Stelle zu erreichen. »Du hast meinen Freund umgebracht, deinen Bruder! Du Monster!«

Byleist lacht nur noch lauter und wirft sogar seinen Kopf in den Nacken, so sehr scheint er sich zu amüsieren.

»Ist es nicht herrlich«, beginnt er, als ich kraftlos zu Boden gehe und stumm vor mich hin leide. »So schwach, so zerbrechlich. Schon bald wird diese Welt mir gehören und ich werde sie in eine neue Eiszeit führen.« Ich will nur noch sterben. Und wenn man Byleists Worten Glauben schenken kann, dann muss ich nicht mehr all zu lange darauf warten. »Sag, leb wohl.«

Ich warte auf das Ende, höre stattdessen ein Röcheln, hebe den Blick und versuche durch einen Schleier aus Tränen irgendetwas zu erkennen. Ich blinzele und sehe die Spitze eines monströsen Eiszapfens aus Byleists Brust ragen. Loki taucht hinter seiner Schulter auf und drückt seine Lippen gegen das Ohr seines sterbenden Bruders.

»Leb wohl!«, höre ich seine vertraute Stimme sagen und mit einem Mal zerfällt Byleist in abertausend Eiskristalle.

Ich stehe wohl unter Schock, denn für ein paar Sekunden herrscht in meinem Kopf gähnende Leere. Lokis Ebenbild baut sich schwer atmend vor mir auf. Sein Haar ist zerzaust und sein Blick müde aber so vertraut.

»Wa... wa-warum kann-«, beginne ich stockend, werde jedoch sofort unterbrochen.

»Stimmbänder«, sagt Loki keuchend und beantwortet somit meine unausgesprochene Frage. »Die Raupe hat Stimmbänder.«

Meine Augen füllen sich erneut mit Tränen, als ich aufspringe und mich erleichtert in Lokis Arme werfe. Er taumelt leicht zurück und ich schluchze hemmungslos gegen seine Brust.

»Es tut mir leid, dass ich dir das antun musste«, flüstert er in mein verfilztes Haar und sein Daumen streicht vorsichtig über die kleine Wunde an meiner Schulter, welches mich sogleich an die Zeit in der Eishöhle erinnert. Ist das wirklich erst ein paar Stunden her? »So leid.«

Ich ziehe die Nase nach oben und blicke in sein schmerzerfülltes Gesicht.

»Ach, papperlapapp«, schniefe ich und tue die Sache damit ab. »Viel schlimmer ist, dass ich ein paar schreckliche Sekunden der Annahme war, du seist tot.«

»Eine infame Unterstellung«, rechtfertigt Loki sich, während um uns herum die Welt noch immer den Bach runterzugehen scheint. »Ich habe mich nie lebendiger gefühlt.«

»Du hättest mich wenigstens warnen können«, sage ich und schlage spielerisch gegen seinen Oberarm, bevor ich einen Schritt Abstand zwischen uns bringe.

»Ich habe dir zugezwinkert«, sagt Loki leise und eine steile Falte erscheint auf seiner Stirn.

»Hast du nicht«, weise ich ihn darauf hin.

»Habe ich wohl«, besteht er allerdings darauf.

»Hast du nicht«, gebe auch ich nicht nach.

»Willst du jetzt wirklich streiten?«

Ich hole Luft, um etwas zu sagen, entscheide mich jedoch anders und lasse mich erneut in eine Umarmung ziehen. Ich schließe die Augen, lausche Lokis Herzschlag und danke den Göttern, dass ich ihn habe.

»Ich dachte, ich hätte dich verloren«, flüstere ich, um zu verhindern, dass meine Stimme versagt. »Tu mir das nie wieder an.«

Loki nimmt mein Gesicht in seine Hände und zwingt mich, ihn anzusehen.

»Versprochen«, versichert er und endlich treffen unsere Lippen wieder aufeinander.

»Die Eisriesen haben unrecht«, fällt mir spontan ein und ich lege eine flache Hand auf Lokis Brust.

»Was meinst du?«, will er von mir wissen und sieht mich ratlos an.

»Sie sagen, du hast kein Herz. Aber ich kann es spüren.«

Loki zeigt den Anflug eines Lächelns, dann zerstört Iron Man die Schönheit des Moments, indem er einen Heidenlärm veranstaltet und neben uns zur Landung ansetzt.

»Ich störe die Wiedersehensfreude nur sehr ungern«, sagt er und sein Visier klappt nach oben. Ich bemerke, dass sein Anzug schon arg lädiert ist. »Aber wir haben hier gleich ein riesiges Problem. Und das meine ich sogar wörtlich.« Dann fügt er an mich gewandt hinzu: »Solltest du dich nicht verstecken?«

Ich zucke nur kurz mit den Schultern, dann zieht infernalischer Lärm meine Aufmerksamkeit auf sich und ich sehe, was Tony mit dem riesigen Problem meint.

Diese enormen, monströsen, lebenden, grotesken, fliegenden Schiffe der Chitauri stoßen soeben durch das unterirdische Portal und bringen noch mehr außerirdische Krieger in diesen Teil des Universums.

»Nicht schon wieder«, höre ich Tony sagen und er hängt ein paar fürchterliche Flüche hinten dran.

»Der Traulchontzepast«, sagt Loki eilig und wendet seinen Blick von den herbei strömenden Monstern. »Der Traulchontzepast.«

Er sieht mich so an, als würde er etwas von mir wollen, aber ich verstehe nicht was.

»Was?«, frage ich daher und er konkretisiert seine Aussage.

»Die kleine blaue Kugel. Der Traulchontzepast. Wo ist er? Er wird das Portal schließen.«

»Oh«, fällt es mir wie Schuppen von den Augenbrauen. »Verdammt. Der ist im Stark Tower.«

»Ich gehe ihn holen.«

»Das würde ich lassen, Frostbeule«, mischt Tony sich ein und pulverisiert, knapp über dem Boden schwebend, einen Chitauri nach dem anderen mit seinen Repulsoren. Loki wirft ihm einen unwirschen Blick zu und Stark hat immerhin den Anstand, entschuldigend aus der Wäsche zu blicken. »Nach deinem letzten Besuch habe ich Vorkehrungen getroffen. Wenn jemand versucht sich in den Tower zu teleportieren, wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit böse enden. Ich ho-«

Ein Schrei entweicht mir, als Iron Man von einem feindlichen Energiestrahl getroffen und zu Boden genietet wird.

»Versteck dich«, ruft Loki mir zu und schubst mich in die trügerische Sicherheit eines leer stehenden Gemüsehandels, oder vielmehr dem, was noch davon übrig ist. Wieso will heute eigentlich jeder, dass ich mich verstecke?

Ich beobachte, wie eine Angriffswelle auf uns zurollt und beschließe, dass es besser ist, den Kopf wieder einzuziehen. Wenn das so weiter geht, wird niemand Zeit finden, den Traul... dingens aus meiner Jackentasche zu holen. Obwohl... ich habe gerade eigentlich nicht sonderlich viel vor.

Noch ehe ich weiter darüber nachdenken und vielleicht einen Rückzieher machen kann, klettere ich wieder auf die Straße und über Gebäudeüberreste hinweg. Fast wäre ich dabei über Vivian gefallen, die wieder zum Leben erwacht ist und nun panisch versucht, kriechend aus der Reichweite der Katastrophe zu gelangen. Ich nehme mir keine Zeit für sie, sondern haste weiter den zerstörten Straßenzug entlang.

Keuchend komme ich vor den verschlossenen Aufzugtüren zum Stehen und bin dankbar, dass kein Chitauri meinen Weg kreuzt. Obwohl ich mir sicher bin, dass ich dies einem gewissen Donnergott zu verdanken habe. Diese Lichtblitze in unmittelbarer Nähe sind schon immer sehr verdächtig.

»J.A.R.V.I.S.«, rufe ich ungeduldig und warte darauf, dass die Aufzugtür zur Seite gleitet, was nicht passiert. Ich werde wütend. Wir haben doch keine Zeit! Da draußen gehen Leute drauf und ich warte hier auf einen blöden Aufzug. Ob die KI abgestürzt ist? Ich sehe mich bereits mit dem Treppenhaus liebäugeln, als sich die Türen quietschend und schleifend öffnen. »Danke, J.A.R.V.I.S.«

Noch immer antwortet mir die Stimme mit dem britischen Akzent nicht und ich gehe nun tatsächlich davon aus, dass der Computer einen Knacks abbekommen hat. Ob das gut geht?

Ohne ein weiteres Wort meiner Wenigkeit, setzt sich der Fahrstuhl in Bewegung und ruckelt lautstark vor sich hin. Mein Körper läutet erneut eine Nervenkrise ein, aber ich habe mich schon so sehr an dieses Gefühl gewöhnt, dass es mir überhaupt nichts mehr ausmacht.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, kommt der Aufzug ächzend und krachend zum Stehen. Die Türen wollen nicht mehr von allein aufgehen und ich muss diese in einer riesigen Kraftanstrengung aufstemmen. Da die digitale Anzeige in der Kabine ausgefallen ist, sehe ich erst jetzt, dass ich mein Ziel noch nicht erreicht habe.

»Verdammt«, fluche ich und begebe mich auf die Suche nach dem Treppenhaus.

Eine Drehung nach links später, erspähe ich die Tür unter dem Notausgangschild und reiße sie schwungvoll auf, nur um erschrocken zurück zu taumeln, als es unter mir achtzig Stockwerke in die Tiefe geht. Wo ist denn das Treppenhaus hin?

Alles klar, sage ich mir in aller Ruhe, während kräftiger Höhenwind an meinem Haar reißt. Hier ist nur irgendetwas detoniert und hat ein Loch in die Fassade gerissen. Kein Grund zur Panik. Da drüben geht es weiter. Das sind keine zwei Meter. Nur ein kleiner Sprung und dein Ziel ist ganz nah.

»Scheiße«, rufe ich und ziehe das Wort dabei so sehr in die Länge, dass es sechs Silben bekommt.

Ich muss mich stark zusammennehmen, um nicht Neil Armstrong zu zitieren, rede mir Mut zu und hüpfe endlich auf die funktionierende Seite des Treppenabsatzes. Kurze Zeit fühle ich mich schwerelos, dann habe ich wieder festen Beton unter den Füßen und haste weiter nach oben. Schon nach wenigen Stockwerken pfeife ich aus dem letzten Loch, aber ich nehme mir vor, später zusammenzubrechen, wenn ich nicht mehr so in Eile bin.

Auf dem Zahnfleisch kriechend, stoße ich die Tür im hundertsten Stock auf und taumele in den Raum, wo meine Jacke, man mag es kaum glauben, noch über dem Stuhl hängt, wo ich sie zurückgelassen habe. Halleluja!

Erleichtert ziehe ich die kühle Kugel aus der Tasche hervor und drücke sie gegen meine ausgetrockneten, bebenden Lippen. Mühsam rappel ich mich auf, drücke die Kostbarkeit gegen meine Brust und wage mich vorsichtig zu der kaputten Fensterfront vor.

Ach du-

Das Portal ist direkt unter mir. Weit, weit, weit unter mir. Wie komme ich nur schnellstmöglich da hinunter? Klettern? Soll ich die Murmel die keine ist, einfach fallen lassen? Vielleicht kann ja ein Anderer der Ave-

»WAH!«, kreische ich, als ein Energiestrahl – war ja klar – knapp an mir vorbei zischt und den Raum hinter mir dem Erdboden gleichmacht. Die Wucht der Explosion reißt mich von den Beinen, über den Rand des Hochhauses hinaus und ich stürze kopfüber ins Nichts. Ich denke nur »Neinneinneinneinnein«, als die Straße unter mir unaufhaltsam näher kommt. Wind rauscht in meinen Ohren und ich kann nicht fassen, dass es SO ein Ende findet.

Mit einem Mal geht ein Ruck durch meinen Körper, so stark, dass ich mir böse auf die Zunge beiße und sich mein Magen fast umdreht. Ich fühle mich wie bei einer wilden Achterbahnfahrt und meine Knie geben nach, als ich wieder festen Boden unter den Füßen spüre. Mein Verstand rafft noch nicht ganz, was gerade passiert ist, aber als ich mich in Thors starken Armen wiederfinde, kann ich eins und eins zusammenzählen. Gerettet!

Der Gott nickt mir kurz zu, dann ist er wieder verschwunden und ich sehe mich, immer noch ganz wackelig auf den Beinen, nach seinen Mitstreitern um. Als ich Loki erblicke, der soeben einen Chitauri gegen eine Magiebarriere rennen lässt, erhebe ich triumphierend beide Arme.

»Ich habe den Stein!«, rufe ich so laut ich kann und merke erst jetzt, dass meine Fingernägel meine Handballen blutig gerissen haben. »Ich habe den blöden Stein!«

Lokis Blick hebt sich, es macht »Phlump« und er steht von hier auf gleich direkt vor mir, packt mich an den Armen und ein weiteres »Phlump« später, stehen wir direkt am Abgrund, der hinunter in das Portal führt. Ich erschaudere, als ich daran denke, wie es war, Lokis vermeintlich toten Körper hier hinab stürzen zu sehen. Oh Gott...

»Und jetzt?«, frage ich über den Lärm um uns herum hinweg. Mein Haar fliegt mir ständig ins Gesicht und ich denke, dass das echt blöd aussehen muss.

»Gib ihn mir«, verlangt Loki und ich lege die Kugel in seine offene Hand.

Der Gott der Illusionen sieht erst in den Abgrund und dann in meine geweiteten Augen. Dann drückt er seine Lippen hart gegen meine.

»Du hast mir etwas versprochen«, erinnere ich ihn an zuletzt Gesagtes.

»Ich weiß«, sagt er und wendet sich dem Abgrund nun mit seinem ganzen Körper zu. »Vertrau mir.«

Ich nicke einverstanden, doch er sieht es nicht mehr, da er sich wie ein Basejumper, mit dem lächerlich unwichtig wirkenden Traulchontzepast in der Hand, in den Schlund stürzt. Ich sehe ihm nach, ängstlich und bangend.

Schließlich ertönt ein lauter Knall. Blendendes Licht zwingt mich dazu, die Augen abzuwenden. Tief unter uns grummelt etwas vor sich hin. Dann erlischt das blaue Licht des Portals und unweit entfernt kracht ein nun regloses Chitauri-Schiff in ein Hochhaus. Daneben gehen weitere Chitauri wie leblose Marionetten zu Boden. Mit einem Mal ist es totenstill in New Yorks Straßen.

»War es das?«, höre ich mich fragen und sehe mich ratlos um, während Tony neben mir auftaucht und versucht sein eingebeultes Visier zu öffnen. »Haben wir gewonnen?«

»Sieht so aus«, lässt Black Widow verlauten und tritt eine Autotür von sich, unter der sie Deckung gesucht hatte.

»Yay!«, ruft Tony und hebt triumphierend die Hände in die Höhe, als er endlich aus seinem Anzug befreist ist. »Wir haben wieder einmal die Welt gerettet.« Er klopft einem gerade erschienenen Thor auf die Schulter. »Und dein Bruder ist auch gar nicht so übel. Wo ist der überhaupt?«

»Da unten«, sage ich und starre ins Dunkel. Nacheinander treten die Avengers neben mich und schließlich verlieren sich die Blicke von uns allen in der undurchdringbaren Dunkelheit.

Bitte, bitte, bitte, bete ich still vor mich hin und bemerke, dass jemand zwischen mich und Thor tritt und ebenfalls interessiert in die Tiefe schaut.

»Gibt es da etwas zu sehen?«, fragt Loki und ich springe ihn augenblicklich laut kreischend an, als ich dies realisiere.

»Du hast es geschafft!«, rufe ich immer wieder und bedecke sein lädiertes Gesicht mit Küssen, während alle Anderen ihm wohlwollend auf die Schulter klopfen. »Geschafft, geschafft, geschafft! Nicht, dass ich je daran gezweifelt hätte.«

Loki schenkt mir ein schiefes Grinsen und ich fühle mich an etwas erinnert, was ich sogleich loswerden will, auch wenn der Zeitpunkt vielleicht etwas ungünstig gewählt ist.

»Ich habe von Hel geträumt«, sage ich also sogleich und Lokis Grinsen verschwindet augenblicklich. »Sie meinte, ich soll dir sagen, dass es an der Zeit ist.« Ich schüttele den Kopf und ziehe die Schultern hoch um zu signalisieren, dass dieser Traum total verrückt war. Nur Lokis Gesichtsausdruck macht mir gerade ein wenig Sorgen. »Das war doch ein Traum, oder?«

»Natürlich«, versichert er sogleich und küsst meine Stirn. Seine Lügen waren auch schon einmal besser.

»Schawarma für alle!«, ertönt es von Stark und alle verfallen in ein kollektiv genervtes Stöhnen.

Ein Lichtblitz lässt mich zusammenzucken. Ich sehe zu Thor, doch der sieht genauso ratlos aus der Wäsche, wie ich mich fühle. Ich folge den Blicken der Anderen und erspähe einen unbekannten Mann, der sich scheinbar direkt vor uns materialisiert hat. Rauch umgibt seinen Körper, der sich nur langsam auflöst. Er ist ganz in Grün gekleidet und trägt außerdem ein lilafarbenes Cape mit komischer Kopfbedeckung.

»Immortus«, höre ich Loki flüstern und wundere mich, woher er diesen komischen Kauz nun schon wieder kennt.

»So sieht man sich wieder«, entgegnet Immortus recht freundlich und ich bin mir ziemlich sicher, dass von ihm keine Gefahr ausgeht. Das ist wahrscheinlich nur ein armer Irrer mit Cape.

»Was willst du hier?«, will Loki wissen und auch mich würde diese Information brennend interessieren.

»Der Fortbestand der Realität ist in Gefahr«, schwafelt er sogleich los und ich denke so bei mir, toll, wir mussten ja unbedingt fragen. Dann bekomme ich große Augen, als sein behandschuhter Finger auf mich zeigt. »Diese Frau muss sterben.«

Erschrocken blicke ich hinter mich. Nein, da steht niemand. Verwechslung ausgeschlossen.

Och neeeeeeeeee.
 

~ Ende des 10. Kapitels ~



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