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Teaching Me

von

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Kapitel 2
 


 

Titine beugte sich über die Spüle, griff nach den leicht verklebten Biergläsern und schmiss sie achtlos ins Spülwasser. Es klirrte, ein paar der anwesenden Schützen hoben die Köpfe, wandten sich aber gleich wieder ihrem Kartenspiel zu.

„Kreuz!“

„Drecksack, Schenken!“

„Nix, Wir schenken keine Spiele!“

Dass sie sich nicht verprügelten, war gerade alles.

Sie hatte keinen Dunst, worum es bei dem Spiel ging, obwohl sie seit Jahren regelmäßig jeden Donnerstagabend in den kleinen Vereinsraum ging, die Theke schmiss, solang Imelda nicht da war und danach auch noch ein bisschen und natürlich dem Sport frönte. Sie hatte sich, im Gegensatz zu ihren Freunden aus dem Dorf anstrengen müssen, um eine nennenswerte Punktzahl mit dem Luftgewehr zu erreichen. Laut Morris Laing lag das an ihrer geradezu wichteligen Größe. Er hatte ihr empfohlen, auf High Heels zu schießen, um das Gewicht auf den Armen zu entlasten. Was natürlich völliger Blödsinn gewesen war, der lediglich in einem halben Bandscheibenvorfall geendet war.

Mittlerweile allerdings war sie eine der besten Schützen im Ort und natürlich momentan ohnehin Gesprächsthema Nummer eins.

Sie hatte eine neue Stelle angetreten. Ohjeh, wie spannend.

Imelda und Morris schlachteten ihre neue Stelle aus, ohne auch nur zu wissen, als was Titine letztendlich arbeitete.

Sie scherte sich nicht weiter darum, sammelte die leeren Gläser ein und spülte alles einmal durch.

„Melda?“

„Ja?“

„Ich geh nochmal rein.“

„Ist gut.“
 

Titine stellte sich auf, Beine breit im Schrägstand, das Gewehr im Anschlag, durchgeladen. Sie drückte ab.

Sechs Punkte.

Sie wusste, sie würde ohnehin keinen rechten Stand finden, bevor sie wieder nach draußen musste, weiterbedienen. Stattdessen legte sie ab, nahm sich eine Zigarette und rauchte. In aller Ruhe.

Während sie über einen ziemlich bleichen Kerl nachdachte, der ihr nicht aus dem Kopf gehen wollte. Oh, und natürlich, dass ihre erste Stunde der schlimmste Reinfall seit Waterloo gewesen war.

Die Kinder hatten wirklich gar keine Ahnung.

Klar, dass sie dann mit kritischen Texten überfordert waren.

Sie hatte ihre ganze Unterrichtsplanung vollkommen in den Wind geblasen und von vorne begonnen.

Severus hatte fast laut aufgelacht, als sie Minerva von ihrem Misserfolg erzählt hatte.

„Ich habe es Ihnen gesagt, Titine, diese Kinder wissen Ihren Aufwand nicht zu schätzen…“, dass das spöttisch gemeint war, war nur zu eindeutig gewesen.

Titine hatte ihre Gabel fallen lassen, Severus noch eine Sekunde angestarrt und war dann aufgesprungen und gegangen.

Minerva hatte ihr später erzählt, dass Snape es offensichtlich doch getroffen hatte, als sie getürmt war.

Er hatte wohl auch immer wieder versucht, sie anzusprechen, aber sie hatte ihre Ohren auf Durchzug geschaltet und während des Essens immer ihre Unterrichtsplanung und einen Haufen Bücher dabei gehabt.

Sie gab im Nachhinein zu, dass das ziemlich albern gewesen war, aber auf der anderen Seite konnte sie auch ihren kompletten Unterrichtsplan, den sie vor Beginn des Schuljahres erarbeitet hatte komplett vergessen und einen neuen aufstellen.

„Tin?“

Sie sah auf. Imelda.

„Ja, ich komme sofort.“

Draußen herrschte immer noch das wüste Schafkopfgebrüll ihrer Schützenbrüder.

„Der schont die Asse, der Sack!“

„Dafür machst du mir meinen Durchmarsch kaputt!“, heulte Carl auf, ein fast kahler Dreißigjähriger, der offenbar nie Glück hatte. Morris unterdessen bestellte vier Schnaps auf Carls Rechnung.

Dann sah Morris auf, bemerkte Titine und winkte sie her.

„Ich soll dir übrigens was von Jonesy geben.“, er hielt einen Umschlag hoch.

„Danke.“, nuschelte Titine abwesend, während sie den Brief in ihre Handtasche gleiten ließ. Wenn der Brief von John Sauther kam, konnte es nur mit ihrer Erbschaft zu tun haben. Er war auch aus dem Ort, der Grund, warum ihre Eltern ihn vermutlich mit ihrem Testament beauftragt hatten.

Auch wenn alle gehofft hatten, es so schnell nicht brauchen zu müssen.

Doch eine vereiste Straße im November letzten Jahres hatte Titine und ihren Eltern einen Strich durch die Rechnung gemacht.

„Tut mir leid. Ich wollt dir die Stimmung nicht so versauen…“, Morris Stimme klang belegt.

Sie schüttelte den Kopf.

„Keine Sorge, Morry, passt schon. Immerhin geht’s endlich mal weiter.“, lächelte sie ihren eigenen Kummer ein wenig weg.

„Und vielleicht kannst du dann endlich das Auto deines Vaters wiederhaben…“, merkte Imelda an. Wieder nickte sie. Der alte schwarze Mercedes ihres Vaters war eine Art Legende im Dorf. Und Horace Marsh hatte immer wieder betont, dass nur seine Tochter dieses Auto einmal fahren dürfe.

Titine goss sich ein Bier ein und zog es zur Hälfte ab.

Dann nahm sie sich ein weiteres Glas und füllte es mit Cola-Cognac.

Auch den nahm sie in einem Zug, ehe sie sich Imelda zuwandte.

„Mach mir die Rechnung, ich lauf wieder heim.“
 

Leicht beschwipst (Morris hatte ihr noch zwei Schnaps und drei Asbach ausgegeben) trat sie hinaus in die frische Luft. Zündete sich eine Zigarette an.

Und fing an zu weinen.

Es wäre zu einfach, zu Lily zu laufen, in ihre Arme zu kriechen und irgendwann vor Erschöpfung einzuschlafen, doch sie fürchtete James‘ Reaktion.

Sie hätte genausogut zu Sirius oder Remus gehen können, die entweder beide ein Auge auf sie geworfen hatten, oder immer noch umeinander herumtänzelten.

Doch sie schüttelte den Kopf und machte sich auf den Weg zurück ins Schloss.

Vielleicht war sie dann auch wieder nüchtern.
 

Severus hatte im Lehrerzimmer gesessen und Aufsätze benotet, eine leidige Angelegenheit, zumindest bei den meisten der Autoren.

Peter, der Mathematiker, hatte, wie erwartet nur eine kleine Gruppe an Schülern zu unterrichten und freute sich seiner optimalen Lehrbedinungen. Auch Severus‘ Einwand, dass er ab nächstem Jahr einen ähnlich vollen und vor allem stressigen Alltag vor sich hatte, wie der Rest des Kollegiums hatte den Enthusiasten nicht aus der Ruhe bringen können.

Er hatte sich von Fidelius mehrere Bücher über die magische Welt geliehen und saß ihm nun gegenüber, die Bücher offensichtlich verschlingend.

Severus schnaubte leise, nicht ohne ein leichtes Grinsen auf dem Gesicht, als Melinda, die Erdkunde-Lehrerin, den Saal betrat.

„Severus?“

Er sah auf.

Melinda war eine große, schlaksige Dame, die ersten grauen Strähnen in den raspelkurzen Haaren versteckte sie nicht und sie war elegant in ein Damenkostüm gehüllt.

„Ja?“

„Haben Sie vielleicht Titine in den letzten zwei Stunden gesehen? Ich finde sie nirgendwo, auch in ihrer Wohnung war niemand.“

Severus machte ein abfälliges Geräusch. Diese Kollegin Marsh schien ihn vollkommen zu ignorieren, obwohl er nur ein wenig schnippisch gewesen war.

„Ich habe keine Ahnung, wo sich Miss Marsh zurzeit aufhält. Vielleicht ist sie ins Dorf gegangen. Schauen Sie doch einmal in Hogsmeade vorbei. Die drei Besen wären eine Anlaufstelle.“

Miss Jule legte den Kopf schief, nickte aber dann, fügte allerdings nach einer Millisekunde an: „Könnten Sie mich vielleicht begleiten, ich hatte leider noch keine Gelegenheit, mich im Dorf umzusehen. Wir können meinen Wagen nehmen.“

Das brachte Severus zum Stutzen. „Ihren was?“

„Mein Auto.“

„Achso.“

„Kommen Sie dann also mit?“

Er nickte ergeben.
 

Melinda fuhr einen Mini Cooper, indem Severus gerade gebückt sitzen konnte. Melinda, trotz ihrer beachtlichen Größe, schien kein Problem mit der Sitzhöhe zu haben.

Er fühlte sich wie Hagrid, der versuchte, auf einem Sessel für normalwüchsige Menschen Platz zu nehmen.

„Unter Ihrem Sitz befindet sich ein Hebel. Drücken Sie ihn nach oben und rutschen Sie mit Ihrem Körpergewicht nach hinten.“

Severus fühlte sich wirklich bescheuert, zumal er unter Muggeln aufgewachsen war, er hantierte etwa zehn Minuten an dem Ledersitz herum, ehe endlich der Sitz nach hinten rutschte. Mit einem entsetzlichen Geräusch.

„Gut, dann kann’s ja losgehen.“

Und Melinda startete den Motor.

Severus fürchtete um sein Leben, so rasant nahm Miss Jule die Kurven hinunter ins Dorf.
 

Doch in Hogsmeade fand sich keine Spur von Titine Marsh. Severus hatte ohnehin nicht geglaubt, dass sie sich als Muggel in ein Zaubererdorf wagte, Lily würde es ihr schon deutlich gemacht haben.

Rosmerta, die Wirtin der Drei Besen, wollte Severus gerade am Arm schnappen und ihm ein herrlich duftendes warmes Butterbier in die Hand drücken, als Melindas Augen auf einmal leuchteten.

„Ich weiß, wo sie sein könnte!“, sagte sie, beseelt von ihrem plötzlichen Einfall.

„Offensichtlich nicht hier“, murrte Severus, „Nein, danke Madame Rosmerta, ich kann heute nichts trinken, ich suche eine Kollegin!“

Die Wirtin ließ den Bengel mit Bedauern los, sie wusste, er taute meist erst richtig auf, hatte er sich zu einem ihrer reichlichen Spirituosen hinreißen lassen.

Und eigentlich war er ihr gerade dann sehr sympathisch.

Stattdessen griff sie unter die Theke, holte einen kleinen Beutel heraus und steckte vier Flaschen Butterbier hinein.

„Wegzehrung“, lächelte sie und klappte Severus‘ Hand zu, der ihr das Geld gerade hatte geben wollen.
 

„Eine herrliche Bar!“, rief Melinda aus, als sie sich wieder auf der Straße befanden.

„Ja“, erwiderte er nur knapp, „Also los, wo könnte die gute Miss Marsh sein?“

„Ahja. Sie kommt aus der Nähe, Titine ist aktive Sportschützin im ansässigen Verein, vielleicht ist sie da.“

„Ah.“

Severus erhoffte sich, dass sich die Suche damit erledigt hatte, doch offensichtlich hatte Melinda Jule sich vorgenommen, Titine eine zweite Mutter zu werden.

„Los, steigen Sie ein, Severus, wir fahren schnell nach Toadham. Das arme Ding hat momentan nicht einmal ein Auto, sie wird wohl gelaufen sein.“

Severus‘ Einwand, dass sie dann wohl genauso gut heim laufen könne, wischte Melinda unwirsch vom Tisch.

Und ergänzte mit geradezu oberlehrerhafter Stimme: „Sie ist ein junges Mädchen. Sie kann nicht im Dunkeln nach Hause laufen.“
 


 

Titine wischte sich den Regen von der Stirn. Dass es auch ausgerechnet dann anfangen musste, zu regnen, wenn sie die paar Kilometer zum Schloss zurücklaufen musste…

Ihre Augen taten weh.

Dass sie gerade jetzt wieder spüren musste, wie sehr ihre Eltern ihr fehlten.

Und dass sie gerade dann wieder Heulkrämpfe bekam, weil ihr offensichtlicher neuer Schwarm sie so konsequent hasste.

Sie hatte Lily geschrieben, dass Severus ihr regelrechte Magenverstimmungen bereitete, woraufhin ihre Cousine wohl nur laut aufgelacht hatte.

Titine wollte sich nicht neu verlieben, schon gar nicht in jemanden, der sie ganz deutlich spüren ließ, wie wenig er von ihr hielt.

„Schon wieder voll ins Schwarze getroffen, Tintin. Immer die Falschen…“, murmelte sie sich selbst zu, während sie sich in ein Bushäuschen stellte, bis der Regen aufhörte.

Wieder zog sie den Umschlag von Jonesy aus ihrer Jacke.
 

Sehr geehrte Miss Marsh,
 

hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Eröffnung des Testaments Ihrer verstorbenen Eltern am Dienstag, den 30. September 1980 stattfinden wird.

Bitte erscheinen Sie um 15 Uhr in der Privatkanzlei Sauther und Farrow.
 

Mit Freundlichen Grüßen

John O. Sauther.
 

P.S. Liebes Tinchen, es tut mir leid, dass das alles so lange gedauert hat, aber sei unbesorgt, alles wird sich klären und ich bin bei dir. Alles Liebe, Jonesy.
 

Vor allem dieses post scriptum rührte Titine wieder zu Tränen. Sie wusste, sie hatte Freunde in ihrem Dorf. Trotzdem war es schwer.

Sie war erst mit 23 Waise geworden und gerade das machte ihr schwer zu schaffen.

Ihre Mum fehlte ihr entsetzlich, gerade, weil ihr Herz momentan einen Drang dazu hatte, sich Hals über Kopf in jeden zu verlieben, der genau nicht der Richtige für sie schien.

Und ihr Vater… Ihr Magen krampfte sich zusammen, wenn sie nur an ihn dachte- Sie übergab sich direkt vor ihre Füße.

Wütend wischte sie sich den Mund ab.

Nahm einen Kaugummi aus ihrer Jackentasche.

Sie war verfluchte 24 Jahre alt, diese Weichheit war für sie vollkommen fehl am Platz. Ihrer Meinung nach hatte sie genug für zehn Leben geheult und gerade jetzt schämte sie sich unendlich für sich selbst.

Wieder fischte sie in ihrer Jackentasche, zog ihr Zigarettenetui heraus und zündete sich eine ihrer teuren Zigaretten an.
 


 

Severus seufzte angespannt, während sie durch das mittlerweile dunkle und verregnete Dorf fuhren. Das war die dritte Runde und sie hatten das rothaarige Ding immer noch nicht gefunden.

Ihm ging die Geduld mächtig flöten, doch Miss Jule ließ sich nicht beirren. Auch nicht von dem Vorschlag, dass sie von einem Freund bis kurz vor die Schlossmauern hat mitnehmen lassen. Oder dass sie eventuell Lily, beziehungsweise James angerufen hatte, um sie zum Schloss zu bringen.

Doch dann… „Da! Halten Sie an!“, rief er aufgeregt. Da saß, in einem Bushäuschen, und wieder mit einer Zigarette in der Hand, Titine.

Melinda trat übermäßig hart auf die Bremse, sodass Severus Mühe hatte, seine Stirn von der Windschutzscheibe fernzuhalten.
 

Sie sah auf. Da stand ein kleiner, nagelneuer Mini Cooper. Melinda.

Titine ärgerte es über alle Maßen, dass die ältere Lehrerin sie aufgespürt hatte. So wie sie aussah, würde sie nicht um eine mitleidige Tasse Tee herumkommen. Gegen ihren Willen sprang sie auf, trat in ihren eigenen Mageninhalt, ekelte sich, sah auf und fühlte sich, als müsse sie noch einmal vor ihre eigenen Füße kotzen.

Severus Snape stieg gerade reichlich ungelenk aus dem Mini Cooper aus und legte sich fast auf seine schiefe Nase.

„Titine Marsh! Was fällt dir eigentlich ein, mir einen solchen Schrecken einzujagen?!“, wetterte Melinda sofort los.

Titine hatte gute Lust, ihre ältere Kollegin am Hals zu nehmen und ordentlich zu rütteln. Sie war verfluchte 24 Jahre alt und kannte die meisten Leute persönlich, die hier wohnten. Bei den Meisten hatte sie als Kind auch regelmäßig zu Mittag gegessen, wenn ihre Eltern noch arbeiteten.

Sie versuchte, ihrer Kollegin, und Severus noch weniger, in die Augen zu schauen und zog fast trotzig an ihrer Zigarette.

„Los, mach den Glimmstängel aus, ich fahr dich zurück in die Schule.“, Melinda bot ihr eine Hand, Titine warf den Stummel in den Rinnstein und ließ sich erschlagen zum Auto führen. Ihr war immer noch schlecht und sie ahnte, dass sich das morgen nicht bessern würde. Vor allem nicht nach einer mindestens viertelstündigen Fahrt in einem Auto mit Severus.

Der hatte noch kein einziges Wort gesagt, sondern nur still ihre kleine Pfütze beobachtet.

Sie wollte mehr denn je im Boden versinken.
 

Severus wusste instinktiv, dass Titine irgendetwas quälte. Kein Magenvirus, sonst hätte sie nicht weitergeraucht. Und so betrunken, das ihr Körper den Alkohol von selbst abstieß war sie auch nicht.

Auch wenn er zugegebenermaßen amüsiert feststellte, dass ihre Augen eindeutig glasig waren und sie ganz leicht nach Bier und Cognac roch.

Er hätte ihr eher Wein oder wenigstens Likör zugetraut, aber auf der anderen Seite war sie offensichtlich nicht nur eine Muggel, sondern auch eine, die recht dörfische Verhaltensweisen an den Tag legte.

Ihren Kummer ertränken, zum Beispiel.
 

Im Auto stieg er ohne ein Wort zu sagen auf der Rückbank ein, er wollte, sollte Titines Magen erneut rebellieren, verhindern, dass Melindas neuer Wagen sofort zum olfaktorischen Totalschaden wurde.

Er kurbelte ihr sogar das Fenster herunter. Ihn erstaunte, dass so langsam die sorgsam verdrängten Muggelgewohnheiten seiner Kindheit wie selbstverständlich wieder ans Licht rückten.

Titine sah ihn nicht an, doch er bemerkte ihre geschwollenen Augen, ihre hängenden Mundwinkel und ihre Blässe auch, ohne dass sie den Blick hob.

Zu gerne wüsste er, was Lilys Cousine bedrückte, doch er riss sich zusammen, er war hier sicher alles, aber definitiv keine Vertrauensperson.

-Er schämte sich, zuzugeben, dass er es allerdings gern wäre.

Stattdessen stieg er in das verboten kleine Gefährt ein, klappte den Sitz für seine neue Kollegin zurück und belegte sie unauffällig mit einem Zauber, der ihre Übelkeit und ihre Angetrunkenheit deutlich lindern musste.

Dann tat er etwas, was er eigentlich nie hatte tun wollen: Er drang in Titines Geist ein. Nur ganz leicht, es geschah auch fast wie eine instinktive Handlung, doch urplötzlich spürte er eine fremde Traurigkeit an sich. Die, die auch Titine Marsh fühlen musste.

Und dann, auf einmal, sah er Bilder.

Titine, wie sie vor zwei Särgen stand. Sie war entsetzlich dünn und fast grau im Gesicht. Ihre Augen lagen tief in ihren Höhlen und immer mehr Tränen flossen an den ausgemergelten Zügen hinab.

Dann ging sie in einen Nebenraum der Leichenhalle, wo ein protestantischer Priester stand, der gerade seinen Talar richtete.

Es entspann sich kein Gespräch, stattdessen legte der ältliche Pastor nur eine Hand auf ihre Schulter und drückte sie leicht.

Das schien für die ausgezehrte junge Frau zu viel, sie sank vor dem Priester zusammen, ihre Schultern zuckten immer heftiger und er vernahm ein leises Schluchzen.

Er zog sich zurück.

Und blieb ganz still auf dem Notsitz des Mini Cooper zurück.



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